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Erinnerungen seiner Haut

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Der erste Oneshot. Es wird fluffig und ein bisschen dark. Komplett anzeigen

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Der Ruf der Violine

Erster Mai.

Schnelle Schritte tragen dich in Richtung deines Heimes. Heute scheint dein Glückstag zu sein – in vielerlei Hinsicht. Nicht nur dein überraschend frühzeitiger Feierabend, oder das Sonnenlicht, das warm deine Haut streichelt … oder dass der Supermarkt zum ersten Mal alles auf Lager hatte, was du brauchst. Nein, der Tag selbst verwandelt jede Trivialität in etwas Besonders.

Dein Herz schlägt erwartungsvoll, als du den Schlüssel zu eurer Wohnung hervorziehst. Pasta, Rucola, feine Kräuter und ein Hauch Sehnsucht warten begierig darauf, zu einem feinen Abendessen verarbeitet zu werden.

Bevor du die Wohnung betrittst, schließt du deine Augen und atmest tief durch.

Zu dieser Zeit ist er meistens im Devil May Cry, um neue Aufträge anzunehmen oder seinen Verdienst einzufordern. Und wenn er heute zurückkehrt, wird alles vorbereitet sein: Das Essen arrangiert und ein kleines Päckchen, liebevoll eingepackt in schwarzglänzendes Papier, auf dem Tisch liegend …

Er ahnt nichts von deinen Plänen.

Und du bist unbestreitbar nervös.

Du kannst nur hoffen, dass er dich nicht durchschaut hat, immerhin ist es das allererste Mal, dass …

Mit einem energischen Kopfschütteln öffnest du endlich die Tür. Es ist wahrlich ungünstig gerade jetzt dein Selbstbewusstsein zu verlieren. Die Zeit läuft ab und du hast noch so viel – Moment, warum musst du den Schlüssel nur einmal herumdrehen? Du bist dir ziemlich sicher heute Morgen vernünftig abgeschlossen zu haben. Ist er vor dir angekommen?

Vorsichtig wirfst du einen Blick in den Flur, der dich jedoch leer begrüßt.

»V?«

Keine Reaktion.

Du lässt die Tür langsam ins Schloss fallen und stellst die prallgefüllte Einkaufstüte ab. Die Weinflasche erzeugt einen dumpfen Ton auf dem Parkett. Wie durch Zufall fällt dein Blick auf seinen Stock, angelehnt an seinen üblichen Platz an der Wand neben dem Sideboard. Ohne ihn verlässt er niemals das Haus, was nur einen Schluss zulässt: Er ist hier.

Froh, einen Einbruch ausschließen zu können, atmest du schwer aus. Jedoch gibt die ungewohnte, durch die Wohnung wabernde Stille jetzt dir das Gefühl ein Eindringling zu sein – und ein unangenehmes Kribbeln kriecht deine Wirbelsäule hinauf.

Du rufst kein zweites Mal nach ihm. Das ist nicht nötig: Ein kurzer Blick ins Wohnzimmer links von dir genügt, um ihn auszumachen. Er steht mit dem Rücken zu dir. Normalerweise genießt er den Panoramablick durch die zurückgezogenen Vorhänge und das warme Licht der Dämmerung, das ihn umgibt. Nur heute nicht. Es scheint ihn nicht zu erreichen … oder zu berühren.

Seine Augen ruhen auf einen Gegenstand in seiner linken Hand, im Schatten des Sonnenunterganges nur schwer zu erkennen. Doch so wie du seinen Blick deutest, bist du dir sicher, dass er ihn schon ziemlich lange betrachtet. Zusammengepresste Lippen, die Stirn in Falten gelegt.

Auf die gleiche Weise, wie er ein ausgelesenes Buch ansieht, das ihn tief bewegt hat.

Deine Begrüßung bleibt dir im Halse stecken. Er bemerkt dich nicht, als er sich endlich rührt und das Objekt auf seine linke Schulter hebt. Jetzt wo er aufrecht steht und sich ein wenig dreht, kannst du endlich mehr ausmachen – und wie erstaunt bist du, als du die Violine und den Bogen in seiner anderen Hand erkennst. Du hast ihn niemals spielen sehen, wusstest nicht einmal, da er ein Instrument besitzt und doch wirkt seine Haltung auf kuriose Weise geübt und … vollkommen?

Allerdings bestätigen die ersten schrillen, verzerrten Töne deine vorherige Vermutung. Unzufriedenheit zeichnet sein Gesicht, aber er fährt fort. Und tatsächlich ändert sich nach wenigen Sekunden der jungfräuliche Klang, wächst heran zu einer harmonischen Melodie.

V’s Unsicherheit schwindet nun sehr schnell und seine Bewegung wird mit jedem Streichen sanfter und gekonnter – als hätte er jahrelang nichts anderes getan. Du kannst nur reglos dastehen und ihn beobachten. Wie in Trance treibt er in den Wellen seiner Musik, Klangfarben, die den Raum ausfüllen und jede Faser deines Organismus durchdringen. Sanfte Tonfolgen, scheinbar improvisiert und willkürlich zusammenfließend. Voller Sehnsucht und unergründlicher Trauer. Und doch so …

Ein Zittern geht durch deinen Körper. Warum tränen deine Augen plötzlich?

… so vertraut.

Du wolltest ihn überraschen, aber er kam dir zuvor.

