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Apfelblüte

Inu no Taishō / Izayoi
von

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Teerose

Apfelblüte

- Teerose -
 

Autor: Morgi

Beta: Puria

Fandom: Inu Yasha

Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline

Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma

Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld.
 

Anmerkung:

Dieses Kapitel ist TKTsunami gewidmet. :)

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55
 

Einen Augenblick lang wusste Yugo nicht, wie sie auf den Anblick des Dämons reagieren sollte, der sich wie ein Geist aus den Schatten des Raumes schälte und sie im Schein der Kerzenflammen um ein Vielfaches überragte. Doch dann gewannen ihre Instinkte die Oberhand. Ihr Herz, das sich bereits Sekunden später mit einer Abscheu füllte, die jede Krähe aus dem Schutz der Wälder getrieben hätte, überwand den ekelhaften Schock.

Was für ein Jammer, dass dieser weißhaarige Bastard kein Mensch war.

Ihr hätten einhundert Wege zur Verfügung gestanden, um ihn für die verhasste Störung zu bestrafen und doch verdarben ihr die Umstände die Genugtuung, in List und Heimtücke unerreicht zu sein. Offenbar hatte Izayoi mehr Glück als Verstand ...

Yugo reckte das Kinn, dann formte sie die Lippen zu einem scheinheiligen Lächeln und gab dabei einen Blick auf die durch Sumachblattgalle schwarzgefärbten Zähne frei. Eine Witwe und Fürstenmutter wusste eben, wie man die Regeln des Anstands für sich zu nutzen hatte: Tajiro, der an ihrer Seite versteinert war, verstand die einfache Geste seiner Mutter und verneigte sich prompt vor dem Herrn der westlichen Länder.

"Dieser Tag steckt voller Überraschungen", sprach er. "Ich nahm an, mein Bruder und hochverehrter Fürst hätte die Anweisung gegeben, Euch erst später zu uns bringen zu lassen. Ich muss mich verhört haben." Tajiro warf durch die Wimpern hindurch einen Blick auf den Mann, aber der schien weder geschmeichelt, noch sonderlich angetan von seinem Schachzug. Er stand da, so wie es ein Kriegsherr zu tun pflegte, dem man besser keine Lügen auftischte, wenn man an Leib und Leben hing. Dass der Herr der Hunde kaum den Kopf neigte, war ein fatales Omen.

Elender Dämon, versetzte der Ratgeber still, dann fiel seine Aufmerksamkeit Izayoi zu und er ergriff einen anderen Strohhalm. "Eure Dienerin muss wahrlich mutig sein", strickte er die nächste Finte. "Erst diese abscheulichen Drachen, dann die beschwerliche Reise und nun legt man es in ihre Verantwortung, in den Gesten eines derart hohen Gastes zu lesen. Als Mann wäre sie dank der Besonnenheit ein Gewinn für jede Truppe."

"E-eure Worte ehren mich", hob Izayoi an, doch der Inu no Taishou nahm ihr alle Höflichkeit aus dem Munde, indem er den Raum durchquerte und einen halben Schritt vor sie trat. Verwirrt sah sie an seinem Schulterfell hinauf und erkannte zwischen den Flusen den winzigen Flohgeist, der streng einen Finger auf seine Lippen legte und sie mit einem weiteren Handwink daran erinnerte, rasch den Kopf zu senken.

Izayoi gehorchte umgehend, obwohl sich ihre Wangen verräterisch röteten. Natürlich, niemand hatte ihr erlaubt, einem der Anwesenden ins Gesicht zu sehen. Dennoch überraschte sie der neue Tonfall ihres Retters. Er war kühl und fast so schneidend wie die Klinge des Schwertes Sou'unga, das an seiner Seite unhörbar um Tod und Verderben feilschte.

"Dieser Raum ist abgelegener als die anderen", stellte der Inu no Taishou fest. "Man könnte meinen, den Dienern wäre der Zutritt untersagt worden und die bisher aufgetragenen, frisch gebratenen Spatzen und Tintenfische hätten nie einen anderen Zweck besessen, als beizeiten auszukühlen. Seltsam, wo sie doch so kostbar zu dieser Jahreszeit sind, nicht wahr?"

