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Maneki Terror

von

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Das Hauptbüro der Endeavor-Agentur war unnatürlich riesig – niemand brauchte so viel Platz, nicht mal für Konferenzen, eigenes Ego und potenziell eine Hüpfburg. Oder wenigstens 'ne Bowlingbahn.

Huh, das war doch ein Gedanke.

„Hab' ich dir schon vorgeschlagen, eine Bowlingbahn hier einzubauen? Lockert die Arbeitsatmosphäre echt auf, wenn man zwischendurch bäm, einen versenkt! Ich hab' 'nen Kicker in meiner Agentur, meine Sidekicks lieben es, aber mit all dem Platz hier...“

Hawks kletterte durch das Fenster, schüttelte mit einem gewinnenden Lächeln seine Flügel aus und – nun, Enji war komplett unbegeistert. Nichts Neues.

Doch, irgendwie schon. Enji. Kurz und süß hinten im Mund wie eine kleine Explosion Brausepulver. Hawks gab sich jedes Mal Mühe, ganz cool zu sein, nicht so auszusehen, als schwitzte er in seinen Handschuhen, aber da er hier nicht vor Gericht war oder so... Zwischen Klosterschwestern, es war immer noch wie ein heimlicher Traum, durch dieses Fenster ins Büro der größten Helden-Agentur Japans zu steigen und zu wissen, dass er nicht ganz unwillkommen war.

„Geh. Ich bin beschäftigt.“

… Na gut, Enji drückte diese winzige Veränderung ziemlich subtil aus. Doch er dürfte sich schon ein bisschen mehr freuen – Hawks war seit, was, drei Wochen nicht allzu greifbar gewesen, und noch länger nicht mehr in Tokio, etwas Wiedersehensfreude wäre schon nett.

Enji blickte mit seinen stechend-hellblauen Augen von seinem Laptop auf, und jede Anforderungen an Nettigkeit verließen prompt Hawks' Hirn. Überbewertet, er war voll okay mit diesem frostigen Blick und dem mürrischen Zug um den Mund.

„Uh, Endeavor-san, wenn ich den Weg gehe, den ich gekommen bin, werde ich ein platter, matschiger Vogel-Pfannkuchen und meine neue Merch-Reihe verzögert sich. Was sagst du zu 'ner Tischtennisplatte?“

Da war ein winziges Zucken in den strengen Linien um Enjis Augen, das Hawks großzügig interpretierte als 'na gut, du bist ein bisschen lustig'. Genug Zeit, um zu seinem riesigen Schreibtisch zu schlendern, und Hawks sah total ein, warum der so groß war: er konnte den Tag nicht erwarten, an dem er das polierte Holz auf seinem nackten Rücken spürte und seine bebenden Flügel Stifte und Akten herunterstießen, und wann immer er das Möbelstück sah-

Hawks kam abrupt zum Stehen, als er einen mit einem Handtuch bedeckten Kasten neben dem Schreibtisch sah. Etwas daran störte seinen Tagtraum.

„Sag' mir bitte, dass da eine Minigolf-Matte drin ist.“

„Warum sollte es,“ brummte Enji mit ärgerlicher Verwirrung, doch er schloss den Laptop, was ein deutlicher Gewinn war. Diese... Sache zwischen ihnen war noch sehr empfindlich und rang um Balance, aber Hawks hatte bemerkt, dass Enji sich zunehmend weniger den Anschein gab, mit etwas beschäftigt zu sein, wenn Hawks anwesend war. Etwas weniger schroffe Fassade, um ihn abzuwimmeln. Von einem Workaholic. Das war... viel, tatsächlich.

„Weiß nicht, für dich ist normales Golf wahrscheinlich wie Minigolf? Musstest du schon mal mit dem Premierminister den Ball durch diese Windmühle kriegen?“

„So spielen Erwachsene kein Golf.“

„Kann sein, ich fand die kleinen Autos schon immer spannender als die Bäl-... oh.“

Hawks verstummte, als er das Handtuch neugierig vom Kasten zog. Und darunter etwas entdeckte, das sein Endorphin-Level von neun auf drei herunterregelte.

Es war ein Karton für Instant-Nudeln (vollkommen akzeptabel) mit einem zerrupften Fellbündel darin, das inakzeptabel erbärmlich aussah. Es hatte verschleimte Augen, eine kahle Stelle am Hintern und das Fell hatte allgemein die Farbe eines zerknitterten Taschentuchs, das man auf einer öffentlichen Toilette benutzt hatte, weil das Papier aus war.

Es war eine außerordentlich hässliche, eklige Katze und Hawks mochte keine Katzen. Aber, hm, die Einschätzung traf so oder so zu.

Dann fauchte ihn dieser Gremlin an, und Hawks ließ das Handtuch wieder über die Kiste fallen. „Flipp' nicht aus, aber da drin ist ein lebendes Taschentuch, in das jemand ziemlich gründlich reingesch-“

„Ich weiß, dass da eine Katze ist,“ unterbrach ihn Enji ungeduldig und stieß seinen Stuhl langsam vom Tisch weg. „Meine Tochter hat sie vorbeigebracht.“

„Toll.“ Hawks wischte sich schaudernd die Hände an der Hose ab und nahm zur Sicherheit Abstand von dem zischenden Kasten. „Jetzt hast du in deinem riesigen Büro keine Bowlingbahn, aber eine Katze mit vermutlich allen felinen Krankheiten in Tokio. Sollte die nicht zum Arzt oder so?“

Wo sie bitte ein Sidekick hinbrachte, weil Endeavor zu viel Aufmerksamkeit in einer Tierarztpraxis auf sich zog und außerdem einen viel wichtigeren Gast hatte. Schieb' ab, Flohtütchen.

„Fuyumi holt sie später ab,“ erwiderte Enji, ohne die freundliche Warnung vor dieser Gesundheitsgefahr zur Kenntnis zu nehmen. „Ihre Mittagspause war vorbei, und sie hat noch zwei Klassen.“

Hawks war intelligent genug für die Kernaussage: dass eins von Enjis Kindern (vielleicht Fuyumi, vielleicht war sie auch die Vermittlerin, das spielte keine Rolle) ihm etwas Lebendiges, Schwaches anvertraut hatte. Und das war eine große Sache, die behutsam gehandhabt werden musste.

Aber... es war absolut nicht das, was Hawks wollte. Oh, er war komplett dafür, dass Enji sich seiner Familie wieder annäherte, er half ihm auch im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten (und seinem eigenen Fundus mit dysfunktionalen Familien).

Nur – Hawks hasste Katzen. War vielleicht was Genetisches. Er war nicht hierhergeflogen, um seine wertvolle Zeit hier mit diesem verschnodderten Haarball zu teilen. Und ja, sich zusammen ein bisschen um ein armes, hilfloses Tierchen zu kümmern war eins der beliebtesten RomCom-Tropes überhaupt, aber a) Nein und b) in diesem Job machte man das nicht. Das... was auch nur in Richtung Zukunftsplanung ging. Oder zumindest Hawks machte das nicht, offensichtlich.

„Cool,“ log er glatt. „Dann holen wir uns kurz was zu essen, heute ist Takoyaki-Tag.“

Und dann setzen wir uns auf dein riesiges, irgendwie unbequemes Sofa, und weil es so unbequem ist, setze ich mich auf deinen Schoß und lecke dir Mayo von den Lippen.

