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Welt ohne Grenzen

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Traumfänger I (Ignis Scientia)

Zwei Wochen ist es jetzt her, dass Spero nachts ins Hotel eingestiegen ist. Er ist tatsächlich am nächsten Morgen in der Lobby erschienen; aber sagen wollte er, in meiner Anwesenheit, nichts. Ich gehe inzwischen davon aus, dass er durchs Fenster kam, um Prompto alleine zu sprechen. In jedem Fall ein Fehler. Dass Prompto auf meine Anwesenheit während des Gespräches beharrt hat, hat Spero jedenfalls nicht gefallen. Ich frage mich, was er zu sagen hatte… es schien unglaublich wichtig zu sein.
 

Aber Prompto hat Angst, dass man ihn wieder für ‚das andere Team‘ werben will und traut sich nicht zu, diesem Gespräch allein Stand zu halten. Spero wiederum weigert sich, vor mir oder Gladio zu sprechen und so muss ich wohl mit dem unguten Gefühl leben, dass uns wichtige Informationen entgehen. Das gefällt mir gar nicht.
 

Nocts Zustand verbessert sich weiter, nicht sehr schnell, aber doch irgendwie spürbar. Der größte Fortschritt ist wohl, dass er sich inzwischen so stabil aufsetzen kann, dass man ihn im Rollstuhl zum Bad fahren und dort auf die Toilette setzen kann. Es ist für uns körperlich anstrengender als nur Windeln zu wechseln, aber für alle Beteiligten weit weniger unangenehm. Ich mag mir nicht vorstellen wie es sich für einen erwachsenen Mann anfühlen muss, bei vollem Bewusstsein gewickelt zu werden… Noct ist auf jeden Fall sehr froh, sich dieses letzte Bisschen Würde zurückgewonnen zu haben. Er wirkt auch schon wieder munterer und zumindest stundenweise fit genug, längeren Unterhaltungen zu folgen und daran teilzunehmen. Immer öfter ertappe ich mich jetzt dabei, wie ich ihn mit belanglosem Unsinn zutexte. Ich weiß, dass es Noct anstrengt, mir so lange zuzuhören und schäme mich ein wenig dafür, dass er es dennoch versucht – ich bin ihm nicht böse, wenn er einfach einschläft mittendrin. Ich fühle mich nur zunehmend einsam.
 

Das Schichtsystem, in dem wir an Nocts Seite Wache halten, ist sinnvoll. Aber es hat den Nachteil, dass wir drei uns nur zum Schichtwechsel unterhalten können – einer wacht, mindestens einer schläft, und der Dritte erledigt, was sonst noch zu tun ist. Wobei ich mich manchmal schon frage, was die anderen so tun in ihrer Freizeit, aufräumen gehört ja anscheinend nicht dazu, und die Einkäufe erledige auch meistens ich. Bei Prompto zumindest habe ich inzwischen den Verdacht, dass er die sechzehn Stunden fast zur Gänze durchschläft, und auch Gladio bleibt wohl oft im Hotel und trainiert. Ich fühle mich ausgelaugt und allein gelassen.
 

„Ihr solltet einfach mal was zusammen unternehmen“, rät Noctis.
 

„Etwas schwierig im Moment“, seufze ich und setze mich wieder neben das Bett. Das Chaos, das Gladio und Prompto hier im Raum hinterlassen haben, habe ich beseitigt, Noct ist frisch gewaschen und sitzt bequem an seine Kissen gelehnt. Er wirkt verhältnismäßig fit, aber immer noch zu schwach, die Augen vernünftig offen zu halten.
 

„Versucht es doch wenigstens…“ Ich will widersprechen, aber Noct signalisiert, dass er noch nicht fertig ist. Es fällt ihm schwer, in einem normalen Tempo zu sprechen, er muss oft mitten im Satz unterbrechen, um wieder Kraft zu sammeln für die nächsten Worte. „Ich sehe euch alle drei. Ihr gebt euch so viel Mühe… kümmert euch um mich und passt auf mich auf.“
 

„Das ist doch selbstverständlich.“
 

„Ihr gebt euch zu sehr auf. Ihr müsst… auch mal Pause machen. Nicht zum Schlafen, nur… etwas Spaß haben.“ Die wenigen Sätze scheinen Noct viel Kraft gekostet zu haben, er kann sich kaum noch wach halten. Er braucht immer noch viel Ruhe… und bei meinem ständigen Gewusel hier drin bekommt er die schlecht. Ich richte das Bett wieder so hin, dass Noct gerade liegen kann und versuche, mich für den Rest der Schicht zusammenzureißen. Noct hat Recht, wir brauchen Zeit für uns. Nicht zum Schlafen, sondern um Energie zu tanken und frei zu lassen… Zeit miteinander, damit Noct, der so viel Ruhe braucht, nicht unsere einzige echte Gesellschaft ist.
 

Als Gladio endlich zur Ablöse kommt nehme ich mir unter der Dusche erst mal gründlich Zeit, nachzudenken und einen Plan zu fassen, dann wecke ich Prompto. Eigentlich bin ich hundemüde und sollte mich hinlegen, aber draußen scheint die Sonne und ich muss irgendwas tun.
 

„Morgen Ignis“, grüßt Prompto und strampelt sich mühsam von seiner Decke frei. Er sieht furchtbar geschafft aus. „Ist irgendwas passiert?“
 

„Nein, keine Sorge“, antworte ich eilig, „Ich dachte nur… ich würde gerne groß einkaufen gehen, neue Zutaten, mal nach Waffenupgrades und Heilmitteln schauen und mal sehen, was es heute so auf dem Markt gibt. Ich könnte jemanden brauchen, der mir Tragen hilft, und… naja… ein wenig Gesellschaft, um ehrlich zu sein. Würdest du mich begleiten?“
 

Prompto blinzelt verplant, reibt sich erst mal den Schlaf aus den Augen. „Klar, gute Idee. Gib mir nur ein paar Minuten, ja?“
 

Aus den paar Minuten werden fast eineinhalb Stunden, in denen ich mich sehr bemühen muss, nicht einzuschlafen. Das Bett sieht schon sehr verlockend aus… stattdessen nutze ich die Zeit, Inventur zu machen, stelle eine ausführliche Einkaufsliste zusammen, die doch nochmal um einiges länger wird als anfangs vermutet, und koche Kaffee für uns beide. Auch Prompto sieht aus, als würde er ihn dringend brauchen, und er nimmt die Tasse dankbar an.
 

Auch um Prompto mache ich mir Sorgen… nicht nur wegen Spero. Gladio hat vor ein paar Wochen Tabletten in seiner Badtasche gefunden. Starke Psychopharmaka. Ich weiß, dass Prompto in Therapie ist und der Fund hat mich nicht überrascht, daher konnte ich zumindest Gladio etwas beruhigen. Keine Drogen, nur Medizin, die er wohl braucht. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, Prompto hätte sich uns anvertraut damit, anstatt die Pillen heimlich zu schlucken. Er tut immer so, als ginge es ihm prima, aber innerlich zerbricht er vielleicht schlimmer als der Rest von uns. Noct hat Recht, wir müssen uns dringend mal wieder um einander kümmern.
 

Das Wetter ist herrlich, und der Markt von Lestallum beweist einmal mehr, warum er in ganz Lucis berühmt ist. Um die Stände drängen sich tausende von Leuten, überall duftet es nach Gegrilltem und frischen Gewürzen. Mich zieht es sofort zu einem der Gewürzstände, ich muss dringend meine Vorräte aufstocken und sehen, ob es unter den exotischen Gewürzen vielleicht etwas gibt, was mir noch unbekannt ist. Aber auch normale Lebensmittel, Haushaltswaren, Stoffe und Medikamente brauche ich wieder. Ich bin wirklich froh, dass ich Prompto dabei habe. Allein ist es zwar leichter, sich durch die Menge an Leuten zu drängen, aber die Einkäufe ins Hotel zurück zu tragen wäre mir alleine schon nicht mehr möglich, so lang ist mein Einkaufszettel inzwischen geworden. Aber kein Wunder, immerhin sind wir schon fast zwei Monate hier in Lestallum, und ich habe die meisten unserer Speisen selbst gekocht, um nicht die teuren Gerichte im Hotelgasthof zahlen zu müssen. Außerdem ist Noct im Moment sehr empfindlich und war bis vor kurzem auf Schonkost angewiesen, da ist selbst zu kochen die sicherere Option.
 

