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Das Volk unter DER BLUME

von

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Abschied

Sie stehen am Fuße DER BLUME und sehen nach oben. Hoch ist sie. Sehr hoch.

Der Stengel ist von Spalten, Rissen und Klüften durchzogen.

Irgendwo oben in weiter Ferne erkennt man schattenhaft eine größere Struktur. Das ist das, was der Priester „Blüte“ nennt.

„Es gibt Momente im Leben, da gibt es nur eine Richtung, und die ist vorwärts“, sagt Fro leise.

Dann dreht er sich um zu seine Freunden.

“Na ja, wobei ... ihr könnt immer noch umkehren. Könnt bleiben.“

Jak schnaubt verächtlich.

„Und ohne Musik leben? Nein.“ Er grinst und zieht eine winzige hölzerne Klangschale aus seiner Jagdtasche. Lässt die Finger darüber tanzen und entlockt ihr ein paar dumpfe Töne.

„Das hier kann mir auf der Reise wenigstens niemand nehmen.“

Lix lächelt ihn an und nimmt seine Hand.

Rian schaut verlegen zur Seite.

„Ach was. Was soll ich denn noch hier. Ohne M'lissa.“

Und Flo zuckt nur mit den Schultern und sagt: „Also dann, los!“
 

Sie beginnen mit dem Aufstieg.

Die Oberfläche ist rau und uneben, Sie kommen ganz gut voran, die Füße finden Tritt, die Hände Halt. Sie helfen sich gegenseitig, wenn es mal schwierig wird.

Nach einigen Stunden haben sie eine Art Vorsprung erreicht.

Von hier haben sie einen guten Blick auf das Dorf.

Noch einmal zurückschauen ... ein bisschen sentimental werden ...

Jeder von ihnen hängt seinen Gedanken nach.
 

Flos Blick schweift in die Ferne, wo man andere Blumen erkennt. Es muss etliche andere geben, viele andere.

„Ob es wohl irgendwo da draußen“, sagt er leise, „andere Völker gibt? Die vielleicht so sind wie wir?“

Er schaut die anderen an. Die zucken mit den Schultern.

„Weiß nicht“, sagt Lix. „Der Priester behauptet, wir sind vom Licht geschaffen und sind einmalig.“

Flo schüttelt den Kopf.

„Ich glaube das nicht. Ich glaube daran, dass wir nicht alleine sind auf der Welt. Irgendwo gibt es außerblumisches Leben. Vielleicht sehen sie anders aus als wir, vielleicht haben sie Fühler wie die Käfer, sehen aus wie Siliziumbrocken, wie grobkrumige Erde ... aber es gibt sie. Ich glaube fest daran.“

Er verschränkt störrisch die Arme vor der Brust.

„Vielleicht ... vielleicht weiß der Priester sogar davon. Und verschweigt uns das.“

Die anderen sehen ihn seltsam an.

Flo hat sich schon immer für das interessiert, was außerhalb des Umkreises DER BLUME sein könnte.

Nun, vielleicht bringt ihnen diese Reise Erkenntnisse ... Sie werden sehen.
 

Sie reißen den Blick los von ihrem Dorf. Ein letzter Abschied. Dann gehen sie weiter.

Flo aber hat so viele Gedanken im Kopf.

„Glaubt ihr“, fragt er irgendwann, „dass es stimmt, was der Priester sagt, nämlich, dass DIE BLUME unveränderlich ist? Dass sie vor ein paar Jahrtausenden aus dem Nichts entstand und seitdem genau so besteht? Oder denkt ihr, dass an den Legenden was dran ist?“
 

Die andere wissen, von welchen Legenden er spricht.

Legenden, die erzählen, dass DIE BLUME einst, vor Jahrhunderttausenden ein Samenkorn war, aus dem sie erst winzig klein hervor spross und dann wuchs und noch immer wächst und sich verändert.

So wie die Moose, die ihnen, den Menschen vom Volk unter DER BLUME, Nahrung und Material für Kleidung und alles mögliche spenden.

Diese Legenden sind verboten. Wer davon erzählt, wird hart bestraft.

Die ewige Beständigkeit DER BLUME darf nicht angezweifelt werden.

Gut, viele wollen das auch gar nicht. Denn wenn die Legenden stimmen, würde das bedeuten, dass DIE BLUME irgendwann auch verwelken würde, wie die Moose es tun. Und das ist eine beängstigende Vorstellung, denn sie ist doch ihre Welt, und niemand stellt ich gerne vor, das seine Welt eines Tages untergehen könnte.
 

Flo jedoch hatte schon immer einen offen Geist, der alles hinterfragt. Ebenso wie Fro.

Das hat ihnen oft das Leben schwer gemacht.

Aber aufhören zu denken, aufhören, Wissen zu erwerben und anzuwenden, logische Zusammenhänge zu erkennen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen – mit all dem aufzuhören, weil der Priester es verlangt ... nein. Lieber wären sie gestorben.

Na ja, denkt Fro, vielleicht sind wir ja auf dem besten Wege, genau das zu tun.

Zu sterben.
 

Sie gehen weiter. Der Weg wird steiler, unebener, es ist immer häufiger ein Klettern statt ein Gehen.

Manchmal lösen sich Brocken vom Stengel ab und sie müssen in Deckung gehen, um nicht getroffen zu werden.

Manchmal begegnen ihnen Tiere. Käfer, Blattläuse. Sie haben Jagdwaffen dabei, aber erst einmal genügt der Vorrat, den sie in ihren Taschen haben.

Manchmal schreiten sie durch ganze Haine von Moosen.

Der Weg ist anstrengend, und sie beschließen, bald eine Rast einzulegen.
 

Schließlich finden sie einen Vorsprung, der breit genug ist, um darauf zu lagern.

Rian sucht trockenes Moos zusammen und macht ein Feuer.

Sie werden hier ausruhen, schlafen, essen. Und schlussendlich weiterziehen.

Lix holt Fleisch seiner Tasche, er ist ein bisschen praktischer veranlagt als sein bester Freund Jak. Sie stecken es auf einen Spieß den sie aus der Rinde DER BLUME schnitzen und beginnen es zu braten. Bald duftet es köstlich nach gegrilltem Fleisch, und sie machen sich darüber her.
 

„Es macht Spaß“, sagt Fro, „mit meinen Freunden auf Reisen zu sein.“

Er grinst seine Freunde beinahe liebevoll an. „Klar, es ist beängstigend und so, aber es ist auch aufregend. Wir wissen nicht, was morgen sein wird und ob wir das hier irgendwie überstehen. Aber ...“

Er sucht die richtigen Worte.

Flo springt ein.

„Lieber nur noch wenig Zeit haben und die mit vollen Sinnen genießen oder? Das ist besser als ein langes Leben ohne ... Freiheit.“

Die anderen nicken.

Jak nimmt die kleine Klangschale und beginnt, ihr einen leisen aber eindringlichen Rhythmus zu entlocken.

Bald beginnt Lix, dazu zu singen. Die Worte fließen aus ihn heraus, er singt was ihm durch den Kopf geht. Er singt von einem Gedanken, der aus der Vorstellung erwächst; der einen das eigene Selbst spüren lässt, der einem sagt, dass man zwar die gleiche Luft atmet, wie schon die Vorväter es taten, dass man aber dennoch eigene Wege gehen muss. Die Welt verändert sich, DIE BLUME verändert sich, wächst empor, wächst empor ... und nur mit eigenen Gedanken kann man letztlich auf neue Eben steigen.
 

Ein eindrucksvolles Lied, in das auch Fro einstimmt, als Lix es zum zweiten Male singt.

Entstanden aus einer Stimmung heraus an diesem Lagerfeuer.



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