"Ja, das ist ein berechtigter Einwand. Auch die Bewirtung scheint nachlässig besprochen." Tajiro drückte das Rückgrat durch, um das angespannte, nervöse Prickeln unter seinem eigenen Gewand nicht nach außen dringen zu lassen. "Es lag gewiss nicht in der Absicht des Daimyos, jemanden wie Euch durch Sorglosigkeit zu beleidigen. Eure Anwesenheit kam einfach unverhofft."

"Ich störe Euch also gerade", lächelte der Herr der Hunde frei von jedweder Reue.

"Beim Fürsten! Wie könntet Ihr?" Tajiro stieß ein Lachen aus, das einem Bellen nicht unähnlich klang. Dann neigte er rasant den Kopf und erwiderte das Funkeln, das wie Gift und Galle durch das Zimmer schoss und die Luft mit einer unausgesprochenen Drohung benetzte. "Ihr gebt uns allen nur einen guten Grund nicht allzu blauäugig zu handeln und vorauszudenken. Wo käme ein Mensch hin, würde er so achtlos mit einem Feind zu Felde ziehen?"

"Und wo sollte er enden, wäre sein Plan durchschaut? Möchtet Ihr mich erhellen, Berater?"
 

56
 

Mashiko hielt den Atem an, doch all ihre Entschlossenheit konnte nicht verhindern, dass sie sich in dem weitläufigen Raum mit den bestickten Damastkissen und den Kranichrollbildern wie ein dummes Kaninchen fühlte. Ihr Schicksal war besiegelt, daran gab es nichts zu rütteln.

Der Blick der Fürstenmutter war bereits über sie hinweg gezogen und jede Dienerin kannte die Gerüchte, was jenen Frauen in der Residenz widerfuhr, die Yugos Zorn über sich brachten. Es war ein offenes Geheimnis, kurz danach unter den eigenartigsten Umständen zu verschwinden: Manch eine Ahnungslose hatte es am helllichten Tage unter Sonnenschein und Vogelgezwitscher in den Tod gerissen. Die Klügeren waren unbehelligt zur Nachtruhe gegangen, jedoch nie wieder erwacht. Die umliegenden Dörfer brachten genügend Mädchen hervor, die für die Chance im fürstlichen Haushalt zu dienen, ihren kleinen Finger gaben. Es war ein harter, aber abgesicherter Alltag.

Wann mochte ihr das Ende blühen?

Und war es das alles wert gewesen?

Mashikos Nasenspitze berührte die Bambusmatte, als sie ihre durcheinander wirbelnden Scham- und Schuldgefühle trocken hinabschluckte und der bangen Vorahnung nachspürte, die sich auf ihre Schultern senkte. Die Last erdrückte sie beinahe: Vielleicht hatte sie einen Fehler begangen. Vielleicht war sie eines Irrtums aufgesessen und in ihrer Verzweiflung naiv genug gewesen, den falschen Weg zu wählen?

Doch, halt. Nein!

Der kalte Schweiß, der auf ihrem Nacken brannte, erinnerte sie an ihre Intuition. Sie wusste, was sie gehört hatte. Wichtiger noch, ihr war schon im ersten Moment klar geworden, dass nichts davon für die Ohren einer Dienerin bestimmt sein konnte. Die langen Gänge und Nachtigallböden waren völlig verwaist gewesen und hinter den Papierschirmen war kein einziges Kerzenlicht entzündet worden, um sie erahnen zu lassen, wer dahinter heimtückisch flüsterte. Anfangs war sie zu Tode erschrocken, ja, hatte sogar eine Strafe befürchtet, diese verhängnisvolle Abkürzung zu Chidoris Gemächern genommen zu haben. Die Mitglieder der Fürstenfamilie schätzten es nicht, wenn ein Vorhaben belauscht wurde - und bei der Idee, die der Bruder des Daimyos kaltschnäuzig aussprach, war Mashiko vollkommen schwindelig geworden.

Unentdeckt davon zu kommen, hatte ihr die Bürde jedoch nicht erleichtert. Wem sollte sie auch davon erzählen?