Enji nahm sein Handy, um es stirnrunzelnd mit seinen riesigen Fingern zu bearbeiten. „Nein.“

Hawks gab nicht so leicht auf. Tat er nie. „Ich hol' was! Oder wir bestellen, dann kannst du mich einladen wie der distinguierte Gentleman, der du tief im Inneren bist.“

Bevor es darauf eine Reaktion gab, summte das Handy in Enjis Pranke: kein Foto leuchtete auf dem Display, weil alt und Technikkrüppel, aber Hawks war gut darin, die Mikro-Regungen in Enjis vernarbtem Gesicht zu erkennen. Das unmerkliche Glätten seiner Stirn, die ein wenig gespannten Augenwinkel.

Kind. Fuyumi vermutlich, weil's keine Encore von Lass-nervös-das-Handy-fallen gab, wie es passierte, wenn Shoto sich meldete. Und natürlich nahm Enji den Anruf an, weil er versuchte, die Beziehung zu seiner Familie zu reparieren, und das war gut für alle, es war auch gut, ihn ein bisschen entspannter zu sehen.

Es war... bestimmt auch gut für Hawks. Redete er sich ein. Er wollte, dass es Enji gut ging, ehrlich. Doch er wollte auch egoistisch ein bisschen Priorität für sich, wenn er von Fukuoka herkam und verdiente, eine Runde von dem kuriosen, sanften Tanz zu erleben, den Enji und er seit Osaka miteinander aufführten. Er brauchte das.

Ich hol' die Kleine gleich ab, Tou-san! Vielen Dank noch mal, dass du dir die Zeit genommen hast... Ich hab' uns Gyoza als Ausgleich mitgebracht! Ah... kannst du mich vielleicht zum Tierarzt fahren? Die Bahn war schon vorher so stressig für das Kätzchen...“

Fuyumi redete noch ein bisschen weiter, Hawks spürte ihre freundliche, aufgeregte Stimme in seinen Federn, während Enji ihr kurz, aber nicht ruppig antwortete. Die Augen des älteren Mannes ruhten auf Hawks, und es war nicht mal auffordernd, nicht mal 'Sieh zu, dass du Land gewinnst'.

Dennoch musste er wählen zwischen seiner Tochter und seinem... was auch immer Hawks für ihn war. Seinem Freund vielleicht.

Und letztlich war Blut dicker als Mayo. Hawks feuerte grinsend Fingerguns auf ihn ab und schob sich seine Schutzbrille wieder über die Augen, bevor er zurück nach draußen kletterte. Er wartete nicht darauf, dass Enji sein Telefonat beendete. Und er war nicht enttäuscht, sagte er sich. Auch nicht, dass Enji nicht nach ihm rief.

Es war das erste, aber nicht das letzte Mal, dass ihm diese verdammte Katze in die Quere kommen würde.

 

> Du, ich, Kaffee und Waffeln?

> ☜(˚▽˚)☞

Hawks formulierte das als Frage, aber er wartete nicht wirklich auf eine Antwort. Erstens, weil Enji erst mal sein Handy entsperren musste (tricky) und dann wäre die Antwort wohl immer noch absehbar. Deswegen fragte er zwar, damit der große Mann gewarnt war, aber das war's dann.

Aus so vielen Gründen verpasste er das Freitags-Meeting der Anständigen Leute (TM), tat jedoch der Höflichkeit halber ein bisschen verlegen, als er Enji abpasste. Diese Anständigen Menschen wären entsetzt, wenn er diese Meetings wahrnehmen würde... Er arbeitete für ihren Seelenfrieden.

„Endeavor-san, heute in eleganter Sandfarbe und Ocker – ist das schon Partnerlook? Beantworte das nicht, deine Augen sagen die Wahrheit.“

Besagte Augen sagten tatsächlich etwas: ein winziges Zucken, erst von Überraschung, dann von so etwas wie Sanftheit vielleicht – dann legte sich die übliche Gereiztheit darüber, noch bevor Hawks beide Füße fest auf dem Bürgersteig hatte.

„Du hast das Meeting schon wieder verpasst.“

Hawks zuckte mit den Schultern. „Kam was dazwischen. Weißt ja, wie das ist, und ich hab' mich so beeilt, mea culpa, jetzt lass uns einen Snack holen.“

Enji war zumindest kurz stehen geblieben, um ihn zu schelten (als hätte das bei Hawks je was gebracht, aber wer wusste schon, wo Gewohnheit aufhörte... und Enjis Aufmerksamkeit fühlte sich immer gut an), jetzt nahm er seine zügigen Schritte wieder auf. „Nein.“

Das war Hawks gewohnt. An dem Tag, an dem Enji nicht zuerst kategorisch 'Nein' sagte, würde er persönlich seine Temperatur fühlen.

„IHOP ist direkt auf dem Weg zurück zu deiner Casa.“

„Fast Grund genug, einen anderen Weg zu nehmen.“

„Du bist so ein Snob! Ich dachte, du mochtest das Omelette!“

Enji warf ihm einen angewiderten Blick zu, der später als Meme im Internet landen würde, und von da würde Hawks ihn sich herunterladen. „Es war fettig.“

„Wie es sein sollte! Erweitere deinen kulinarischen Horizont, Enj-... Endeavor-san.“

Niemand war nah genug, um den kleinen Versprecher gehört zu haben, aber Hawks überlief dennoch ein kalter Schauer – weil ihm solche Fehler nicht passieren durften. Nicht hier. Nicht irgendwo. Reiß dich zusammen. Lass dich nicht gehen.

„Es erweitert nur meine Gefäße,“ brummte Enji missbilligend, doch unvermittelt musterte er Hawks scharf aus dem Augenwinkel. Bohrend wie ein Laser. „Hast du in den letzten 24 Stunden irgendetwas mit Nährwert gegessen,“ grunzte er unwirsch, aber unter dem Poltern lag eine Spur Sorge. Er interpretierte Hawks' Anspannung als Schwindel; und dass er überhaupt etwas gemerkt hatte – wachsamer alter Mann, ooh – machte Hawks zwar wirklich ein bisschen schwindlig, doch tatsächlich stand er über solchem Killefitt wie niedrigem Blutzucker. Wenn ein Straucheln bedeutete, dass man vor eine Fensterfront (oder Schlimmeres) klatschte, lernte man früh, das zu regulieren.

Was nicht hieß, dass Hawks die Gelegenheit, ein bisschen malerisch zu leiden, nicht mit beiden Händen ergriff. Bitte, er war da wirklich nicht so stolz. Wenn man die Chance hatte, warf man sich schwächelnd in die Arme des Kavaliers!

„Vor 'ner Weile. Aber deswegen gehen wir ja jetzt essen! Du kannst nicht ewig allen Sirup verachten, da draußen gibt es den Sirup für dich!“

(Enji nahm besonderen Anstoß an der Sirup-Auswahl von IHOP. Hawks hatte sich mühevoll verkniffen zu bemerken, wer noch süßer als Sirup war, denn er mochte seinen Schädelinhalt, wo er war.)

„Ich muss zurück ins Büro,“ erwiderte Enji, diesmal etwas weniger knapp. Er arbeitete an seiner Kommunikation; es machte Dinge mit Hawks, dass er sich bemühte. Die Veränderung hatte ein Gletschertempo, doch Hawks war ein äußerst scharfer Beobachter.

Und diesmal wimmelte Enji ihn nicht ab: er hatte wirklich etwas zu tun.

„Wieder Catsitting?“

Hawks sagte es eigentlich, um eben nichts zu sagen, was in die Richtung von dem ging, was Endeavor und die restliche Elite des Landes derzeit in Atem hielt – weil er wusste, dass es gefährlich war, dass sein Blick dann zu dem dunkelroten Narbengeflecht irrte und ich wollte nicht, dass sie dir das antun.

