Zum Inhalt der Seite

Champ Stories

Band 1: Endynalos
von
Koautor:  Flordelis

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Champ-Time mit einer großen Portion Dyna-Mut!

Gestärkt durch das Essen hatten auch die Babys länger als vorher durchgehalten, so dass sie diesmal vier Runden am Stück spielen konnten. Allerdings schaffte Pichu es tatsächlich mitten im letzten Gefecht einzuschlafen, weshalb er von einem Ball getroffen und schmerzhaft geweckt worden war, nur um direkt zu weinen anzufangen. Erst Maxax hatte ihn wieder beruhigen können – und dann war Pichu auf dessen Kopf eingeschlafen, während die anderen das Spiel unbeirrt fortführten. Deswegen machten sie nach der vierten Runde endlich Schluss.

„Ihr habt gut gespielt“, sagte Delion, als er mit seinen Pokémon – außer dem schlafenden Pichu – High Fives austauschte. „Gute Arbeit von allen~.“

Auch Raelene lobte die Pokémon aus ihrem Team fleißig. Alle hatten sich ganz schön ins Zeug gelegt, wodurch es einem Training schon recht nahe gekommen war. Entsprechend erschöpft fühlte sie sich auch.

„Ruht euch jetzt gut aus.“

Vor allem für die Babys war eindeutig Schlafenszeit, denn es war inzwischen schon spät am Abend und dunkel geworden. Der Himmel war düster, trotz zahlreicher Sterne. Da es in Score City zu viel Licht gab, konnte man diese Gestirne in den Kronen-Schneelanden viel besser bewundern. Für Raelene war es kein seltener Anblick, doch sie empfand es jedes Mal als romantisch. Diesmal war sie sogar mit Delion hier, was es doppelt so schön machte.

Nur der Mond spendete etwas Licht. Genau wie die Energieströme, die aus dem Inneren des Dyna-Baumes nach außen flossen und die nahe Umgebung auf magische Weise erhellten. Es war ein angenehm mattes Leuchten. Man konnte daher trotzdem noch genug sehen, was recht praktisch war.

Azurill hatte, im Gegensatz zu Pichu, zwar auch die vierte Runde Völkerball noch überstanden, versuchte dafür seit einer Weile schon krampfhaft wachzubleiben, nickte aber immer wieder weg. Vielleicht hätten sie daran denken sollen, zuerst das Zelt aufzubauen, statt nur zu spielen.

Apropos Zelt …

Würden Delion und Raelene jeweils in ihrem eigenen schlafen oder zusammen in einem? Darüber hatte sie noch überhaupt nicht nachgedacht. Länger warten sollte sie jedenfalls nicht, also machte sie sich endlich an die Arbeit und fing an alles, was sie zum Aufbau des Zeltes benötigte, auszupacken.

„Soll ich dir dabei helfen?“, bot Delion sofort an. „Du kennst dich sicher gut damit aus, aber zu zweit geht es schneller.“

Bevor Raelene seine Hilfe überhaupt dankbar annehmen konnte, schob er noch eine Frage hinterher: „Wäre es dir lieber, wenn wir getrennt schlafen?“

Also war auch ihm das schon durch den Kopf gegangen. Vor Nervosität fielen Raelene ein paar Sachen aus der Hand und landeten auf dem Boden, ein Teil davon auf Wollys Fell, die neben ihr lag und döste.

„Ähm, nun ...“, gab sie verlegen zurück. Sie strich sich einige Haarsträhnen hinter das Ohr und schielte zur Seite. „Also d-das kommt darauf an. Wäre es aufdringlich oder gierig, wenn ich jetzt Nein sage?“

Raelene wollte nämlich schon wahnsinnig gerne mit ihm in einem Zelt schlafen, konnte aber nicht richtig einschätzen, ob das vielleicht schon zu früh war. Delion kniete sich neben sie, um schon mal ein paar der Sachen wieder einzusammeln. Dabei ließ er sie kaum aus den Augen, was sie noch nervöser machte, im positivem Sinne.

„Aufdringlich finde ich das nicht. Außerdem habe ich dich ja gefragt. Und gierig fände ich es auch nicht. Ich wäre nämlich auch dafür, nur ein Zelt zu benutzen.“

Zunächst war Raelene überrascht, wie souverän Delion das sagte, doch dann wandte er hastig den Blick ab. Entweder war er doch noch rot geworden oder zu verlegen, um sie weiter direkt anzusehen – oder beides. So konnte er wenigstens nicht sehen, wie breit Raelene grinsen musste vor Glück. Sie würde vor Hitze und Verlegenheit mit Sicherheit diese Nacht verglühen, aber sie freute sich so sehr, dass es das wert wäre.

