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EMIL

~愛を教えておくれ~
von
Koautor:  -reiki-

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Panda

[JUSTIFY]Dieser Kopf stank bestialisch nach chemischer Keule. Mit jedem Atemzug wurde die Luft ein bisschen schlechter, und vielleicht riskierte ich gerade, ohnmächtig zu werden. Aber meine Sicht war derart eingeschränkt, dass ich nicht einmal bemerken würde, wenn mir schwarz vor Augen wurde. Als wäre das nicht schon lästig genug, drohte ich mich mit jedem Schritt in den viel zu langen Hosenbeinen zu verheddern. Alles in allem lag die Wahrscheinlichkeit, dass sich das hier als schlechte Idee herausstellte, bei zirka einhundert Prozent.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ob es irgendeinen guten Grund gab, es trotzdem zu tun? Ja. Denn wenn ich damit irgendjemanden erheitern konnte, war es das allemal wert, in einem kratzenden Pandakostüm mit übergroßem Kopf über den Flur zu schlurfen. Die Sache hatte nur einen Haken: Es war niemand da, um mich zu sehen. Normalerweise lungerten hier immer irgendwelche Mitarbeiter des Plattenlabels, Manager oder Bandmitglieder herum, doch heute lag der Flur wie ausgestorben vor mir. Mannomann.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich überlegte, im Proberaum der Jungs von LOUD GRAPE reinzuschauen, aber nachdem ich heute Morgen auf einem Skateboard über den Flur geheizt war und dabei beinahe deren Gitarristen und Bandleader Yuki umgekachelt hatte, machte ich lieber einen großen Bogen um ihn. Noch immer stellten sich mir die Nackenhaare auf, wenn ich nur daran dachte, mit was für einem Blick er mich gestraft hatte. Darum steuerte ich stattdessen den Raum an, in dem Dangan NO LIMIT probten. Doch kaum hatte ich ihn erreicht – was in diesem Kostüm mindestens doppelt so lange wie üblich dauerte – begann deren Drummer gerade aufs Schlagzeug einzudreschen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Seufzend drehte ich ab und steuerte die Toilettenräume an. Irgendwo musste doch irgendjemand sein, den ich mit dem Anblick des Requisits für unser neues Musikvideo erfreuen konnte![/JUSTIFY][JUSTIFY]»Hallo?«, rief ich in den weißgekachelten Raum hinein. Doch alles, was zurückkam, war mein eigenes Echo, das von den Wänden widerhallte, und selbst in den  Kabinen herrschte nichts als Leere. Das konnte doch nur ein schlechter Witz sein! [/JUSTIFY][JUSTIFY]Als ich mich umdrehte und den Blick hob, grinste mir im Spiegel ein Panda mit großen blauen Augen und rosa Zunge entgegen. [/JUSTIFY][JUSTIFY]Tja, dann soll es wohl nicht sein. Wer braucht schon einen Pausenclown, wenn niemand sonst Pause macht.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Einen Versuch war es ja wert gewesen. Aber nun gab es keinen Grund mehr, sich auch nur eine Sekunde länger den chemischen Dämpfen auszusetzen. Ich packte den Kopf mit beiden Pfoten, bereit, ihn abzusetzen, als irgendwo auf der Etage eine Tür knallte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Na endlich![/JUSTIFY][JUSTIFY]Der Kopf blieb auf meinen Schultern und ich verließ eilig die Toilette. Da ich keine Schritte im Treppenhaus vernahm, schlich ich auf leisen Sohlen direkt zur Teeküche am anderen Ende des Flurs. Doch was ich dort vorfand, war nicht, was ich erwartet hatte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Auf der Bank am hintersten Ende des Raumes saß eine zusammengekrümmte Gestalt, die Arme um die Beine geschlungen, das Gesicht hinter seinen Knien verborgen, als würde sie sich am liebsten vor der ganzen Welt verstecken. Dass ich überhaupt erkannte, mit wem ich es zu tun hatte, verdankte ich allein dem roséfarbenen Haarschopf.