Der General des südwestlichen Daimyos, Setsuna no Takemaru, war ihr zuerst eingefallen. Doch selbst, wenn er sie anhörte und ihr Glauben schenkte, besaß er nicht die Mittel, um Izayoi von diesem Ort unbemerkt fortzubringen. Die Wachen waren in der Überzahl, die Eingangstore nachts verriegelt und mit Metall verstärkt. Es hatte seit vielen Jahren niemanden gegeben, der hinein- oder herauskam. Das kannte sie aus den stolzen Geschichten, die in der Küche herumgingen und den Mut und die Gebietsgewinne des Fürsten Kagetoras priesen.

Warum sollte also ausgerechnet Takemaru das Glück einer erfolgreichen Flucht beschert sein?

Der hohe Herr dieser Residenz selbst war auch nicht der rechte Mann für Offenheit. Mashiko befürchtete, dass er über das Vorhaben längst unterrichtet worden war und dazu sein Einverständnis gegeben hatte. Ein Mensch müsste schon sehr tollkühn sein, um den Daimyo außen vor zu lassen und darauf zu spekulieren, dass er den Tod eines angeheirateten Familienmitgliedes stillschweigend hinnahm. Dennoch konnte sie als Dienerin nicht einfach um eine Audienz bitten und solche Vorwürfe aussprechen. Sie hatte keinerlei Beweise, keine Zeugen und ihr Wort galt nichts im Vergleich zu dem der Beschuldigten.

Nein, wie sie die Sache auch drehte und wendete, es gab keine Hoffnung. Ein Schreiben des alten Daimyos, der Izayoi vor der Zeit heimrief, würde kaum von selbst eintreffen, und umgekehrt kannte sie in diesen Mauern keinen Boten, der rechtschaffen genug erschien, um ihn mit solch einer Bitte zu betrauen. Selbst wenn das gelang, konnten der Bruder des Fürsten und dessen Mutter in der Zwischenzeit zur Tat schreiten.

Diese Erkenntnis und ihre hilflose Situation hatten ihr beinahe die Tränen in die Augen getrieben und das Gefühl war ihr wie ein bösartiger, unauslöschlicher Schatten gefolgt - sogar bis zu jenem Moment, da ihr Schritt sie in einen der edelsten Räume der Residenz geführt hatte.

Was für ein Hohn, dachte sie mit einem schalen Geschmack im Mund.

Sie hatte so viel Grausames erlebt: Gesehen wie Izayois Mutter im Kindsbett den letzten Atemzug nahm, während ihre treuesten Dienerinnen mit blutverschmierten Seidentüchern umher eilten, die Kleider von Schweiß durchtränkt und am Ende aller Kräfte. Die Schreie und Weinkrämpfe der Bediensteten hatten sie nie losgelassen, als der Fürstin Tage darauf auch der langersehnte Stammhalter ins Vergessen folgte - unmöglich konnte sie akzeptieren, Izayoi kampflos herzugeben. Nein, nicht ihre kleine, unschuldige und kluge Izayoi.

Ihre Zuneigung zu diesem Mädchen ging weit über ihre Pflichten als Amme hinaus.

Dann, so erinnerte Mashiko sich, war ihr der einzige Ausweg in den Sinn gekommen, der ihren ohnehin angegriffenen Gemütszustand auf eine weitere, harte Probe stellte. Es war so lächerlich gewesen, ausgerechnet an den Dämon zu denken! Was bedeutete es schon, sich einmal für das Leben zweier Menschen einzusetzen, die einem eigentlich hätten gleichgültig sein sollen?

Sie hatte so sehr mit sich gerungen. So sehr! Die Götter wussten, was es eine alte, erfahrene Dienerin kostete, dergleichen auch nur in Erwägung zu ziehen. Ihr saßen nicht nur die Geschichten über Youkai im Nacken, bei deren besserer Hälfte man hoffen musste, sie wären auch nur ersponnen, um nachts noch in den Schlaf finden zu können - nein. Da war auch dieser keifende Kappa gewesen, der sie als Kind um Haaresbreite mit seinem langen Stock erschlagen hatte, weil sie seinem Teich zu nahe gekommen war.

Doch was blieb ihr Anderes übrig?