„Okay, dann schlafen wir zusammen“, erwiderte sie, während sie auch das letzte nötige Teil aus dem Rucksack zog. „Und da ich schon angefangen habe, schätze ich, dass wir mein Zelt nehmen~. Lass es uns gemeinsam aufbauen.“

Es war groß genug, dass auch immer der Großteil ihrer Pokémon darin Platz fand, also dürfte auch Delion noch locker hineinpassen. Der wirkte erleichtert darüber, dass sie dieses Thema so schnell und unkompliziert abschließen konnten.

„Ja, machen wir das.“

Mit Delions Hilfe dauerte es nicht lange und das Zelt stand bald darauf, bereit bezogen zu werden. Raelene legte gerade noch die Schlafsäcke für sie beide und weiche Decken für die Pokémon aus. Nebenbei holte sie den schnarchenden Dedenne aus ihrem Haar hervor, in das er sich nach dem Spielen wieder zurückgezogen hatte, um ihn vorsichtig drinnen hinzulegen. Als sie zufrieden war, nickte sie sich selbst zu.

„Gut, Zeit für's Bett, ihr Lieben“, sagte Raelene zu den anderen. „Macht es euch ruhig schon mal gemütlich. Delion und ich gehen noch etwas spazieren, aber wir bleiben in der Nähe. Ruft uns einfach, falls etwas sein sollte.“

Diese Ankündigung sprach sie möglichst leise aus, weil die Babys schon schliefen. Feelinara nutzte sogleich ihre Bänder, um den Eingang ins Zelt aufzuhalten und für die anderen Pokémon noch besser zugänglich zu machen. Katapultdra schwebte an ihr vorbei und gab dabei ein Geräusch von sich, das fast schon ein bisschen an „Danke“ erinnerte, Intelleon und Durengard folgten ihm hinein. Maxax zog es aufgrund seiner Größe dagegen vor, draußen zu schlafen – mit Pichu auf seinem Kopf.

Glurak rollte sich ebenfalls neben dem Zelt zusammen, statt darin. Liberlo wollte ihn an diesem Tag wohl nachahmen und legte sich ebenfalls draußen hin. Azurill war während des Aufbaus auf Wolly geklettert und endgültig eingeschlafen, versunken in der Wolle. Gähnend folgte Wolly den anderen ins Zelt. Also wären alle Pokémon sicher, wie es aussah.

Neugierig warf Delion rasch einen kurzen Blick ins Zelt. „Ich bin ja gespannt, ob sie sich auch in der Nacht vertragen.“

„Da mache ich mir eigentlich keine Sorgen mehr“, meinte Raelene schmunzelnd. „Sie wirken schon fast wie eine Familie.“

Das war etwas, wofür sie Pokémon sehr bewunderte. Sie konnten überraschend schnell eng zusammenwachsen. Sicher hatten sie in dem Fall auch Glück, dass ihre Trainer jeweils gute Arbeit leisteten. Feelinara huschte ebenfalls ins Zelt hinein, nachdem sie denen, die draußen schliefen, offenbar noch eine gute Nacht gewünscht hatte.

Zamazenta war der einzige, der sich neben Raelene und Delion stellte. Er sah sie beide abwartend an.

„Ich weiß, nachts ist es dann doch etwas zu gefährlich, ganz ohne Pokémon.“ Raelene sah zu Delion. „Stört es dich, wenn Zamazenta uns begleitet?“

„Natürlich nicht. Er kann ruhig mitkommen.“

Auch Delion wusste sicher, dass es nicht schaden konnte, wenn er bei ihnen war. So könnte Zamazenta sie direkt vorwarnen, wenn etwas geschehen sollte. Außerdem war es wirklich besser, wenn sie nicht ganz ohne Pokémon unterwegs waren – und wer wäre zum Schutz besser geeignet als ein legendäres Pokémon?

Zamazenta schnaubte dankend. Sie war immer wieder überrascht, wie gut Pokémon Menschen verstehen konnten. Woher das wohl kam?

