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Im Schnee verhüllt

Schneeweiß und Rosenrot
von

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Ophilia verstand es nicht. Erstaunt sah sie zu Alfyn, der der Blick von ihr abwandte.

Weshalb schickte Primrose sie weg? Worüber haben sich Alfyn und sie unterhalten? Was für ein Geheimnis hütete das baufällige Haus am Rande der Stadt?

Wie lange die drei Gefährten auf der verschneiten Strasse standen, konnte später niemand sagen. Alfyn fing an, um die beiden Damen zu tänzeln. Was ziemlich albern war, doch er wollte die Situation entspannen. Primrose fixierte Ophilia. Stumm versuchte diese zu erfragen, was Primrose verbergen wolle.

Ophilia wollte so gerne für ihre Freundin da sein. Ihr ihre Last in ihrem Herzen abnehmen. Die unsichtbare Mauer abreissen. Einige Puzzleteile ihres Lebens zusammensetzten.

Eine tiefe Entschlossenheit durchflutete die Klerikerin. Jeden Preis würde Ophilia bezahlen, um Primroses Herz zu befreien.
 

Der Gaststättenbesitzer lächelte die Schwester der heiligen Flamme wohlwollend an. Nickend hörte er zu und drehte sich zu anderen Reisenden um. Vor einigen Minuten noch blickte er mürrisch und wollte die lebhafte Gruppe hinauswerfen. Kaum jedoch erblickte er Ophilia änderte sich sein Verhalten. Er versprach die besten Zimmer herauszuputzen. Wollte Ophilia sogar ein Einzelzimmer herrichten. Der bärtige Mann konnte es nicht lassen und wollte sichergehen, dass sich die Ordensschwester wohlfühlte. Stolz führte er Ophilia und ihre Reisegefährten in einen separaten Raum.

Wohlige Wärme kam ihnen entgegen. Tressa schloss die Augen und genoss die Wärme. Hier war es definitiv gemütlicher als im Vorraum. Neugierig blickte sie sich um. Sie schnupperte, da ihr ein unbekannter Geruch in die Nase stieg. „Was sind das für Gewürze?“, fragte Tressa direkt den Besitzer. Dieser schwieg zuerst. Ging zum Ofen und warf ein weiteres Holzstück hinein. Natürlich gefiel dies Tressa nicht und stellte die Frage nochmals. Dieses Mal so laut, das Linde zusammenzuckte.

„Kleines Fräulein, diese Kräuter werden Euch entspannen“, antworte der Besitzer mürrisch. Diese Antwort stellte die aufgeweckte Händlerin nicht zufrieden. Fühlte sich nicht ernst genommen. Dennoch bedankte sie sich artig. Cyrus murmelte halblaut vor sich hin. Er zählte die Gewürze auf, die er erraten konnte. Linde setzte sich neben ihre menschliche Freundin. Spitzte ihre Ohren. War angespannt. H'aanit beruhige die Schneeleopardin mit einem sanften Stups.

Nach der gründlichen Prüfung des Raumes wandte sich der Mann zu der Gruppe. Mit einer halben Verbeugung wandte er sich zu Ophilia und fragte nach ihren weiteren Wünschen. Nach weiteren Fragen und Höflichkeiten verliess der Besitzer der Gaststätte endlich den Raum.
 

Tressa war die erste, die zum Ofen lief und sich auf einem Sessel bequem machte. „Irgendwie mag ich den Mann nicht.“ Schweigend setzte sich Therion weiter weg, blickte aus dem Fenster.

Die Stadt Stillschnee trug ihren Namen zu Recht. Mild und ruhig fiel der Schnee und lud die Besucher ein, die Schönheit der Stadt und des nahegelegenen Waldes zu erkunden. Dennoch gab es düstere Geheimnisse in diese Stadt, die stillschweigend akzeptiert wurden.

Unterdessen setzten sich die restlichen Reisenden ebenso hin. Verteilten sich, kümmerten sich um ihre Dinge. Die acht Reisenden und die Schneeleopardin haben gelernt sich zur vertrauen. Oft waren sie unterschiedlicher Meinungen, jedoch würden sie für einander durchs Feuer gehen. Auch, wenn wie jetzt zwischen einigen eine angespannte Stimmung herrschte.
 

Tressa und Ophilia kuschelten sich an Linde. Schnurrend genoss die Schneeleopardin die Streicheleinheiten.

Therion sass immer noch am Fenster. Seinen Teller auf seinem Schoss. Er hatte nur wenig gegessen. Was er immer tat, wenn die Gruppe irgendwo einkehrte. In seinem Gewerbe war vorsichtig und misstrauen überlebenswichtig.

