Prolog
Wo genau würde sie Hitoka Yachi jetzt finden? Keiko Izumo dreht sich im Kreis herum und sieht sich fragend um. Okay, die großen Hallen dort sind die Sporthallen, das ist ihr klar. Aber welche davon ist jetzt nochmal die, in der die Volleyballmannschaft trainiert, bei der Hitoka inzwischen Managerin ist? Seit ihre beste Freundin dort angefangen hat, ist sie mit dem Kopf oft ganz woanders, so dass sie vieles vergisst. Heute ist es das Mathebuch gewesen und daher will Keiko nun zu ihrer Freundin und ihr das Buch bringen, immerhin haben sie heute noch Hausaufgaben in diesem Fach aufbekommen. Aber wo genau muss sie jetzt hin? Vielleicht … ach, im Notfall schaut sie einfach in jede einzelne dieser Sporthallen hinein, irgendwo wird sie ihre Freundin schon finden.
Kurz darauf steht sie vor einer Sporthalle und sieht hinein. Das hier scheint tatsächlich die richtige zu sein, zumindest sind da drinnen ein paar Jungen damit beschäftigt, ein großes Netz aufzubauen, das sich quer durch die Mitte der Sporthalle spannt. Zwei andere Jungen schieben große Wägen gefüllt mit Volleybällen heran. Ah, und die beiden Jungen da, der Rothaarige und der große Schwarzhaarige, waren die nicht schon mal bei ihnen im Klassenzimmer und haben dort mit Hitoka gesprochen? Doch, sicherlich. Der Rothaarige ist nicht zu übersehen und der mürrische Gesichtsausdruck des anderen bleibt einem auch im Gedächtnis. Doch Hitoka kann sie in dem ganzen Gewusel nicht entdecken. Stattdessen blickt einer der Jungen in ihre Richtung und sieht sie erstaunt an. Sofort macht Keiko erschrocken einen Schritt nach hinten und stößt im nächsten Moment gegen jemanden. Mit schnell schlagendem Herzen dreht sie sich vorsichtig um und erstarrt, als ihr Blick auf eine Brust gerichtet ist. Langsam hebt sie ihren Kopf und lässt ihn höher und höher gleiten. Verdammt ist der riesig!
„Pass gefälligst besser auf, wo du hinläufst!“, wird sie angezischt und sofort stellen sich all ihre Nackenhaare auf.
Ihre Augen sind weit aufgerissen, als sie durch ein Paar Brillengläser von oben herab angesehen wird. Die Augenbrauen hat der blonde Junge hochgezogen und sein Blick sieht verächtlich auf sie herab.
„I-ich ...“, stottert Keiko.
„Was? Auf den Mund gefallen?“ Seine Mundwinkel verziehen sich passend zu dem verächtlichen Blick. „Egal wie, steh hier gefälligst nicht so dumm im Weg herum, es gibt noch Leute, die hier entlang wollen.“ Und mit diesen Worten schiebt sich der Blonde an ihr vorbei und tritt in die Sporthalle ein, ohne ein weiteres Wort an die Kleinere zu richten.
Keiko sieht ihm ungläubig, mit immer noch weit aufgerissenen Augen und stark schlagendem Herzen hinterher. Was war das denn? Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie eingeschüchtert ist oder dem Typen am liebsten hinterhergehen und ihn zur Rede stellen soll.
„Entschuldige bitte“, erklingt eine weitere Stimme und erschrocken dreht sie sich um. Sie hat nicht gemerkt, dass der blonde Volleyballspieler nicht allein gewesen ist, ihre Aufmerksamkeit war nur auf diesen gerichtet gewesen.
„Entschuldige bitte, Tsukki, ähm, Tsukishima ist manchmal etwas, hmm, kompliziert. Aber er meint das nicht wirklich böse.“
Der schwarzhaarige Junge, der sich gerade vor ihr verbeugt hat, richtet sich wieder auf und sieht sie an. Seine Haare sind ein wenig länger und reichen ihm über die Ohren. Und er hat Sommersprossen, stellt Keiko erstaunt fest. Irgendwie wirkt er süß, im Gegensatz zu ... Ihr Blick richtet sich über ihre Schulter und sie sieht in die Sporthalle hinein, wo sie einen Blick auf den blonden Freund des vor ihr Stehenden werfen kann. Wie ist sein Name nochmal? Tsukki? Nein, Tsukishima, so heißt er.
„Willst du zu uns?“, fragt der Junge vor ihr und sie richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
„Ähm, ich suche eigentlich Hitoka.“
„Ah, Yachi?“ Der Gesichtsausdruck des vor ihr Stehenden hellt sich auf.
„Ja, genau.“
„Einen Moment.“ Der Junge drückt sich an ihr vorbei und sieht in die Sporthalle hinein. „Ist Yachi schon da?“, ruft er fragend.
„Die ist mit Shimizu kurz etwas holen gegangen“, kommt von innen eine Antwort.
Der Junge, der nun hinter Keiko steht, dreht sich zu dieser herum.
„Entschuldige bitte, Yachi ist ...“
„Ich habe es gehört. Danke dir, dass du gefragt hast. Könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?“ Keikos Wangen färben sich rot, während sie mit einer Hand an ihren Hinterkopf greift.
„Klar. Was soll ich denn machen?“ Der Blick des Jungen wirkt nun neugierig.
Keiko hebt das Mathebuch hoch. „Kannst du ihr das vielleicht geben? Das hat sie vorher liegen lassen und wir haben heute Mathe-Hausaufgaben aufbekommen, sie braucht es also noch.“
„Ich gebe es ihr sehr gerne.“
Das Mathebuch wird aus Keikos Händen genommen.
„Vielen Dank.“ Sie verbeugt sich dankend vor ihm. „Dann noch viel Spaß.“
Und ehe der Junge etwas weiteres sagen kann, hat sich Keiko bereits umgedreht und läuft davon. Ihr Herz schlägt immer noch etwas schneller von der Begegnung gerade eben. Auch wenn der Junge mit den Sommersprossen gesagt hat, dass dieser Tsukishima es nicht böse gemeint hat, so hat er ihr doch einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Und sie will jetzt eigentlich nur noch so schnell wie möglich weg von hier. Das war genug Aufregung für diesen Tag.