Aber Enji nickte, minimal verlegen vielleicht. „Sie bekommt im Drei-Stunden-Takt Medikamente, und Fuyumi kann die Zeit nicht freimachen.“

Ihr Vater konnte es unter Umständen auch nicht, doch er hatte Personal, das zweifellos für seinen Boss auch mal Katzenpisse aufwischte. Es war... rührend, irgendwie, Enji gab sich mit diesem Vieh fucking Mühe, und tiefenpsychologisch war das bestimmt gut, weil es so eine Art Rückgriff auf Kleinkinder und Enjis Totalversagen als Vater war, wahrscheinlich schon da, als seine entzückenden Babies noch Windeln getragen hatten.

Aber falls das noch nicht klar geworden war... Hawks erwischte diese therapeutische Maßnahme ziemlich bei den Eiern. Und auf keine gute Weise.

„Und da bist du die einzige Alternative?“ Hawks gestikulierte ungeduldig, während sie die Straße überquerten. „Klar, Nummer eins bleibt bodenständig und bescheiden und pflegt sogar Kätzchen gesund, aber... es gibt Wichtigeres.“

Etwas in Enjis Gesicht zuckte: unbehaglich, dann ärgerlich, weil Ärger seine Patentreaktion war. Flammen leckten an seinen kräftigen Brauen entlang und erreichten seine Stirn, bevor sie wieder erstarben.

„Das tut es,“ sagte er grimmig. „Aber ich will das tun. Ich dachte, gerade du würdest das verstehen.“

Au. Aua.

Es tat weh, weil es verdient war. Und weil Hawks gut darin war, seine Rolle zu spielen, sodass der Stress, der sich ab und zu durch seinen Verstand fraß, nicht nach außen drang. Enji hatte keinen guten Draht zu seinen eigenen Gefühlen, geschweige denn zu denen anderer: Hawks hatte das gewusst. Es war okay für ihn, er plante nicht in die Zukunft und nicht mit einem 'Partner', schon gar keinem, der empathisch war. Um ehrlich zu sein, würde er es wohl auch hassen.

Es hatte nur seinen Preis, in Momenten wie diesem.

„Tja, das letzte Kind hat Fell, hm?“ Hawks produzierte ein überzeugendes Grinsen. „Darf ich mit dir kommen und dein Katzenbaby angucken, Endeavor-san?“

„Ugh, Hawks.“

„Hast du gerade die Augen verdreht wie ein Teenager?!“

„Das reicht!“

 

Hawks fand, dass Straßenkatzen schon von sich aus ziemlich uncharmant waren: sie pinkelten alles an, zerkratzten es und rannten ziellos schreiend herum. Was fair war, wenn man bedachte, dass das in ihrem alten Leben völlig okay gewesen war.

Deswegen war er, milde gesagt, verstimmt, als sie Enjis Büro betraten und das dumme Mistvieh stumm in seiner geräumigen Box (diesmal ein richtiger Kennel für Tiertransport) saß, ordnungsgemäß in die kleine Kiste mit Streu uriniert hatte und allgemein nicht mehr so ekelhaft aussah wie zuvor.

Also... immer noch wie'n vollgekacktes Taschentuch, aber ohne Bindehautentzündung und Flöhe. Und sie machte auch kein Theater, als Enji die Abdeckung der Box abnahm.

Nein, das Theater kam erst, als Hawks sich über die Box beugte. Das Taschentuch stellte seine paar Haare auf und fauchte, oder eher, es rotzte asthmatisch los.

„Ganz der Papa,“ brummte Hawks und schob einen (behandschuhten, er war nicht irre) Finger in die Box, um zu versuchen, etwas weniger bedrohlich zu sein... doch die Katze raste in die Ecke, als hätte er mit einer Gabel nach ihr gestochen.

Gut, Falken machten Jagd auf Kleintiere, aber das war ein bisschen zu dramatisch. Und das kam von Hawks.

„Halt' sie einfach fest.“ Enji grub eine kleine, versiegelte Ampulle mit einem Medikament aus der Tasche neben dem Kennel und brach die Spitze der Kappe ab.

Erneut: theoretisch eine gute Sache. Er ließ Hawks an seiner kleinen Simulation Kümmer-dich-um-das-Baby teilhaben, statt alles allein zu machen, und Enji war ein Typ, der normalerweise alles allein machte. Hawks war ihm irgendwie wichtig genug, um ihn einzubeziehen, ob das Enji bewusst war oder nicht.

Praktisch: Hawks wollte die Katze nicht anfassen, die Katze wollte von ihm nicht angefasst werden, und was war daraus geworden, dass sie einen Abstecher ins Café machten?! Er analysierte bewusst nicht den Sumpf von chaotischen Gefühlen, aus denen dieser Trotz kam (Hawks guckte nicht in den Abgrund, er guckte nach vorn wie jemand, der noch mehr zu tun hatte), nur dass er da war.

Allerdings war er heute schon ins Fettnäpfchen getreten. Und er wusste, wenn er seine Fassade vor Enji nicht aufrechterhalten konnte, konnte er Enji nicht sehen, so einfach war das. Und diese Alternative war... aus vielerlei Gründen noch düsterer.

„Auf deine Verantwortung.“ Hawks war versucht, bloß Federn zu benutzen, um dieses kleine Mistvieh zu fixieren, aber das war etwas gegen den Sinn der Übung. Schweren Herzens griff er das zischende Kätzchen und klemmte dessen Kopf zwischen seine Finger, um ihn ruhig zu halten.

Woraufhin es mit seinen winzigen Katzenlungen ein infernalisches Kreischen erhob und sämtliche Verdauungsprodukte zu verschießen begann. Wundersamerweise vor allem auf Hawks.

Er hasste dieses Tier.

„Das ist Echtleder,“ murrte er, während Katzenpisse in seinen Handschuh einzog, aber der kleine Dämon kreischte bloß weiter – ein menschliches Baby wäre bereits puterrot, und das Katzen-Äquivalent war... dass es anfing zu würgen.

„Hawks,“ brummte Enji tadelnd. Zweifellos war er der Meinung, dass Hawks unnötig grob zupackte, was der naheliegende Schluss war... aber ein bisschen Vertrauen! Hawks war der zertifizierte Profi mit Kindern!

„Ich kann nichts dafür, sie kotzt auf meine Hände, nicht andersrum!“ Hawks versuchte, das kreischende Taschentuch wenigstens über seine Streukiste zu halten, während der Nacktmull versuchte, trotz seiner armseligen Zähnchen und Krallen durch die Handschuhe zu dringen. Obwohl es ein dürres kleines Biest war, kämpfte es, als ginge es um sein Leben – so sehr, dass Enji nicht mal daran denken konnte, das Medikament zu verabreichen.

„Boss?“ Burnin steckte den Kopf zur Tür hinein, und ihr Blick ging sofort zu dem schreienden Taschentuchklumpen. „Der Polizeichef fragt-... Alles okay?“

Ja, bestimmt interessierte sich sogar der Polizeichef von Tokio für diese verdammte Katze, warum nicht! Das war doch nicht normal, was stimmte nicht mit diesem Vieh?!

Enji griff mit Daumen und Zeigefinger nach dem Nackenfell des Kätzchens, und es erschlaffte. Während es Hawks immer noch voller Abscheu aus seinen bösen kleinen Augen beobachtete, aber es hörte auf, seine eigenen Innereien auszuwürgen zu versuchen. Doch es fauchte nach wie vor feucht, wenn Hawks ihm vage zu nahe kam.

Es brauchte nicht, dass Burnin das mit den Medikamenten half, weil die Katze Hawks nicht tolerierte. Es brauchte auch nicht, dass der räudige Fellball hoffnungsvoll nach Enjis Finger grapschte, mit deutlich weniger Krallen als bei Hawks. Es brauchte nicht mal die seltsame Stille, dreckige Handschuhe und dann sowieso einen Funkspruch, dass am nahegelegenen Flughafen Feuerkraft gebraucht wurde.