Sie hatte über alle Gerüchte und Risiken hinauswachsen müssen, um Izayois Leben schützen zu können. Die Enkeltochter des Daimyos der südwestlichen Gefilde verdiente das beste Schwert, das jemals geschmiedet und geführt worden war. Sollte der Preis dafür ihr Kopf sein, war das nur ein überaus fairer Handel - vielleicht hatte das Schicksal sie auch deshalb dem Tod entrissen. Solange es ihr gelang, ihrer Herrin vorher einen Hinweis auf die lauernden Gefahren zu geben und dem Dämon einen Lohn anzubieten, den er nicht einfach mit einem Wink seiner Hand abtat, würde sie ihre Angst bezähmen können.

Mashiko, deren Lippen trocken wie Pergament schienen, raffte unbemerkt von allen Anwesenden das letzte bisschen Zuversicht an sich und versuchte in der nun einsetzenden, tödlichen Stille zwischen Tajiro und dem sonderbaren Hundeyoukai die Haltung zu bewahren. Die Worte, die ihr der Weißhaarige entgegnet hatte, tanzten noch immer unsichtbar über den glühenden Flammen der Kohlebecken: 'Ich werde Eurer Herrin helfen. Solange ich hier bin, wird niemand die Zeit finden, über sie mehr nachzudenken, als Ihr und ich.'
 

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Sein Versprechen hätte weitergehen müssen. Ihr Gefährte war vor drei Jahrhunderten voller Wärme an ihr Bett getreten, doch ihr erschöpfter und nach Schlaf hungernder Geist hatte keinen Schwur vernommen, der das Leben des Herrn der Hunde an das seines neugeborenen Welpen band, und der ihr als Fürstin neben Plänkeleien und zärtlichen Berührungen eine friedliche Zeit ankündigte. Alles, was ihre Erinnerungen zum Leben erweckten, war sein raues Flüstern und das Beteuern die Ländereien des Westens eine Weile sich selbst zu überlassen. Um ihretwillen. Sie beide hätten es besser wissen müssen.

Die Drachendämonen des Nordens, die Ryukotsusei unterstanden, hatten kaum drei Monde benötigt, um dieser Nachlässigkeit auf die Schliche zu kommen. Bei der erstbesten Gelegenheit, einem verheerenden Gewitter, waren sie in tiefschwarzer Nacht aus ihren Löchern gekrochen und hatten sich zwischen Regen, Moder und abgekühlter Asche weiter denn je in den Westen vorgewagt.

Was hatte sie als Fürstin nur dazu gebracht, ausgerechnet in dieser Sekunde von der Seite ihres winzigen Mädchens zu weichen und die Verantwortung in die Klauen ihres Gefährten und zweier Dienerinnen zu legen?

"Wirst du mir meinen Leichtsinn jemals verzeihen?", flüsterte sie wie betäubt. "Wird es jemals aufhören, mich zu zerreißen, mein kleiner Liebling?"

Die Augen der Hundefürstin waren so gerötet und leer wie damals, als sie dem Herrn der Hunde alle Verwünschungen der Welt entgegen gespien hatte; doch der Wind, der um ihre Nase strich und dem Hortensienstrauch zu ihren Füßen einen Teil des eisigen Raureifs abluchste, besaß nicht einmal in der Abenddämmerung die Kraft ihren Schmerz zu lindern. Ihr Herz litt weiter, pochte und wölbte sich unter der Macht ihres Youkis und sie verfluchte es an diesem Ort mehr denn je dafür, ihr die Gnade zu verwehren, ein für allemal loslassen zu können.

"Ich ... ich habe dir Schreckliches angetan", fuhr sie leise fort, "und nicht nur dir. Erst gestern ist dein Bruder, Sesshoumaru, heimgekehrt. Sein Gesicht hat beinahe all seine Jugend verloren, aber ich sehe deinen Verlust noch immer in seinen Augen schwelen. Er ist mir so ähnlich geworden, weißt du das?" Die Worte verschwammen ungefragt vor ihren Lippen, so tief zog sie die Frühjahrskälte hinab in ihre Lungen. Doch ihre Schuld nahm niemand auf sich, denn Leid und Schwäche gebührten einzig und allein den Menschen auf weiter Flur.

Wie sehr sie diese Geschöpfe doch um die Gunst eines frühen Todes und des schnellen Vergessens beneidete ...

"Mutter."