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Reiki, der Gitarrist von LOUD GRAPE, der trotz seines zarten Alters von gerade mal achtzehn Jahren ein erstaunliches Talent an seinem Instrument und bei der Bühnenperformance vorweisen konnte. Ich selbst hatte bei einem ihrer Auftritte miterlebt, wie er nicht nur den deutlich erfahreneren Gitarristen seiner eigenen Band unter den Tisch gespielt, sondern mit seiner Präsenz auch dem Sänger die Show gestohlen hatte. Vor einem Monat hatten LOUD GRAPE dann den Plattenvertrag bei unserem Label unterschrieben und probten seit dem im Raum nebenan. Man sollte meinen, dass es für Reiki kaum besser laufen könnte, auch wenn er in diesem Moment nicht gerade vor Glücksgefühlen strotzte. Eines war jedenfalls sicher: Wenn jemand eine kleine Aufmunterung vertragen konnte, dann er.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich legte mir zurecht, wie ich ihn ansprechen wollte, doch bevor auch nur ein Wort meine Lippen verlassen hatte, hörte ich hinter mir eine Tür aufgehen. Schwerfällig drehte ich mich herum und erblickte dabei Yuki, besagten anderen Gitarristen von LOUD GRAPE, der ein Gesicht zog, als wäre er immer noch nicht über den Beinahe-Unfall hinweg. Zum Glück konnte er mich unter meinem Kostüm nicht erkennen, zumal der riesige Kopf über meine markant geringe Körpergröße hinwegtäuschte. Ich hob meine Tatze, um ihm zuzuwinken, doch Yuki rollte mit den Augen, machte auf dem Absatz kehrt und steuerte die Toiletten an.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Schulterzuckend wandte ich mich wieder dem Häufchen Elend mit dem roséfarbenen Haar zu. Die Stoffpfoten erzeugten keinerlei Geräusch, als ich die Teeküche durchquerte, bis ich direkt vor ihm stehen blieb. »Aber Reiki-kun. Was macht dich denn so traurig?«, fragte ich mit verstellter hoher Stimme und legte den Kopf schief.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Womit auch immer Reiki gerechnet hatte: Ein Panda war es offenbar nicht. Er zuckte zusammen und um ein Haar wäre er von der Bank gefallen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Heilige Sch...!«, fluchte er, sprang auf und musterte mich aus schreckgeweiteten Augen, als fürchtete er, ich würde im nächsten Moment ein Messer zücken.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Hey, keine Panik«, protestierte ich, ein wenig gekränkt von seiner Reaktion, und trat einen Schritt auf ihn zu.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Damit erreichte ich aber nur, dass er erst recht das Weite suchte. »Geh weg, du blöder Bär! Du bist gruselig!«, rief er und machte Anstalten, aus der Teeküche zu fliehen. Doch kaum hatte er den Ausgang erreicht, überlegte er es sich anders. Wie von der Tarantel gestochen, sprang er zurück und drückte sich an die Wand hinter der Tür. Irgendetwas da draußen schien ihm noch mehr Angst zu machen als ein Fremder im Pandakostüm. So sehr sogar, dass er den Zeigefinger auf die Lippen legte, um mich stumm um mein Schweigen anzuflehen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich hatte zwar keine Ahnung, was abging, aber als ich den griesgrämigen Gitarristen von den Toiletten zurückkommen sah, baute ich mich zu voller Größe im Türrahmen auf, um den Blick ins Innere zu versperren.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Hey«, sprach Yuki mich schon in ein paar Metern Entfernung an. »Du hast nicht zufällig einen rosahaarigen Kerl gesehen?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Glaubte er im Ernst, hier würde sich irgendwer aufhalten, der Reiki nicht namentlich kannte? Oder hielt er mich wirklich für einen Bären, der sich in das Gebäude eines Plattenlabels verirrt hatte? Was auch immer in ihm vorging: Offenbar reichte ihm, dass ich in gespielter Ahnungslosigkeit die Arme hob und den übergroßen Kopf schüttelte. Mit einem genervten Stöhnen drehte er ab und steuerte die Treppe an, allerdings nicht ohne noch ein gut hörbares »Sind hier eigentlich alle verrückt geworden?