Gutgelaunt liess es sich Alfyn gut gehen. Er leerte einen Krug nach dem anderen. Auf die Frage, wer dies bezahlen sollte, antworte er selbstbewusst: „Ich regle das schon.“

Elegant schenkte Primrose ihm und den anderen ein. Es schien, als wäre sie ihn ihrem Element. Olberic hatte die Augen geschlossen. Seinen Krug fest in der Hand. Er genoss die Wärme und den Frieden.

Eifrig studierte Cyrus seine Unterlagen. Er versuchte den optimalen Reiseweg heraus zu tüfteln. Primrose legte eine Hand auf seine Schulter und flüsterte ihm was ins Ohr. Räuspernd drehte Cyrus sich zu ihr um. Er zeigte ihr die Karte und beantworte ihre Frage.

Linde hatte H'aanit die ganze Zeit im Blick. Obwohl die Schneeleopardin es möchte, gekuschelt zu werden, war sie jederzeit bereit ihrer Freundin zu folgen. Nachdenklich sah diese aus dem Fenster, genauso wie Therion. Hätte sie gewusst, dass eine Bekannte ihres verschwundenen Meisters in dieser Stadt wohnte, hätte sie sich augenblicklich auf den Weg gemacht.

Ophilia plauderte mit Tressa, schien die heitere Gesellschaft zu geniessen. Sie dachte jedoch über verschiedene Dinge nach. Über erfreuliche und unerfreuliche Dinge.
 

Die fröhliche Stimmung endete auf heitere Weise. Allein für den guten Alfyn war es nicht wirklich amüsant. Primrose bewirtete die Herren weiterhin. Füllte ihre Krüge, schmiegte sich an sie oder setzte sich ab und zu auf ihren Schoss. Gerade als die Frau sich wieder einmal auf Alfyns Schoss setzte, geschah es. Ob es wegen des Weines, der am Nachmittag geschehene Situation, der Duftkräuter oder einer Mischung aller Drei geschah? In seinem Zustand konnte es nicht einmal Alfyn selbst sagen, trotz seines Handwerkes.

Alfyn, der gut gelaunt Witze erzählte und gute Stimmung verbreitete, wurde auf einmal sehr still. Die auf seinem Schoss sitzende Primrose lächelte wissend. Elegant legte sie einen Finger auf seinen Mund und flüsterte was in sein Ohr. Blieb sitzen, legte die Beine spielerisch aufeinander. Cyrus war der erste, der die veränderte Stimmung bemerkte. Sein Blick wechselte zwischen den auf einmal verstummten Apotheker und der edlen Tänzerin. H'aanit und Therion schwiegen und beobachteten. Sie dachten das Gleiche, ohne es auszusprechen.

Wieder einmal war es Tressa, welche das Schweigen durchbrach. „Musst du dich übergeben? Hast du zu viel getrunken? Was ist bloss auf einmal mit dir los?“, fragte sie und erhob sich. Japsend und wild mit den Armen fuchtelnd wollte der Gefragte Tressa von sich fernhalten. Primrose kicherte und hielt sich an Alfyn fest. Dieses Verhalten war ungewöhnlich für die sonst gelassene und ernste Adlige.

Um die Lage zu schlichten, fing Cyrus an, über Kräuter zu reden. Lavendel, Minze und Rosen konnten alle herausfinden. Nelken und Rosmarin bemerkten nicht alle Anwesenden. Gerade wollte Cyrus noch mehr in die Tiefe gehen, da erhob sich Ophilia. Alfyn, der währenddessen mit Tressa diskutiere und fortwährend Primrose auf dem Schoss trug, erbleichte beinahe. Er verkrampfte sich noch mehr.

Seine Rettung war Olberic. Langsam trank er seinen Krug leer und erhob sich vom Tisch. Mit einer Handbewegung konnte er Tressa zum Schweigen bringen. Auf ihn hörte sie, wenn auch ungern.

„Komm, Alfyn“, sprach der Mann und legte eine Hand auf die Schulter des notleidenden Apothekers.

Dankbar folgte Alfyn Olberic.

Summend drehte sich Primrose im Kreis, H'aanit kümmerte sich um Linde. Cyrus räusperte sich und wünschte den Damen gute Nacht. Therion folgte ihm wortlos.

„Was war den los?“ Tressa verstand nicht, was genau geschehen war. Es ging um Alfyn, der irgendwas Dummes anstellte. Ophilia legte den Kopf schief. Wie sollte es Tressa bloss erklären, ohne Alyfin zu beschämen?

Ungeduldig blickte die junge Händlerin in die Runde. Sie wollte Antworten. H'aanit sah sie an und sagte, sie solle sich darüber keine Gedanken machen. Es sei der Lauf der Natur. „Wir sollten schlafen gehen“, mit diesen Worten verliess H'aanit den Raum.