Es brauchte gar nichts davon, weil Hawks wusste, dass die Dynamik zwischen ihnen aus ihrer fragilen Balance geraten war.

 

Weil er ein Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts war, hatte Hawks immer mal ein Auge auf die sozialen Medien der jüngsten Todoroki-Generation.

Nicht so sehr Shotos – dem komplett das Gefühl für diese Disziplin abging, wer wollte denn Fotos von einem Fensterrahmen auf Instagram sehen?! - aber die anderen beiden posteten dort ab und zu.

Natürlich war die Katze da. Katzen waren Clickbait. Vor allem erbärmliche kleine Krepelkatzen, die von einer attraktiven jungen Frau gepflegt wurden. Fuyumi postete ab und zu Updates, tauschte sich mit ihren Freunden aus und suchte nach jemandem, der das Tier aufnahm, sobald es ausgewachsen war. Sie konnte die Katze nicht selbst behalten, teilte aber geschickt 'persönliche' Infos, um Menschen an der Adoption zu interessieren.

Sie hat mir zugewinkt wie ein Maneki Neko... Obwohl sie sich versteckt hatte, hat sie mich zu sich herangewinkt. Vielleicht wollte sie auch nur meinen Crepe, haha... Sie liebt Wärme. Ich bin ihr fast zu kalt. Ah, jedenfalls – wir nennen sie Kiki, bis sie von ihrem neuen Halter ihren neuen Namen bekommt! Großraum Tokio wäre toll.“

Nicht zu fassen, dass mal der Tag kam, an dem Hawks Fuyumi die Krätze an den Hals wünschte. Aber er war sowieso das Arschloch in der Geschichte – es war ja kaum die engagierte junge Frau, die eine Straßenkatze gesund pflegte und ihr ein Heim suchte, und nebenbei ihre Familie ein bisschen zusammenbrachte.

Fehlte ja auch noch, dass er seiner Schurkentarnung mehr Tiefe verlieh. Die Liga wäre beeindruckt von seiner Kaltblütigkeit.

Das einzige, was diese Ironie erträglich machte, war dass Enji und er wirklich ein Dinnerdate hatten. Unerwartet hatte sich eine Lücke im Zeitplan des älteren Mannes ergeben, und Hawks... konnte Dinge einrichten, wenn er auf andere verzichtete. Und gut dabei aussehen. Eeeasy.

Nicht wirklich. Hawks spürte, dass die nächste Phase seines Jobs bevorstand. Dann würde er abtauchen, also war dieser Abend gut und gerne die letzte Gelegenheit, Enji zu sehen.

Vielleicht auch die letzte Gelegenheit, an der Enji ihn sehen wollte, aber Hawks dachte darüber nicht nach. Bewusst. Wenn er diesem Gedanken erst Raum gab...

Hawks landete leise im inneren Garten, zwischen dekorativ verdrehten Ahornbäumen und schwach duftenden Jasminbüschen. Dass Enji aus dem Hauptwohnsitz der Todorokis ausgezogen war, bedeutete nicht unbedingt ein Downgrade, jedenfalls aus der Perspektive des einfachen Volks: es war immer noch eine luxuriöse kleine Festung. Eine, die Hawks infiltrieren konnte, wenn er wollte, allerdings waren die Sicherheitsvorkehrungen auch eher gegen ein gewaltsames Eindringen ausgerichtet.

Das, und niemand marschierte hier so einfach ein.

Hawks trat aus einem Steinkreis, in dem er gelandet war, strich automatisch sein vom Flug zerzaustes Haar glatt (erfolglos) und... starrte.

Die Fensterfront des kleinen Innenhofs war Einweg-Glas, damit man von innen zwar den Blick auf den Garten genießen konnte, die Drohnen neugieriger Reporter (die es ab und zu gab, vor allem seit der Scheidung) aber keine Schnappschüsse von draußen machen konnten. Allerdings hatte Hawks' Schutzbrille eine Beschichtung für solche Lowtech-Abwehr.

Enji saß auf seinem niedrigen Sofa, ein Pad in der Hand, auf dem er ab und zu vorsichtig mit dem Zeigefinger wischte. Er trug einen dunklen Pullover statt eines Hemds und auf seiner Nase balancierte eine schmucklose Lesebrille, die er bisher noch verweigert hatte.

Er sah für seine Verhältnisse entspannt aus, fast wie ein normaler Mann, der im Feierabend seine Zeitung las. Enji hatte gesagt, dass er nicht wusste, wer er eigentlich war; aber wenn Hawks ihn so ansah, schien er Fortschritte darin zu machen, dieses Wissen zu finden, und es tat weh, weil Hawks dabei sein wollte, wenn er das tat, nicht bloß jetzt, er wäre in Zukunft gern dabei, doch...

Enji nahm die Lesebrille ab, klappte die Bügel ein und warf Hawks durch das dicke Glas einen Blick zu, der deutlich besagte: 'Hör auf, da herumzulungern wie ein Spanner.'

Etwas in dem Sinne jedenfalls.

Hawks grinste, nahm seine Schutzbrille ab und schob die Schiebetür auf, um einzutreten und seine Schuhe abzustreifen. „Sorry, sorry. Hab' nur gerade ich gedacht, wie, eh, häuslich das Ganze ist? Du, ich, Abendessen, der Mond und-... was zum Fick.“

Das hatte er bis vorhin noch nicht gedacht, aber... jetzt dachte er es.

Denn auf Enjis Schoß, direkt auf seinen muskulösen Oberschenkeln, von denen Hawks schon viel länger fantasierte als sonst jemand, lag dieser beschissene Klumpen Katze.

Nicht nur war dieses Vieh allgemein da, es war auch da, wo Hawks hinwollte; worauf er hinarbeitete, und dieses Ding klebte da einfach und haarte bestimmt alles voll!

Enji runzelte die Stirn und legte das Pad auf den Kaffeetisch. Die Katze rührte sich dabei nicht: sie war nicht merklich größer geworden, aber alles sah klein aus, wenn man es mit Enjis Oberschenkeln verglich. Sie wirkte ekelhaft zufrieden und behaglich, wie sie da rumlag und mit ihren gierigen Pfötchen ab und zu den Hosenstoff knetete.

Enji wirkte nicht mal ertappt. Wahrscheinlich fand er, dass er nichts falsch gemacht hatte. „Das war selbst für dich eine vulgäre Aussage,“ brummte er, doch Hawks war nicht in der Stimmung, das zu einem Kompliment zu verdrehen. „Enji, warum ist die Katze hier.“

Er hatte Enjis Vornamen noch nie so benutzt. Er benutzte ihn immer noch mit dem aufgeregten Stolz eines Kindes, das sein rotes Bonanza-Fahrrad fahren durfte. Aber jetzt war es vorwurfsvoll und... harsch.

(Es war die Abstufung zwischen 'Keigo-chan' und 'Kei-go.' und Hawks hasste und fürchtete sie.)

Und kein Tonfall, in dem Enji normalerweise mit sich reden ließ, noch dazu in seinem eigenen Haus, doch er arbeitete auch daran; notwendigerweise, seit er ein Minimum an Kontakt zu seinem älteren Sohn hatte. Also fixierte er Hawks mit einem kühlen Blick, und die impertinente Katze schmiegte sich an seine Beine.

Schamlose kleine Schlampe, die.

„Meine Tochter hat einen Klassenausflug,“ sagte er knapp.

„Und?“ Hawks wusste, dass er sich nicht diplomatisch verhielt, aber er konnte sich nur schwer bremsen. „Warum ist sie nicht... in ihrer Box, wo sie nichts anpissen kann?“

Jedenfalls nichts, was Hawks noch haben wollte.