Nein. Die Fürstin tat einen Atemzug, der heiser genug war, um sogar den unerfahrenen Ohren ihres Erstgeborenen aufzufallen und ihre Klauen griffen scharf in den halb gefrorenen Stoff ihres mit Pflaumenranken bestickten Kimonos. Obwohl sie nur wenige Sekunden benötigte, um das Kinn abweisend fortzudrehen und die Schultern der alten Unnahbarkeit zu unterwerfen, war es zu spät. Das Bedürfnis zu sprechen, war mit dem Funkeln ihrer Augen erloschen.

Sesshoumaru, der ihr seit geraumen Minuten zugesehen hatte, neigte schlicht den Kopf und spürte dem Wind nach, der in die Zweige des Magnolienbaumes fuhr und die verschlossenen, erfrorenen Knospen zum Zittern brachte. Dann wandte er sich endlich ab und überließ die Fürstin ihrer selbst.

Langsam begann er zu begreifen, dass sein Vater, der mächtige Inu no Taishou, nicht der einzige, ruhelose Dämon in der Nähe war.
 


 

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So jung und doch so klug.

Die geschlitzten Augen der Drachendämonin glühten eifrig, dann fuhr sie sich mit der Zunge über das Schuppenmaul und erwog von ihrem sicheren Plätzchen aus, was sie mit dem kleinen, unruhig gewordenen Fleischbrocken und seiner Amme am Ende des Raumes zuerst anfangen sollte. Einst, es war viele Jahrhunderte her, hatte sie nach ihrer Schlupf mit der Fähigkeit gehadert, sich dünn wie ein Marder machen zu können und ihr ausbleibendes Wachstum verflucht, während sich ihre Brüder und Schwestern das Feuer unterwarfen oder wie Ryukotsusei lernten, im Nebel aus Eis und Schnee zu verschwimmen.

Inzwischen war sie viel pragmatischer.

Die Eitlen hatten den Tod gefunden und sie konnte immer noch von einem Ort zum anderen kriechen, um fast witterungslos Unheil über ihre Widersacher zu bringen. Solange es Dachbalken und Lücken in Felsformationen gab, blieb die Gefahr entdeckt zu werden gering. Die Schatten, die sie sich nun über dem sechseckigen Papierwandschirm ausgewählt hatte, würde sogar ein Hundeyoukai nur auf den zweiten Blick durchdringen können. Wie dumm für das Neugeborene.

Listig stellte sie die Schuppen auf, die ihren gesamten rot-grauen Rücken überzogen und wartete die Zeit ab.
 

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Ein perlendes Lachen erklang, das sogar Tajiros verhärmte Gesichtszüge aufweichte und alle Blicke überrascht auf sich zog.

"Männer!", schalt Yugo und war sich doch keine Sekunde zu schade dafür, die Hand einen selbstgefälligen Atemzug zu spät an die Lippen zu heben. Es betonte ihren Status in der Residenz auf eindrückliche Weise, die kaum ein Berater für sich beanspruchte - und so plapperte sie auch selbstbewusst daher. Für die verwitwete Gattin eines Fürsten war das bemerkenswert, denn Izayois Zurückhaltung unterstrich besser die traditionelle Rolle ihres Geschlechts: "Ich wünschte, ich verstünde etwas von alledem! Bedrohung, Feinde, Pläne! Die Schwester meiner lieben Chidori und ich haben so vieles ausgestanden und nun gönnt uns niemand die Freude einer frisch zubereiteten Tasse Tee, des Shamisen oder ehrbarer Geschichten. Dabei ist es die Einfachheit, die unser Tun ausmacht. Auch ein dämonischer Gast wie Ihr, hoher Herr, wird uns diesen Nachteil verzeihen müssen. Izayoi, Kind!" Yugo wandte sich der Schwarzhaarigen zu, um sie in entschiedener Geste weiterzuwinken. "Seien wir ein Beispiel, setzen uns und passen die beste Gelegenheit ab, das Gespräch in seichtere Gewässer zu lenken."

Izayoi gehorchte zögernd, fast ungläubig.

Ihre Lippen hatte keine Silbe verlassen, doch das Verhalten der Adeligen hatte viel Eindruck auf sie gemacht. Die Warnungen Chidoris gingen ihr unablässig durch den Kopf. Je länger sie dabei über die gefallenen Sätze nachdachte, desto stärker verdichtete sich der Eindruck, in ein unsichtbares Schlangennest gestolpert zu sein. Yugos Freundlichkeit, Tajiros Zähneknirschen ...