Primrose umarmte die Jüngste der Gruppe und sprach die Worte aus, die Tressa überhaupt nicht mochte. „Du bist noch zu jung dafür.“
 


 

„Die ehrwürdige Schwester? Sie ist mit ihren Gefährten ins Gasthaus eingekehrt.“ Der Fragende nickte und gab der alten Frau zum Dank einige Münzen.

Zu nah. Dieses Fräulein könnte seinen Plänen im Weg sein. Er durfte nicht voreilig handeln. Sie kannte sein Gesicht.

Sein gütiges Lächeln verschwand von seinem Gesicht, während er durch die Strassen von Stillschnee lief. Die Heilige Flamme wird erlöschen.
 


 

Stumm blickte Linde ihre Herrin an. Der Schnee und die Kälte machten ihr nichts aus. Dankbar schmiegte sie sich an H'aanit. „Dir war es in der Schlafkammer zu warm. Hier fühlst du dich wohler, mein Mädchen“, sprach die Jägerin und wickelte sich in ihren Mantel. In einer stillen Ecke verbrachten sie die Nacht. Genossen die Schneeflocken und das Gefühl, eins miteinander zu sein.

In den ersten Morgenstunden weckte die Schneeleopardin ihre Herrin. Sie maunzte leise und blickte Richtung Türe. H'aanit sah genau hin. Weshalb war Linde aufgeregt?

„Linde, hast du Alfyn bemerkt?“ Linde setzte sich hin. „Lass ihn, Mädchen“, sprach die Frau und streichelte ihre tierische Freundin.

Sollte er es wirklich wagen? Die gute Primrose würde ihm die Augen auskratzen. Aber er wollte trotzdem bloss einen Blick in das Innere des Freudenhauses werfen. Er schlich sich zum Ende des Dorfes. Darauf bedacht den wenigen Leuten, welche um diese Uhrzeit unterwegs waren, nicht in das Gesicht zusehen. Die Erinnerungen an den gestrigen Abend ärgerten ihn mehr, als er es ihm guttat.

Als würden die Kopfschmerzen Alfyn nicht reichen. Genauso wie das flaue Gefühl im Magen. „Ich hätte was essen sollen“, murmelte Alfyn. Seine Schritte verlangsamten sich von alleine, als das Dach des schäbigen Hauses in seine Sichtweite kam. Fluchend kehrte der Mann um, da sich nicht in das Freudenhaus hinein traute.
 

„Das nenne ich Mal ein Frühstück!“ Tressa konnte ihren Augen nicht trauen. Sie blickte auf den reichlich gecheckten Frühstückstisch. Nicht so glücklich war Ophilia. Es war ihr unangenehm auf diese Art und Weise bevorzugt zu werden. Langsam schritt Olberic in den Raum und setzte sich hin. Er schloss die Augen und dachte nach. Sollte er Ophilia anbieten mit dem Besitzer der Gaststätte zu sprechen? Er entschied sich dagegen. Falls sie Hilfe gebrauchen wurde, würde er ihr beistehen. Doch er würde abwarten. Langsam versammelten sich die acht Reisenden in dem separaten Zimmer.

Ruhig assen sie das üppige Frühstück. Ohne fein dufteten Kräuter, wie Primrose neckisch anmerkte.

Während jeder seinen Gedanken nachging, lief Linde auf Alfyn zu. Sie setzte sich neben ihn und maunzte. Da die Schneeleopardin nicht damit aufhörte und H'aanit sie auch nicht dazu bringen konnte mit dem Maunzen aufzuhören, übersetzte sie die Frage ihrer Gefährtin.

„Siehst du Mädchen. Unser Freund hatte seine Gründe“, sprach H'aanit, während sie den Gefragten musterte. Er verhielt sich wie ihr Meister, wenn er eine Geschichte erfand. Auch die anderen blickten zu Alfyn, der seinen gesüssten Brei in sich hineinschaufelte, um nicht reden zu müssen.

Während Tressa dieses Mal nichts sagte und Primrose sich es denken konnte, liess dieses Mal Therion nicht locker. „Wohin bist du früh morgens gegangen? Hat dich Quacksalber jemand gerufen?“

Ophilia räusperte sich. Bis auf das Morgengebet hatte sie kein Wort gesprochen. Mit einem gütigen Lächeln wandte sie sich zu Therion. „Sicherlich hat er gute Gründe, die er uns nicht anvertrauen kann“, sprach sie und sah nun zu dem Apotheker. Dieser ass weiterhin irgendwas, um nicht antworten zu müssen.

Genau in diesem Moment kam der Gaststättenbesitzer in das Zimmer. Er entspannte die Situation mit seiner Anwesenheit.
 