Enjis Mundwinkel zuckten minimal, dann hob er die Katze vorsichtig von seinem Schoß – sie verschwand fast in seiner großen Hand. Hawks hasste, wie wütend ihn das machte.

„Sie ist sehr sauber,“ erwiderte er Ältere kurz, fast defensiv.

Fuyumi hatte auch berichtet, dass die niedliche kleine Kiki schnell reinlich wurde und keine Möbel beschädigte: Hawks hatte gehofft, dass sie da übertrieb, doch anscheinend gar nicht so sehr, leider. Aber das Vieh war bald gesund und genährt genug für eine Adoption, und ein Interessent war schon da, also-

Der Interessent war nicht Enji, oder? Er wollte keine Katze halten, oder?!

Aus ihrem sicheren Fort in Enjis Hand fauchte Kiki Hawks an, und sein Magen zog sich zusammen. Es war eine Sache, wenn das Mistvieh in Enjis Büro herumhockte und sein Personal übernahm, wenn er arbeitete. Doch in seinem privaten Wohnumfeld, wo abgesehen von einer Reinigungskraft und vielleicht Fuyumi niemand herkam...

Außer Hawks. Hawks war der einzige heimliche Gast hier, während sich das kleine Zeitfenster schloss und er spürte, wie der Boden unter seinen Füßen-

Hawks packte den Stoff von Enjis Pullover – weicher, oft gewaschener und gepflegter Kaschmir – und zog ihn zu sich herunter, nutzte das Überraschungsmoment, um ihn zu küssen. Um dem Drang nachzugeben, etwas gegen das Dröhnen in seinem Schädel zu tun... nicht, weil es für sie beide gut war.

Im Kern seiner Existenz war Hawks sehr egoistisch, fand er.

Enji versteifte sich, überrumpelt und widerwillig. Er stieß Hawks nicht zurück, doch er hatte auch noch eine Katze in der Hand; seine hellblauen Augen tasteten Hawks streng und forschend ab, als wüsste er, dass etwas nicht stimmte, und warum konnte der dumme Mann sich nicht mal fallen lassen?! Musste immer alles langsam und kalkuliert sein, er war nicht aus Stein!

Winzige Krallen gruben sich in Hawks' Ärmel, bevor irgendeine verdammte Chance bestand, die Stimmung zum Positiven zu verschieben. Zischend und wütend verbiss sich die Katze in Hawks' Unterarm, und dem zähen Leder seiner Flugjacke machte das nichts – aber Enji schob ihn mit einer Endgültigkeit weg, die sich nicht ignorieren ließ. Hawks bemerkte, dass ihm keine Flammen ausbrachen, während er Kiki von Hawks' Arm löste, dennoch sprach die grimmige Linie seines Mundes Bände.

Vermutlich dachte er, dass Hawks bloß kindisch eifersüchtig war. Das war die bessere Deutung. Hawks wäre auch gern besser für ihn, aber er konnte nicht.

„Lass das,“ sagte Enji, und es war nicht mal klar, mit wem er sprach.

Es war gehemmt danach. Enji setzte das Kätzchen zurück in die Box, vermutlich in dem Wissen, dass das Biest herauskletterte, wann es ihm gefiel; aber Enji hatte auch eine Schwäche für widerspenstige kleine Dinge, die ihn herausforderten.

Stellt sich heraus, drei ist wirklich einer zu viel.

„Was kochen wir?“ fragte Hawks, schüttelte nonchalant seine Jacke ab. Versuchte zurückzufinden in das kribbelnde, aufregende Gefühl von völlig unaufgeregter, heimischer Ruhe. Wich Enjis Blick aus, der ihm immer noch nachdenklich folgte.

Wusste, dass wenn Enji ihn fragte, was los war, er nicht bleiben konnte. Dann war ihr Abschiedskuss halt ein unromantischer Headbutt mit 'ner aggressiven Flohschleuder am Arm. Ew, die leckte sich selbst-

„Tonkatsu,“ antwortete Enji, bevor Hawks' erratische Gedanken den nächsten dummen Purzelbaum schlugen. Er versuchte, nicht zu offensichtlich aufzuatmen. Er konnte das, er verarschte ständig Menschen zu ihrem eigenen Besten.

„Cool.“ Hawks warf seine Jacke über die Lehne der Couch und sah betont nicht zur Katzenbox. „Dazu darf man Barbecue-Soße essen, oder?“

„Nein.“

„Du hast nicht mal überlegt! Barbecue-Soße macht Liebe mit deinen Geschmacksknospen,“ Hawks wühlte anstandslos in der braunen Pappbox herum, die die meisten Einkaufs-Lieferdienste in der Gegend benutzten, „und wenn du Wasabi drantust-“

„Beende nicht diesen Satz,“ knurrte Enji angewidert, und Hawks lachte. „Können wir Pommes dazu machen?“

„Nein.“

„Weil du immer noch nichts richtig schälen kannst?“ Hawks ließ affektiert die Wimpern flattern. „Könnte schwören, dass dein Physiotherapeut dir gesagt hat, dass du das üben sollst.“

Enjis Flashfire zog immer seine Hände in Mitleidenschaft: jeder Profi kämpfte immer bergauf gegen den Verschleiß des eigenen Körpers. Allerdings gab es Dinge, die Enji einfach so nicht gut konnte, unabhängig vom Heilprozess seiner Hände. In denen stocherte Hawks lieber herum – er musste nicht daran erinnert werden, warum Enjis Gesicht jetzt von einer breiten, dunkelroten Narbe geprägt wurde.

Es war notwendig. Und dennoch...

„Nein,“ beharrte Enji und schaltete das Wasser an, um Pak Choi zu waschen. Und gleich darauf: „Mach dich nützlich oder verschwinde.“

Diese Art Treffen hatten sie zaghaft begonnen, ohne je zu definieren, zu was sie das machte – zu Freunden vermutlich, die ein gemeinsames Hobby teilten. Nur dass Kochen kein Hobby von Hawks war, sondern eine Art praktischer Therapie für Enji, und dass die Funken, die zwischen ihnen immer wieder schlugen, nicht wirklich vom Terminus 'Freundschaft' umfasst wurden.

Hawks hätte auch nie gedacht, dass er je damit zufrieden wäre, so... langsam zu sein. Er unterhielt keine emotionalen Beziehungen, alles war schnell und oberflächlich – musste es sein, bevor sein hyperwaches Nervensystem übersättigt war.

Enji war nichts davon. Die wenige Erfahrung, die er mit Nähe hatte, war durchtränkt mit Reue und Verbitterung, und Intimität zuzulassen war schwer für ihn. Er gab sich Mühe, auf seine methodische Art und Weise, lieber zu behutsam als zu forsch, und es tat weh, dass er anscheinend in einer so großen Zeitspanne dachte.

Als könnten Hawks und er noch in einem Jahr hier stehen und Gemüse putzen. Heimlich und verschwörerisch, zwei öde Typen, die an ihrem Feierabend kochten. Dann aßen sie zusammen, sahen sich noch etwas im Fernsehen an, bis einer von beiden fast einschlief, und gingen ins Bett.

Die Vorstellung war... gleichzeitig so anziehend und so furchterregend für Hawks. Er konnte das nicht. Er hatte nie... Er konnte nicht dorthin gehen.

Dank seiner Reflexe verfehlte das Messer seine Fingerspitze gerade so, dennoch hielt er inne, starr. Wann war ihm Schweiß ausgebrochen?

Neben ihm trocknete Enji sich die Hände ab. Rosa Fleisch lag auf einem Brett, höhnisch schimmernd, verblüffend ähnlich wie ein menschlicher Kehlkopf, wenn man den Schnitt sehr grob ausführte-

„Hawks.“

Enji beobachtete ihn, die hellen Augen schmal und ungeduldig. Er mochte es versuchen, doch in seinem Kern würde er immer ungeduldig sein – nur vielleicht weniger bei lebenden Zielen.

„Ich hab' mich gerade gefragt, ob ich den Herd angelassen habe, aber ich hab' keinen Herd! Wild.“ Hawks grinste und zog seine Hand vom Brett. „Ich hab' mich geschnitten, kannst du pusten?“

Enji Todoroki, der ganz sicher nie auf irgendeine Wunde gepustet hatte, schon gar nicht bei seinen eigenen Kindern, durchbohrte ihn mit einem frostigen Blick. „Nein zu beidem. Wenn du dich nicht benehmen kannst, setz' dich hin.“

Hawks Flügel sträubten sich kurz, fast alarmiert, bevor er es verhindern konnte. „Nein! Es ist okay, es tut auch gar nicht mehr weh! Nur noch innerlich. Reiskocher?“

Enji schnaubte leise, doch er lehnte sich vor, um vermutlich wider besseren Wissens Hawks' Hand in Augenschein zu nehmen... In diesem Moment strich ein kleiner Pelzkörper zwischen ihnen entlang.

„Scheiße,“ zischte Hawks und erzeugte – zugegeben rachsüchtig – eine Böe mit einem Flügel, die Kiki umwarf. Ein taktischer Fehler, denn das kleine Mistvieh begann zu schreien, als hätte er es aufgespießt.

Enjis Miene wurde steifer, härter. „Tu das nicht,“ sagte er, und die Warnung darin war kalt und klar. Dann hob er das Kätzchen vorsichtig auf... und setzte es zu Hawks' Entsetzen nicht zurück in den Kennel, sondern bloß auf den Boden neben dem Kühlschrank.

„Ew,“ machte Hawks, der weltgrößte Heuchler, der die Dreißig-Sekunden-Regel für auf den Boden gefallene Nuggets erfunden hatte. Normalerweise störte ihn eine Katze in der Küche nicht.

Eine Katze, aber diese Katze.

„Es ist mein Haus,“ erwiderte Enji mürrisch, während er eine flache Dose mit Katzenfutter aus einer Tüte nahm, die ihm Fuyumi vermutlich als Care-Paket mitgegeben hatte.

Und wahrscheinlich wollte er weitersprechen und etwas Enji-typisches sagen, grummelig und verstockt, doch irgendwie nicht ganz so schroff. Etwas, das zeigte, dass er versuchte, einen Kompromiss zu machen.

Aber Hawks ließ ihn nicht.

„Und ich bin dein Gast,“ fauchte Hawks, es war rot an den Rändern seines Blickfelds. „Ich bin heute vier Stunden hierher geflogen, über Land, und ja, das sieht einfach aus, aber das ist es nicht. Ich bin wegen dir hier, und du schaffst es nicht, dieses Scheißvieh wegzusperren – Neuigkeiten, ich hasse Katzen, die Insta-Stories sind gelogen, das ist nur PR!“ Das zornige Spreizen seiner Flügel wirbelte geschnittenes Gemüse von der Anrichte, doch es waren keine befriedigend-lauten Geräusche neben Hawks' gepresster Atmung.

„Verdammte Scheiße, Endeavor – du schaffst es nicht mal, mir zu vermitteln, dass ich dir wichtiger bin als dieses widerliche Ding!

Flammen explodierten fauchend auf Enjis Stirn und entlang seines Haaransatzes, die Dose in seiner Hand verbog sich mit einem leisen Ächzen. Es roch nach Katzenfutter und versengtem Laminat.

Drei kurze, rote Federn steckten zentimetertief in der Wandvertäfelung und dem Boden neben Enji.

Für einige Sekunden war da nichts außer dem subtil-bedrohlichen Knistern von scharfen Federn und dem Tosen von Flammen. Hawks fühlte sich befreit, auf eine zerstörerische Art: er hatte das Porzellan endlich fallen lassen und musste keine Angst mehr haben, es zu zerschlagen, weil er es schon getan hatte.

Sein analytischer Verstand wusste, dass das nicht anders war als selbstverletzendes Verhalten – ein Ringen um Kontrolle, weil er sich nicht erlauben konnte, irgendetwas anderes in seinem Leben zu beherrschen. Und für jemanden, der bereits desensibilisiert war, war es leichter, jemand anderen zu verletzen.

Enjis Blick bohrte sich in ihn, vernichtend und heiß inmitten der zuckenden Flammen. „Sprich nicht so mit mir,“ warnte er leise. Etwas in Hawks war morbide-froh, dass er sich wehrte.

„Warum – weil du Nummer eins bist?!“ Hawks schnaufte. „Bitte...“

„Bitte was?“ fragte ihn Enji so unvermittelt, dass es Hawks überrumpelte. Das – und die Frage an sich. Seine Federn zischten leise übereinander, als wären selbst sie verwirrt, ob sie noch auf Angriff oder Abwehr standen.

Und sein Gesicht musste das preisgeben, denn Enji fuhr fort, in seinem üblichen brüsken Tonfall: „Was willst du von mir?“

Die Antwort darauf war... gar nicht so einfach zu geben, das begriff Hawks abrupt.

Endeavor war immer der eine gewesen, aber das bedeutete nicht, dass Hawks sich eine Zukunft Seite an Seite ausmalte; auch dann nicht, als ihre Beziehung sich auf der Gala verändert hatte. Er wollte, was er kriegen konnte, doch es wäre nie 'genug'... und damit nicht klug für jemanden wie ihn.

Am meisten hasste er jedoch, dass dieser ganze Müll wegen einer erbsenhirnigen Katze hochkam! Wie war das möglich?!

„Ich will...“ Hawks hob gereizt die Arme, ließ sie wieder fallen, „oder ich will nicht-... Ich...“

Aus der sicheren Deckung zwischen Enjis Fuß und der Kante der Kücheninsel beobachtete ihn die Scheißkatze aus ihren besserwisserischen Augen, als würde sie ihm zuwinken, und irgendwie schloss das Dinge in Hawks' überreiztem Hirn kurz.

Ich kann nicht, wenn die Katze zuguckt!

Enji starrte ihn an. Kiki starrte ihn an. Selbst das von Flügelschlägen verstreute Gemüse schien irritiert.

Hawks hielt die Absurdität für eine weitere Sekunde aus, bevor er hilflos auflachte. Selbst in seinen eigenen Ohren war es ein schrilles Geräusch. Er lachte noch einmal, und das Flattern in seiner Brust machte ihn fast verrückt.

„Ich hatte... 'ne harte Woche,“ murmelte er lahm.

Hawks war nicht darauf vorbereitet, wie Enjis strenge Miene sich minimal veränderte: dass der unnachgiebige Zug um seinen Mund sich vertiefte, während seine Augenbrauen eine weitere steile Falte über seine Nasenwurzel schoben... und die blauen Augen darunter Hawks mit einem Mal nachdenklich und sanfter als zuvor betrachteten.

Hawks erstarrte. Er weiß es, kreischte es aus einem Winkel seines Verstandes, er weiß alles! Er konnte sich nicht rühren, unsicher, ob er paranoid war; ob er die Situation noch retten konnte oder ob er sofort verschwinden sollte.

Enjis schwere, große Hände legten sich auf seine Schultern und zogen Hawks zu ihm. Ungelenk und langsam, Hawks war immer noch steif wie ein Brett, als seine Stirn Enjis Schlüsselbein berührte. Sie standen nah beieinander wie zwei Einkaufstüten, die jemand nebeneinander abgestellt hatte und nicht mehr als das miteinander zu tun hatten – zur gleichen Zeit irgendwo platziert.