« zu zischen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich wartete noch kurz ab, bis sein Kopf hinter einem Treppenabsatz verschwunden war, dann wandte ich mich an Reiki. »Die Luft ist rein. Lass uns dahin verschwinden, wo er dich wirklich nicht findet.« Ohne eine Antwort abzuwarten, packte ich Reikis Handgelenk, und zu meiner eigenen Überraschung ließ er sich mit mir ziehen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Unser Weg führte direkt zum Notausgang, hinter dem sich ein weiteres Treppenhaus befand, das nur spärlich von vereinzelten Neonröhren beleuchtet wurde. Es wäre das Vernünftigste gewesen, endlich diesen elendigen Pandakopf abzunehmen, doch dafür hätte ich Reikis Hand loslassen müssen, und etwas in mir fürchtete, dass er dann Reißaus nahm. Also zog ich es durch, tapste so gut wie blind und in ständiger Gefahr, über mein Kostüm zu stolpern, Stufe um Stufe empor, bis wir endlich die Tür erreichten, die zum Dach des Gebäudes führte. [/JUSTIFY][JUSTIFY]Ein milder Herbsttag neigte sich dem Ende und eine dunkelrote Sonne verschwand hinter dem Gewirr aus Wolkenkratzern am Horizont.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Willst du mich jetzt vom Dach schubsen?«, fragte Reiki mit nervösem Lächeln. »Oder starrst du mich so lange mit deinen unheimlichen Augen an, bis ich freiwillig springe?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Eh!?«, fragte ich mit meiner besten Pandastimme und deutete mit der Tatze in mein unschuldiges Bärengesicht. »So etwas traust du mir zu? Die Augen sind doch niedlich!« Aber aus welchen Gründen auch immer schien Reiki das anders zu empfinden und zu seinem Glück hielt ich es sowieso keine Sekunde länger darin aus. Mittlerweile nahm ich zwar den chemischen Geruch nicht mehr wahr, dafür aber schwitzte ich in diesem Kostüm aus allen Poren. Also griff ich an meinen überdimensionierten Schädel und setzte ihn ab, schüttelte noch in derselben Bewegung mein Haar aus, das platt an meinem Kopf klebte. Selten hatte ich frische Luft mehr zu schätzen gewusst als in diesem Moment, da sie ungefiltert in meine Lungen strömte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, klemmte mir den Bärenkopf unter den Arm und grinste Reiki an. »Puh. Besser? Oder soll ich ihn doch lieber wieder aufsetzen?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Eh? Raimu-san!«, stieß er überrascht aus, als er endlich erkannte, mit wem er es zu tun hatte: dem Sänger der Band LEZARD. Doch es dauerte nur Sekunden, bis die Irritation von ihm abfiel und einem Lachen wich. Wer hätte gedacht, dass mein richtiges Gesicht ihn mehr erheiterte als ein Pandakopf? Aber ich wollte mich nicht beschweren. Was zählte, war, dass er nicht mehr so trübsinnig oder ängstlich dreinblickte. Das passte ohnehin nicht zu seinem jungen, fast puppenartig glatten Gesicht.[/JUSTIFY][JUSTIFY] »Nein, so ist es viel besser! Aber... warum?«, fragte er grinsend und entblößte dabei seine Hasenzähne, während er auf den riesigen Pandakopf deutete.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Warum?« Ich blickte auf mein Accessoire. »Na ja ... ich wollte wissen, ob mir das steht. Findest du, es passt zu meinem Teint?«, fragte ich und hielt mir demonstrativ die Wange. »Oder ist es vielleicht doch ein bisschen zu gewagt?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Tjaaaa«, sagte Reiki gedehnt. »Da fragst du wohl den Falschen. Mir gefällst du ohne besser.« Er zog eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche, und als ich erfolglos mein eigenes Kostüm abklopfte, um es ihm gleichzutun, bot er mir eine von seinen Zigaretten an.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Wir traten ans Geländer heran und eine Weile blickten wir in einvernehmlichem Schweigen in die Häuserschlucht. Dreißig Meter unter uns pulsierte das Leben. Menschen eilten zum Bahnhof, von einem Geschäft zum anderen, trafen Freunde, Liebhaber oder Geschäftspartner. Manchmal faszinierte mich der Gedanke, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod war. Ich müsste nur das Geländer überwinden und von einer Sekunde auf die nächste läge mein Körper unwiederbringlich zerstört zwischen all diesen Passanten.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Nach einer Weile ergriff Reiki wieder das Wort. »Danke noch mal. Weil du mich nicht verraten hast, meine ich... Das war echt nett von dir.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Zum Glück konnte Yuki nicht sehen, wie mir unter meinem Kostüm die Muffe ging«, erwiderte ich und lachte auf. »Seit dem Skateboardvorfall heute Morgen ist er nämlich echt sauer auf mich, glaube ich. Zumindest hat er echt angsteinflößend geguckt.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Böse gucken kann er gut«, stimmte Reiki mir grinsend zu.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Und du? Was hast du angestellt, dass du dich vor ihm verstecken musst?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Der Gitarrist seufzte frustriert auf, nahm einen Zug und lehnte sich weit über das Geländer, ehe er den Rauch langsam in dicken Wolken ausblies. »Vorhin wurde ein Video hochgeladen, für unseren Auftritt beim 【beauty;tricker】-Event. Und Yuki ist ziemlich angepisst, weil ich meine Langweile beim Dreh nicht verbergen konnte. Keine Ahnung, irgendwie mach ich immer alles falsch.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Eh? Gelangweilt? Du bist so abgebrüht, Reiki-kun!«, stieß ich lachend aus. [/JUSTIFY][JUSTIFY]Keinem anderen Achtzehnjährigen hätte ich das abgenommen. Doch Reiki, so puppenhaft er auch aussah, war anders. Er hatte etwas Trotziges an sich, was sich weder in seinem Verhalten noch in seinen Worten begründete. Ich konnte dieses Gefühl nicht richtig fassen, aber ich spürte, dass da etwas war. Eine Art Aura.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Doch in diesem Moment, als wir beide auf dem Dach unseres Plattenlabels standen, begriff ich, dass der Reiki auf der Bühne und der Reiki hinter der Bühne nicht dieselbe Person waren. Dieser Reiki hier hatte nicht halb so viel Selbstvertrauen und schien alles und vor allem sich selbst in Frage zu stellen. Oder wurde viel mehr in Frage gestellt.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Aber so schlimm, wie du sagst, kann es doch gar nicht gewesen sein«, behauptete ich und zog den Reißverschluss meines Pandaanzugs vom Hals bis zum Becken herunter, um das Handy aus meiner Hosentasche zu ziehen. Nach wenigen Klicks hatte ich YouTube geöffnet und gab LOUD GRAPE in die Suchleiste ein. Das besagte Video erschien gleich als Erstes. »Na, dann wollen wir doch mal sehen.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Oh Gott, bloß nicht!«, versuchte er mich aufzuhalten, gab seinen halbherzigen Versuch aber auf, als die Stimme seines Sängers Ria aus meinem Handy erklang. Als wolle er sich am liebsten in Luft auflösen, ließ Reiki seine Stirn auf die Arme sinken, die er auf dem Geländer ineinander verschränkt hatte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Kaum hatte das Video begonnen, kam ich nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Aber nicht weil Ria so unterhaltsam wäre oder der alberne Schlagzeuger Ban, der sofort das Wort an sich riss. Ich würde es Reiki so natürlich nicht sagen, aber er war einfach zu niedlich, wie er lächelte, durch die Gegend oder auf seine Finger