„Dann bleibt schön dicht bei mir. Ich gebe den Weg vor~.“

Raelene überzeugte sich mit einem letzten Blick, dass bei den Pokémon von Delion und ihr alles gut war, bevor sie gemütlich losging. Nach den vielen sportlichen Runden an diesem Tag, war es doch angenehm, es langsam angehen zu lassen. Ein netter Ausgleich.

„Mit Gloria könnte ich das hier nicht machen.“ Unruhig faltete Raelene die Hände. „Sie hat furchtbare Angst vor Gruselgeschichten.“

Gut, ihr selbst ging es nicht anders. Oft hatten Gloria und sie versucht, einen Horror-Filmabend zusammen zu meistern, waren jedoch stets kläglich gescheitert. Geister-Pokémon dagegen waren seltsamerweise kein Problem.

Delion sagte gar nichts auf ihre Worte bezüglich Gloria und Gruselgeschichten, was dafür sorgte, dass Raelene den Blick vom Himmel losriss und zu ihm sah. Anscheinend hatte Delion sie intensiv angestarrt, so plötzlich wie er sich auf den Weg vor ihnen fixierte und sich künstlich räusperte.

„Huh, so wirkt sie auch ein wenig“, kommentierte Delion schließlich. „Sie mag Romantik bestimmt mehr, hm?“

Raelene sah Delion einen Moment lächelnd an, bevor sie verträumt wieder in den Nachthimmel starrte.

„Nun, manchmal, wenn wir mal Zeit dafür hatten, haben wir uns getroffen und uns gaaanz kitschige Filme zusammen angesehen. Voll mit Romantik und so. Dann haben wir uns immer vorgestellt, dass in den männlichen Rollen jeweils unser Schwarm steckt ... anschließend aßen wir vor Frust viel zu viel Eis, weil wir dachten, unsere Träume würden eh niemals wahr werden.“

Lachend schüttelte sie den Kopf. Zamazenta lief neben ihr her, ohne eine Reaktion zu zeigen.

„Also, Ja, sie mag Romantik.“ Sie zwinkerte Delion zu. „Und das eben war ein geheimer Ausschnitt aus dem mädchenhaften Alltag des Ditto-Champs. Unveröffentlichtes Material~.“

„Wirklich interessant~. Und wie fühlt es sich nun an, dass der Traum wahr geworden ist?“

„Wie ein Traum halt.“ Sorge spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. „Ich befürchte immer noch, dass ich plötzlich aufwachen könnte.“

Instinktiv griff Raelene nach seiner Hand und sah verlegen nach vorne. So lange wie möglich würde sie diesen Traum auskosten, erst recht wenn es doch Realität war. Es fühlte sich noch unwirklich an, deshalb freute sie sich darauf, nach und nach eine immer engere Beziehung mit Delion aufzubauen.

„Frag mich mal so in einem Monat nochmal. Dann glaub ich vielleicht endlich, dass das hier real ist.“

Er drückte ihre Hand lächelnd. „Ich werde versuchen, mir das zu merken. Ich bin aber erstaunt, dass du immer noch an einen Traum glauben kannst. Vielleicht hab ich einfach zu wenige Romantik-Filme gesehen, aber ich könnte mir das alles nicht so realistisch vorstellen.“

„Du bist auch eher der Verwirklicher. Vielleicht liegt es daran~.“

Wahrscheinlich hatte Raelene aber einfach nur doch zu viele Zweifel an sich selbst. Obwohl sie eigentlich schon recht selbstbewusst geworden war, nagten ziemlich oft negative Gedanken an ihr. Sie fragte sich ohnehin schon die ganze Zeit, was genau Delion an ihr liebte. Raelene würde sich aber nie trauen zu fragen, aus Sorge, dass dann doch noch alles zusammenbrach.

„Da vorne müssen wir gleich um die Felsen herum. In einer versteckten Nische steht dann der Grabstein“, erklärte sie.

„Ganz schön gut versteckt. Wie hast du den denn gefunden?“, fragte er irritiert.

„Ich habe ihn nicht gefunden, das war mein Gorgasonn, als ich sie mal dabei hatte. Liberlo hatte sie zu einem Wettrennen herausgefordert. Da ich auf dem Rotom-Rad dabei war, bekam ich mit, wie Gorgasonn plötzlich komplett vom Weg abkam und hinter diesen Felsen verschwand. Erst dachte ich, sie hätte sich nur verlaufen, aber anscheinend war sie von etwas regelrecht angezogen worden.“

Was die Existenz dieses Grabsteins nur noch gruseliger machte. An der Geschichte amüsierte Raelene aber dennoch die Tatsache, dass Liberlo wirklich erpicht darauf war, mit jedem zu rennen. Immerhin waren Gorgasonns geradezu berüchtigt für ihre langsame Fortbewegungsart. Das Rennen hatte damals deswegen ewig nicht enden wollen, weil ihr Gorgasonn erst spät an der Ziellinie angekommen war.

„Dann muss es sich wirklich um etwas Gruseliges handeln. Ich bin schon so gespannt~.“

Zamazenta hob kurz den Kopf und schüttelte sich anschließend. Was auch immer er damit sagen wollte, es war beruhigend, ihn dabei zu haben.

Sie führte Delion um die Felsen herum und achtete darauf, keine schlafenden wilden Pokémon zu wecken, indem sie darauf achtete, wo sie hintrat. Je näher sie aber dem Grabstein kamen, desto verlassener wurde die Gegend, bis es schon nahezu verdächtig still wurde. Als könnte jeder Laut ein Kartenhaus zusammenstürzen lassen, weswegen die Welt selbst sich das Schweigen auferlegt hatte.

„Da vorne ist die Nische“, flüsterte Raelene, eingenommen von der Atmosphäre. „Wir sind gleich da.“

Die Stelle war an sich absolut nicht ungewöhnlich. Eben eine natürliche Nische, in einer von Felsen zerklüfteten Gegend. Aber dieser einzelne Grabsteine war wirklich ... ominös. Er sah zwar auch normal aus, aber gerade dadurch wirkte er absolut unpassend an dieser Stelle.

Als sie näher herangingen, überkam einen das Gefühl, dass sich sämtliche Haare auf dem Körper aufstellten. Es war unglaublich.

„Unheimlich~“, murmelte Delion vergnügt.

Ohne darüber nachzudenken, griff Raelene nach seinem Arm und rückte dichter an ihn heran. „Mhm ... sagte ich doch.“

Sie klang bei weitem nicht so vergnügt wie er, aber immer noch neugierig. Die Atmosphäre jagte ihr dennoch einen Schauer über den Rücken. Sogar Zamazenta knurrte leise. Es war das erste Mal, dass Raelene ihn dabei hatte und seine Reaktion beobachten konnte.

„Kannst du was mit dem Text auf dem Grabstein anfangen?“

Konzentriert las Delion die Inschrift auf dem Gestein. Trage meine Stimme in die Welt hinaus, lautete sie. Was sollte das nur bedeuten? Egal, wie oft Raelene den Text sah, sie wurde nicht schlau daraus. Falls das ein Rätsel sein sollte, lag ihr so etwas wohl nicht. Jedenfalls nicht solche.

Nachdenklich runzelte Delion die Stirn. „Meint das, wir sollen irgendwem erzählen, dass hier ein Geist lebt?“

„Wie hoch ist die Chance, dass wir damit andere verfluchen?“, warf Raelene nervös ein, eher an sich selbst gerichtet.

Ob sie Delions Schicksal bereits besiegelt hatte, weil sie nun mit ihm hier war? So weit hatte sie gar nicht gedacht. Nein. Keine Panik! Als Champ von Galar durfte sie sich von so etwas nicht einschüchtern lassen. Aber ... in dem Fall wäre Delion der Leidtragende.

„Irgendetwas muss hier aber sein. Ich fühle mich immer total beobachtet, wenn ich an diesem Grabstein bin.“

„Jetzt gerade auch?“, hakte Delion nach.

Anscheinend ging es ihm nicht so, sonst würde er sicher nicht fragen. Hoffentlich bildete Raelene sich am Ende nicht nur etwas ein, weil sie sich leicht gruselte. Angespannt starrte sie schweigend den Grabstein an. Plötzlich schüttelte sie sich dann, ähnlich wie Zamazenta vorhin, und schlang nun auch den anderen Arm schutzsuchend um den von Delion.

„Sowas von Ja! Das ist echt gruselig. Aber ich will auch wissen, was sich hier wohl für ein Pokémon versteckt ... falls es denn eines ist.“

Sie beugte sich ein wenig Richtung Grabstein und sprach ihn respektvoll an: „Hey. Wir wollen wirklich nicht stören, sondern nur mal Hallo sagen. Du musst nicht schüchtern sein, wir sind echt nett.“

Delion hob seine freie Hand. „Hallo~.“

Nichts geschah.