Die Anwesenden hatten kaum Platz genommen, jeder für sich den eigenen Gedanken nachhängend, da wurde der Riegel ein zweites Mal grob aufgestoßen, die Schiebetür beiseite gerissen - das triumphierende, jähe Keuchen Yuudais gefror jedoch, als er den runden und von Hautfalten umgebenen Kopf ins Innere des Zimmers schob.

Tajiros dämonenhaftes Heben der Mundwinkel kam ihm zuvor: "Ein weiterer Mann, der sich besser mit dem Schwert als Schmeicheleien auskennt! Tretet ein, Yuudai, falls Ihr Euch von den wunderschönen Seidenfäden auf Izayois Kimonos losreißen könnt." Er stimmte ein Gelächter an, in das seine Mutter bescheiden einfiel, doch wären ihrer beider Sinne besser gewesen, hätten sie das abschätzige Schnauben im Raum vernommen.

"Dieses dreiste Theater!", geiferte Myouga mit rot angelaufenen Wangen und widerstand der Versuchung, sich auf jeden Einzelnen zu stürzen, um ihm eine Lehre zu erteilen. Sogar Kappas waren schlechter zu durchschauen und bei denen wusste im Vorfeld jedermann, worin ihre Absicht lag. Ach, wäre er doch nur etwas größer und gefährlicher gewesen. "Meister, lasst Euch bloß nicht davon einlullen!"

Die Mundwinkel des Daiyoukais verzogen sich gnädig. Dann wandte er sich ungeachtet von Myougas Empfehlungen und Yugos Blicken, die ihn an eine nicht zu unterschätzende Katzendämonin erinnerten, an Izayoi. Sie war ihm mit Abstand die angenehmste, menschliche Gesellschaft und er scheute sich nicht davor, seinen Dunstkreis auf sie auszuweiten. "Ich entsinne mich an ein Gespräch über Pflichten und Stolz, welches ich vor nicht allzu langer Zeit führte", begann er laut. "Ich hätte währenddessen eine alte Legende erwähnen sollen. Sie besagt, dass jemand, der etwas Kostbares verliert, diesen Fehler nicht mehr wiederholen wird und fortan jene schützt, die ihm ein Licht im Schatten waren."

Das sanfte Lächeln, das den Herrn der Hunde erfüllte, ebbte ab, als er zurück zu den anderen Menschen sah und einen Ellenbogen auf die Hakama-Hosen stützte. Es war kein Zufall, dass er den Mann fixierte, dessen massiger Leib fast aus der teuren Seide quoll. "Für einen Krieger wie Euch, Yuudai, wird es wohl interessanter sein zu hören, dass dieser jemand den Ruf besaß, sich Gift untertan zu machen. Oder war es sein Nachkomme?" Der Inu no Taishou musterte in sich gekehrt die gedämpften Auberginen und den in Bambusblättern gerollten Reis auf dem Lacktablett, bevor er seinen Blick mit der Unschuld eines Kindes hob. "Nun, wen kümmert es, was Dämonen tun können? Möchtet Ihr den ersten Bissen dieser Platte?"

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Wer stimmt in Kapitel #14, "Gänseblümchen", für 'nein'? ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Dudisliebling
2020-04-06T18:07:13+00:00 06.04.2020 20:07
Hey hey
Na da ging der Plan der Herrschaften wohl nicht so auf wie sie es sich erhofft hatten.. Taisho du machst wirklich alles richtig, erlaubst dir sogar einen Scherz.. sehr gut..
Izayoi ist zu Recht verwundert und doch scheint es ihr zu gefallen.. irgendwie..

Das Leid der Fürstin über ihre Tochter ist wirklich herzerweichend.. aber was ist da damals nur geschehen, was Taisho nicht hat verhindern können?
Lg deine Dudisliebling
Antwort von: Morgi
08.04.2020 13:20
Die Gründe für den Tod erfährt man schrittweise, bis das "große Ganze" zusammengesetzt wurde. Als Leser hat man dabei Vorteile gegenüber den beteiligten Charakteren. Ich hatte nur gehofft, hier sowohl diejenigen abholen zu können, welche bereits Eltern sind, als auch jene, die keine Kinder haben - gefühlstechnisch ist das ein gewaltiger Spagat, das nachvollziehbar und fühlbar zu gestalten.