Ungeduldig lief der Mann hin und her. Weshalb verspätete sich die Botin? Er brauchte die Erlaubnis dieses bestimmten Herren. Niemals würde er etwas tun, was ihn verärgern würde.

Endlich nährte sich die unauffällige Frau. Vorsichtig blickte sie sich um, bereit, jederzeit zu verschwinden. Erst als sie sich vergewissert hatte, in keine Falle zulaufen, lief sie auf ihn zu.

Der Umschlag wechselte den Besitzer. Ohne ein weiteres Wort verschwand die Botin.

Während des Lesens schlich sich ein diabolisches Lächeln auf dem Gesicht des elegant gekleideten Mannes. „Erfreue dich an deiner Freiheit, kleines Täubchen“, sprach er und zerriss den Brief in kleine Stücke.
 


 

Sie sprachen nicht miteinander und sie mussten es auch nicht. Beschäftigt studierte Cyrus die Karten, machte sich Notizen. Olberic sass mit Therion daneben. H'aanit sowie Tressa waren zusammen unterwegs. Von Ophilia, Primrose und Alfyn fehlte jede Spur. Jedoch machten sich die anderen Gefährten keine Sorgen.

Weshalb? Jeder trug sein eigenes Päckchen. Schrieb mit seinen eigenen Händen seine persönliche Geschichte. Das Band zwischen ihnen war nicht eng dennoch unzerreissbar.
 

Der Nachmittag plätscherte vor sich hin. Alfyn kam mit einer fröhlichen Tressa zurück. Auf die Frage, wo H'aanit bliebe, antwortete Alfyn: „Streift im Wald herum. Sie hat wohl eine Spur.“ Glücklich zeigte die Händlerin Olberic ihre neuen Waren und was sie heute verdiente.

Unterdessen beobachtete Therion eine Person, welche ihm bekannt vorkam. Etwas an ihr liess dem Dieb einen Schauer über den Rücken laufen. „Was führst du im Schilde?“, sprach er zu sich und wandte den Blick ab. Solange diese Person keinen Ärger machte, würde Therion keinen weiteren Gedanken an sie verschwenden. Vermutlich ein Freier oder ein Lakai, der das Freudenhaus besuchen wollte. Oder ein unbescholtener Reisender, genau wie er und die anderen. Beiläufig wechselte der Gastwirt mit der für Therion ominösen Person einige Worte. Erst als sie die Gaststube verliess entspannte sich der Dieb.

Irgendwann kam Primrose zurück. Sie wirkte müde und angespannt. Tressa fragte sie aus. Man merkte ihr an, wie sehr sie sich um die Adelige sorgte. Cyrus erhob sich und lief zu den Tressen.
 

„Wie aufmerksam. Weshalb verdiene ich diese Geste?“

„Es wärmt dich von innen und aussen. Du hattest sicherlich strapazierendes zu erledigen. Komm zuerst zu Ruhe.“

Schmunzelnd nahm Primrose den angebotenen Met entgegen. Sie erinnerte sich an ein Gespräch mit ihm. Wie Cyrus seine Wirkung auf das andere Geschlecht unterschätzte. Seine Worte und Gestik konnten missverstanden werden. Dessen ungeachtet freute sich die Frau für diese freundschaftliche Geste.

Er nickte und fragte beiläufig, ob sie Ophilia gesehen habe. Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Sie hoffte jedoch, dass Ophilia sich nicht in Schwierigkeiten brachte.
 


 

Stumm blickte sich die Klerikerin um. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Die Flamme an sich gedrückt lief sie Strassen zurück ins Gasthaus. Ihr Herz war schwer. Sie konnte einige Worte mit den Dirnen wechseln.

Arme Liebesdienerin, ohne Hoffnung und in völliger Angst. Vor Furcht verstummt. Kein Vertrauen in die Zukunft. Gebrandmarkt wegen ihres Gewerbes.

Ein Geräusch riss Ophilia aus ihren Gedanken. Die Dämmerung und der Schnee zauberten bizarre Schatten auf die Häuser. Lauschend drehte sich die Frau um. Die Schritte der Person kamen näher. Mit einem sanften Lächeln begrüsste sie ihren alten Bekannten.

Nicht wissend, dass sein Herz kalt wie der Schnee auf den Strassen dieses verwünschten Ortes war.
 


 

Der helle Schein der Kerze konnte nicht gegen die Dunkelheit ankämpfen. Das Gesicht des Mannes zierte eine feine Narbe. Sein Blick war starr und seine Mimik rücksichtslos. Die Frauen vor seinen Füssen erwarteten jeden seiner Befehle. Für ihn waren sie wertlose Huren. Weiber, die es tausendfach gab. Er, einer der Krähen, konnte sich alles erlauben. Mit lauter Stimme rief er seine zurückgekehrte Botin zu sich.