Doch dann schien auch ihn ein seltsames Gefühl heimgesucht zu haben, denn er sprach noch leiser als vorher: „Irgendetwas ist hier auf jeden Fall.“

In Raelenes Augen glühte ein Funken der Begeisterung auf, aber aus Nervosität flüsterte sie ebenfalls weiter: „Also spinne ich doch nicht~.“

Am besten sollte sie unbedingt nochmal die Leute in Freezedale zu diesem Grabstein befragen. Oder sie meldete sich bei Peony und hoffte darauf, dass er zufällig mal irgendeine Notiz zu diesem Mythos aufgeschrieben hatte.

Zamazenta stieß ein warnendes Heulen aus, aber es galt nicht Raelene oder Delion, sondern eindeutig dem Grabstein. Oder irgendetwas, das dort sein musste. Es war schön, dass Zamazenta so sehr auf sie achtete, dass er selbst dieses merkwürdige Etwas warnte.

„Hm ... ich glaube, wir sollten vielleicht lieber in einer anderen Nacht zurückkommen ...“, schlug Raelene vor, sichtlich unruhig. „Mit unseren Pokémon.“

Im Moment konnten sie nicht wirklich etwas tun, deswegen nickte Delion.

„Ja, lass uns irgendwann anders wiederkommen. Am besten mit ein paar Geister-Pokémon.“

„Auf jeden Fall.“

Wenn sie beide vorbereitet waren, könnten sie vielleicht wirklich mit diesem Etwas kommunizieren. An Delions Seite fühlte sie sich außerdem wesentlich stärker. Dann könnte auch niemand so einfach ihren eigenen Geist übernehmen – so etwas passierte hoffentlich niemals einem von ihnen, auch wenn viele wilde Pokémon in der Hinsicht eine große Bedrohung darstellten.

„Also gut, Zamazenta, wir gehen wieder“, beruhigte sie ihn. „Danke, dass du so wachsam bist.“

Das legendäre Pokémon sah sie mit einem entschlossenen Blick an, der deutlich machte, dass Zamazenta das für selbstverständlich hielt. Delion bewegte sich bereits ein wenig rückwärts, um von diesem Ort wieder wegzukommen, was Raelene ihm gleichtat. Nur um sicherzugehen, bevor vielleicht doch noch ein Geist auftauchte, der sie zu übernehmen versuchte.

„Dass du dich bislang allein hergetraut hast“, bemerkte Delion dabei anerkennend, „ist nicht schlecht.“

Nur ungern ließ Raelene den Grabstein aus den Augen, solange sie noch so nah waren, aber sie musste diesem einen Drang folgen und Delion anschauen.

„Findest du?“, entgegnete sie stolz.

Ein Lob von Delion versetzte ihr Herz direkt wieder in Aufregung. Jetzt kam es ihr albern vor, dass sie besorgt gewesen war, er könne sie für einen Feigling halten. Ein wenig Vorsicht bei gruseligen Dingen war doch aber eigentlich nur normal, oder?

„Vielleicht bin ich einfach nur etwas lebensmüde~.“

Er lächelte sie an. „Das werde ich dir noch austreiben. Lebensmüde zu sein ist keine Champ-Qualität. Machen wir daraus lieber Dyna-Mut!“

Nun, Raelene konnte seine Sorge durchaus verstehen, aber war das im Grunde nicht dasselbe? Nein, irgendwie klang das beeindruckend. Mächtig. Positiver.

Dyna-Mut“, wiederholte Raelene fasziniert. „Oh ja, das klingt echt viel besser~. Champ-Time mit einer großen Portion Dyna-Mut!“

Wo nahm Delion nur immer diese eingängigen, lässig klingenden Catchphrases her? Von ihm kam es immer so natürlich, ganz von allein ... sie liebte ihn auch für diese einfallsreiche Seite.

„Gut, nächstes Mal lösen wir dieses Rätsel~.“

Raelene war so von ihrer Begeisterung abgelenkt, dass sie das leise, unheilvolle Flüstern aus dem Grabstein nicht bemerkte. Es versuchte, nach ihnen zu greifen, doch Zamazenta lief schützend hinter ihnen und warf immer wieder einen drohenden Blick nach hinten, bis sie weit genug entfernt waren. Die nächtlichen Geräusche kehrten allmählich zurück, das Leben war wieder spürbar.

