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Spiel ohne Limit

von

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Die Arme vor der Brust verschränkt beobachtete der Chef der Kaiba Corporation wie Techniker die letzten Scheinwerfer einstellten, Produzenten ihre Assistenten durch die Gegend scheuchten und Kameramänner Einstellungen vornahmen, dass jeder angewiesene Blickwinkel auf den Millimeter genau passte. Das Studio, das vom örtlichen Sender geleitet wurde und in dem Seto Kaiba selbst seine Finger im Spiel hatte (so wie er in fast allem in dieser Stadt involviert war) wurde zweckmäßig auf die heutige Liveshow vorbereitet. Der Schauplatz wurde relativ klein gehalten und hatte das Erscheinungsbild einer Talkshow. Öffentliches Publikum gab es gar keines, nur hundert Sitzplätze, die von ausgewählten Personen besetzt und dafür bezahlt wurden, sich in der ganzen Zeit so zu verhalten, wie es ihnen angeordnet wurde. Es sollte verhindert werden, dass die Waage der Fangemeinden ins Ungleichgewicht fiel. In den ersten Jahren wurden die Shows auf dem Marktplatz abgehalten. Eine Bühne wie an Silvester wurde damals aufgebaut, auf dem die besten Spieler der ersten Vorrunde vorgestellt und bejubelt werden konnten. Tausende hatten sich in die Innenstadt begeben, es gab einen regelrechten Massenhype für bestimmte Duellanten, dass es von einigen Firmen Beschwerden gab und man sich schließlich darauf einigte, die erste Liveshow neutral zu halten. Hier ging es schließlich nur darum, die Gegner per Zufallsgenerator zu bestimmen. Jubel gäbe es bei den Duellen zu Genüge.

"Alles noch mal auf Anfang", hörte er einen der Produzenten rufen, dass eine kleine Gruppe von Mitarbeitern in Position ging, Mikrophone checkte, die Lichteinwirkungen testete und den Boden auf letzte Unreinheiten durchsuchte. Ein schlacksiger Kerl mit ausgewaschenen Jeans war Richtung Backstagebereich gelaufen und kehrte nach einigen Minuten wieder zurück. Kaiba hatte auf dem Bildschirm zu seiner Rechten gesehen, wie der Praktikant einmal durch den tunnelähnlichen Durchgang gelaufen war, welchen die Duellanten der Reihe nach durchschreiten sollten. Sein Blick war nach unten gerichtet, scheinbar waren dort ein paar Pfeile angeklebt worden, wodurch die Stellen der richtigen Kameraeinstellung markiert wurden. Ungeduldig tippte sich der junge Firmenchef auf den Oberarm. In wenigen Minuten würde es beginnen. Es musste alles sitzen, bis aufs kleinste Detail. Alles andere wäre inakzeptabel.

"Da ist ja unser Sonnenschein", eine leicht nasale Stimme näherte sich ungemein seinem Ohr, dass Kaiba lediglich den Blick zur Seite richtete.

"Was willst du, Pegasus", entgegnete Kaiba und wandte sich den Sitzplätzen zu, die nach und nach gefüllt wurden.

"Wieder einmal so gut gelaunt, wie eh und je", ließ sich der Erfinder von DuelMonsters nicht von Kaibas abweisender Art stören, "ich wollte dir nur für deine gelungene Vorrunde gratulieren. Wer hätte gedacht, dass du in diesem Jahr so stark vertreten bist - abgesehen von deiner eindrucksvollen Technologie."

"Seit wann teilst du Komplimente aus?", Kaiba setzte ein schiefes Lächeln auf.

"Wenn ich eine gute Partie sehe, kann ich sie nicht einfach ignorieren. Und deine neue Errungenschaft hat mich doch sehr neugierig gemacht. Zumal es überhaupt nicht zu deinem Stil passt."

"Ich habe nur das getan, wozu der Rest von euch nicht im Stande gewesen war. Nämlich die Gelegenheit beim Schopfe zu packen."