Der Herr der Hunde sitzt derweil im Schlangennest und ärgert die Biester. Die Beschützerrolle mag ich an ihm, gerade weil er nicht unfehlbar ist. :P

Viele Grüße, Morgi
Von:  JoMarch
2020-03-31T22:39:58+00:00 01.04.2020 00:39
Yugo & Tajiro fühlen sich zurecht ertappt und wissen nicht was sie nun machen, da ihre Pläne nicht Funktionieren, da sie dank Mashiko & Taishou vereitelt wurden. Wer weiß was für schreckliche Pläne sie mit Izayoi hatten, vor allem hatte Yuudai mit was ganz anderem gerechnet hatte als er den Raum betrat, statt zu sehen, das es Izayoi gut geht und das Taishou auch im Raum ist.
 
Mit Taishou an ihrer Seite, weiß Izayoi das sie Sicher ist und das sie ganz Offensichtlich in eine Falle gelockt werden sollte, die aber dank ihrer treuen Amme Mashiko vereitelt wurde. Izayoi ist für Mashiko wie eine eigene Tochter, da sie sie von klein auf großzog und für sie ein Mutterersatz war, nachdem ihre Mutter im Kindbett gestorben war. Und da hat sie auch Muttergefühle entwickelt und will Izayoi Schützen selbst, wenn es ihr Tod ist, wenn sie ihn dadurch verhindern kann macht sie es gerne. Verständlich das sie ihre Entscheidung anzweifelt aber im Herzen weiß Mashiko, das es die beste Entscheidung war Taishou zu Informieren.
 
Für Sesshoumaru muss es ein ungewöhnlicher Anblick sein, das seine Mutter die Fürstin, nicht die Starke Frau ist die er kennt sonder das sie auch eine andere Seite hat, die zeigt das sie auch zerbrechlich sein kann.
 
Taishou ist gut darin einigermaßen höflich zu bleiben aber den anderen verständlich zu machen, das er weiß was sie vorhatten aber solange er da ist, Izayoi nichts passieren wird. Selbst Myouga ist über deren Verhalten ziemlich verärgert und, wenn er größer wäre, würde er sich auch mit denen anlegen. Tapferes kleines Kerlchen. ^-^
Antwort von: Morgi
01.04.2020 15:51
Wie schön, dass man sofort Yuudais enttäuschte Erwartung aus dem Verhalten herauslesen kann. <3

Mashiko könnte man gut und gerne als Ersatzmutter beschreiben, ganz unabhängig von ihrer Rolle als Amme. Da steckt viel Herzblut gegenüber dem Schützling dahinter, obwohl Izayois Ideen und Gegner es ihr in diesen Tagen furchtbar schwermachen. Damit hat sie bei der Abreise bestimmt nicht gerechnet, aber wie heißt es so schön? Man wächst an seinen Aufgaben! Drücken wir ihr die Daumen und schauen, wie sie sich schlagen wird. Ich sage auch nicht, es kann nicht mehr schlimmer werden. :D

Myouga wurde das erste Mal tapfer genannt! Awww, ich mach mir drei Kreuze in den Kalender. Er-wär-so-stolz.
Viele Grüße, Morgi
Von:  Kerstin-san
2020-03-30T15:12:00+00:00 30.03.2020 17:12
Hallo,
 
woah, ich liebe das Wortgefecht zwischen Tajiro und dem Taishou. Wie man so viel Abneigung in so vermeintlich nette Worthüslsen verpacken kann - ich bin echt beeindruckt. Na ja, da haben sich jedenfalls zwei gefunden, die sich auf den ersten Blick nicht ausstehen können.
 
Arme Mashiko, Yugos Zorn ist für eine Dienerin natürlich noch viel ärger als zum Beispiel für Izayoi und ich traue es der alten Hexe durchaus zu, dass sie ihre ganz eigenen Mittel und Wege hat, um ihr unliebsame Leute mal eben so unbemerkt zu entfernen.
 
