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Ein Tag im Leben einer Altenpflegerin im ambulanten Bereich

von

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Heute möchte ich einen Tag aus meinem Berufsleben beschreiben. Einen Tag im Leben einer Altenpflegerin. Ich habe keine Namen und Orte verwendet, auch keine genauen Beschreibungen der einzelnen Handlungen. Aus Datenschutzgründen und aus Gründen der persönlichen Privatsphäre.
 

Viel Spass beim Lesen.

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Morgens früh um sechs

Kommt die kleine Hex'
 

Morgens früh um sieben

Schält sie Kraut und Rüben
 

Morgens früh um acht

Wird Kaffee gemacht
 

Morgens früh um neun

Geht sie in die Scheun'
 

Morgens früh um zehn

Macht sie Holz und Spähn'
 

Morgens früh um elf

Kocht sie bis um zwölf
 

Fröschebein', Krebs und Fisch

Hurtig Kinder- Kommt zu Tisch!
 

Entschuldigung, dieses alte Gedicht spukt mir schon lange im Gedächtnis herum. Es kursiert in unserer Familie bereits seit ca 1850. Wer kennt es sonst noch? Bitte melden!
 

Nun gehts los:
 

Wer in der Altenpflege arbeitet muss sich darauf einstellen, das er ungewohnt frühe Arbeitszeiten hat. Dabei macht es eigentlich keinen Unterschied ob man jetzt in einer Einrichtung wie Senioren- u. Pflegeheimen oder im ambulanten Dienst arbeitet.

Um halb sechs, also 5:30Uhr, trifft sich die Frühschicht im Heim oder Büro des Pflegedienstes. Dort gibt es dann Informationen von der Nachtschicht im Heim bzw. von der Person, die Rufbereitschaft hat.

Bis um sechs sind im ambulanten Pflegedienst alle ausgeflogen. Das heißt, die einzelnen Pfleger- innen suchen ihre Dienstwagen auf und fahren zu ihren Patienten. In meinem Pflegedienst gibt es insgesamt 15 Touren, einige Ganztagstouren, Hauswirtschaftstouren, gemischte Touren und reine Pflegetouren.
 

Ich fahre eine reine Pflegetour. Um halb sechs bin ich im Büro, hole mir Infos falls etwas abends oder nachts vorgefallen ist, suche meine Schlüssel zusammen, eventuell Medikamente, mein Diensthandy und bin um kurz vor sechs im Dienstwagen. Denn um sechs wird der erste Patient angefahren. Man kann ein paar Minuten eher sein, später ankommen ist nicht gut. Es ist ein Zeichen von Unzuverlässigkeit.
 

Der Dienstwagen hat immer Verkehrstauglich zu sein. Denn wer den Wagen fährt, der hat die Verantwortung. Das heißt auch, niemals ohne Parklicht auf einer unbeleuchteten Straße stehen lassen. Falls jemand hinein fährt, muss man selber den Kopf hinhalten.
 

Um Punkt sechs stehe ich bei dem Patienten vor der Tür, schließe die Tür mit dem mitgebrachten Schlüssel auf und gehe hinein und mache mich durch ein "Guten Morgen" bemerkbar. Es ist im Haus genauso dunkel wie draußen, darum muss das Licht an. Nun kommt es darauf an, wecke ich den Patienten zuerst oder decke ich erst den Frühstückstisch? Ich decke erst den Tisch.
 

Wasser kochen, Messer, Löffel und Tasse sammt Brettchen auf den Tisch legen. Dann kommt Brot, Butter und Auflage. Das dreckige Geschirr vom Abend wird in die Spülmaschine gestellt.
 

Dann gehe ich zu meiner Patientin ins Schlafzimmer. Sie wartet schon sitzend auf der Bettkante. Ich begrüße sie nun richtig, da sie nun wach und voll ansprechbar ist. Wer kennt das denn nicht, man wird morgens unsanft geweckt und muss gleich hellwach sein. Ich kann das nicht.

Gemeinsam begeben wir uns ins Bad. Wie man sich wäscht, eincremt und anzieht muss ich ja nicht erklären, oder?
 

Danach kann sie gemütlich Frühstücken. Ich gieße ihr noch den Tee auf, gebe ihr ihre Tabletten und begebe mich dann ins Schlafzimmer um das Bett zu machen. Schnell ein Blick auf die Uhr, zum Glück noch in der Zeit. Die zwanzig Minuten sind noch nicht überschritten. Nur noch schnell den Leistungsnachweis unterschreiben, dann schnappen ich mir meine Jacke, verabschiede mich von meiner Patientin für heute und gehe zurück zum Auto.
 

Schnell weiter. Ein Blick auf die Uhr während der Fahrt bestätigt, der nächste Patient wartet in nicht einmal fünf Minuten sehnsüchtig auf mich. Schade das ich mich an die Verkehrsregeln halten muss, sonst wäre ich schneller.

Gerade noch rechtzeitig fahre ich auf die Einfahrt des nächsten Patienten hoch. Dieser ist bereits wach und wartet, er sucht mich schon in dem er aus dem Fenster sieht. Die Haustür hat er bereits aufgeschlossen. Ich gehe hinein, begrüße ihn und wir gehen ins Bad. Wie man sich duscht muss ich glaube nicht erklären, oder?

Danach bekommt er noch Kompressionsstrümpfe angezogen. Leistungsnachweis unterschreiben, Patient verabschieden und weg. Mist, hab über zogen, statt 15 Minuten hab ich 20 gebraucht. Haben zu viel erzählt.

Der nächste wartet. Zum Glück ist es ihr egal wie spät wir kommen. Fünf Minuten zum nächsten Patienten sind auch knapp berechnet. Schnell auf den Parkplatz an der Straße, aus dem Auto springen und zu Tür hechten. Geschafft. Nur sieben Minuten zu spät. Kurz durchatmen, Tür aufschließen und rein. Mit einen Lächeln auf den Lippen verdrängt man jeden Stress. Sie freut sich auf mich, hat schon einen Tee fertig gemacht und lässt sich ihre Kompressionsstrümpfe anziehen. Zum Glück ist der Tee bereits kalt und kann schnell getrunken werden. So gestärkt verlasse ich dieses Haus nach fünf Minuten.
 

Auf der Straße wird es voller. Ich muss mich beeilen bevor die Schulkinder kommen. Die nächste Station ist bei einem bettlägerigen Mann. Einmal komplett Waschen und anziehen. Das beste daran ist, der Mann ist vollkommen steif und kann nicht mithelfen. Meine Zeit dort: 30 Minuten. Inzwischen ist es sieben Uhr, eine gute Zeit. Zwar hinke ich ein wenig hinterher, doch es bleibt noch im Rahmen. Noch kann ich es den Frühpendlern in die Schuhe schieben, leise lache ich. Mit einem fröhlichen "Guten Morgen" öffnete ich die Tür und werde von der Ehefrau begrüßt. Sie hat schon alles hingelegt und kümmert sich während ich ihren Mann wasche um das Frühstück. Dieses Mal muss der Patient im Bett gewaschen werden.
 

Diese Wäsche werde ich auch nicht erklären, warum auch. Versucht einfach mal bei euch selber wie es ist einen steifen Arm oder ein steifes Bein zu waschen. Ziemlich schwierig, nicht wahr? Und wir müssen das jeden Tag. Und wie würdet ihr jemanden im Bett waschen? Ich kann dir sagen, die ersten Male, mein armer Rücken.
 


 

Gegen halb acht verlasse ich das Haus, Strecke mich noch einmal kräftig bevor ich ins Auto steige und zum nächsten Patienten fahren.
 

Zum nächsten Patienten kann ich mir ein wenig Zeit lassen, doch durch den Verkehr muss ich mich auch hier beeilen.

Um zwanzig vor acht komme ich glücklich dort an. Ich wundere mich das noch kein Licht scheint. Vielleicht hat sie sich einfach verschlafen. Mit einem mulmigen Gefühl schließe ich die Haustür auf und mache mich bemerkbar. Aus der Küche kommt ein leises Wimmern. Schnell werfe ich meine Jacke auf die Garderobe und eile in die Küche. Meine Patientin liegt auf dem Boden und klagt über starke Schmerzen. Ich suche eine Decke, lege sie über die Patientin und lege ihr ein Kissen unter den Kopf. Erst dann Frage ich die völlig erschöpfte Frau was geschehen ist und warum sie ihren Hausnotruf nicht betätigt hat. Der Knopf zum auslösen liegt wie jede Nacht auf dem Nachttisch. Da liegt er gut. Ich rufe mit dem Diensthandy den RTW und sage im Büro bescheid. Von dort wird der Hausarzt informiert werden. Schnell packe ich ihr ein paar Sachen zusammen, den Medikamentenplan, den Überleitungsbogen damit die Leute vom Rettungsdienst und im Krankenhaus wissen mit wem sie es zu tun haben und welche Krankheiten vorliegen. Und das wichtigste von allen Dingen, die Krankenversicherungskarte und die Zuzahlungsbefreiung. Ohne diese letzten beiden Karten geht gar nichts mehr in deutschen Praxen und Krankenhäusern. Zum Glück kommt der RTW schon nach 15 Minuten. Sie haben sich extra Zeit gelassen, weil es ja kein akuter Notfall ist. Ich kann nichts dazu sagen, nur düster grummeln. Während wir warten schreibe ich die Berichte in die Dokumentation. Das ist oberstes Gebot. Dann noch ein Sturzprotokoll. Wie und wann wurde der Patient angetroffen, äußert er Schmerzen, wer wurde informiert. Ab in die Doku, dann klingeln auch schon die Rettungssanitäter. Einer nimmt die Bahre mit, der andere hat die Rettungstasche dabei. In der Küche befragen sie die Patientin nach ihrem befinden und helfen ihr dann auf die Bahre. Ich gebe dem einem Sanitäter die Tasche und die Unterlagen mit. Dann kontrollieren ich noch einmal das Haus ob technische Geräte ausgeschaltet und Fenster und Türen geschlossen sind. Dann gehe auch ich hinaus. Dieser Einsatz hat eine halbe Stunde gedauert, etwa so lange wie ich mit Duschen, eincremen und anziehen gebraucht hätte. Noch eine kurze Info an das Büro und schon gehts weiter. Doku und Leistungsnachweis mussten auch mit, wer weiß wann sie wieder kommt.
 

Viertel nach neun der nächste Patient, zwei Straßen sind gesperrt, es wird gebaut, dann hält der Umweg. Fünf Minuten länger, aber was solls. Hier das gleiche Spiel, Patient waschen, eincremen und anziehen. In die Doku eintragen, fertig. Patientin glücklich, ich fertig.
 

Viertel vor zehn muss der nächste angefahren werden, wieder mit Umweg auf die Hauptstraße, zehn Minuten zu spät angekommen. Warum? Vor mir hat sich ein Stau gebildet an einem Kreisverkehr. Da die meisten nicht blinken wenn sie rausfahren, stockt der Verkehr. Meine Laune sinkt in den Keller, mein Dienstwagen muss sich grade ziemlich was anhören.
 

Dann endlich sind wir durch. Weiterhin fluchend fahre ich auf die Einfahrt hoch. Einmal tief durchatmen, die schlechte Laune im Auto lassend, steige ich aus und schließe mit einem Lächeln die Tür auf. Schon kommen mir Vorhaltungen entgegen, warum ich nicht pünktlich wäre. Schimpfend lässt sich der Patient helfen. Meiner aufgesetzten guten Laune kann es nicht schaden. Ich sage ihm nur, er solle die Stadt wegen des Verkehrs und den Baustellen anrufen. Dann ist er ruhig. Er versteht das Problem, aber er ist einer der Menschen, die nie zufrieden sind.
 

Als ich wieder draußen bin fällt mein Lächeln ab, ich gehe zum Auto und setze mich wieder rein. Langsam beginnt mein Magen an zu knurren. Ein kurzer Blick auf meinen Tourenplan verrät, noch einen Patienten, dann habe ich eine Pause. Denn die Betreuung für eine Stunde fällt aus. Die Patientin habe ich am morgen ins Krankenhaus eingewiesen. Schnell zum nächsten. Kompressionsstrümpfe anziehen.
 

Dann kann ich kurz zum Supermarkt, Brötchen und Auflage kaufen. Diese bringe ich ins Büro, dort freuen sich schon alle anwesenden auf Frühstück. Hier erfahre ich auch das die Patientin von heute morgen einen Oberschenkelhalsbruch hat und mindestens fünf Wochen nicht da sein wird.