„Inzwischen darf Noct ja auch wieder Getränke mit Kohlensäure, oder?“, fragt Prompto vor einem Stand mit köstlichen Limonaden, „weil er ja jetzt wieder eine Weile sitzen kann…“
 

„Der Tee hängt ihm langsam schon zum Hals raus, was?“, frage ich. Mir gegenüber wagt Noct nicht zu jammern, aber ich kann mir vorstellen dass er sich bei Prompto über das einseitige Getränkeangebot und die viel zu gesunde Kost ausgelassen hat. „Einen oder zwei Schluck Limonade wird er schon vertragen, ja. Aber keine ganze Flasche, das wäre zu viel Säure auf einmal. Etwas Süßes dürfte er vielleicht auch schon haben… ich hätte da ein paar Rezepte für Süßigkeiten, die schön leicht zu kauen sind oder direkt im Mund schmelzen, damit könnte man ihm sicher eine kleine Freude machen.“
 

Promptos Augen leuchten bei meinen Ausführungen, beinahe muss ich lachen. „Natürlich würde ich genug davon machen, dass es auch für dich und Gladio noch reicht“, verspreche ich und wuschle Prompto durch die zerzausten Haare. „Danke Iggy, du bist der Beste!“ Prompto strahlt, und mir wird ganz warm bei seinem Lob. Es ist toll, ihn dabei zu haben – seine Fröhlichkeit mag aufgesetzt sein, aber es wirkt überzeugend genug und ist unglaublich ansteckend. Wie lange ist es her, dass ich so viel Spaß hatte?
 

Wir nehmen uns noch ein wenig Zeit, durch die anderen Stände zu schauen. Es gibt viele schöne Sachen, meist selbstgemacht, Schmuck und Figuren, aber auch Nützliches wie Geschirr und Krüge. Ich finde eine schöne große Pfanne, die fürs Lagerfeuer geeignet ist und mir die ersetzt, die langsam mehr Rost als Eisen ist, und einen kleinen Stand mit handgefertigten Traumfängern in schönen bunten Farben. Kleine Steinperlen glitzern im Licht der Sonne. „Echte Chocobofedern“, erklärt der Verkäufer, „Alle während der Mauser gesammelt, gewaschen und von Hand eingeflochten.“ Er hält uns ein paar der Traumfänger hin, damit wir sie in die Hand nehmen und genauer betrachten können. Der Ring ist mit feinem Stoff umwickelt und darin sind glitzernde Bänder mit den Perlen zu einem Netz gewebt, das in der Mitte ein kleines Loch freihält. „Da können die schönen Träume durch, während die schlechten gefangen werden“, erklärt die Tochter des Standbesitzers, „Dann kann man gut schlafen.“
 

„Es ist nicht, dass ich an sowas glauben würde, aber…“, beginnt Prompto und ich lächle. „So oft wie du und Gladio in letzter Zeit erschrocken aufwachen, wird es zumindest nicht schaden. Wollen wir welche mitnehmen? Für jeden einen?“ Prompto nickt dankbar und wir wählen vier der Traumfänger aus. Der schwarze ist etwas teurer, weil die Federn so selten sind, aber für Noct kommt nichts anderes in Frage; immerhin ist schwarz traditionell die Farbe des lucischen Königshauses. Blau für mich, Rot für Gladio, und einen schönen im üblichen Gelb für Prompto. Ganz schön teuer für ein bisschen Kitsch, aber Prompto ist glücklich, und vielleicht helfen die Traumfänger ja zumindest ein bisschen gegen die Albträume, die ihn und Gladio plagen.
 

„Schade dass es hier keinen Elektronikladen gibt“, meint Prompto, als wir mit vollgepackten Tüten zum Hotel zurücklaufen, „ich hab langsam alle Bücher durch, die wir dabei hatten, ich fühle mich bald richtig gebildet… und SQUENIX hat ein neues Chocobo-Tales Spiel für den Handheld rausgebracht, das hätte ich mir echt gerne gekauft. Ist jetzt nicht wichtig oder so, aber…“
 

Ich würde gerne tadeln, dass Prompto ja auch mal aufräumen könnte, wenn ihm so langweilig ist, aber ich verstehe, wie es ihm geht. Der Wachdienst und die wechselnden Schichten sind anstrengend, da muss jeder von uns tun, was einem gut tut und Energie zurückgibt. Für mich ist das Aufräumen, Kochen und Putzen, für Prompto sind es Videospiele. Und die alten hat er natürlich alle längst durch, sonst hätte er nicht aus Verzweiflung angefangen, meine Sachbücher zu lesen.
 

„Wir können ja nachher noch zur Coernix-Tankstelle fahren“, schlage ich mit einem Blick auf die Uhr vor, „Die Zeit sollte noch reichen, und ich würde mich ohnehin gerne nach neuen Infos von außerhalb umhören. Die haben einen großen Supermarkt dort, in dem es auch Elektronik gibt, da würde ich mich auch gerne nach neuer Kleidung umsehen. Auf dem Markt gab es Stoff, aber wenn ich nicht selbst nähen muss, wäre mir das schon lieber… Waschpulver und Weichspüler brauche ich auch wieder.“ Ich prüfe meine Liste. Gladio wollte noch Ersatzheringe für sein neues Zelt, wir brauchen Waffen, Politur und Munition. Letzteres könnten wir auch hier in Lestallum kaufen, aber an der Tankstelle steht auch ein Waffenhändler. „Wenn wir schnell sind, kommen wir vor Sonnenuntergang zurück und sind pünktlich zur Wachablöse wieder da.“
 

„Dann sollten wir uns beeilen, was? Darf ich fahren?“
 

„Lieber nicht.“ Ich halte den Autoschlüssel hoch über meinen Kopf als Prompto danach greift und lache über das beleidigte Gesicht, das er deswegen zieht. Aber Prompto nimmt es mir nicht übel, er weiß, dass er kein guter Fahrer ist. Ich mache mir eigentlich immer Sorgen, wenn er mit dem Auto unterwegs ist, auch wenn er noch keinen schweren Unfall hatte. Prompto ist einfach zu unkonzentriert, um alles auf einmal im Auge zu behalten. Das weiß er auch selbst, und er beschwert sich nicht weiter, sondern nimmt fröhlich im Beifahrersitz Platz. Bis zur Tankstelle sind es vom Parkplatz aus ohnehin nur ein paar hundert Meter, mit dem Auto ist man in wenigen Minuten dort. Ich schicke Prompto mit der gekürzten Einkaufsliste in den Markt und informiere mich beim Kontaktmann der Meldatio über alles, was er so an Gerüchten aufgeschnappt hat.
 

Seit dem Einsturz des Walls wimmelt es natürlich nur noch so vor Siechern. Die Jäger haben schnell reagiert und sich mit der Königsgleve zusammengeschlossen, die Menschen und Siedlungen vor der Gefahr zu schützen, und dank Nocts Drängen auf Sicherheitsmaßnahmen wurden schon unter dem schützenden Wall große Lichtanlagen installiert, die die Siecher fernhalten. Fast alle Autos haben sich in Hammerhead mit den neuen Strahlern ausstatten lassen und so ist die Gefahr relativ gut unter Kontrolle, auch wenn die Liste der Jagdtaufträge lang ist. Was mir mehr Sorgen macht, weil es weniger absehbar war, ist die Menge der Meldungen über MI. Aus jeder Ritze scheinen nun neue Roboter zu kriechen, die einzelne Wanderer angreifen oder in Horden in Dörfer einfallen. Vereinzelt soll es zu Entführungen gekommen sein, und ganz in der Nähe soll es eine Basis geben, aus der diese MI kommen. Mir schwant Übles… ich ahne, was Spero uns erzählen wollte. Wenn Nemo denkt, dass das Königshaus hinter den MI steckt, wäre auch klar, warum er Prompto allein sprechen wollte.
 

Ich überspringe den Einkauf beim Waffenhändler, um Prompto im Supermarkt aufzulesen. Unter diesen Umständen ist es keine gute Idee, getrennt zu agieren. Als ich ihn bei der Selbstscankasse finde, ist er gerade dabei, die Einkäufe einzupacken. Zu meiner Beunruhigung sieht er blass und verstört aus. „Alles in Ordnung bei dir?“
 

„Ja, alles gut“, lügt er und grinst, als wäre nichts, „wollten wir uns nicht am Auto treffen? Hast du die Waffen schon?“
 

„Nein, hab ich vergessen.“ Ich lächle entschuldigend und nehme Prompto eine der Tüten ab. „Ich hab ein paar beunruhigende Infos bekommen… aber dazu später. Sicher, dass du mir nicht sagen willst, was los ist?“
 

Prompt seufzt tief und schließt die Hand fest um sein rechtes Handgelenk. „Ich… bin mit dem Arm an den Scaner gekommen“, gibt er zu, „Das Tuch ist verrutscht und der… der Automat hat gesagt…“ Prompto schluckt, er scheint sichtlich mit den Worten zu kämpfen. Als er sie endlich herausbekommt ist seine Stimme so leise, dass ich mich anstrengen muss, um ihn zu verstehen. „Er hat gesagt, ich soll Flaschenpfand am anderen Automaten abgeben.“ Fast hätte ich gelacht, aber ich kann mich trotz der Komik der Situation beherrschen. Prompto scheint das ja sehr nahe zu gehen…
 

„Mach dir keine Sorgen“, beruhige ich ihn, „Es ist nur eine dumme Maschine, ja? Die wollte bestimmt nur nicht zugeben, dass sie den Code nicht lesen kann. Mit dem Hinweis hat es wohl irgendein hilfsbereiter Programmierer zu gut gemeint…“ Prompto blickt noch immer zu Boden, scheint sich aber wieder zu beruhigen. „Vielleicht hätte ich sie einfach zurück beleidigen sollen“, überlegt er und wir räumen die Tüten ins Auto. Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont zu, um die Waffen werde ich mich wohl ein andermal kümmern müssen. Prompto klettert wieder in den Beifahrersitz, und gerade, als ich den Kofferraum schließen will, fällt plötzlich ein Schuss.
 

Als ich wieder zu mir komme ist es dunkel. Der Besitzer des Waffenladens kniet über mir und drückt beide Hände auf meinen Bauch, während der Kioskbesitzer ein Elixier über die Wunde gießt. Es brennt furchtbar, aber das Fleisch fügt sich wieder zusammen. „Nochmal Glück gehabt, war ein glatter Durchschuss“, meint der Waffenverkäufer und hilft mir wieder auf die Beine. Er trägt die Kleidung eines Jägers und ist kräftig genug gebaut, seine Waffen auch selbst in den Kampf zu tragen.
 

„Was ist passiert?“, frage ich und betrachte das Loch in meiner Kleidung. Das teure Hemd hat sich mit Blut vollgesaugt, aber die Schusswunde ist wieder geschlossen.
 

„Die MI haben angegriffen. Dein Freund hat hart gekämpft und von uns haben auch ein paar mitgemacht, aber es waren einfach zu viele.“
 

„Was heißt das?“ Panik macht sich in mir breit. „Wo ist Prompto?“
 

„Die haben ihn mitgenommen. Keine Ahnung warum, ich hab von sowas bisher nur gehört…“
 

„Der Bunker“, fällt mir ein, „Sie müssen ihn dorthin gebracht haben.“ Ich reiße mir das kaputte Hemd vom Leib, hole eines der neu gekauften aus dem Kofferraum und suche meine Waffen und ein paar Heilmittel zusammen.
 

„Sie wollen doch nicht etwa hinterher?“, ruft der Waffenhändler empört, „Es ist Nacht, da sind überall Siecher! Und diese MI…“
 

„Haben sie was, was mir dagegen helfen kann?“, unterbreche ich ihn, „Dolche oder Speere wären ideal.“ Der Händler wirkt verunsichert ob meines Auftretens, sicher ist er es nicht gewohnt, Leute zu treffen, die freiwillig nachts auf Rettungsmission gehen. Leute wie ich, die während der langen Nacht an vorderster Front gekämpft haben und auch einen größeren Siecher allein besiegen können. Er findet tatsächlich ein Paar sehr gut gefertigter Dolche in seinem Bestand, die er mir gerne für den halben Preis überlässt, wenn ich mich als Gleve ausweisen kann. Ich zeige ihm meinen Ausweis und er verzichtet ganz auf seine Bezahlung. „Den Helden der langen Nacht helfe ich gern. Sagen Sie Bescheid, wenn sie die Basis ausgeräumt haben.“
 

Mitkommen will natürlich keiner, für jeden außer uns ‚Helden der langen Nacht‘ wäre es auch blanker Selbstmord. Die Basis ist nicht weit weg, wenn man mit dem Auto fährt, und bald tauchen die ersten Roboter im Licht meiner Scheinwerfer auf. Ich habe keine Lust, deswegen anzuhalten und verlasse mich einfach auf Cidneys Upgrades. Der Regalia ist tatsächlich stark genug, den Schrott umzufahren, ohne allzu viel Schaden zu nehmen. Irgendwann sollten wir ihn wirklich zu einem Offroad-Modell umbauen lassen, aber heute bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn an der Straße zu parken und die letzten Meter zur Basis zu Fuß zu laufen. Ich schleiche mich zwischen MI und Siechern hindurch bis zur Hintertür und stelle überrascht fest, dass meine Gebete für Verstärkung wohl erhört wurden. Nicht unweit der Basis steht die Nautilus, das umgesprühte niflheimer Frachtschiff von Kapitän Nemo, und von seiner Laderampe steigen schwer bewaffnete Männer. Ich gebe ein Signal mit meiner Taschenlampe und einer der Soldaten ist mit drei flinken Sprüngen an meiner Seite. Es ist Spero.
 

„Was willst du hier?“, zischt er und geht neben mir in Deckung.
 

„Prompto ist entführt worden, ich hole ihn zurück. Wäre für ein wenig Hilfe dankbar.“
 

„Die gehören nicht zu euch?“, fragt er und deutet über seine Schulter auf die MI und den Bunker.
 

„Natürlich nicht!“, empöre ich mich, „Wieso sollten sie?“
 

Spero scheint ernstlich verwirrt. „Der Bunker in Leide…“
 

„Von dem wissen wir, ja. Wir waren dort um Prompto zu holen, haben ihn aber knapp verpasst. Die anderen waren alle tot…“
 

„Dann waren eure Soldaten da, um…“
 

„…herauszufinden, wer dahinter steckte, ja. Wir dachten, das war der einzige solche Bunker, sonst hätten wir auch nach den anderen gesucht.“
 

Spero blickt zu Boden. „Es gibt mehrere. Wir wussten das, wollten Prompto auch warnen, aber…“
 

„Aber weil ihr dachtet, dass wir dahinter stecken, wolltet ihr ihn allein sprechen.“ Damit wäre auch das klar und verständlich. „Ein wenig mehr Vertrauen hätte an der Stelle sicher nicht geschadet. Von beiden Seiten… Aber Prompto hatte schon Recht, allein hätte er ein Gespräch über diese Bunker sicher nicht ausgehalten. Wir müssen ihn so schnell es geht da raus holen.“
 

„Ihn und die anderen Gefangenen.“ Spero winkt in Richtung der Nautilus und ein weiterer Mann kommt zu uns. Er ist jung, vielleicht Anfang zwanzig, und trägt wie Spero eine schwarze Kutte über seiner Uniform, die ihn im Dunkeln fast unsichtbar macht. „Nemo will die Basis stürmen“, erklärt Spero, „Ich und Cloud gehen hinten rein und befreien die Gefangenen, während die anderen die Vordertür eintreten. Kannst uns gerne begleiten. Einer mehr ist nie schlecht.“ Cloud blickt mich abschätzend an und ich halte ihm zum Gruß die Hand hin. „Ich bin Ignis“, stelle ich mich vor, „Ein Freund von Prompto.“ „Cloud. Hab von dir gehört.“
 

Spero gibt ein weiteres Signal in Richtung Luftschiff und die Nautilus hebt ab, immer noch mit abgeschalteter Beleuchtung, so dass sie vollends im dunklen Himmel verschwindet. Mit geschlossenen Augen kann ich spüren, wie sich die Luft um das Schiff verschiebt, als es langsam über die Basis hinweg gleitet und umdreht, als wäre es von Anfang an aus Richtung der Straße gekommen. Ich stelle mein Handy auf lautlos, gerade noch rechtzeitig, bevor eine Nachricht von Gladio kommt, wo wir denn bleiben. Ich schreibe knapp zurück, es ist was passiert, er soll warten, ich melde mich wieder. Hoffentlich hält er noch ein paar Stunden länger durch… und hoffentlich hält vor allem Prompto durch, was dort drin mit ihm gemacht wird.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fortsetzung folgt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sargeras
2019-02-21T19:05:40+00:00 21.02.2019 20:05
Da hat man sich so darauf gefreut was Spero wohl zu sagen hat und dann erfährt man genau nichts. Tja, da haben es sich ein paar Leutchen wirklich mit Prompto verscherzt.
Interessant aber das Noct erkennt wie sehr die drei sich kaputt machen und darauf besteht das sich die Lage ändert. Das zeichnet halt einen wahren König aus, der erkennt auch wenn sich andere zu sehr vernachlässigen. Ich wette Rashin wäre dies niemals aufgefallen. Schön auch das Ignis auf ihn hört, aber wahrscheinlich will er nicht riskieren das Noct allen dreien befielt sich miteinander zu beschäftigen.
So gesehen ist es wirklich schön anschließend mal eine einigermaßen normale Situation zwischen zwei der vier Freunden zu sehen. Es gibt sogar Traumfänger gegen schlechte Träume! Wenn die richtig gemacht wurden helfen die sogar, allerdings muss man die etwa selbst machen oder jemanden finden der es traditionell macht. Gerade in einer Welt wie Eos dürfte man solchen Talismanen nicht ganz die Wirkung absprechen.
Moment... okay, der arme Prompto, aber positiv gesehen könnte er so ein kleines Vermögen machen XD
Ein schöner lustig-lockerer Moment, den du sogleich mit Kabumm kaputt machst. Gelungener Spannungssprung. Mir gefällt auch, dass man nun sieht das die 'Helden der langen Nacht' eben was besonderes sind und Hilfe bekommen wenn sie diese brauchen.
Und beim zweiten der verfluchten Bunker treffen wir auf Spero und erfahren dann doch noch was dieser sagen wollte. Hach... hätte hier einer nur mal eher was gesagt, dann hätten die Königsgleven sämtliche Bunker wahrscheinlich längst gestürmt und das MI Problem wäre nun nicht so groß. Nun gibt es wenigstens ein kleines Joint Venture...
Moment... Cloud?
Antwort von:  SoraNoRyu
21.02.2019 20:13
Tja, er ist eben nicht ganz ohne Grund zu einer Zeit gekommen, zu der Prompto sicher alleine ist... hat wohl mit mehr Vertrauen gerechnet ohne selbst welches geben zu wollen.
Rashin würde nichtmal merken, wenn vor ihm einer tot umfällt, der Mann geht über Leichen. Noct ist da anders, er zeigt es nicht immer, aber er sorgt sich um seine Freunde. Und natürlich hat er auch was davon, wenn seine Leute gesund und ausgeglichen sind. Ich weiß nicht, ob die Traumfänger wirklich magische Kräfte haben, aber zumindest der Gedanke wird schon eine gewisse Wirkung nach sich ziehen. Eine nette Erinnerung vor dem Einschlafen, sozusagen.
Leider würde der Flaschenautomat den Code auch nicht erkennen und eventuell eine Störmeldung wie "Markt akzeptiert Marke nicht" ausgeben. Der Kassenautomat wollte hilfreich sein, erkennt flaschenrückgabecodes aber auch nicht korrekt. Also kein Vorteil, nur eine Erinnerung daran, dass Prompto und die anderen markiert wurden wie Ware.

Die Helden der Langen Nacht sind in der Tat gefeierte Leute, gerade jetzt, wo wieder Gefahr droht, sieht man gerne zu den Veteranen auf. Und ja, hätte Ignis eher von den Bunkern erfahren, hätte er sie alle längst stürmen lassen.

Und ja, Cloud. Konnte nicht anders, er sieht Prompto einfach zu ähnlich :P


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