guckte oder an der Schulter des aufgedrehten Drummers schnupperte, als hätte er vergessen, dass gerade eine Kamera auf ihn gerichtet war. Doch als er aus dem Nichts heraus diesen erstickten Laut ausstieß und anschließend den Kameramann, der als einziger gecheckt hatte, woher das Geräusch gekommen war, so verschwörerisch anlachte, konnte ich nicht länger an mich halten. Schallend brach das Lachen aus mir heraus, und ich spulte sofort zurück, um den Moment noch einmal zu sehen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Wie Ria sich umdreht und nach dem Übeltäter sucht!«, kommentierte ich lachend, während ich mich schon auf Reikis herzerwärmendes Grinsen freute, das diesem kleinen Streich folgte. »Ah, so süß«, kicherte ich, als es dann soweit war, und am liebsten hätte ich nochmal zurückgespult. Aber das wäre wohl wirklich etwas schräg rübergekommen. Endlich schaffte ich es, meinen Fokus von dem jungen Gitarristen zu nehmen, um auch mal die anderen Bandmitglieder zu beachten. Angefangen bei Yuki, der Reiki immerhin für sein unkonzentriertes Verhalten gerügt hatte. Doch der war die langweiligste aller Salzsäulen, sodass ich meine Aufmerksamkeit wie von selbst wieder auf seinen deutlich jüngeren Kollegen richtete, bis das Video sein Ende erreichte. Ban bat die Zuschauer noch, sich ihren Auftritt anzusehen und rüttelte zum Abschied wie verrückt geworden an der Kamera, ehe das Bild erlosch.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Mir war sofort klar, was Yukis Problem war – und das war nicht Reikis Verhalten. Nur, was es war, konnte ich dem jungen Gitarristen unmöglich sagen. Es stand mir einfach nicht zu, mich in die Bandangelegenheiten einzumischen, aber früher oder später würde Reiki es sicherlich von allein bemerken.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Das war echt witzig, Reiki-kun.« Schmunzelnd steckte ich das Handy weg. »Und hättest du nicht wenigstens ab und zu mal nichts gemacht, wäre ich nie dazu gekommen, mir auch mal die anderen anzusehen. Du hast nichts falsch gemacht. Also ich mag jedenfalls lieber Typen, die sich nicht so verdammt ernst nehmen. Und ich glaube, so geht es den meisten.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Also kein ›hoffnungsloser Fall‹, der sich total ›unprofessionell‹ benimmt?«, fragte Reiki grinsend und richtete sich wieder auf.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Was? Nein, überhaupt nicht! Sei doch nicht gleich so streng mit dir!«, tadelte ich ihn lachend, weil er es gleich so mit seinem Urteil übertrieb. Dabei lohnte sich diese ganze Aufregung nicht im Geringsten. Niemand würde eine Band ablehnen, nur weil ihr Gitarrist in einem völlig unwichtigen Kommentarvideo für einen – ehrlich gesagt – unwichtigen Auftritt bei einem Festival nicht ganz bei der Sache war. Und obendrein war Reiki auf so charmante Art in seinem eigenen Film, dass es sogar schon wieder anziehend wirkte. »Du hast eine ganz besondere Ausstrahlung, Reiki-kun. Das mag vielleicht nicht jeder, aber du wirst es eh nie jedem recht machen können. Ihr steht noch ganz am Anfang, also wäre es besser, ihr würdet euch vor dem nächsten Video einfach abstimmen, was ins Konzept passt und was nicht. Kompromisse einzugehen, gehört dazu, aber lass dich nicht zu etwas zwingen, was du gar nicht willst. Das ... würde weder dir noch der Band auf lange Sicht guttun ... und glaub mir: wirklich niemand will langweilige Videos sehen.