Nach der Stärkung und einem Toilettengang kann ich noch ein paar Ärzte und Apotheken abklappern, bis ich zum nächsten muss. Eine Stunde ist schnell vorbei, alles was ich nicht geschafft habe an Apotheken muss ich später. Die Ärzte waren wichtiger, denn um 12 ist Überall die Tür zu.
 

Drei Leute habe ich noch, einmal Kompressionsstrümpfe, einmal Augentropfen und einen, der ein wenig Gesellschaft braucht. Für 20 Minuten. Dann gehts weiter. Rezepte einlösen und Medikamente holen.
 

Inzwischen ist es 13 Uhr. Geschafft fahre ich das Auto auf den Parkplatz, gehe ins Büro und hänge meine Schlüssel weg. Dann müssen die Medikamente den jeweiligen Patienten zu geordnet werden. Nicht vorhandene Medikamente müssen nachmittags per Abholschein geholt werden. Noch ein wenig Schreibkram, der Leistungsnachweis und die Doku auf den Tisch damit eventuell etwas nachgetragen werden kann. Und dann kann ich auch nach Hause. 14 Uhr, ein Tag in der mobilen Altenpflege geht zu Ende. Heute hatte ich eine leichte Tour, morgen kann es schon wieder anders sein. Wenigstens habe ich heute Nachmittag keine Betreuung mehr. Dann kann ich mir wenigstens beim Mittagessen Zeit lassen.

Oh, mein Telefon klingelt. Zu früh gefreut, Betreuung von 15 bis 21 Uhr. Kurzfristig. OK, mach ich. Schnell nach Hause, umziehen, etwas essen und wieder los. Je nach Wetter können wir wenigsten nach draußen. Oder der Patient schläft die ganze Zeit. Zur Sicherheit nehme ich mir ein Buch mit.
 

So ist jeden Tag was neues. Und der nächste Tag beginnt wieder so früh.

In dem Sinne, alles Gute. Vielleicht lernt dann jemand diesen Beruf zu schätzen, denn man muss wirklich dafür lernen und es ist nicht nur das man jemanden den Hintern abwischen muss. Es geht um Wertschätzung, Anerkennung und die Liebe zum Beruf.
 

Wer diesen Beruf erlernen will, der muss auch durchhalten. Ich kenne viele Klassen, die waren über voll und nach drei Monaten hatten sie nur noch die Hälfte an Schülern. Und nach drei Jahren waren von ehemals zwanzig Schülern nur noch fünf in der Klasse. Alle anderen hatten aufgegeben.
 

Also überlegt es euch. Nutzt die Stunde, werdet Altenpfleger. Ihr gebt viel, aber ihr bekommt so viel mehr zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Desty_Nova
2019-03-05T11:27:46+00:00 05.03.2019 12:27
Es kann sein, dass aufgrund fehlenden literarischen Inhalts die Moderation den Beitrag womöglich löscht, aber ich möchte dem zuvorkommen.
Zu Beginn möchte ich dir und deinen Kollegen großen Respekt zollen und danken, dass es Menschen wie dich gibt. Es geht nicht ums Geld verdienen, sondern darum Hilfsbedürftige zu versorgen. Das dahinter soviel "Akkordarbeit" steckt hätte ich mir gar nicht vorstellen können. 0_0°
Nun zu meinem Kommentar: Ich glaube, dass du es durchaus versuchen kannst, deinen Tagesablauf in eine Geschichte einzubetten. Klar bei der Eile hast du vielleicht nicht unbedingt die Zeit, deine Gefühle bzw. Gedanken über jeden Besuch zu notieren, aber ein Bericht - egal wie abwechslungsreich und interessant er sein mag - bleibt auf einer relativ sachlichen Ebene hängen. Ein paar kleine Rechtschreibfehler sind zwar vorhanden, aber per Korrekturlesen, sind sie schnell abgehakt.
Ich wünsche dir noch viel Inspiration beim Schreiben und auch bei deinem Beruf.
Antwort von:  4711
05.03.2019 14:07
Vielen Dank für das Kommentar. Ich werde versuchen die Fehler zu beheben.

Ja, der beschriebene Tag vor knapp drei Jahren war vollgestopft. Ich habe das dramatischste damals ausgelassen, sonst hätte dort ein Leichenfund gestanden.


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