Seine Darbietung endet nur sehr langsam, als zögere er. Doch schließlich ersetzt sein schwerer Atem die sanften Töne der Violine, schwer einzuschätzen, ob erleichtert oder geplagt. Du bist nicht in der Lage seine Gefühle über die vergangenen Minuten einzuschätzen.

… Aber deine eigenen.

»Wunderschön.«

Das Wort ist gesprochen, bevor du dich stoppen kannst. Überrascht dreht er sich zu dir um – und jetzt kannst du alles in seinen Augen lesen, was er niemals aussprechen wird. Er versucht es vor dir zu verstecken und verschließt seinen Blick, aber es ist zu spät. Du hast es gesehen: Das Staunen, den Genuss – und den Schmerz.

Er nähert sich dir bemüht gelassen und zeigt kein Zeichen von Verlegenheit, als er dich in seine Arme schließt, Instrument und Bogen noch immer fest umklammernd.  »Verzeih meine Unaufmerksamkeit. Ich habe dich nicht so früh erwartet.«

»Schon okay.« Du erwiderst die Umarmung, die einige Sekunden länger dauert, als sonst. »… ist alles in Ordnung?«

»Offen gesagt weiß ich es nicht.« Er lässt dich nur zögerlich los. »Ich bin zumindest ein wenig … überrascht.«

»Ich auch.« Du bringst ein unsicheres Kichern über die Lippen. »Das war sehr schön. Ich wusste gar nicht, dass du Geige spielen kannst.«

»Ich auch nicht.« Endlich stellt er das Instrument beiseite und blickt aus dem Fenster, allerdings sind seine Augen verschleiert. »Eigentlich war ich auf dem Weg zum Devil May Cry, als ich sie sah, einsam und verlassen an einer Mauer lehnend. Jemand scheint sie aussortiert zu haben, vielleicht weil sie alt und abgenutzt ist. Und ich …«

Du beobachtest, wie er seine Hand hebt, als wolle er nach etwas greifen, vielleicht etwas, dass seine unausgesprochenen Fragen beantwortet – aber seine tätowierten Finger umschließen nur Leere. Du kommst nicht umhin, immer wieder aufs Neue von seiner Körpersprache fasziniert zu sein.

»Es fällt mir schwer es zu erklären, aber da war dieses Gefühl, dass sie … nach mir ruft.«

Langsam senkt er die Hand wieder, sein Blick wandert zu dir zurück. »Ich konnte sie nicht zurücklassen. So beschloss ich sie mitzunehmen und vielleicht zu lernen, wie man auf ihr spielt. Es erschien mir gerechtfertigt, wo heute doch der einzige Tag im Jahr ist, an dem ich mir etwas Gutes tue.«

Ein seltsames Lachen bricht aus seiner Brust hervor. Es klingt alles andere als fröhlich, eher als balanciere er am Rande eines Abgrundes, dessen Tiefe du nicht begreifst. Er nähert sich dir und vergräbt sein Gesicht in deiner Halsbeuge.

»Ich hätte mir nie ausgemalt, dass mein erster Versuch so erfolgreich sein würde. Es war so ein Gefühl, als würde nicht ich selbst spielen, sondern … von jemandem kontrolliert werden.«

Du atmest scharf ein. Wieder einmal wird dir bewusst, dass du nur so viel über ihn weißt, wie er dir freiwillig offenbart. Dass es vielleicht Dinge gibt, über die du nicht Bescheid wissen sollst.

Aber heute ist nicht der passende Tag, um irgendetwas zu hinterfragen. Heute soll ein schöner Tag sein – besonders für ihn.

Leise seufzend umschließt du seine Schultern, eine deiner Hände sucht ihren Weg in sein weiches, dunkles Haar.

»Ich mochte es.«

Deine Worte streifen sein Ohr und du kannst sehen, wie Schauer und Gänsehaut über seinen Hals wandern. »Ich habe nur dich spielen sehen und niemanden sonst.« Deine Hände umfassen sein Gesicht, als du deine Stirn an seine lehnst und vorsichtig nach seinem Blick tastest.

»Bitte, spiele noch einmal für mich … irgendwann.«

Endlich lächelt er und dieses Mal erreicht es seine Augen. Er greift nach deinen Händen und seine Lippen finden deine. Du schmeckst Erleichterung, als er dich so nah wie möglich an dich heranzieht.

»Ich danke dir.«

Für einen kurzen Moment verweilt ihr in der Nähe des anderen, bevor du dich, zugegeben mit Überwindung, von ihm löst.

»Wir machen uns jetzt einen schönen Abend. Wie wäre es mit Pasta?«

Augenblicklich hellt sich sein Gesicht auf. »Würdest du meine Hilfe in der Küche annehmen?«

Ein freches Grinsen zieht an deinem Mundwinkel. »Ausnahmsweise. Aber vorher …«

Aufgeregt eilst du in den Flur, nur um wenige Sekunden mit einem kleinen Päckchen in der Hand zurückzukehren.

»Alles Gute zum Geburtstag.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Prompt:
Hey can I give you a prompt for a short story? I thought about S/o coming home earlier than expected (from a mission or casual work) and they hear that V secretly practices with a violin.

Habe die Kurzgeschichte am 01.05 geschrieben - V's offizieller Geburtstag. Fand es ganz passend. Komplett anzeigen

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