Aber es war Enji, der versuchte, die angespannte Distanz zwischen ihnen zu überbrücken, weil er etwas in Hawks' Gesicht gesehen hatte, das ihn berührte.

Trotz... allem, was zwischen ihnen unhandlich und verkorkst war.

Hawks atmete tief aus und drückte sein Gesicht so fest in Enjis Brust, dass er seine Nase gegen dessen Brustbein plättete. Es roch nach Waschmittel, Rasierwasser und dieser Spur Versengtheit, die immer an Enji hing, und wenn es Hawks physisch möglich gewesen wäre, in den anderen hineinzukriechen, hätte er es getan.

Na ja, nicht wirklich. Aber warum fühlte er sich jetzt, mit zugeschnürter Kehle und plattgedrückter Nase, das erste Mal seit Wochen wieder so, als könnte er frei atmen?

Enjis Hände blieben auf seinen Schultern: er umarmte ihn nicht, schloss ihn nicht in sich ein, doch Hawks verstand, was er meinte. Er verstand einiges an Enji, aber bisher hatte er nicht gedacht, dass Enji... Dinge an ihm verstand, von denen er selbst nicht viel Ahnung hatte.

Hawks inhalierte stockend, seine Hände hingen an seinen Seiten, entspannten nur langsam ihre Fäuste. Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte: wie lange sie wie ein Denkmal der Stoffeligkeit in Enjis gemüsebedeckter Küche standen. Irgendwann strich sogar die blöde Katze an seinem Hosenbein entlang.

„Ich weiß nicht,“ wiederholte er, diesmal müder. Enji brummte leise, aber es klang nicht unzufrieden. Wertungsfrei, wie... vieles an diesem ziemlich aufbrausenden Mann.

„Ich weiß jedenfalls eins... Ich hab Hunger.“ Hawks drehte den Kopf leicht und drückte sein Ohr dabei verstohlen gegen Enjis Herz, den kontrollierten Donner in seiner Brust. „Und ich hab' keine Lust mehr zum Kochen. Können wir bestellen?“

Kochen war Enjis Therapie-Hobby, nicht Hawks'. Hawks hatte nur Spaß daran, weil er es mit dem anderen zusammen tun konnte, und ja, Enji konnte auch seine Küche aufräumen und allein kochen, während Hawks dekorativ zusah... er wollte nur nicht. Er konnte Enji nicht sagen, dass das hier wohl ihr letztes Dinnerdate für 'eine Weile' war, aber er wollte es mit ihm verbringen, egoistischerweise näher als meterweit entfernt.

Enji atmete leise aus. „Hm.“

Es klang nicht enthusiastisch, doch wenn Enji 'Nein' meinte, sagte er auch 'Nein'.

„Enji?“

„Hm?“

Hawks schloss die Augen, wehrte sich halbherzig gegen die kribbelnde Wärme.

„Deine Katze hat mir auf den Fuß gepinkelt.“

„Das-... urgh.“

 

Zehn Minuten später saß Hawks barfuß (frisch gewaschen) und mit seinem Handy auf der Couch und scrollte durch Lieferdienste. Die undichte Katze war wieder in ihrer Box, und diesmal hatte Enji den Deckel geschlossen – war das jetzt ein Sieg für Hawks oder für den Holzboden in der Küche? Schwer zu sagen.

Den Küchenboden, in dem jetzt kleine Löcher von messerscharfen Feder-Projektilen waren, und die gingen nicht von Feuchttüchern und Desinfektionsmittel weg, also... zählte Hawks es als Gewinn, dass er nicht auch weggepackt worden war wie Kiki. Oder gleich nach draußen befördert worden war.

Enji stellte einen dampfenden Keramikbecher vor ihn auf den Kaffeetisch und setzte sich – neben Hawks, allerdings mit höflichem Abstand. Hawks konnte durch das Polster spüren, wie das Gewicht des anderen sich absenkte und ihn für einen Moment hochdrückte, und sein Herz machte einen albernen Sprung.

„Sorry wegen der Löcher. Schick' mir einfach die Rechnung.“

Enji wischte sein Angebot mit einer gelangweilten Geste beiseite und barg seinen eigenen Teebecher in den Händen – die Beiläufigkeit dessen piekste in Hawks' Stolz, auch wenn er einfach die Klappe halten sollte.

„Ich verdiene genug, auch für dein fancy Holzdekor.“

„Ich weiß.“

„Dann-“

„Hawks.“ Enjis Stimme hatte diesen grollenden Beiklang rapide abnehmender Geduld angenommen. „Denkst du, dass ich diese Katze für Fuyumi aufbewahre, weil ich mir keinen Tierpfleger leisten kann?“

„Ich pinkele nicht in Ecken-“

„Du hattest Recht.“ Enjis Blick warnte ihn, den Mund sofort wieder aufzumachen, und ausnahmsweise gehorchte Hawks der Vernunft: auch aus Erstaunen, um ehrlich zu sein.

„Diese Treffen finden... zu meinen Konditionen statt.“ Enji blinzelte, die Stirn gerunzelt. „Das ist unvermeidlich. Aber ich habe es dennoch nicht zur Kenntnis genommen.“

Hawks überspielte das Flattern in seiner Magengrube mit einem Kichern – bestimmt nur Hunger, mhm. „Na ja, du bist Nummer eins! Wir verhandeln das neu, wenn ich im Ranking über dir stehe... Außerdem dränge ich mich dir ja ab und zu auf,“ an dem Punkt schnaubte Enji vielsagend, und Hawks nutzte die Chance, um näher an ihn heranzurücken und ihn mit dem Ellbogen zu stoßen, „also alles paletti. Willst du Teriyaki-Soße zu den Wantans?“

„Nein.“ Für einen Moment schien es, als wollte Enji ihn fragen, was vorhin gewesen war... dann tat er es nicht. Und Hawks war ihm dankbar dafür. Außerdem für die Möglichkeit, das kleine Display eines Handys als Ausrede zu gebrauchen, um sich noch näher an den anderen heranzuarbeiten, damit-

Die Absurdität wurde Hawks seltsamerweise in diesem Moment klar: mit dem Handy auf halber Höhe, um Enji die – seiner Meinung nach – verführerische Auswahl Toppings für Tempura zu zeigen.

Sie hatten diese nur sehr vage definierte 'Sache' mit ihren schwammigen Grenzen, doch zumindest erlaubte sie Hawks, nicht mehr so zu tun, als wären sie bloß Arbeitskollegen. Er hatte das heute schon mal missbraucht, und das war erwartbar scheiße, trotzdem...

Er senkte das Handy auf das Polster zwischen ihnen.

„Jo, Enji.“ Das Flattern in seiner Magengrube war plötzlich und nervös. „Kann ich dich küssen?“

Fühlte sich so seltsam an, das zu fragen. Und er konnte nicht erkennen, ob Enji es seltsam fand, denn dessen Miene war undurchdringlich; eine Maske für jede Art Intimität, denn für Enji war Nähe beängstigend.

„Das hast du schon,“ sagte er, und das nervöse Flattern wurde zu einem angespannten Prickeln.

„Tja, aber... Küsse sind nicht wie zuckerfreie Bonbons, man darf mehr als einen haben.“ Hawks lächelte einstudiert. „Und das gehört auch nicht zu den Dingen, die man zählen muss, Kalorien-“

„Nein,“ erwiderte Enji.

So einfach.

„Okay.“ Hawks schluckte trocken. „Ich musste einfach fragen.“ Sie hatten beide Tabuzonen, alles fair... Tat weh, verdammt. Aber verdient, verdient. Nicht gierig werden – immerhin saßen sie noch hier, das war überhaupt ein Wunder...