Ich werde ja immer neugieriger, warum Tajiro Izayoi so unbedingt aus dem Weg räumen will. Falls der Daimyo darin wirklich eingeweiht ist, scheint es ja um mehr als "nur" um Tajiros Befindlichkeiten zu gehen.
 
Thihihi, ein keifender Kappa? Ist sie da etwa einem Vorfahren Jakens über den Weg gelaufen? xD
 
Auweia, kein Wunder, dass Noriko sich so schwer damit tut sich und ihrem Gefährten zu verzeihen. Hat der Taishou sich auch in einen Kampf gestürzt und sich dabei möglicherweise von der Residenz weglocken lassen oder hat er versucht sein Kind zu verteidigen und ist dabei von einem oder mehreren anderen Drachen überrascht worden?
Ich habs schon mal gesagt, aber ich wiederholes es gerne nochmal: Sie tut mir so unfassbar leid... Und irgendwie tut es mir auch leid, dass Sesshoumaru unwissentlich darunter zu leiden hatte bzw. so von diesem Ereignis beeinflusst wurde.
 
Ich bin sicher die Drachendame und Yugo würden sich unter anderen Umständen sicher blendend verstehen #Friendsforlive und so. Und ich finde es etwas gruselig, dass Yugo so freundlich lachen und damit von einer auf die andere Sekunde so umschalten kann, irks.
 
Äh na dann: Guten Appetit, die Herrschaften (ich gebs zu, ich hab den Abschnitt jetzt 5x mal gelesen und kann mir nicht richtig einen Reim drauf machen. Ist das jetzt eine unterschwellige Dorhung, eine Warnung oder mehr eine lustige Anekdote? Ich merke, ich wäre zu der Zeitperiode hoffnungslos verloren xD)
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von: Morgi
30.03.2020 20:20
Liebe auf den ersten Blick ist überholt; ich brauchte das Gegenteil! Tajiro bietet sich fabelhaft dafür an, so als Schurke ersten Grades. Ich glaube, als Dämon oder Halbdämon würde er eine famose Figur abgeben und nicht einmal auffallen. :P

Der keifende Kappa ist Jaken. Ja, der Hint wurde enttarnt! (Das Gegenstück aus Jakens Erinnerungen gibt es in der Kristallreihe, als er Rin tröstet. Ein anderer Auftritt ist in Abenddämmerung versteckt.)

Noriko tut mir ebenfalls leid. Als gewöhnlicher Mensch ist die Lebensspanne ohne Kind bereits erschlagend lang, doch als Dämonin steht mehr Zeit zur Verfügung und in diesen Jahrhunderten geht man damit doch sehr, sehr verschieden um - verglichen zur Neuzeit, wo sich bereits die Geister scheiden. Das Puzzle, was genau vorfiel, wird sich von Kapitel zu Kapitel vervollständigen.

Der Herr der Hunde hat nur laut gedacht. Wie kommst du darauf, dass es eine Drohung ist? Seit wann sind Sesshoumarus giftige Allüren eine ... also, nein! Niemals. Schade, dass Yuudai das nicht weiß. Ich glaube, du hast einfach Recht: Es ist eine Anekdote, die zugleich warnt und einschüchtert. Hat er nicht einen goldigen Humor, wenn jemand seinem Schützling an Leib und Leben möchte? Andere nennen es, Revier abstecken. :D

Amüsierte Grüße, Morgi
Antwort von:  Kerstin-san
31.03.2020 13:45
Ups! Armer Jaken, immer wird er übersehen. xD
Hmm, da muss ich bei den Rereads mal ein Auge drauf haben ;)
Von:  SUCy
2020-03-30T10:03:31+00:00 30.03.2020 12:03
Oh ja Schlangengrube trifft es ganz hervorragend denke ich <.<
Lasst sie bloß sie nicht wieder aus den Augen Taishou o.o
Antwort von: Morgi
30.03.2020 18:25
Dabei können Schlangengruben solch faszinierende Orte sein. Man bleibt auch länger als geplant, wenn sie einen erst einmal umzüngel-zingelt haben. In Wahrheit ist das doch nur eine spezielle Form der Date-Unterstützung, um es modern auszudrücken! :D

Viele Grüße, Morgi


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