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Völlig in seine Gedanken vertieft, starrte Reiki in die Tiefe. Hin und wieder nahm er einen Zug seiner Zigarette, und je länger das Schweigen andauerte, desto mehr fragte ich mich, ob ihm mein Gerede überhaupt auch nur ein bisschen weiterhalf. Man musste die Bandmitglieder weder besonders gut kennen noch ein Hellseher sein, um zu ahnen, dass wahrscheinlich nicht gerade flache Hierarchien in dieser Band herrschten, in der ein Altersunterschied zwischen den Mitgliedern von über zehn Jahren bestand. Und wer im Falle einer Meinungsverschiedenheit dabei den Kürzeren zog. Nachdem, wie ich Yuki heute erlebt hatte, konnte ich nur hoffen, dass er sich inzwischen beruhigt hatte, und Reiki nicht wieder runtermachte, wenn er zurückkam. Ich dachte sogar darüber nach, ihm beizustehen, aber das würde wirklich zu weit führen. Das war deren Sache, Reikis Sache, nicht meine. Ich war nur ein Typ im Pandakostüm, der zufällig von dem Streit erfahren, aber sonst wenig bis gar nichts mit LOUD GRAPE zu tun hatte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Danke, Raimu-san«, sagte Reiki nach einer Weile und drehte mir lächelnd das Gesicht zu. »Ich denke, deine Tipps werden mir helfen und ... tut mir leid, dass du dir das überhaupt anhören musstet. Ich meine, du hast ja bestimmt auch Besseres zu tun, aber ... was du gesagt hast, baut mich wirklich auf. Nur ... kann das vielleicht unter uns beiben?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Natürlich.« [/JUSTIFY][JUSTIFY]So gern ich auch länger hiergeblieben wäre, um mich mit ihm zu unterhalten: Er hatte ja recht. Meine eigene Band wartete auf mich. Denn nur, weil ich ein Pandakostüm trug, bedeutete es nicht, dass ich zum Vergnügen hier wäre! Dennoch kam ich nicht drum herum, ihm noch eine Sache mit auf den Weg zu geben. »Das Musikbusiness kann ziemlich hart sein, Reiki-kun. Manchmal ist es hilfreich, einen Blick von außen zu bekommen.« Ich trat meine Zigarette aus, ehe ich den Reißverschluss meines Kostüms bis zum Hals hochzog. »Ich bin oft lange im Proberaum. Also ... falls du mal ein bisschen quatschen willst oder so. Ich kenne mich auch ein bisschen aus und ich bin zwar Sänger, aber ... Gitarre spielen kann ich auch. Na ja. Nicht so gut wie du, aber vielleicht hilft es ja trotzdem irgendwie weiter.« Ich lächelte ihm aufmunternd zu und wir setzten uns in Bewegung in Richtung Feuerschutztür. [/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ich komme gerne mal darauf zurück«, sagte er, während wir das Treppenhaus betraten und die Stufen hinabstiegen. »Allein schon, weil ich unbedingt hören muss, wie du Gitarre spielst!« Trotz seines Grinsens entging mir die Nervosität in seinem Blick nicht. Doch es hätte niemanden weitergebracht, ihn darauf anzusprechen. Außerdem erreichten wir bereits die Tür, die zum Flur führte. Ich öffnete sie und erblickte fast im selben Moment niemand Geringeren als Yuki, der vor LOUD GRAPE’s Proberaum stand und wartete. Auf Reiki, vermutlich, der kurz ins Stocken geriet, aber dann sofort die Schultern straffte und ein Gesicht zog, als könne nichts und niemand ihm etwas anhaben.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Kaum krachte die Tür hinter uns ins Schloss, riss Yuki den Kopf zu uns herum und blickte erstaunt zwischen Reiki und mir hin und her, während wir uns ihm näherten. »Reiki-kun, da bist du ja!«, rief er, als hätte er heute nicht mehr mit seinem Gitarristen gerechnet.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Augenblicklich fühlte ich mich beschämt, weil er uns zusammen erwischte, nachdem ich behauptet hatte, Reiki nicht gesehen zu haben. Am liebsten hätte ich mir den Pandakopf wieder aufgesetzt, aber nun hatte er mich sowieso erkannt. Also setzte ich stattdessen mein fröhlichstes Lächeln auf. »Yuki-san!«, rief ich über den Flur und winkte mit der Bärentatze.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ach, du warst das vorhin. Süß«, erwiderte er und verzog seine Lippen zu einem Lächeln, das wirkte, als kostete es ihn Mühe. Aber immerhin war die Wut aus seinem Blick verschwunden. »Bringst du mir meinen Gitarristen wieder?