Enji stellte seinen Becher auf den Kaffeetisch neben Hawks', auf den Untersetzer wie ein 'zivilisierter Mensch', und wandte sich dann wieder ihm zu. Hawks' Atem stockte, als Enji nach seinem Kinn griff und die Rillen der Hornhaut an der Spitze des Daumens auf seinem Kinnbart knisterten. Enji musterte ihn ruhig und verschlossen aus seinen blauen Augen, und es fühlte sich an, als brächte er damit alles im Raum zum Stillstand.

Abgesehen von Hawks' rasendem Herz. Und selbst das fühlte sich an, als würde es stolpern, als Enji ihn küsste.

Er gewöhnte sich nicht daran – obwohl Enji sich erst nach und nach auf körperliche Nähe einließ, noch dazu mit einem Mann, obwohl Hawks durch seinen Quirk jemand mit einer immensen Kapazität für Empfindungen war... Es raubte seinen Atem, wenn Enji ihn küsste. Langsam und nachdrücklich, der einzige Fokus seiner Aufmerksamkeit. Er ignorierte die Einladung, mit der Hawks seinen Mund einen Spalt öffnete und seine Zungenspitze über die fremden Lippen gleiten ließ, aber nicht mehr länger mit der Starre von jemandem, der damit überfordert war.

Top Speed war nicht die Marke von Enji Todoroki, und Hawks lernte es auf die harte Tour. Und ja, Doppeldeutigkeit leider beabsichtigt.

Es war schon eine aufregende Veränderung, wie Enji die Hand in seinen Nacken legte und die langen Finger seine Wirbel umspannten, und es war lächerlich, wie das allein Hawks ein raues Seufzen entlockte.

Dass er so eine immense Verarbeitungskapazität hatte, ließ sich nämlich nicht abstellen: wenn man es gewohnt war, ständig Stimuli aufzufangen, und damit umzugehen gelernt hatte, um zu funktionieren, dann hatte man eine hohe Erregungsschwelle. Unfassbar unangenehmes Beratungsgespräch damals zu Beginn der Pubertät, yaddayadda, und um es kurz zu machen: für Hawks musste jede Art Sex schnell und maximal intensiv sein, sonst langweilte er sich. Oder er warf vorher alle Federn ab, und das passierte definitiv nicht. Würde vielleicht auch nicht funktionieren. Wen kümmerte das.

Aber es war anders mit Enji. Wenn Enji ihn küsste, tat er nichts anderes, und es war zum Verzweifeln, warum es Hawks verrückt machte. Nicht nur ihre Treffen verliefen zu Enjis Konditionen: Intimität tat es auch, es gab überhaupt keine Garantie für irgendetwas. Alles war ein langsames Herantasten, das nur funktionierte, weil Enji sich zu jeder Zeit bewusst war, wen er vor sich hatte.

Ein unerträglich zahmer Tango, und Hawks war hilflos.

Diesmal schien sein Seufzen allerdings auch bei Enji etwas auszulösen, denn sein Griff in Hawks' Nacken wurde fester, seine kurzen, stumpfen Nägel gruben sich in die Haut. Hawks ließ das Handy aus seiner Hand gleiten, und er rechnete fast damit, dass Enji ihn aufhalten würde, als er näher heranrückte und sein Bein über Enjis warf.

All das geschah immer noch langsam, ohne ruckartige Bewegungen und ganz sicher ohne die Hast, die Hawks sonst an den Tag gelegt hätte. Der Raum drehte sich trotzdem um ihn, und er war peinlich-kurzatmig, als sie sich voneinander lösten.

Er hörte fast nicht, wie ein Handy summte, so laut rauschte das Blut in seinen Ohren. Allerdings nicht in seinen Federn.

„Enji.“

„Hm.“

Enjis Pupillen waren groß und klar, wie dunkle Fenster... und die Zuneigung darin machte Hawks beinahe Angst.

„Dein Handy.“

In ihrem Job ging man immer ans Handy, auch wenn man geistig gerade ganz weit weg war und viel dringender auf der Couch knutschen wollte wie Teenager.

Und weil er sich davon nicht abbringen ließ, nahm Hawks auch nicht sein Bein weg, als Enji mit einer Spur Widerwillen in seine Hosentasche griff, um sein komisches Granit-Handy dort hervorzuziehen.

„Wenn du es schon an hast, kannst du gleich bestellen,“ schlug Hawks hilfreich vor und legte die Arme locker um Enjis Hals, weil er auch das gerade konnte. Und wollte. Er... zögerte noch vor dem letzten Schritt, sich auf dessen Schoß zu ziehen, zumal er keinen unangemessenen 'Druck' machen wollte, was Sex anging, nur wenn er schon-

„Shoto,“ stellte Enji fest, und Hawks schob seine schmutzigen, schmutzigen Gedanken beiseite.

Well, damn. Was Gutes?“

Er schummelte sich komplett unauffällig noch näher, doch zu seiner Überraschung drehte Enji das Display des Handys, sodass er die Nachricht lesen konnte.

> Ich bringe nächstes Mal jemanden mit.

Hawks zog die Augenbrauen hoch. „Nächstes Mal was?“

„Zum Essen,“ erwiderte Enji abwesend. „Was heißt das?“

„Es ist dein Sohn, großer Mann. Frag' ihn.“

„Darauf antwortet er nicht,“ brummte Enji missmutig, und ein Blick auf den Chatverlauf (wenn man das überhaupt so nennen konnte) bestätigte das. Er senkte das Handy und sah Hawks mit einem Ausdruck an, der herzzerreißend verwirrt war. „Was heißt 'jemand'.“

Trotz der Betonung war es etwas, das ihn offenbar sehr beschäftigte.

„Seinen Kumpel? Ein Mädchen? Uuh, Schwiegerkind?“

Es war im Grunde ein Witz, weil Shoto nicht wie der Typ erschien, der traditionell den Partner zu den Eltern schleppte, und schon gar nicht zum verhassten Vater – aber Enjis Augen weiteten sich, und er sah zurück auf das Handy, als wäre dort eine Erklärung zu finden.

„In jedem Fall ist es gut. Er will, dass du jemanden triffst, der in seinem Leben eine Rolle spielt.“ Hawks lächelte und klopfte Enji die Schulter. „Go, Endeavor-san!“

Enjis Freude war... gebremst. Hawks hätte beinahe gesagt, dass er nervös wirkte – was absurd war, doch vielleicht auch gar nicht so sehr.

Als Shoto nichts von ihm erwartet hatte, hatte er sich nur verbessern können. Jetzt würde er erwarten, dass Enji vorzeigbar war, und das war ein Minenfeld.

„Ich weiß nicht, wie,“ sagte er leise und sah Hawks an. Seine Hand in Hawks' Nacken lockerte ihren Griff, gleichzeitig fuhr sein Daumen in das zerzauste Haar und ließ seine Kopfhaut überall prickeln.

„Nope, aber du bist ein kluger Mann. Du kriegst das hin.“

„Hawks...“

Diesmal war die Gänsehaut überall, genauso wie der Stich in der Brust. Hawks war ein Menschenkenner: und Enji war ein sehr selbstständiger Mann, doch diese Sache war ihm so wichtig, dass er sich Hilfe erhoffte... und er erhoffte sie sich von Hawks.

Der nicht in der Nähe sein konnte, wenn dieses Essen stattfand – aber vielleicht irgendwann, wenn er dann noch willkommen war. Er wollte das so sehr, dass es wehtat. Seine Kehle schmerzte, so fest war sie versiegelt, und er wusste nicht, ob er überhaupt ein Wort herausbekam.

Dann gruben sich winzige, scharfe Krallen in seine bloße Wade.

„Au! Verdammt, Katze!“



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