"Ach ja", seufzte der Inhaber von Industrial Illusions und fuhr sich durchs Haar, "ich habe leider feststellen müssen, dass mein Team von Duellantenspezialisten diese Chance an sich vorbeiziehen ließ. Aber wer konnte schon ahnen, dass die Unbekannten in diesem Jahr so massiv durchstarten." Damit hatte Pegasus gar nicht mal so unrecht. Der diesjährige Worldcup war stark vertreten von Duellanten, über die nicht viel bekannt war. Nicht nur Paradius Inc. setzte in diesem Jahr auf unverbrauchte Spieler.

"Ich glaube", setzte Pegasus an, "dass wir uns auf ein paar Überraschungen gefasst machen müssen." Dabei schweifte sein Blick durch das Studio. Dort, wo die Kamera sie nicht einfinge, hatten sich die mächtigen Firmenchefs versammelt, die in diesem Worldcup vertreten waren. Darunter waren auch Sponsoren und reiche Männer, die sonst nichts mit ihrem Geld anzufangen wussten.

"Das müssen wir jedes Jahr", entgegnete Kaiba trocken.

"Und wie immer ist der Werte Herr des Chaos nicht zugegen. Dafür sind seine Duellanten umso stärker vertreten. Ich weiß überhaupt nicht, wie es dieser Dartz geschafft hat, Mai Kujaku aus ihrer Unabhängigkeit zu bekommen." Die führende Duellantin Domino-Citys war seit Jahren auf keine größere Firma angewiesen gewesen. Stattdessen hatte sie Unterstützung durch größzügige Sponsoren erhalten, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genießen konnte, ohne jemals Sorgen haben zu müssen. Dass sie auf die Seite von Paradius Inc. gewechselt hatte, hatte Kaiba nicht vorhergesehen. Es musste schon ein sehr mächtiges Angebot locken, dass die blonde Duellantin nicht abschlagen konnte.

"Der Kerl verschweigt so einiges", murmelte Pegasus, dessen Duellanten ebenfalls von Dartz´Gehilfen belästigt worden waren. Bereits in der Vergangenheit wurde Kaiba von diversen Konkurrenzfirmen auf das Thema angesprochen. Die meisten schlugen eine Zusammenkunft vor, um gegen den einen geheimnisvollen Riesen vorzugehen. Kaiba hatte jedes Mal abgewunken. Es war nicht sein Stil, sich mit anderen abzugeben - Teamarbeit war noch nie eine Stärke von ihm gewesen. Zumal er nicht daran glaubte, dass der Feind eines Feindes automatisch sein Freund wäre.

"Er wird damit nicht durchkommen", dessen war sich Kaiba sicher, "er versucht schon seit Jahren, den Worldcup zu sabotieren und ist jedes Mal daran gescheitert. Entweder ist er von Natur aus dumm oder seine Hokus-Pokus-Gemeinde hat ihm den letzten Rest an Gehirnzellen genommen. Wie auch immer, er hat nicht die Fähigkeiten die Turniere zu manipulieren." Dafür sorgte sein streng überwachtes Sicherheitssystem. Man musste schon mehrere Barrieren durchtrennen, um dagegen anzukommen. Zudem besaß es mehrere Sicherheitscodes und -schlüssel, zu denen nur Kaiba Zugang hatte. Selbst der beste Hacker der Welt würde sich hierbei die Zähne ausbeißen. Seine Augen blitzten auf: "Ich an deiner Stelle würde mir mehr Sorgen um meine Spieler machen. Wer weiß, wie lange sie dieses Mal durchhalten."

"Findest du?", nahm Pegasus seinen neckischen Unterton wieder an, "du weißt doch, dass mein Repertoire an Spielern nie ausgeschöpft sein wird, denn ich bin immer auf der Suche nach neuem, willigen Material. Ich bin schon gespannt, was deine Spieler dieses Jahr zu bieten haben. Einen eindrucksvollen Vorgeschmack hast du uns ja schon geben können." Pegasus warf sein silbernes Haar zurück" Wer hätte gedacht, dass die Duellanten der Kaiba Corporation so gute Vermarkter sind und dann auch noch wirklich spielen können." Er schüttelte lächelnd den Kopf. "Eines musst du mir verraten, kleiner Kaiba. Ist es eiskaltes Kalkül, dass du ausgerechnet einen Spieler ausgewählt hast, dessen Deck mit Drachen ausgelegt ist? Es ist doch sehr gewagt, so jemanden in sein Team zu stecken, wenn man bedenkt, dass die Kaiba Corporation den alleinigen Machtanspruch für den weißen Drachen mit eiskaltem Blick fordert."

"Wie ich meine Spieler auswähle, geht dich nichts an", sagte Kaiba.

"Ich freue mich schon auf die Rooftop-Battles. Es wird sich zeigen, wie sehr ihr Können an deines heranreicht. Mit den richtigen Gegnern würde es ein famoses Duell geben. Vielleicht sogar eines, worauf die Gemeinde seit Verabschiedung des Königs der Spiele vom DuellMonsters-Geschäft gewartet hat. Die Fans sehnen sich wieder nach solchen Duellen, wie du sie gegen Yugi Mutou geführt hast. Denk nur an den Duellwahnsinn - knappe Entscheide, Schicksalsduelle. Jeder hatte das Gefühl, es ging in den Duellen um mehr als nur um einen Sieg. Die Leute wollen das Gefühl haben, als hinge das Schicksal der Welt von Sieg und Niederlage ab, als würde man um seine Seele kämpfen und nicht um eine Millionen Dollar Preisgeld", dabei begannen seine Augen zu strahlen, "erinnere dich doch nur an das Herz der Karten! Was für Zeiten."

"Du wirst sentimental", raunte Kaiba, der längst mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte. Er lebte lieber im Hier und Jetzt, statt sich an Altes zu Klammern, das längst verloren war. Außerdem wäre Pegasus der letzte, mit dem er über Vergangenes sinnieren würde.

"Einfach kein Sinn für Romantik", grinste Pegasus und winkte ab, "wir sehen uns spätestens in der nächsten Runde." Damit schritt der Gründer des beliebtesten Kartenspiels aller Zeiten zurück in seinen für ihn vorgesehen Bereich, gleich neben den Sitzplätzen. Kaiba hingegen blieb dort stehen. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf das gesamte Geschehen. Licht schaltete sich aus. Er merkte nur noch wie sein jüngerer Bruder an seine Seite trat. Mit einem Klemmbrett unterm Arm sah er lächelnd zu dem Älteren hinauf.

"Es läuft alles nach Plan", bestätigte der Jüngere und hob seinen rechten Daumen. Sein Grinsen wurde breiter.

"Ich find`s echt cool, dass wir dieses Jahr so stark vertreten sind. Irgendwie hab´ich das Gefühl, dass wir es diesmal bis nach Ägypten schaffen." Da der letzte Worldcup Champion Marik Ishtar war, würde dementsprechend das Finale im besagten Land stattfinden. Die Jahre vorher war hauptsächlich Domino-City zum Austragungsort erkoren worden. Doch nachdem Yugi ausgestiegen war und Kaiba sich nur noch auf seine Firma konzentrieren wollte, war zum ersten Mal ein anderes Land für die Austragung verantwortlich.

"Warten wir es ab", erwiderte der ältere Bruder und beobachtete wie das Studio in helles Licht getaucht und Musik eingespielt wurde. Eine Gruppe von Tänzerinnen bewegte sich in ihrer Choreographie - perfekte Bewegungen zur rhythmisch nichts aussagenden Popmusik. Kaiba wusste schon, warum er nicht gerne das Radio im Wagen laufen ließ. Während im Hintergrund auf einer Empore der Sänger erschien, wechselten die Scheinwerfer zu blau, gelb, grün, orange und wieder blau. Wenn der Sänger nicht Japans angesagtester Musiker wäre, hätte er längst das quietschende Gedudel ausgestellt. Mit einem dramatischen Abgang der Tänzer, in dem Bengalos in die Lüfte geschossen wurden, endete das Lied. Der Sänger verschwand unter den Rauchschwaden. Es erschien der Moderator des heutigen Abends. Mit seinem perfekten Lächeln begrüßte er unter einstudiertem Applaus das Publikum.

"Bis zum Finale wird es noch einige Duelle geben", während Kaiba mit seinem kleinen Bruder sprach, achtete der mächtige CEO auf jedes Detail, das sich vor seinen Augen abspielte. Er wollte keine Fehler sehen, und bisher schien jeder seinen Job richtig gemacht zu haben.

Warten wir es ab

Nach einer kurzen Rückblende der letzten acht Wochen und einem trägen Witz, den niemand gebraucht hätte, kam der Sprecher auch schon auf das Wesentliche.

"In diesem Jahr werden einige neue Regeln auf unsere Spieler zukommen." Anders als im letzten Jahr würde die nächste Runde eiskalt jeden Verlierer ausradieren. In den nächsten fünf Tagen wären von den Top dreißig nur noch fünfzehn übrig - ein schneller Prozess war dieses Jahr angesagt, der die Rooftop-Battles nicht allzu sehr in die Länge ziehen sollte. Die Kommission hatte sich darauf geeinigt und beugte sich damit dem Willen des Publikums, das schnelle und harte Duelle mit klaren Entscheidungen und Nervenkitzel an der Spitze bevorzugte.

"Doch nicht nur im Vorrundenprinzip wurden Neuerungen gemacht", erklärte der Sprecher und sah direkt in die Kamera vor ihm, "in den Roof-Top-Battles können wir uns auf einige Überraschungen gefasst machen", er hielt die DuelDisc direkt vor die Kamera, "unsere Spieler werden mit der neusten DuelMonsters-Technologie kämpfen, die es ganz schön in sich hat." Kaiba hatte darauf bestanden, auf die kommende DuelDisc hinzuweisen, welche sich auf dem ersten Blick kaum von der jetzigen unterschied, jedoch mehr grafische Power in sich hatte und als erster Anreiz seines neusten Projektes diente. Schon zu Beginn hatte er klar gemacht, die verbesserten Hologramme in den Rooftop-Battles sehen zu wollen.

"Wie in jedem Jahr werden die Duellschauplätze erst einen Tag vor dem Spiel bekannt gegeben. Nicht einmal unsere Duellanten wissen, wo sie gegeneinander antreten werden."

"Ich hoffe, keiner von denen hat Höhenangst", flüsterte Mokuba. Kaiba war es gleich. Wenn ein Spieler nicht dem kleinsten Druck standhielt, konnte er sich gleich verabschieden.

Er versuchte weiterhin der Rede zuzuhören, was ihm immer schwerer fiel. Ungeduld machte sich breit, sobald er das Interesse verlor. Der junge Firmenchef hatte so viel im Kopf, dass er sich regelrecht dazu zwingen musste, bei der Sache zu bleiben. Besonders wenn die DuelMonsters-Regeln Jahr für Jahr von Neuem erläutert werden mussten. Wie konnte man in der heutigen Zeit nicht einmal die einfachsten Spielprinzipien verstehen?

"Wie die Jahre zuvor wird es einige Sonderregelungen geben, die sogenannten Joker. Jeder Joker darf einmal pro Duell von den Spielern genutzt werden. Aber Vorsicht! Auch hier gilt es wieder einen klaren Kopf zu bewahren." Das Prinzip hatte sich bewährt, bisher erwiesen sich die Sonderregelungen als aufregende Herausforderung. Auch wenn sie den Spieler unterstützten, war nicht jeder Joker einfach anzuwenden. Wenn man nicht die richtigen Karten im Deck besaß oder voreilig reagierte, war der Joker nutzlos.

"Sind die Duellanten auf ihren Plätzen?", sprach Kaiba direkt zu Mokuba, der lediglich nickte. Wie jedes Jahr würden die Duellanten ihren Platzierungen entsprechend auf der Bühne erscheinen. Am Ende würden sie in einer Reihe stehen - Duel Monsters Spitzenelite, die begabtesten und herausragendsten Spieler, die ihr Land zu bieten hatte.

Und Jonouchi

"Ach übrigens", Mokuba kratzte sich an den Kopf, während das Geplänkel des Moderators an ihnen vorbeizog, "ich soll von Maki ausrichten lassen, dass er für Rins...Ergebnis nicht verantwortlich ist." Kaiba drehte den Kopf zu seinen Bruder.

"Was soll das heißen?"

"So wie ich das verstanden habe, gab es wohl Schwierigkeiten in der Umsetzung des Profils, das er von Josuke erhalten hat. Am Ende haben sie Rins Idee umgesetzt." Kaiba beobachtete, wie die ersten Duellanten aufgerufen wurden. Weit vorne mit dessen Kollegin Hii Yuta . Er trug eine lilafarbene Lederjacke mit Nieten an den Ärmeln, die seinen schmalen Körper noch zerbrechlicher erscheinen ließen. Seine tiefendunklen Augen zeigten die Spuren einer verlorenen Kindheit. Laut Kaibas Informationen gehörte Dartz Handlanger zu dem Stereotypen-Waisenkind. Mutter gestorben, der Vater ein Säufer, war er in einem schäbigen Viertel weit außerhalb Dominos aufgewachsen. Niemand hatte sich um den Jungen gekümmert, zeitweise hatte er auf der Straße gewohnt und durch kleinkriminelle Handlungen seinen Lebensunterhalt bestritten. An seinem Tiefpunkt musste er dem Geschäftsführer von Paradius Inc. begegnet sein. An dem ausdruckslosen Gesicht konnte Kaiba erahnen, wie egal ihm der Worldcup war. Umso mehr interessierte es ihn, was den jungen Burschen anspornte, der von Mimik und Erscheinungsbild sehr einem früheren Duellanten von Dartz ähnelte - Amelda. Sofort vertrieb Seto Kaiba die Bilder der Vergangenheit.

"Yamamori", setzte er stattdessen an als Ryota Kajiki angekündigt wurde, - der Spezialist für Meeresungeheuer gehörte zu jenen Duellanten, die von Werbeträgern und ähnlichen gesponsert wurden. So war Kajiki das Werbegesicht eines beliebten Fischstäbchenherstellers; wobei Kaiba nicht ganz klar war, ob er tatsächlich wusste, wofür er eigentlich posierte.

"Yamamoris Profil lässt uns großen Spielraum. Im Grunde können wir sie in jede Klischeekiste packen, die uns gerade von Nutzen ist. Solange ihr Handeln nicht gegen die Kaiba Corporation spielt, kann sie aussehen wie sie will." Natürlich wusste Mokuba, dass das nicht stimmte. Sein großer Bruder war vieles, aber nicht tolerant. Ganz besonders nicht, wenn es um ein Missachten seiner Anweisungen ging. Tatsächlich war der junge Firmenchef nicht unbedingt erfreut, dass ungeplante Änderungen stattfanden, doch war es nicht Kaiba direkt, dessen Pläne umgangen worden waren. Josuke hatte Maki mit der Aufgabe betreut, aus Rin einen angehenden Massenliebling zu machen. Wie er das anstellte, blieb dem Chef der Social Media Abteilung überlassen.

"Seto", schüttelte Mokuba den Kopf, "ich glaube, sie hatten eine völlig falsche Vorstellung. Maki wollte sie blond machen."

"Ich kann mir vorstellen, dass sie damit ihre Schwierigkeiten hatte", Kaiba musste leicht schmunzeln, dass es lediglich Mokubas enger Beziehung zu verdanken war, dass er es überhaupt bemerkte und sich darüber hinaus für den kurzen Ausbruch an Emotionen wunderte.

"Außerdem", fuhr Kaiba fort und war so stoisch wie eh, "hast du sie doch erst vor ein paar Minuten gesehen. Ich vertraue auf dein Urteil, dass sie uns nicht blamiert."

"Passt schon", grinste der Schwarzhaarige zurück und nickte in Richtung Bildschirm.

"Auf Platz dreißig", zum letzten Mal schwenkte der Moderator seinen Arm in Richtung Backstagebereich, "wohl für viele schon jetzt das Debüt des Jahres - Rin Yamamori." Die Kamera wechselte in den Gang, aus dem ein hoher Pferdeschwanz hervorlugte. Der linke Arm ging nach oben, entlang des Zopfes, der mit einem Schwung nach hinten geworfen wurde und dabei den Arm so exakt drehte, dass die Initialen der Kaiba Corporation deutlich zum Vorschein kamen. Kurz entglitt seinen Gesichtszügen sämtliche Selbstbeherrschung als die junge Frau das Studio betrat, dabei ihren Blick in seine Richtung lenkte, dass zwei stechende Augen zu ihm sahen - voller Herausforderung und Selbstbewusstsein. Er wusste nicht, ob ihre Blicke ihm galten, dafür war der Augenblick zu kurz gewesen und die Tatsache wahrscheinlicher, dass sie ganz in ihrer eigenen Performance gefangen war. Dafür waren die Bewegung zu perfekt, zu berechnend, dass sie nicht stundenlang vor dem Spiegel erprobt worden wären.

Die Haare sind dunkler

Sonst hatte sie nichts an sich verändert, und doch war alles anders. Die junge Frau blickte auf ihre Konkurrenz herab, als sie an dieser vorbeilief. Es war nicht zu erkennen, wann die hohen schwarzen Wildlederstiefel in den engen Stoff um ihre Schenkeln übergingen. So eng wie beides um ihre Beine lag, war es schwer festzustellen, ob es sich überhaupt um eine Hose handelte oder doch nur die Haut angemalt worden war. Als Hauptaugenmerk hatte sie sich in ein auffallend rotes Mantelkleid gehüllt, das ab den Hüften offen stand und nach hinten einen wehenden Überwurf hatte, dass er sich bei jedem Schritt bewegte.

"Maki hatte recht", entgegnete Mokuba und blickte ebenfalls interessiert zu der jungen Frau, die sich nach ganz außen gestellt hatte, während der Moderator auf sie zukam, "man weiß wirklich nicht, ob man sie für heiß oder gefährlich einstufen soll." Kaibas Bild wurde dafür umso klarer. Sein eisiges Blau fixierte die junge Frau, die mit einer Mischung aus Beherrschung und Selbstverständlich dem Moderator in die Augen blickte als wäre es nur noch eine reine Formsache bis der Titel des neuen Champions ihr zustünde.

"Ich glaube", erklärte der Moderator und ließ die gebleichten Beißerchen aufblitzen, "wir brauchen nicht mehr zu erwähnen, dass Sie für die Kaiba Corporation als zweite Teilnehmerin an den Start gehen."

"Und doch haben Sie es getan", ihre Stimme war herausfordernd, geradezu bissig ohne dass sie etwas an ihrem üblichen Ton verändert hatte. Es war amüsant zuzusehen, wie ihr Gegenüber sein breites Lächeln wahren wollte, während sie mit einem ebenso falschem Lächeln auftrumpfte. Oder war es echt? Kaiba hatte sie Lächeln gesehen, einige Male, wenn sie mit der Kassiererin in seinem Cafè geredet hatte. Sie hatte eine Art zu lächeln, die ihre wahre Natur offenbarte, die noch voller Unschuld und Ehrlichkeit war, dass er nicht einen Moment an ihren gewöhnlichen und friedlichen Leben zweifelte, das zweifellos ohne jeglichen Kummer ausgekommen war. Dieses Lächeln jedoch war bissig, kalt und mit einem Hauch Narzissmus versehen. Im Gegensatz zu Kaibas gestelltem Lächeln, erreichte dieses ihre Augen, dass sie in einem noch dunkleren Ton zu blitzen begannen.

"Frau Yamamori", begann er, wie bereits bei den anderen, seine zwei Sätze vorzutragen, "Sie haben in diesem Jahr über zweihundertfünfzig Duelle bestritten. Das ist ein neuer Rekord bei den Battle-City-Turnieren." Kurze Pause, Kaiba fiel auf, wie der ein oder andere Duellant hellhörig wurde. Derweil sprach der Moderator weiter: "Noch dazu haben Sie kein einziges Duell verloren - ist das richtig?"

"Nicht ganz", entgegnete Yamamori trocken und drehte ihren Kopf zur Seite, "aber diesen Fehler werde ich bald korrigiert haben", Jadegrün traf auf Rubinrot. Hiis Gesichtszüge regten sich interessiert, er blickte sie von der Seite an und setzte ein breites Grinsen auf. Der Moderator, welcher nichts zu verstehen schien, räusperte sich kurz und kehrte zum Wesentlichen zurück: "Da nun all unsere Spieler zusammen sind, wird es an der Zeit für die Bestimmung der Zweierduelle!" Aus der Decke erschien eine durchsichtige Plastekugel, die von dem Maul eines weißen Drachen getragen wurde. Schon vor einigen Jahren hatte die Lostrommel die Gegner für die jeweiligen Duelle bestimmt. Zwischenzeitlich hatte ein elektronisches System das klassische Modell ersetzt, wurde jedoch vom Publikum nicht sonderlich gut aufgenommen, da nicht so recht daran geglaubt wurde, dass nicht doch Manipulationen möglich waren. Die Bälle in der Kugel waren für jedermann sichtbar, willkürlich schoss aus dem Maul des Drachen eine Zahl von eins bis dreißig heraus - jeder Spieler besaß die jeweilige Nummer seiner Platzierung, so kam es zu keinerlei Missverständnis und Komplikationen. Sobald der Kommentator an die Maschine ging und den Hebel unterhalb der Kugel zog, drehten sich die Bälle. Nach einem Countdown von drei Sekunden kamen nacheinander zwei Bälle heraus.

"Sieben und fünfzehn" rief der Kommentator, dass zwei Gesichter in die Kamera gelenkt wurden, "Ryota Kajiki gegen Vivian Wong", Applaus folgte, bevor die Bälle erneut umher zirkulierten.

"Zwei und neunundzwanzig - unser allseitsbeliebter Außenseiter Katsuya Jonouchi gegen Yuma Sichiro."

"KAIBA!!!", knurrte der Blondhaarige und biss sich auf die Unterlippe.

"Musste das sein, Seto", seufzte sein kleiner Bruder.

"So steht er nun einmal auf der Liste", entgegnete der Firmenchef schmunzelnd und wandte sich von Jonouchis glühendem Gesicht ab, das bei dem kleinsten Argument explodieren würde. In den Versuchen sich nicht in diese Rolle zu zwängen, machte er die Situation nur noch amüsanter.

"Was beschwert er sich denn. Sein Image bringt ihm, warum auch immer, genug Sympathiepunkte ein."

"Stimmt schon", murmelte Mokuba, der dabei zusah, wie der Moderator den Blonden zu beruhigen versuchte, "ich glaube nur, dass er endlich mal ernst genommen werden will...also von allen." Die nächsten Bälle fielen in die Hände des Moderators. Den Blick auf seinen Bruder gewandt zuckte Kaiba mit den Schultern: "Wenn er aufhört sich wie ein Zehnjähriger zu benehmen, würde man ihm zumindest nicht mehr für völlig verblödet halten." Wieder drehte sich die Lostrommel und spuckte zwei neue Zahlen heraus: "dreißig und zwölf - Rin Yamamori gegen Wotan Arizu." Im Gesicht konnte Kaiba ablesen, dass sie ihren Gegner ganz genau einzuordnen wusste. Wotan Arizu - ein Duellant, der schon seit vielen Jahren für Schroeder Corp. arbeitete.

Zigfried

Der auffallend gekleidete Mann mit dem rosafarbenen Haar hatte sein Gesicht Kaiba zugewandt. Seine türkisfarbenen Augen blickten angriffslustig auf den mächtigen CEO, der nicht verstehen konnte dass von Schroeder so erpicht darauf war, einem erneuten Wettstreit mit ihm gegenüberzutreten. Bisher waren seine Erfolge, mit seiner eigenen Firma an die Spitze der Spieletechnologie zu gelangen, gescheitert - so wie viele seiner Projekte. Scheinbar sah er im Vorrundenduell eine Chance, endlich an einen Sieg heranzukommen. Kaiba lenkte seinen Blick auf seine Duellantin. Auch wenn Zigfried keine Gefahr darstellte, sollte Yamamori im nächsten Duell nicht versagen. Schließlich ging es um den Ruf seiner Firma. Ihre Augen verrieten, dass sie nichts dagegen einzuwenden hatte, gegen das Konkurrenzunternehmen anzutreten. Der Druck war groß, eine Niederlage konnte mehr als nur eine Ausscheidung aus dem Worldcup bedeuten.



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