Sie berichtete, wie der Mann reagierte. Ohne Emotionen sprach sie, blickte sich im Raum um. Der markante steinerne Sessel wirkte wie ein Thron. Ihr Herr sass darauf, der Herrscher über Stillschnee und des Obsidian Salons. Welcher mit Vergnügen das Leben junger Mädchen zerstörte und mächtige Männer willig machte. Der ihre Fähigkeiten schätzte und ihr eine Aufgabe gab. Gleich wie schrecklich und grausam er war, die Frau würde ihm ewig loyal sein. Sie wurde weggeschickt für einen weiteren Botengang. Leise wie ein Schatten verschwand die Botin.

„Armes Ding. Wirst verraten und verkauft“, kommentierte er höhnisch, während er grob einer der Frauen hochhob. „Genauso warst du einmal eine Hoffnungsträgerin. Bis dein Bruder dich verkaufte.“ Sie nickte und schwieg. „Aber eine Schwester der heiligen Flamme ist ein besonderer Fang“, sprach der Mann weiter. Zog die Frau auf seinen Schoss. Ohne, dass er es befehlen musste, küsste und verwöhnte sie ihren Herren. Massierte so gut es in dieser Position ging seine stämmigen Schultern, küsste ihn, schmiegte sich an seinen Körper.

Für eine Schwester der heiligen Flamme würden seine Kunden jeden Preis bezahlen. Dazu war sie die Tochter des Erzbischofs. Wie viel war ihr Leben und ihre Unbeflecktheit der Kirche wehrt?
 


 

Die Tage verstrichen.

Während H'aanit hin und wieder in die Wildnis verschwand, Tressa ihren Geschäften nachging, verschwand Primrose öfters ohne ein Wort. Ihr folgte mehrmalig Ophilia, obwohl die Adlige dies nicht erlaubte. Die restlichen Mitglieder der Gruppe mischten sich nicht ein. Jeder versuchte, für seine persönliche Reise Hinweise zu finden und genossen die Ruhe des stillen Ortes.

Der Gasthofbesitzer verhätschelte seine Gäste immer noch. Wenngleich er Linde und seine Besitzerin mied. Alleine Ophilias Anblick entzückte den Mann. Durch sie kamen mehr Gäste, da sie hofften, ihr zu begegnen. Deswegen nahm er ihr gerne das Versprechen ab, die Hintertüre offenzulassen. Er fragte nicht nach, weshalb. Er schwor, es ihren Freunden nicht zu verraten.

„Schwester, Sie können sich auf mich verlassen“, sprach der Besitzer verbeugend. Dankbar lächelte sie. Es tat ihr im Herzen leid ihren Vertrauten nichts zu sagen. Doch um ihrer Weggefährtin eine Stütze zu sein, musste sie diesen Weg alleine gehen.
 

Der frische Schnee knisterte unter ihren Schuhen. Der Weg führte aus der Stadt in ein Waldstück. Angst spürte die Frau nicht. Die Freude einen Anhaltspunkt für Primrose gefunden zu haben, erfüllte die Schwester. Ihr Bekannter, ein Freund und Verehrer der heiligen Flamme, hatte eine Kontaktperson auftreiben können. Ob es eines der Freudenmädchen war? Egal wer es wäre, Ophilia würde ihm einen Weg aus dieser Lage zeigen. Sicherlich würden ihre Freunde dabei helfen.

Optimistisch nährte sie sich dem Treffpunkt. Wie abgemacht führte sie die Laterne mit der blauen Flamme mit sich. Der Mond schien hell, die Sterne leuchteten. Geduldig wartete die Klerikerin. Ein Rascheln und Knistern liess sie aufhorchen. Es waren zwei Personen, welche sich nährten.

„Seid gegrüsst“, sprach sie freundlich und lief auf die zwei Männer zu. Es dauerte einen Augenblick bis sie bemerkte, das ihr Bekannter nicht dabei war. Trotzdem lächelte sie und bedankte sich bei den Fremden für ihr kommen.
 

Schweigend sahen sich die Brüder an. Der Schnee knisterte unter ihren Füssen, als sie von der einsamen Hütte weggingen. Sie sprachen kein Wort miteinander, allerdings waren sie frohen Mutes. Die Bezahlung war mehr als grosszügig. Während der Ältere die Spuren im Schnee verwischte, dachte der Jüngere nach.

Weshalb lief das Mädel nicht weg? Sie bemerkte schnell, dass sie in Bedrängnis war. Ihre Augen wurden gross und ihr Mund wurde zu einem Strich. Sie sah nach links und rechts, als hoffte sie auf Hilfe. Und dennoch kam sie mit. Ohne Murren.