„Unbedingt. Wir können das nicht so lassen“, sagte Delion bestimmt.

Hörte sich so an, als würde er sich bereits Sorgen darüber machen, dass am Ende sonst doch irgendjemand von einem Geist besetzt wurde. Das dürften sie natürlich nicht zulassen. Vor allem Raelene als Champ nicht. Darum stimmte sie ihm sofort zu, gleichzeitig froh darüber, dass Delion an alldem auch Interesse zeigte und das nicht als alberne Beschäftigung abgetan hatte. Wer weiß, wie sehr Bürokratie einem auf Dauer auf die Nerven schlug?

Als sie bemerkte, dass sie sich immer noch an seinem Arm festhielt, wollte sie erst verlegen loslassen und sich entschuldigen. Aber ... wenn es ihn stören würde, hätte er sicher schon etwas gesagt, oder? Vielleicht genoss sie die Nähe dann einfach, bis sie wieder beim Zelt waren. Außerdem hatte Raelene ihn bezüglich ihrer Anhänglichkeit vorgewarnt.

Während sie zurück in Richtung Zelt liefen, atmete Delion tief durch. „Ich war schon eine Weile nicht mehr so richtig entspannt unterwegs. An mehreren Tagen der Woche auch noch.“

Also hing Delion wohl tatsächlich fest wie in einem Käfig. Es betrübte sie, wenn sie daran dachte, wie er nur in seinem Büro saß oder mit wichtigen Leuten Gespräche führen musste. Sicher, jemand musste Liga-Präsident sein, aber sie wünschte, Delion könnte einfach wieder das tun, was er so sehr liebte …

„Dann werde ich doch wohl ab jetzt öfter nach draußen zerren müssen“, beschloss sie. „Wir haben schließlich viel zu tun hier. Eine Menge Rätsel wollen gelöst werden.“

„Ich bitte auf jeden Fall darum. Mit dir unterwegs zu sein, ist schöner, als im Büro festzusitzen. Ich bin stolz auf dich, dass du auf all diese Geheimnisse gestoßen bist. Das zeigt mir, dass du ein guter und verlässlicher Champ bist.“

Verwirrt blinzelte Raelene ihn an. „Weil ich gerne Abenteuer erlebe in meiner Freizeit?“

Das erschien ihr nicht wie etwas, womit sie irgendwem eine Hilfe wäre. Gut, falls hinter dem Grabstein ein gefährliches Pokémon stecken sollte, würden sie in dem Fall für mehr Sicherheit sorgen, wenn sie sich darum kümmerten. Ansonsten ging es ihr bei den Expeditionen eigentlich nur um den Spaß und etwas mit ihrem Team gemeinsam zu erleben. Und darum, neue Pokémon zu entdecken.

„Klar~. Stell dir vor, wir hätten einen Champ, der sich gar nicht dafür interessiert, irgendetwas zu erleben oder zu tun. Wie soll das dem Ruf der Liga helfen? Aber wenn du gern Abenteuer erlebst und dabei solche Rätsel findest und löst, ist das echt zuträglich.“

So hatte sie das noch nie betrachtet, aber es stimmte. Wenn sie außerdem bedachte, wie sehr sie Galar liebte, klang es sogar absolut wundervoll. Sie war kein schlechter Champ.

Raelene schmiegte ihren Kopf an Delions Schulter und schloss kurz die Augen. „Danke, Delion.“

Solange sie aus seiner Sicht so positiv dastand, müsste sie sich absolut keine Sorgen machen.

„Nichts zu danken“, sagte er sanft.

Das Camp kam langsam schon wieder in Sichtweite, man konnte Gluraks Flamme in der Dunkelheit deutlich leuchten sehen.

„Scheint alles in Ordnung zu sein“, stellte Raelene zufrieden fest.

Jedenfalls wirbelte Gluraks Flamme nicht wild herum und es war auch sonst ziemlich friedlich.

Das bestätigte sich auch, als sie schließlich wieder am Camp ankamen. Liberlo lag auf dem Rücken, Arme und Beine weit von sich gestreckt – bestimmt hatte er sich im Schlaf wieder sehr lebhaft bewegt. Widerwillig löste sie sich von Delion, um sich zu strecken. Zamazenta legte sich neben das Zelt und entspannte auch sofort.