«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich grinste entschuldigend. »Tut mir leid, dass ich ihn entführt habe. Aber ich brauchte dringend einen Rat«, behauptete ich und verbeugte mich leicht.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Seinen Rat?«, wiederholte der Gitarrist und hob die Brauen, ehe sein Blick wieder zu Reiki wanderte, und er erneut, diesmal aufrichtiger, lächelte. »Dann hoffe ich, dass er dir weiterhelfen konnte. Aber Raimu, deine Band sucht dich schon.« Offensichtlicher hätte er mir nicht zeigen können, dass er mit Reiki unter vier Augen sprechen wollte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Tja, dann ...«, sagte ich zögerlich, den Blick auf Reiki gerichtet. »Danke für deine Hilfe! Und bis bald!«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Was sollte ich denn auch anderes tun. Yuki würde ihm schon nicht gleich den Kopf abreißen, und wenn doch, wusste der Kleine ja immerhin, wo er mich und meine Unterstützung fand.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so gut versteht. Wie kommt das denn?«, hörte ich Yuki noch sagen, als meine Hand schon auf der Türklinke zum Proberaum meiner Band lag. Ich zögerte noch ein oder zwei Sekunden, dann kehrte ich zu meinen Kollegen zurück, die mich bereits sehnsüchtig erwarteten. Na ja. Mehr oder weniger.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Was zum Henker hast du getrieben, Raimu?«, tadelte mich sogleich mein Gitarrist und Bandleader Kousuke mit halbstrengem Blick. »Halbstreng«, weil er es zwar streng meinte, aber mit seinen Pausbäckchen dabei trotzdem so niedlich aussah, dass ich ihn nicht so ganz ernst nehmen konnte. »Wir dachten, du müsstest mal für kleine Pandas, aber auf dem Klo warst du nicht!«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ah, na ja, es musste jemand gerettet werden.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]Kousuke rollte mit den Augen. »Typisch für dich.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Sah sie denn gut aus?«, fragte Natsume von seinem Schlagzeug aus, das Kinn lächelnd auf die Hände gestützt.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ihr denkt wohl, ich hätte nur Frauen im Kopf. Aber es war eine berufliche Angelegenheit, wenn es euch beruhigt«, antwortete ich und entledigte mich endlich des Kostüms, faltete es ordentlich zusammen und legte es auf der Sitzecke ab. »Mannomann. Man schwitzt darin wie ein Tier.«[/JUSTIFY][JUSTIFY]»So riechst du jetzt auch«, kommentierte mein Bassist Tacc mit schiefem Grinsen an seinem Verstärker lehnend, nachdem ich gerade an ihm vorbeigegangen war.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Eh?« Nur sicherheitshalber schnupperte ich an meiner Achsel, stieß einen entsetzten Laut aus, als mir der säuerliche Geruch in die Nase stach, und brachte meine Kollegen damit zum Lachen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Selbst Kousuke nahm mir meine überzogene Pause nicht länger übel und griff nach seiner Gitarre. Nur ich war noch immer nicht so weit. Statt mich an das Mikrofon zu stellen, zückte ich mein Handy und rief das Video von LOUD GRAPE erneut auf. Diesmal scrollte ich direkt bis zum Kommentarbereich hinunter.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Raimu ...«, ermahnte mich Kousuke.[/JUSTIFY][JUSTIFY]»Ich bin sofort bei der Sache, versprochen! Nur eine Minute!«[/JUSTIFY][JUSTIFY]//Ah~ Reiki-kun ist so süß ... dieses Lächeln ~(^o^)~ ❤️ // tippte ich eilig von meinem privaten Account den ersten Kommentar zum Video, und hoffte, dass es dem jungen Gitarristen wenigstens ein bisschen weiterhalf.[/JUSTIFY]



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