Er blickte zu seinem Bruder, der sorgsam ihre Spuren vernichtete. Das war und wird nicht die letzte Frau sein, welche sie für den Obsidian Salons verwahrten. Doch dieses Mädel war anders. Weder flennte sie, noch wehrte sich wie eine Furie. Er konnte schwören, dass sie mitkommen wollte.

Für einen Moment überkam ihm das Gefühl seinen Bruder darauf ansprechen zu müssen. Er liess es aber und lief weiter.
 


 

Unruhig miaute Linde. Sie sah zu H'aanit, tänzelte um sie herum. „Was hast du Mädchen?“ Der Schneeleopard setzte sich vor der Jägerin hin. H'aanit verstand.

Mit schnellen Schritten liefen die beiden zurück in die Stadt. Linde war schneller an der Gaststätte. Sie wartete vor den verschlossenen Türen. Beruhigend sprach H'aanit auf Linde ein. Einfach in die Gaststätte zu stürmen, war unklug.

Die Jägerin griff in eine ihrer Felltaschen und holte eine Pfeife hervor. Der Pfiff war nicht zuhören und doch erreichte der Ruf einen gezähmten Begleiter. Der Wind vermischte sich mit dem Flügelschlag der bläulichen Kreatur. Linde beschnupperte zur Begrüssung den tierischen Freund. Die Kälte, die von ihm ausging, liess Linde zurückschrecken. Freundlich blickte das gerufene Tier zur H'aanit, während es um die zwei flatterte.
 

Da war ein Geräusch. Ein leises Klopfen. Ein Klackern. Horchend erhob sich Therion. Reflexartig tastete er nach seinem Dolch. Er fixierte das Fenster. Seine Augen waren an die Dunkelheit gewohnt. Trotzdem konnte er nichts erkennen. Das beunruhigte ihn mehr, als er es jemals zugeben würde.

Vorsichtig nährte Therion sich dem Fenster. „Ich bin ein Narr“, murmelte er zu sich, da er nun erkannte, was die Geräusche verursachte. Sachte, um seine Gefährten nicht zu wecken, öffnete er das Fenster. Die Fledermaus aus Eis flatterte wieder hinunter. Setzte sich auf den ausgestreckten Arm der Jägerin. Therion sah zu den Schlafenden. Cyrus schlief friedlich, genauso wie

Olberic. Alfyn schnarchte und drehte sich im Schlaf. Er würde sie schlafen lassen. Genauso wie seine weiblichen Gefährten. Vermutlich kehrte das adelige Fräulein erst zurück und brauchte den Schlaf.

Ohne bemerkt zu werden, schlich Therion aus dem Haus. Das war eine Kleinigkeit für ihn, was ihn nicht überraschte. Statt auf Sicherheit zu achten, verwöhnte der Besitzer lieber seine besonderen Gäste.

„Erzähl“, sprach Therion zur H'aanit. Eine Hand auf Lindes Kopf legend erzählte die Frau. Kurz und knapp, wie es ihrer Person entsprach. Stirnrunzelnd sah Therion zum Haus. „Ich werde unsere Freunde wecken.

Es reichte ihm. Er hätte schon längst eingreifen sollen. Die unausgesprochene Abmachung brechen. Er verfluchte sich selbst, damals nicht auf sein Gefühl gehört zu haben und den verdächtigen Mann in teure Kleidung im Auge behalten zu haben. Egal wie oft Ophilia seine Hilfe ablehnte, es wäre seine Pflicht gewesen. Das naive Ding wusste nichts von der Schlechtigkeit der Welt.

Überrascht blickte Cyrus zu Therion. Der sonst stets besonne Dieb, strahlte eine Unruhe aus. Stumm verurteilte er Primrose. Sein Blick war abwertend. Was den Gelehrten noch mehr verblüffte war die Tatsache, wie die Frau darauf reagierte. Sie erwiderte direkt seinen Blick. Das Urteil nahm sie mit ihrem angeborenen Stolz an.

Linde knurrte und lief immer wieder zur Türe. „Ruhig, Mädchen“, sprach H'aanit und liess sich den Vorschlag des erfahren Kämpfers durch den Kopf gehen. Olberic hatte an alles gedacht. Tressa und Alfyn sollten in der Gaststätte bleiben, falls Ophilia selbst zurückkam. Cyrus, Therion und Primrose suchten nach Informationen. Olberic und sie würden aktiv nach der Verschwundenen suchen. Jeder konnte seine Talente einsetzten und niemand würde davon erfahren. Nicht, dass jemand den Gasthofbesitzer verdächtige. Der Mann vergöttere die Schwester regelrecht.

Im Schatten lauerten allerdings Personen, die den Tod der Reisenden wünschten. Und diese benutzten ebenso ihre Begabungen, um ihre Ziele zu erreichen.
 

Stille und Kälte war das einzige, was die Gläubige richtig spürte. Sie verspürte eine Angst in sich, die sie tief in sich verschlossen hielt und langsam ihr Herz zerdrückte. Das Gefühl, nicht helfen zu können, eine Last zu sein, quälte sie. War es falsch, sich in die Angelegenheiten ihrer Gefährtin einzumischen?

Erinnerungen an ihre Kindheit, bevor sie in der Kirche ein neues Leben beginnen konnte, liessen die Frau zittern. Wie mehr Ophilia sie vergessen wollte, desto heftiger spürte sie diese. Die blaue Flamme flackerte.

„Bitte behüte mich“, sprach sie leise und schloss die Augen. Ihr Herz beruhigte sich. Ihr Atem wurde ruhiger. Nochmals flackerte die Flamme. Das Strahlen wurde stärker und eine Wärme bereitete sich in der Hütte aus.
 

Ruhig nährte sich Cyrus dem Stadtausgang. Sicherlich hatten seine Freunde schon einige Informationen bekommen. Leider kam Ophilia noch nicht zurück, was er wahrlich bedauerte. Während er seine Notizen betrachtete, runzelte er die Stirn leicht. Irgendwas konnte nicht stimmen nach seinen Hypothesen. Während er zum Treffpunkt lief, wuchs eine Vermutung in ihm. Diese bestätigte sich, als er ankam.

„Wie ich sehe, bist du alleine“, begann Cyrus das Gespräch. Ruhig sprach er weiter und gab die Informationen preis, die er sammelte und für sich interpretierte.

„Professor, hätte ich nicht zu viel Respekt vor euch, würde ich euch unsanft unterbrechen.“

„Ich verstehe. Dennoch würdest du es bevorzugen, wenn wir deiner Spur schweigend folgen? Gestalte mir bloss eine Frage.“

Therion nickte und lief weiter Richtung Wald. Sie wollten sich mit Olberic und H'aanit treffen, die allenfalls schon was Handfestes fanden.

Die beiden Männer liefen nebeneinander, unterschiedlich im Aussehen und ihrer Erziehung. Die gestellte Frage wurde beantwortet. Und doch befriedigte es Cyrus nicht. Das Gefühl, nicht alle sinnbildlichen Puzzleteile in seiner Hand zu halten, um die Wahrheit klar und deutlich vor sich zu haben, störten in. Während er seinen Freund folgte, sah Cyrus wieder auf seine Notizen.

Primrose traf in Stillschnee eine alte Bekannte. Diese kannte sie von ihrem früheren Leben, als Tochter eines Adligen. Die Bekannte eine Dienstmagd oder etwas in dieser Art. Bedauerlicherweise muss die Frau gegenwärtig als Freudenmädchen ihr Brot verdienen. Das Treffen war jedoch bloss ein glücklicher Zufall, da Primrose einer anderen Spur folgte.

Das weckte in Ophilia den Wunsch mitzuhelfen, was Primrose regelrecht verbot. Dessen ungeachtet unternahm Ophilia selbst Untersuchungen. Auf Hilfe verzichtete sie aus Gründen, die unverständlich waren. Wie mehr sie sich einmischte, desto länger blieb Primrose wortlos weg. Ein Teufelskreis, der nicht unterbrochen werden konnte, ohne sich noch mehr einzumischen.

Die Reaktionen von Therion konnten bloss mit Mühe entschlüsselt werden. Weshalb reagierte er auf diese Art und nicht wie gewöhnlich? Die Antwort, die Therion breit willig gab, passte nicht zu seinem Verhalten.

„Professor? Nicht träumen.“

Ertappt brummte Cyrus eine Entschuldigung. Ein Blick zum Himmel verriet, dass die Sonne bald den Mond ablöste. Zögerlich entschied er, seine nächsten Fragen auf einen besseren Zeitpunkt zu verschieben.
 

Siegessicher schritten die Brüder zu der Hütte. Was für ein Fang. Das neugierige Weibsstück war ihnen regelrecht in die Arme gelaufen. Schon länger ist sie aufgefallen, wie sie ihre Nase in Angelegenheiten steckte. Wie sie herumstreunte und jeden mit ihren zuckersüssen Fragen um ihren Finger wickelte. Die Brüder entriegelten die Türen und blickten in die Hütte hinein. Schweigend blickten die Gefangenen die Männer an. „Macht keinen Ärger …“, sagte der Ältere und der Jüngere beendete den Satz „… unser Herr ist informiert.“

Ophilia konnte sich schwer überwinden, dass Wort zu ergreifen. Zu viele Fragen schwirrten in ihrem Kopf. Primrose lächelte auf ihre vornehme Art. Sie schien selbstsicher. Zögerlich rutschte Ophilia zu ihr hinüber. Ihre Hände und Füssen waren gefesselt. „Gerne würde ich dir meinen Mantel geben“, fing Ophilia das Gespräch an. Schwesterlich nahm die Angesprochene sie in die Arme. Die Brüder fesselten sie aus irgendwelchen Gründen nicht. „Musst du nicht. Du bist länger in dieser Kälte.“ Primrose war unglaublich dankbar. Wäre Ophilia was geschehen, hätte sie ihren Zorn schwer in Zaun halten können. Trotzdem war sie böse auf ihre Freundin. Weshalb nur mischte sie sich so sehr in ihre persönliche Angelegenheit ein? Doch musste Primrose sich eingestehen Fehler gemacht zu haben.

Die Lampe flackerte wieder. Das bläuliche Licht erhellte die Szene und hüllte die zwei Frauen in ein warmes Licht.

Worte, die schwer in den Herzen und Seelen verankert waren, wurden ausgesprochen. Es flossen keine Tränen und trotzdem war es emotional für die beiden Gefährtinnen. Sie fühlten, wie sich ihr Band mehr miteinander verknüpfte. Ihre Freundschaft mehr erblühte.

„Ich gebe dir ein Versprechen: Ich werde dir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Doch werde ich mich nicht mehr wortlos in deine Suche nach der Wahrheit einmischen.“

„Auch ich gebe dir mein Wort nicht alleine auf mein Stolz zu hören. Mein Vertrauen hast du dir schon längst verdient.“
 

Primrose löste vorsichtig die Fesseln. Ihren geliebten Dolch, das Erinnerungsstück an ihren Vater, haben die Brüder nicht gesehen. Dankbar bewegte Ophilia ihre Arme und Beine. Gerne hätte sie gewusst, wie viel Zeit vergangen ist. Ihre restlichen Gefährten taten alles in ihrer Macht, um sie zu befreien. Dies erzählte Primrose in aller Einzelheit. Deswegen dachte sie schon, alles würde gut werden, als sie Schritte hörte.

Die Brüder konnten es nicht glauben. In aller Seelenruhe sah das Weib sie an. Ein keckes Lächeln im Gesicht, anmutige posierend und eine unverschämte Frage stellend begrüsste Primrose die Handlanger. Der Ältere spuckte auf den Boden und nahm Blickkontakt mit der menschlichen Ware auf. Ihre Mimik war unbeugsamer, als bei ihrer Verschleppung. Ihre Augen strahlten eine Ruhe aus, die der Mann noch nie gesehen hatte. Das ärgerte ihn viel mehr, statt der Tatsache das sie nicht mehr gefesselt war.

„Willkommen zurück, ehrenwerte Herren. Wie kann ich Ihnen heute göttliches Vergnügen bereiten?“, schnurrte Primrose. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten auf diese Weise mit den Männern zu sprechen, die auf schmutzige Art Geld verdienten. Unentschlossen nährte sich der Jüngere der Tänzerin. Hätte sein Bruder ihn nicht grob zurückgehalten, hätte er versucht die Frau zu umarmen. Einfach, weil sie den Anschein machte, nichts dagegen zu haben.

„Ihr habt noch die Chance Eure Seelen zu befreien. Lasst uns frei“, sprach Ophilia und streckte dem jüngeren Bruder die Hand hin. Sie war ihm nicht böse. Menschen taten viel um zu überleben. Das Leben war nicht immer gerecht.

Der ältere Bruder hatte genug. Fluchend gab er seine persönliche Meinung über die Beiden preis. Das er sich einen feuchten Dreck um sie kehrte. „Weibsbilder, seid ihr! Nichts wert!“, schrie er und stampfte davon. Schnell schloss der Zurückgebliebene die Türe. Er hatte keine Angst, dass er nicht mit ihnen fertig werden würde.
 

In ihm keimte ein Gefühl auf. Das Gefühl endlich verstehen zu können. Die beiden Frauen waren so unterschiedlich und trotzdem vertraut miteinander.

Die in roter Seide gekleidete Dame, eine Tänzerin aus der Wüste. Eine Schwester der heiligen Flamme, in weisser Seide verhüllt. Beide warben um ihn. Jede auf ihrer Art. Der Mann spürte, wie sein Herz rate. Über 20 Jahre lang konnte er bloss seinem Bruder vertrauen. Jede Arbeit tat er und niemals widersprach er ihm. Gehetzt blickte er zwischen den beiden hin und her.

Wie von selbst lief er auf die einte Frau zu. Fiel vor ihr auf die Knie. Wollte bloss einmal das Richtige tun.

„Warum seid ihr und euer Bruder zurückgekehrt?“, fragte sanft Ophilia. Die Antwort wurde von Lindes Knurren unterbrochen.



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