Zielstrebig zog Raelene direkt ihre Jacke aus, die sie sich angezogen hatte, bevor sie losgegangen waren. „Dann mal ab ins Bett.“

Das wurde wohl langsam wirklich Zeit, auch wenn es schade war, dass die Zeit so schnell verflog. Delion folgte ihrem Beispiel, aber da er keine Jacke trug, zog er einfach nur die Schuhe aus, was Raelene wiederum nachahmte.

Der Gedanke, gleich zusammen mit Delion und seinen Pokémon gemeinsam in einem Zelt zu schlafen, war unbeschreiblich beruhigend. Sie wären alle in ihrer Nähe, würden Wärme verbreiten und durch ihre Anwesenheit versichern, dass sie alle füreinander da waren. Bestimmt ging es Zamazenta ähnlich, deshalb konnte sogar er nun so entspannt daliegen. Eigentlich dachte sie, ihr Herz würde vor Aufregung und Verlegenheit explodieren, aber sie war überraschend gelöst.

Lächelnd sah sie zu Delion und vollführte eine einladende Geste Richtung Zelt. „Gehen wir mit der Zeit und machen mal ein Men's First~. Ich quetsche mich dann dorthin, wo noch Platz ist. Oh, und pass auf, Wolly ist sehr kuschelbedürftig.“

„Da bin ich mal gespannt“, schmunzelte er.

Er ging in die Knie, um ins Zelt hineinzukriechen. Kurz darauf folgte Raelene ihm und schloss den Eingang hinter sich anständig. Wolly hatte sich bereits in ihren Schlafsack gekuschelt, vermutlich weil es dort nach ihr roch. Deswegen musste sie den Flauschball behutsam hochheben, um sich selbst anständig hinlegen zu können. Azurill lag inzwischen bei Feelinara und Katapuldra.

Plötzlich gab Wolly einen erfreuten Laut von sich, als sie dann bemerkte, dass Delion und Raelene zurückgekommen waren. Schläfrig drehte sie sich zwischen ihnen hin und her. Vermutlich kämpfte Wolly gerade mit der Entscheidung, mit wem sie zuerst kuscheln sollte. Schließlich entschied sie sich aber für Delion, bestimmt um direkt auszutesten, wie es war, in seinen Armen zu schlafen – Raelene war fast ein wenig eifersüchtig.

„Siehst du?“, flüsterte Raelene ihm zu. „Jetzt hast du ein flauschiges Kopfkissen.“

Probehalber kuschelte er sich ein wenig an Wolly, woraufhin sich Begeisterung bei ihm breit machte.

„Ooooh~.“ Seine Augen leuchteten. „Das ist wirklich flauschig. So werde ich großartig schlafen~.“

Hatte er etwa nie wirklich mit Hops Wolly gekuschelt? Irgendwie konnte Raelene sich das kaum vorstellen. Womöglich war das Wolly von Hop aber einfach zu sehr auf ihn fixiert gewesen, weshalb Delion nie eine richtige Chance bekommen hatte.

Raelenes Wollys schien jedenfalls zufrieden zu sein, denn es schlief bereits wieder, während es an Delion gekuschelt blieb. Ihn so zu sehen war doch einfach zu schön, als dass sie ernsthaft eifersüchtig sein könnte.

„Das hoffe ich doch~. Du wirst auf der ganzen Welt kein besseres Kopfkissen finden.“

Gähnend vergrub Raelene sich in ihrem Schlafsack. Eigentlich wollte sie nicht schlafen, weil sie immer noch glaubte, morgen könnte Delion nicht mehr da sein, aber die Müdigkeit riss sie plötzlich wie eine Welle mit sich.

„Danke, für den schönen Tag heute“, nuschelte sie glücklich. „Schlaf gut, Delion~.“

„Ich muss dir danken. Schlaf gut, Rae~.“

Nach diesen Worten kuschelte er sich noch ein wenig enger an das schlafende Wolly und schloss seine Augen. Eingehüllt in all dieser Wärme und das Glück, das dieses Zelt erfüllte, würde das Schlafen bestimmt besonders leicht fallen. Darum konzentrierte Raelene sich auf die ruhigen Atemzüge aller Anwesenden, um selbst ins Land der Träume zu wandern.


Nachwort zu diesem Kapitel:
In den nächsten Kapiteln folgt nun tatsächlich mal Plot. :,D Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück