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Eine Frage der Anziehung

von

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Abgefahrene Missverständnisse

Es dauerte zwei Tage, bis Dean das nächste Mal etwas von Castiel hörte. Es war Montag, der mit Abstand scheußlichste Tag der ganzen Woche, aber wenn das Wetter etwas besser gewesen wäre, hätte Dean der Wochenstart, abgesehen vom frühen Aufstehen, gar nicht mal allzu viel ausgemacht. Er liebte die Arbeit bei Bobby, und da dessen Werkstatt über die Jahre immer mehr zum Geheimtipp für Kenner und Liebhaber geworden war, kam Dean immer öfter in den Genuss, mit echten Schmuckstücken zu arbeiten. Ein wahres Highlight in seinem Job, selbst wenn die Wagen nur eine simple Wartung benötigten. An besagtem Montag steckte Dean bis zur Hüfte unter einem vergleichsweise ramponierten Bentley, als plötzlich sein Handy klingelte.

 

Während der Arbeit hatte Dean das Handy wie üblich in seiner Werkzeugkiste abgelegt, was das Vibrieren mit einem metallischen Scheppern untermauerte, als sei die eintreffende Nachricht von ganz besonderer Priorität. In der Erwartung, eine SMS von einem Stammkunden erhalten zu haben (schließlich wussten all seine Freunde, dass er gerade bei der Arbeit war), rollte Dean auf dem Brett unter der Karosserie hervor und rappelte sich auf, um sich die Öl verschmierten Finger an einem alten Lappen abzuwischen, bevor er nach seinem Telefon angelte.

Als er das Display aktivierte, sah er, dass der Lärm einer Nachricht mit unbekannter Nummer zu verdanken gewesen war.

 

[10:31 AM, 10-07-19] Unbekannt: Hallo, Dean! Vielen Dank für den netten Abend neulich. Ich hoffe, wir können das einmal wiederholen.
 

Dean stutzte. Die Nachricht war definitiv privater Natur, aber er konnte sich beim besten Willen nicht an das letzte Mal erinnern, als er einer Verabredung seine Nummer gegeben hatte. Insbesondere der Tonfall ließ ihn darauf schließen, dass er mit der geheimnisvollen Unbekannten mehr genossen hatte, als nur ein paar Drinks, doch wenn er ehrlich sein sollte, lag sein letzter One-Night-Stand schon wieder so lange zurück, so dass er sich nur noch dunkel daran erinnern konnte.

Aber vielleicht hatte die Person hinter der Nachricht einfach nur eine Weile gebraucht, um an seine Nummer zu kommen? Achselzuckend beschloss Dean, die Nachricht fürs erste zu ignorieren. Früher oder später verlor so noch jedes lästige Anhängsel seine unbegründete Hoffnung, und er machte Anstalten, das Handy zurück in den Werkzeugkasten zu legen, um sich wieder seiner Arbeit zu widmen. Doch die nächste Nachricht trudelte ein, noch während er das Smartphone in der Hand hielt und er konnte nicht umhin, sie direkt zu lesen:
 

[10:34 AM, 10-07-19] Unbekannt: Hier ist übrigens Castiel. Gabriel hat mir deine Nummer gegeben. Ich hoffe, ich störe nicht! Und ich hoffe, die Nummer stimmt. Bei meinem Cousin weiß man nie so genau.
 

Dean seufzte mitleidig, wohl wissend, dass Castiels Zweifel berechtigt waren. Mit Gabe verwandt zu sein, kam einem unter Garantie manchmal wie ein schlechter Scherz vor. Also fasste Dean sich ein Herz und schrieb zurück:
 

[10:36 AM, 10-07-19] DW: Kein Problem. Nummer stimmt! Bin arbeiten, aber hab heute Abend Zeit. Dean
 

Da Dean sich kurz Zeit nahm, um Castiels Nummer einzuspeichern (unter ‚Cas‘, da ihm der vollständige Name zu umständlich zu tippen war), traf auch die nächste Antwort noch ein, bevor er das Telefon aus der Hand gelegt hatte.
 

[10:38 AM, 10-07-19] Cas: Dann freue ich mich auf heute Abend! Ist dir 6 Uhr recht?
 

In diesem Moment kam Bobby um die Ecke, weshalb es Dean nur gelang, ein knappes ‚Ok‘ zurück zu senden, ohne weiter darüber nachzudenken. Der alte Griesgram war selten davon begeistert, wenn man während der Arbeitszeit herum trödelte und Dean sah zu, dass er wieder unter den Bentley kam. Der kurze Austausch mit Castiel war bald darauf vergessen.

 

Es war halb sechs, als Dean Baby endlich auf dem Parkplatz vor dem Haus abstellte. Ein Blick in den Rückspiegel verriet ihm, dass er Öl in den Haaren hatte und allmählich konnte er sich selbst nicht mehr riechen. Außerdem war ihm inzwischen eiskalt; er sehnte sich nach nichts mehr als nach einer heißen Dusche, seit er während der Arbeit in einen leichten Nieselregen geraten war, als er ein paar Teile vom Schrottplatz hinter Bobbys Werkstatt hatte holen wollen. Er ließ sich selbst in seine Wohnung und trat sich hastig die nur zur Hälfte aufgeschnürten Arbeitsschuhe von den Füßen, um so schnell wie möglich aus seiner regenfeuchten und durchgeschwitzten Kleidung zu kommen. Doch plötzlich hielt er inne: Aus der Küche schlug ihm ein absolut köstlicher Duft entgegen, der ihm das Wasser im Mund zusammen laufen und seinen viel zu leeren Magen knurren ließ.

 

Manchmal war Sammy doch fast so was wie ein Engel, dachte er, als er sich auf, zugegeben, deutlich unappetitlicher müffelnden Socken durch den Flur pirschte, um einen Blick in die Küche zu werfen. Ein wenig wunderte es ihn schon, dass es in der Wohnung nach einer richtigen Mahlzeit roch, die nicht nur aus überbackenemToast oder Fertigfraß bestand. Sam war nicht gerade ein Held in der Küche. Die Erklärung wartete hinter der angelehnten Küchentür auf ihn: Dean fand seinen Bruder und Eileen eng umschlungen vor dem Herd vor; sie rührte in einem der Töpfe, aus denen es so verführerisch duftete, während er sie von hinten an sich drückte. Er strich ihr in diesem Moment das Haar zurück, um ihr den Hals zu küssen.
 

„Hallo, Dean!“, sagte Eileen aus heiterem Himmel und löste damit aus, dass Sam so heftig zusammenzuckte, dass er ihr beinahe den Kochlöffel aus der Hand geschlagen hätte.
 

Dean war wieder einmal sprachlos. Es war ihm noch nicht ein einziges Mal gelungen, sich unbemerkt an Eileen heranzuschleichen und er fragte sich jedes Mal aufs Neue, wie sie es schaffte, ihn, trotz ihrer Gehörlosigkeit, noch vor Sam zu erwischen.

 

„Hey, Eileen!“, sagte und gebärdete er, als sie sich zu ihm umgedreht hatte. Sam sah auch endlich wieder so aus, als habe er sich von seinem Schock erholt, denn er begann damit, Soßenspritzer von der Wand und dem Kochfeld zu wischen.

„Heya, Sammy. Das riecht echt abgefahren!“
 

„Du aber nicht“, kam es prompt von Sam. „Ab unter die Dusche, damit wir essen können. Bist sowieso ganz schön spät dran!“
 

Dean zog fragend eine Braue hoch.

„Wieso spät? Ich wusste nicht, dass wir zusammen essen? Danke dafür, übrigens.“
 

Eileen und Sam wechselten einen Blick und Eileen sagte etwas in Gebärdensprache, das Dean nicht verstand.

 

„Du hast doch die Uhrzeit mit Castiel ausgemacht“, sagte Sam schließlich, wofür er von Dean ein verständnisloses Kopfschütteln erntete.
 

„Er hat mir heute Vormittag geschrieben, stimmt … Unmenschliche Zeit, übrigens! Kriegt wohl nur'n Student hin, während normale Leute arbeiten! Aber er wollte nur wissen, ob meine Nummer stimmt? Und, ob ich heute Abend Zeit- oh."
 

Dean fischte das Smartphone aus der Tasche seines verschmierten Blaumanns, der nach dem heutigen Tag wirklich dringend eine Wäsche vertragen konnte. Er rief den kurzen Nachrichtenverlauf mit Castiel auf und stellte fest, dass nach seinem hastigen ‚Ok‘ noch eine weitere Nachricht eingegangen war.

 

[10:40 AM, 10-07-19] Cas: Normalerweise bin ich am Anfang nicht so direkt, aber ich habe gerade Sam beim Einkaufen getroffen und er hat mich für heute Abend zum Essen eingeladen, als ich ihm erzählt habe, dass wir uns sowieso um 6 Uhr treffen wollen. Ich hoffe, es ist dir recht!
 

Dean ließ das Handy sinken und schlug sich stöhnend die freie Hand vors Gesicht. Verfluchte Studenten! Er war davon ausgegangen, dass Castiel sich am Abend wieder melden wollte – aber dass er sich direkt mit ihm verabredet hatte, war ihm am Vormittag überhaupt nicht klar gewesen. Konnte man wirklich so sehr aneinander vorbei reden? Castiel war mit Sicherheit einer der schusseligsten Menschen, die ihm je begegnet waren, machte sogar Ash und dessen Verpeiltheit ernsthafte Konkurrenz.
 

„Dean? Erde an Dean!“
 

„Was?!“, fauchte Dean gereizt zurück und nahm die Hand vom Gesicht.
 

„Du hast noch zehn Minuten. Gabe sagt, Castiel ist normalerweise super pünktlich!“
 

Dean sorgte wieder einmal dafür, die Augen vor Sam besonders theatralisch in den Höhlen rollen zu lassen, woraufhin Eileen ein Giggeln entfuhr, das sie hastig als Husten zu tarnen versuchte. Den gespielt beleidigten Blick, den Sam ihr schenkte, sah Dean nur noch aus den Augenwinkeln, denn er machte auf dem Absatz seiner stinkenden Socken kehrt und peste auf dem schnellsten Wege Richtung Badezimmer. Nicht, dass er sich für Castiel übertrieben Mühe geben wollte, aber ganz verstören wollte er das neuste Mitglied in ihrem Freundeskreis dann doch auch nicht.

 

Zehn Minuten waren utopisch, um sich vom Dreck des Arbeitstages zu befreien. Erst recht, wenn man sich danach noch anziehen und seine Haare in vorzeigbarem Zustand präsentieren wollte. Besonders, wenn der Gast, den man, ohne es zu wissen, eingeladen hatte, zwei Minuten vor sechs Uhr an der Tür klingelte. Glücklicherweise war Eileen nicht nur hübsch und klug, sondern auch noch äußerst charmant und durchsetzungsfähig und sie hatte es geschafft, Sam und Castiel aufs Sofa zu verbannen, während sie selbst den Tisch deckte. Vielleicht sollte Dean es besorgniserregend finden, wie tief Sam in dieser Beziehung steckte, wenn sich seine Freundin derart problemlos in der Küche seines Bruders, in Deans Küche, zurechtfand. Andererseits hatte er am Wochenende im Auto auch nicht gelogen: Er war wirklich besser in der Küche als Sam und Dean war es deutlich wohler ums Herz, wenn Eileen so viel wie möglich übernahm, was das Kochen, aber auch das Drumherum in seinem Heiligtum betraf. So geschickt Sam auch in vielen Dingen war und so sehr er seinem Bruder in allen anderen Lebenslagen vertraute – in der Küche war er manchmal wirklich ein Elch.

 

Als Dean mit feuchten, aber wenigstens halbwegs gekonnt zerzausten Haaren, vollkommen sauber und in frischen Jeans und sauberem Led Zeppelin Shirt zu seinen Gästen und seinem Bruder stieß, zog er für einen winzigen Moment in Erwägung, Castiel einfach frei heraus zu sagen, dass ihr Treffen eigentlich auf einem Missverständnis beruhte. Aber als Castiel bei seinem Erscheinen sofort auf die Füße sprang, überlegte er es sich doch wieder anders. Um nicht zu sagen: Er vergaß sein ursprüngliches Vorhaben vollkommen. Castiel stand nämlich mit einem Mal viel zu nahe vor ihm, das Gesicht kaum eine Hand breit von seinem eigenen entfernt, und schaute ihm aus unmittelbarer Nähe so tief in die Augen, als warte er auf irgendetwas. Dean konnte sich keinen rechten Reim darauf machen, unterdrückte den Drang, unsicher von einem Bein aufs andere zu treten. Merkwürdigerweise konnte er aber seine Zungenspitze, mit der er sich nervös über die Lippen leckte, nicht im Zaum halten. Auf die geringe Distanz waren Castiels Augen wirklich ganz besonders außergewöhnlich; er hatte noch nie einen vergleichbaren Blauton bei jemandem gesehen. Mit wachsender Unsicherheit registrierte er, dass Castiels Blick auf seine Lippen fiel, er Deans Minenspiel kopierte und sich ebenfalls mit der Zunge über die rauen Lippen fuhr. Wäre Castiel eine Frau gewesen, hätte für Dean spätestens jetzt alles darauf hingewiesen, dass sie sich gerade in der Situation unmittelbar vor einem Kuss befanden. Aber das war schließlich ausgeschlossen. Dean war hetero und Castiel ein Mann. Doch halt – andersherum kam Dean als Partner für einen Kuss aus Castiels Sicht sehr wohl infrage, immerhin war Castiel schwul. Ganz im Gegensatz zu Dean, natürlich! Er räusperte sich unbehaglich.

 

„Uhm, persönlicher Freiraum, Cas?“, brummte er halblaut und benutzte damit unbewusst den Spitznamen, den er Castiel auch in seinem digitalen Adressbuch gegeben hatte.

 

Castiel – Cas – wirkte überrascht, aber ob es an seinem neuen Spitznamen lag oder an der eigenen Selbstvergessenheit, mit der er Dean anstatt einer tatsächlichen Begrüßung gegenüber getreten war, konnte er nicht mit Sicherheit sagen.

 

Aus den Augenwinkeln bemerkte Dean eine synchrone Bewegung von Sam und Eileen und er hörte ein leises Klatschen, doch als er zu ihnen herübersah, erwiderten sie seinen Blick nur äußerst verdächtig.

 

Cas zog sich ein paar Schritte zurück und machte Anstalten, wieder auf dem Sofa Platz zu nehmen, doch in diesem Moment schaltete sich Sam ein: „Wir können sofort essen, da es Dean ja jetzt auch endlich zu uns geschafft hat!“

 

Ihm entging der tadelnde Tonfall seines Bruders nicht, beschloss aber, ihn zu ignorieren und folgte den drei anderen ergeben in seine eigene Küche und an den Esstisch.

 

Entgegen der merkwürdigen Umstände des gemeinsamen Abends und des weitaus merkwürdigeren Startes, wurde das Essen nahezu noch entspannter als der Samstagabend im Roadhouse. Sam und Eileen hatten Nudeln mit Gemüsesoße und Fleischbällchen gekocht und Dean begrub seine erste Portion glückselig unter einem Berg geriebenen Grana Padanos, bevor er sich das erste Knäuel in den Mund schaufelte. Er seufzte zufrieden um die Nudeln herum und als er die Augen, die er genießerisch geschlossen hatte, wieder öffnete, bemerkte er gleich dreierlei Blicke, die amüsiert (Eileen), missbilligend (Sam) und in eigentümlicher Faszination (Cas) auf ihm ruhten.

Er schluckte den Bissen hinunter, um schließlich endlich an Eileen gewandt sagen zu können (denn ihr gebührte zweifellos das meiste Lob): „Schmeckt großartig, Eileen, echt abgefahren!“

 

Eileen, die seine Worte gesehen hatte, lächelte geschmeichelt und schenkte ihm eine Kusshand über den Tisch, die Dean mit einem Zwinkern auffing.

 

Castiel neigte in einer Art stummen Frage kritisch den Kopf und bemerkte trocken: „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so oft das Wort ‚abgefahren‘ benutzt.“

 

Sam lachte laut.

„Glaub mir, da bist du nicht der einzige!“

 

Statt zu antworten, stopfte Dean sich den Mund ein weiteres Mal so voll, dass er für eine ganze Weile kein Wort mehr herausbrachte, und vielleicht war das vor Cas und Eileen auch besser so.

Und der Abend wurde noch besser: Wie Dean während seiner Dusche entgangen war, hatte Cas zum Nachtisch eine Apfelpastete mitgebracht, mit ‚vielen Grüßen von Gabriel‘, wie er mit leicht gequältem Gesichtsausdruck sagte. Dean quittierte Cas‘ Gastgeschenk mit einem begeisterten „Abgefahren!“ und ignorierte demonstrativ das Kopfschütteln von Sam, nicht aber das gutmütige Lächeln von Castiel, das ihm wieder dieses irritierende Flattern in der Magengegend bescherte, so dass er sich zu fragen begann, ob er es nicht bei einem Stück Pastete hätte belassen sollen. Als hätte er seinem Lieblingsdessert jemals widerstehen können!

 

„Warum hast du Gabe nicht direkt mitgebracht?“, fragte Dean zwischen zwei Bissen seiner zweiten Portion.

 

Cas neigte wieder einmal auf diese überaus liebenswerte Art und Weise den Kopf, als habe Dean soeben eine reichlich bescheuerte Frage gestellt.

 

„Aber ich habe mich doch mit dir verabredet, Dean“, sagte er ernst und so, als sei das die logische Erklärung für Gabriels Abwesenheit. Dean überging die Tatsache, dass ihre Verabredung immer noch auf einem Missverständnis beruhte, und nickte kauend, auch wenn er nicht unbedingt verstand, warum Castiels Erklärung einen weiteren Gast zum Essen ausschloss. Schließlich hatten auch Sam und Eileen mit ihnen den Abend verbracht und eine Person mehr oder weniger machte kaum einen großen Unterschied – gut, sie sprachen immerhin von Gabe, aber auch er war ihr Freund und, nicht zuletzt wegen der abgefahrenen Qualität der Apfelpastete, ein ziemlich guter, sogar.

 

„Vielleicht können wir die Woche ja noch mal was mit Gabe machen. Und mit den anderen“, schlug Dean darum vor und schielte mit einem Auge schon wieder nach der bereits zur Hälfte leer gekratzten Pasteten-Form. Es stimmte schon, das merkwürdige Gefühl in seinem Magen sollte ihm vielleicht eine Warnung mit dem Essen sein, aber andererseits war ihm auch nicht im Geringsten unwohl zumute. Im Gegenteil: So zufrieden wie an diesem Abend und in diesem Moment hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Der Nachtisch schien dabei nur noch die Krönung zu sein.

 

Sam, ihm gegenüber, runzelte auf seinen Vorschlag jedoch wieder einmal die Stirn und seltsamerweise hatte Dean das Bedürfnis, unter dem Tisch die Füße einzuziehen, so als müsste er, wie am vergangenen Samstag, jeden Moment mit einem warnenden Tritt rechnen.

 

Was?“, fragte er deshalb, und streckte demonstrativ die Zunge heraus, nur, um anschließend seine Kuchengabel, gleichermaßen genüsslich wie provokant, von beiden Seiten abzulecken. Aus den Augenwinkeln hatte er das Gefühl, dass Cas ihn mit offenem Mund anstarrte, doch als er sich zu ihm umdrehte, sah dieser nur angestrengt auf seinen Teller.

 

Sam räusperte sich. „Na ja. Castiel ist ja noch neu in der Gegend. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn … jemand ihm zeigt, was man bei uns so alles unternehmen kann.“

Er machte eine bedeutungsvolle Pause, in der er offenbar auf eine Antwort von Dean zu warten schien. Als Dean seinerseits nur die Stirn runzelte und dabei die Kuchengabel aus seinem Mund heraushängen ließ, seufzte Sam schwer und setzte nach: „Ohne, dass direkt der ganze Pulk mit trabt.“

 

Dean nahm sich Zeit, die Gabel aus seinem Mund zu ziehen und sie achtlos und sehr geräuschvoll auf seinen Teller fallen zu lassen. Er mochte Cas, sehr sogar, und allmählich wurde ihm dieses Spielchen von Sam und seinen Freunden zu bunt. Ja, er hatte sich ein paar Mal in der Wortwahl vergriffen, ja, vielleicht war er manchmal von Leuten wie Gabriel verunsichert, die ein gänzlich anderes Verständnis von Männlichkeit zu leben schienen. Aber das machte ihn noch lange nicht zum homophoben Arschloch und es war eine Unverschämtheit von Sam, ihn allein mit Cas losschicken zu wollen, um seine vermeintliche ‚Schwulenfeindlichkeit‘ zu kurieren!

 

Dean schenkte Sam das gekonnteste, strafendste Bitch-Face, zu dem er fähig war, bevor er sich mit einem ehrlichen Lächeln erneut zu Castiel umdrehte.

 

„Stehst du auf Filme? Wir haben hier in der Nähe ein Kino, das am Wochenende immer die größten Klassiker zeigen. Ist meistens ziemlich abgefahren und lohnt sich immer!“

 

Cas neigte fragend den Kopf; weshalb genau diesmal, konnte Dean nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht lag es daran, dass er Deans Frage nicht automatisch als Einladung verstand. Vielleicht musste er vor Castiel einfach deutlicher werden, damit es nicht zu weiteren Missverständnissen kam. Die immerhin zu diesem durchaus schönen Abend geführt hatten, aber trotzdem!

 

„Also, kommst du mit?“, fragte er, um zu betonen, dass er dazu bereit war, auch ohne die schützende Begleitung seiner Freunde etwas mit Cas zu unternehmen.

„Vor ein paar Wochen haben sie Die Unbestechlichen gezeigt und davor einen Star Wars Marathon. Natürlich nur die Originale!“

 

Und Cas ließ sich doch noch von Deans Begeisterung anstecken, denn auf seinem Gesicht zeichnete sich schließlich ein Lächeln ab, eines, das in den sturmblauen Tiefen seiner Augen begann, die Haut in seinen Augenwinkeln in bezaubernden Fältchen kräuselte und diesmal sogar selbst seine Lippen erreichte. Es war das zweite Mal, dass Dean in Cas‘ Nähe das Gefühl hatte, nicht nur etwas gut, sondern etwas richtig gemacht zu haben, besonders, als Cas endlich sagte: „Ich würde sehr gern mit dir ins Kino gehen, Dean.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel heißt: Ausnahmen wie Swayze. Komplett anzeigen

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