Zum Inhalt der Seite

Trink das Leben in vollen Zügen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Bemerkung des Schaffners

Er kramte sein Ticket aus seiner Jackentasche und reichte es dem Schaffner. Der entwertete es und wandte sich dann Jakos Gegenüber zu.

Der reichte ihm ebenfalls ein Ticket. Der Schaffner warf einen Blick darauf und sagte:

„Nach Salzgitter? Dann müssen Sie gleich umsteigen. Wir erreichen Braunschweig in ein paar Minuten.“

„Ich weiß", sagte der unverschämt heiße Anblick, „Danke.“

Dann steckte er sein Ticket wieder in die Tasche seiner gut sitzenden Jeans.
 

Schade, dachte Jako. Der Typ gefällt mir. Aber er muss gleich aussteigen. Nun ja.

Er schickte ein Lächeln auf die Reise und der andere lächelte zurück.

Oh Gott.

Dieses Lächeln gefiel Jako. Der andere hatte Grübchen auf beiden Wangen, Himmel sah das niedlich aus ...

Schade, so schade dass es nicht mehr zu einer richtigen Reisebekanntschaft kommen würde. Der andere war gerade dabei, seine Tasche aus dem Gepäcknetz zu holen und seine leichte Jacke überzuziehen.

Jako sah aus dem Fenster. Die ersten Häuser von Braunschweig sausten vorüber.

„Also dann“, sagte der andere und warf Jako einen … bedauernden? ... Blick zu.

„Gute Fahrt noch.“

Jako nickte und sah zu, wie der junge Mann in Richtung Ausgangstür davonging.
 

Der Zug rollte in Braunschweig ein, und Jako warf ein paar Blicke aus dem Fenster.

Dort stand war der junge Mann. Wie es aussah wurde er von einer jungen, hübschen Frau abgeholt, die ihn herzlich umarmte.

Seine Freundin?

Schade ...
 

Hey was soll das, sagte Jako zu sich selbst. Du kennst ihn nicht. Hast ihn nur ein paar Minuten gesehen. Wirst ihn vermutlich nie wiedersehen.

Also was soll das?

Innerlich musste er über sich selber den Kopf schütteln.
 

Den Rest der Fahrt über durfte er sich nun der Gesellschaft der Dame von vorhin „erfreuen“, die den Platz nun wieder in Beschlag genommenen hatte. Wenigstens musste er sich nicht mit ihr unterhalten, da sie ihn keines Blickes würdigte und statt dessen beschlossen hatte, die junge Frau neben ihr vollzutexten, die davon sichtlich „begeistert“ war, da sie eigentlich Kopfhörer in den Ohren gehabt hatte und offensichtlich auch lieber Musik gehört hätte wie Jako es nun wieder tat.

Er überlegte kurz, sich einzumischen, ließ es dann aber.

Er hatte schlichtweg keinen Nerv dazu.
 

Die restliche Fahrt verlief ereignislos.

Als er bei den Eltern ankam, lauschte er dem liebevollen Geplapper seiner Mama. Sie und der Vater, der es fertig brachte, einen ganzen Nachmittag lang kaum drei Worte von sich zu geben, waren ein wandelndes Beispiel dafür, dass an dem alten Spruch „Gegensätze ziehen sich an“, tatsächlich was dran war.

Seine Tante, die Schwester seiner Mama, war zu Besuch.

Sie saßen noch lange zusammen, spielten zu dritt Mensch ärgere dich nicht, während der Vater in seinem Lieblingssessel saß, zusah und einfach genoss, liebe Menschen um sich zu haben.

Jedenfalls wurde es spät, und Jako kam erst kurz vor dem Schlafengehen wieder dazu, an ein paar blaue Augen und ein Lächeln mit niedlichen Grübchen zu denken.

Und ein bisschen sehnsüchtig zu seufzen.
 

Das Wochenende über blieb er gut beschäftigt.

Er kümmerte sich um einige kleinere Reparaturen im Hause. Er erledigte gemeinsam mit der Mutter einen Großeinkauf.

Er half ihr, die Johannisbeersträucher abzuernten und aus den saftigen roten Früchten Gelee zu kochen.

Und am Sonntag, am späten Vormittag, machte er sich wieder auf den Weg nach Hause.
 

Während die Mutter noch in der Küche ein bisschen Reiseproviant für ihn richtete, saß er mit dem Vater im Wohnzimmer.

„Es war schön, dass du wieder da warst Junge“, sagte der Papa.

„Aber, weißt du, du musst nicht alle zwei Wochen kommen. Ich weiß doch wie anstrengend das für dich ist.“

„Ich komme gerne, Papa“, sagte Jako. „Ich hab dich doch lieb. Euch beide.“

„Ich weiß, Junge. Aber ... vernachlässige dein eigenes Leben nicht, okay?“

Sie schwiegen einen Moment.

„Apropos ... gibt es eigentlich inzwischen jemandem in deinem Leben ...?“

Jako wurde rot.

'Jemanden' hatte Papa gesagt. Ja, er hatte seinen Eltern schon erzählt, dass der jemand in seinem Leben nicht wirklich ein Mädchen sein würde ...

Ein himmelblauer Blick blitzte vor seinem inneren Auge auf. Und ein Lächeln voller Wärme ... und Grübchen ...
 

„Nein“, sagte er. „Nein, Papa. Da gibt es niemanden.“

Die Mutter betrat das Wohnzimmer.

„Komm, Jako, du musst dich auf den Weg machen.“

Er umarmte noch einmal seine Eltern, nahm seine Tasche und marschierte davon in Richtung Bahnhof.

Wieder hörte er die meiste Zeit über Musik, während der Zug durch die Landschaft sauste und Felder, Wiesen und Wälder, Städte und Dörfer hinter sich ließ.

Als der Zug den Bahnhof von Braunschweig erreichte, ertappte er sich dabei, dass seine Augen den Bahnsteig absuchten. Unfug, dachte er, riss sich aus seinen Gedanken und konzentrierte sich weder auf die rhythmischen Klänge aus seinem Smartphone.
 

Der Alltag in Berlin holte ihn schnell ein und war hektisch wie eh und je.

Und so verblasste nach und nach die Erinnerung an den Mitreisenden.

Jedenfalls so lange, bis Jako zwei Wochen später wieder mit seiner Tasche und einem Becher Kaffee auf dem Bahnsteig stand und auf seinen Zug wartete.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück