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A Hunter's Supernatural Guide to Disastrous Dating

Don't cry, Miss American Pie!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Schreifalter-Wettbewerb hat mich angesprochen, weil er so herrlich offen gestaltet war und auf einmal befand ich mich mitten im Schreibfluss und konnte gar nicht mehr zu tippen aufhören!
Aus diesem Grund musste ich die eigentlich als Oneshot angedachte Geschichte auch in mehrere Kapitel unterteilen. Drei sind insgesamt geplant, das zweite nähert sich gerade dem Abschluss und ich erwarte von mir, bis zum Abgabetermin am 01.08. fertig zu werden.

Es handelt sich tatsächlich auch um eine Songfic, auch wenn das erst ab dem zweiten Kapitel eine Rolle spielt - aus diesem Grund ist die Angabe schon gemacht.

Ich widme die Story DragomirPrincess, die mein Supernatural-Gespinne bisher großartig unterstützt und mich zu weiteren Verrücktheiten inspiriert. Komplett anzeigen

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Was vor dem Date geschah

Sam erwachte nach vier wohlverdienten Stunden Jägerschlaf mit ausgesprochen guter Laune. In aller Frühe machte er sich zu seiner üblichen Laufrunde auf, genoss den Sonnenaufgang über dem Waldrand und das kühle Prickeln des Morgentaus, wenn das hohe Gras am Wegesrandes seine Schienbeine streifte. Der Tagesanbruch war frisch und klar, doch bereits so warm, dass er den Bunker wohlweislich in Shorts und T-Shirt verlassen hatte.

Die Bewegung an der frischen Luft vertrieb schnell Müdigkeit und Muskelschmerzen aus seinen Gliedern und für 45 köstliche Minuten konzentrierte Sam sich ganz und gar auf seinen Lauf und die Natur um sich herum.

Er überquerte die Landstraße, die die Abgeschiedenheit des Bunkers nach einigen Meilen mit fast so etwas wie Zivilisation verband, und folgte ihrem Verlauf in östlicher Richtung.

Als er ein gutes Stück zurückgelegt hatte und die nächste Ortschaft in Sicht kam, fielen ihm die Plakate auf, die seit dem gestrigen Morgen und seiner letzten Laufeinheit am Straßenrand errichtet worden waren: Sie bewarben eine Art Festival oder einen Jahrmarkt und auf den meisten von ihnen waren Clowns abgebildet.

Sam unterdrückte ein Schaudern und vermied für den Rückweg den Blick zum Straßenrand.

Abgesehen davon war seine morgendliche Runde deutlich unbeschwerter als üblich, denn es gab keinen Fall, keine Arbeit, die ihm Sorgen bereitete. Aber vielleicht sollte gerade das ein Grund zur Sorge sein?
 

Merkwürdig ruhig war es dieser Tage in der Welt des Übernatürlichen. Obwohl Sam pflichtschuldig die Nachrichten auf ungewöhnliche Aktivitäten verfolgte, hatte sich in den letzten Wochen kein Fall für die Brüder ergeben. Selbst seine Tracking Software, mit der er Ereignisse fern der Norm in den Staaten überwachte, meldete nichts. Ebenfalls seitens anderer Jäger gab es keine Neuigkeiten. Keinerlei Anrufe um Rat oder Unterstützung, von niemandem.
 

Lediglich Eileen Leahy hatte sich gemeldet – bei Sam.

Die Verspannungen und Schlaflosigkeit der vergangenen Nacht verdankte er den Stunden an seinem Laptop, auf dem er sich Lehrvideos über Gebärdensprache angesehen hatte, bis ihm die Augen zufielen.

Denn am Nachmittag war er mit Eileen zum Kaffee verabredet.

Ihr Videoanruf hatte ihn erfreut, ihre Einladung genug überrascht, so dass er, ohne groß darüber nachzudenken, zugesagt hatte.

Das war vor drei Tagen gewesen; genug Zeit also, um sich wegen eines harmlosen Kaffees so verrückt zu machen, dass Sam am Ende nicht einmal mehr wusste, ob Eileen einen Anlass für die Verabredung genannt hatte oder ob es tatsächlich als das gemeint war, wonach es sich für ihn anfühlte.

Allerdings waren dies herrlich irdische, menschliche Sorgen und Sam empfand es fast als Wohltat, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
 

Verschwitzt und zufrieden mit sich, zumindest für den berauschenden Moment des Läuferhochs, kehrte er zum Bunker zurück, der sich in angenehmes Schweigen hüllte. Sam war dankbar dafür, als er nach ein paar abschließenden Dehnübungen die Küche betrat, um Kaffee aufzusetzen.

Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass er heute (möglicherweise) ein Date hatte. Dazu fühlte sich die ganze Sache einfach viel zu unsicher, die Ruhe zu flüchtig für ihn an.

 

Ein freier Nachmittag, so verführerisch die Vorstellung auch noch nach wochenlanger Arbeitspause sein mochte, konnte schnell in einem Vampirnest oder einem Hexenzirkel enden.

Oder schlimmer: Eine Andeutung zu viel konnte Dean zu gnadenlosen Sticheleien herausfordern.

Alles Dinge, denen Sam natürlich mehr als gewachsen war. Er kannte die Hebel seines Bruders, um ihn in dessen wohlverdiente Schranken zu weisen. Und mit ein paar Vampiren oder Hexen nahm er es genauso mit links auf.

Aber darum ging es ihm nicht. Er wünschte sich etwas Frieden, ein kleines, unschuldiges Geheimnis, nur für sich allein. Allzu gut wusste er um die Zerbrechlichkeit von Normalität, die sein Alltag nahezu nie für ihn bereit hielt.
 

Andererseits war er noch nie mit einer Jägerin ausgegangen und vielleicht war dies ein großer Vorteil, dass sie die Welt und das Leben des jeweils anderen kannten. Dass sie beide ein ganz ähnliches Schicksal miteinander teilten. Man konnte sich auf einer Ebene kennenlernen, die sich vielleicht für fünf Minuten wie diese Normalität anfühlen mochte, nach der er sich sein Leben lang sehnte.

Wenn da bloß nicht diese Zweifel blieben, ob es denn überhaupt ein Date war.
 

Er wischte sich gerade mit dem Saum seines Shirts den Schweiß aus den Augenwinkeln, als er hinter sich eine vertraut tiefe, ruhige Stimme sagen hörte: „Guten Morgen, Sam.“

Die Sohlen seiner Laufschuhe quietschten leise, als er sich auf den Ballen herumdrehte und er sah sich Castiel gegenüber, der ihn mit schief gelegtem Kopf und üblich fragendem Ausdruck musterte.

 

Castiel steckte in einer dunklen Jogginghose, die, der annähernd passenden Größe nach zu urteilen, wohl Dean gehörte. Um seinen Oberkörper schlotterte ein alter College Sweater von Sam, dessen Saum ihm bis zu den Oberschenkeln reichte; ein ausgewaschenes graues Ding, mit dem Emblem von Standfords Basketballteam über der Brust. Ein weiteres Erinnerungsstück an die Normalität, die er nicht haben durfte.

Sam schob die wehmütigen Gedanken von sich, schenkte Cas ein freundliches Lächeln und erwiderte die Begrüßung mit einem Nicken.

„Du bist schon auf?“, fragte er, während er sich die Hände im Spülbecken wusch und holte anschließend zwei Tassen aus dem Schrank, die er zwischen sich und den Engel auf den Küchentisch schob.

 

Einige Monate waren vergangen, seitdem Castiel sein Mojo eingebüßt hatte.

Diesmal schien es endgültig. Es war ein hartes Stück Arbeit für alle Beteiligten, den Engel erneut an seine unfreiwillige Menschlichkeit zu gewöhnen. Nicht, dass dieser davon nach außen hin viel Aufhebens gemacht hätte.

Ein wenig half es, Cas daran zu erinnern, was er beim letzten Mal an der veränderten, eingeschränkten Wahrnehmung zu schätzen gewusst hatte. Und viel war davon nicht übrig geblieben, da nahezu jede seiner vereinzelt positiven Erfahrungen getrübt worden war, befleckt durch Verrat, Enttäuschung und Verluste.

Geblieben waren ihm lediglich bescheidene Dinge, Kleinigkeiten.

Menschlicher Geschmacks- und Geruchssinn.

Netflix.

Träume, Gefühle.

Und gerade diese beiden konnten dafür sorgen, dass er den unkontrollierbaren, so viel kleineren Geist seines menschlichen Daseins als Last empfand.

 

Nächte gestalteten sich, wie früher oder später für jeden, der das Leben eines Jägers führte, als besondere Herausforderung. Entweder hielt er sich stundenlang vom Schlafen ab, flüchtete sich in unzählige Folgen dramatischer Fernsehserien oder zwischen die staubigen Seiten alter Schriftsammlungen. Oder er gab sich den Eindrücken von Dunkelheit und Sternenhimmel hin, gegenüber derer er sich als Mensch winzig und unbedeutend vorkam, obwohl sie doch nur ein schwaches Echo dessen waren, was er als Engel in irdischen Nächten wahrgenommen hatte.

Wenn er Glück hatte, schlief er vor Erschöpfung ein.

Manchmal legte Castiel sich besonders früh zur Ruhe, um seinem schwachen Körper und mickrigen Geist Regeneration zu verschaffen. Nur, um dann besonders früh aufzustehen und den Sonnenaufgang und das Erwachen der Natur zu beobachten. Zu jeder Tageszeit konnte es schmerzlich sein, Gottes Schöpfung aus einem Blickwinkel zu bewundern, für den er nicht geschaffen war.

 

Castiel schien seine Antwort einen Moment abzuwägen, bevor er sagte: „Ich habe nicht geschlafen.“

Die dunklen Ringe unter seinen großen tiefblauen Augen sprachen definitiv dafür und Sam seufzte mitfühlend.

„Gewollt oder weil du nicht konntest?“

Die Kaffeemaschine fauchte hinter ihnen und stieß heißen Dampf und verführerischen Duft aus.

„Das eine führte zum anderen und plötzlich war es sieben Uhr“, sagte Cas, während sein Blick sehnsüchtig dorthin wanderte, wo schwarzes Glück geräuschvoll in die Kanne aus Edelstahl tröpfelte.

 

Auch hierfür hatte Sam mehr als Verständnis und er drückte kurz Castiels Schulter.

„Dann wird es heute Nacht sicher besser!“, sagte er, aufmunternd zwischen Kaffee, Tassen und Cas gestikulierend.

„Bedien dich! Ich gehe erst mal duschen. Aber dann können wir zusammen frühstücken, wenn du möchtest?“

Ein kaum merkliches Lächeln ließ die Mundwinkel des übernächtigten Engels zucken und er nickte dankbar.

„Das würde mich sehr freuen, Sam.“
 

Als Sam tropfend und nur in ein Handtuch gewickelt die Dusche verließ, erwartete ihn eine Nachricht auf seinem Smartphone. Eilig trocknete er sich die Hände ab, um das Display zu entsperren. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sah, dass die SMS von Eileen stammte.
 

Eileen L. [07:04AM]: Guten Morgen! :) Bleibt es bei unserer Verabredung oder funkt die Arbeit dazwischen? 
 

Sam konnte nicht verhindern, dass ihn eine ungeahnte Vorfreude ergriff. Diese simple Nachricht erschien so unkompliziert und gleichermaßen vielversprechend. Vielleicht interpretierte er zu viel in die wenigen Worte hinein, aber er las daraus sowohl Verständnis für den Job, als auch Eileens Wunsch, ihn tatsächlich und vor allem darüber hinaus zu sehen.
 

[07:36AM]: Guten Morgen! :) Grünes Licht für unser Treffen und sollte der Job uns noch in die Quere kommen, würde ich mich sehr über Teamwork freuen! ;)
 

Er tippte euphorisch auf Senden, das Lächeln noch im Gesicht, während er sich anzog. Als er sich die Haare mit einem Handtuch trocken rubbelte, überkamen ihn aber erneut Zweifel.

War das vielleicht zu viel des Guten gewesen? War es aufdringlich, respektlos, dass er erwartete, sie würden schlimmstenfalls gemeinsam jagen?

Bei ihrem Telefonat hatten sie noch darüber gesprochen, wie übernatürlich ruhig es zurzeit in der Welt des Übernatürlichen war …

Sam hatte keine Zeit, sich in Grübeleien zu verlieren, denn sein Handy summte, nun aus der Hosentasche der frischen Jeans heraus, in die er soeben geschlüpft war, und nahm ihm mit Eileens Antwort schnell die Bedenken.
 

Eileen L. [07:48AM]: Ein Date ganz nach meinem Geschmack! :P
 

Ein echtes Date. Die Vorfreude kehrte zurück und mit ihr wieder diese lästige Unsicherheit.

Wenn Sam ehrlich war, hatte er seit dem College keine Verabredung dieser Art mehr gehabt.

Dates und das Dasein als Jäger – beides wollte einfach nicht zusammen passen, so sehr er es auch drehte und wendete.

Dates bedeuteten, dass man einander kennenlernen wollte, um zu entscheiden, ob es, nun ja ... passte.

Das war zumindest Sams Definition von ihnen und selbst Dean würde ihm da nur zustimmen können. Nicht, dass sein Bruder bei Frauen die gleichen Absichten verfolgte, aber der Prozess des Abgleiches von Kompatibilität (ob nun fürs Bett oder für eine Beziehung) wies eine erstaunliche Überschneidung auf.

Und wenn man einmal davon absah, dass Dean die Information, dass Sam sich mit Eileen traf, nicht wie ein normaler Mensch würde verarbeiten können, sondern vielmehr kindische Witze riss – auf einen brüderlichen Rat baute er nicht.

Dean wusste unter keinen Umständen mehr über Dates als Sam, obwohl der ältere Winchester als Teenager zweifelsohne massenhaft Verabredungen gehabt haben musste. Seit des Lebens als Vollzeitjäger zählte auch dieser bisweilen recht ungemütliche gesellschaftliche Tanz nicht mehr zur Routine Deans, wenn er eine unverbindliche Nummer schieben wollte.

 

Sam war über 30 und es war lächerlich, dass er sich über etwas so Harmloses dermaßen den Kopf zerbrach – oder nicht?

Andererseits ...

Gleichgültig, welches Ziel man bei der Partnerwahl als Jäger verfolgte: Jeder Erfolg war kurzweilig, mehr oder minder intensiv und endete unter Garantie schmerzhaft für alle Beteiligten.
 

Mit Amelia hatte Sam überhaupt erst keine Dates gehabt. Sie waren nicht großartig ausgegangen, bevor sie miteinander im Bett gelandet waren, hatten aber schnell festgestellt, dass ihr jeweiliges Leid miteinander kompatibel war.

Ähnlich, wie bei Dean und Lisa, wie Sam annahm. Diese Frauen waren zufällig zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle gewesen und hatten sich, so verrückt es auch klingen mochte, zu Beziehungen mit ihnen bereiterklärt. Wussten nicht in vollem Maße, worauf sie sich mit ihnen einließen. Hatten für die Dauer der jeweiligen Verbindung ein wenig Schmerz lindern können; etwas weniger vielleicht, als Sam und Dean ihnen im Endeffekt zufügten.

Nicht wirklich ein fairer Austausch, und am Ende war beiden Männern nichts anderes übrig geblieben, als sie zurück zu lassen, um sie – und vermutlich noch viel mehr sich selbst – zu schützen.
 

Sollte Eileens Einladung eine neue Chance sein? Sam wusste nicht, was er mit einer solchen anfangen sollte. In seinem Kopf hatte er bereits zu viele Chancen erhalten, sie nicht ergriffen oder schlicht und ergreifend versagt und plötzlich fühlte er sich winzig in den tristen Gängen des Bunkers, als er sich mit feuchten Haaren auf den Weg zurück in die Küche machte.

Der Anblick eines einfach, aber liebevoll gedeckten Tisches, als er dort ankam, brachte ihn für den Moment auf andere Gedanken: Cas hatte ihm die Packung seines Lieblingsmüslis zusammen mit der Milchflasche und einem frischen Apfel an seinen Platz gestellt.

Der Engel selbst hing bereits wie ein nasser Sack auf dem gegenüberliegenden Stuhl, vor sich die Plastiktüte Sandwich-Scheiben und Schraubgläser mit Erdnussbutter und Gelee.

 

Je mehr Zeit verstrich, seitdem Cas seine Gnade eingebüßt hatte, desto mehr verlor er an seiner steifen Haltung. Nichts bewahrte seine menschliche Hülle nun vor Schmerzen und Verschleiß. Eine durchwachte Nacht bedeutete für ihn nicht mehr Normalität, sondern Belastung für Kreislauf und Gliedmaßen.

Jimmy Novaks Körper entsprach nicht Castiels wahrem Erscheinungsbild, aber seitdem Jimmy verstorben war und er dessen verlassenes Hirn allein und auf einer nahezu menschlichen Ebene bewohnte, hatte sich einiges für den Engel geändert. Die humanoide Gestalt fühlte sich nun nicht mehr zu klein und marionettenhaft unter seinem Willen an. Er hatte vielmehr das Gefühl, in diesem Körper zu schwimmen, der immer mehr zu seinem eigenen wurde.

 

Castiel sprach es niemals in dieser Deutlichkeit aus: Engel zu sein und zugleich Mensch zu werden, verunsicherte ihn zutiefst, erschütterte ihn in seinem Dasein, aus dem er so unbarmherzig verdrängt worden war, sich nun mit einer neuen Form der Existenz auseinandersetzen musste.

Sam wusste im Groben vom Kummer seines Freundes.

Manchmal, wenn sie sich in einer allzu langen und einsamen Nacht zufällig in der Bibliothek über den Weg gelaufen waren, war der Engel ein wenig ins Erzählen gekommen. Hatte seine Sorgen mit Sam darüber geteilt, wenigstens angedeutet, dass er spürte, wie die Kapazitäten seines ehemals himmlischen Geistes immer mehr in sich zusammenfielen. Verblassende Erinnerungen, die stark auf Menschlichkeit zusammengeschrumpfte Wahrnehmung.

Der Schmerz des Verlustes seines wahren Selbst.

Einen Rat hatte Sam dafür natürlich nicht, aber ein offenes Ohr und seine Zeit schenkte er Cas gern; beides Dinge, die dieser nahezu nie für sich selbst einforderte.
 

Tiefe Zuneigung breitete sich warm in seinem Inneren aus, als er den müden Cas und dessen kleine Geste betrachte. Mit einem dankbaren Lächeln setzte er sich zu ihm an den Tisch und schenkte sich Kaffee ein.

„Wie sieht's mit etwas Schlaf nach dem Frühstück aus?“, schlug Sam über das Klimpern der Cerealien in seiner Schüssel hinweg vor.

Cas schüttelte den Kopf und verteilte sparsam und bedächtig Erdnussbutter auf seinem Brot.

„Ich bin heute mit Dean verabredet“, antwortete er als Erklärung, als er reichlich unbeholfen mit dem Deckel des Gelee-Glases kämpfte.

„Er nimmt mich mit zum Einkaufen. Dean ist der Meinung, ich brauche eigene Kleidung und ich habe ihn gebeten, mich anschließend in einen Baumarkt zu begleiten.“
 

Sam beobachtete Cas' erfolglose Versuche mit dem Deckel einen Moment lang schmunzelnd und konnte nicht umhin, ein wenig Anerkennung für seinen Bruder zu empfinden.

Dass Castiel seine eigene Garderobe bekam, wurde höchste Zeit und dass Dean sich außerdem die Mühe machte, dem Engel den schlichten Wunsch nach einem Besuch im Baumarkt zu erfüllen, war darüber hinaus eine nette Aufmerksamkeit.

Bevor Sam danach fragen konnte, ob Cas etwas Bestimmtes aus dem Baumarkt wollte, hielt der ihm mit leichter Verzweiflung und unausgesprochener Bitte in den übernächtigten Augen das Glas unter die Nase.

Sam ergriff es über dem Tisch und öffnete es mit einer einzigen, kurzen Handbewegung.

„Danke, Sam“, seufzte Cas und bediente sich am Traubengelee, seiner ungeschlagenen Lieblingssorte.
 

„Wie sehen deine Pläne für den Tag aus?“

Die Frage war nett gemeint und aus unverfänglichem Interesse heraus gestellt, dennoch zögerte Sam bei der Antwort. So sehr er seine Verabredung als kleines Geheimnis für sich hatte bewahren wollen, desto ungern wollte er Castiel anlügen. Irritierenderweise spürte er trotzdem, wie sich Verlegenheit auf seine Wangen legte und er kam sich plötzlich wie ein dummer Teenager vor, der seinen Eltern die erste Schwärmerei beichten sollte. Ein Glück, dass Dean sich noch nicht hatte blicken lassen!

 

„Ich bin nachher zum Kaffee verabredet“, sagte er also wahrheitsgemäß.

„Mit Eileen. Leahy. Der Jägerin.“

 

Castiel hielt bei dieser Antwort damit inne, sein Sandwich sorgfältig in Dreiecke zu halbieren und musterte die Röte in Sams Gesicht mit mildem Interesse.

„Eine Verabredung?“, fragte er unumwunden und etwas von seiner Müdigkeit schien sich in Luft aufzulösen.

„Wie ein ... Rendezvous?“

Sam zog ertappt die Schultern ein.

Verblüffend, wie schnell der Engel ihn inzwischen durchschauen konnte. Metatrons Nachhilfe in Popkultur und die eigene Sucht nach Kultserien hatten ihn in kurzer Zeit so viel über die Feinheiten der menschlichen Kommunikation gelehrt, dass man bisweilen dazu neigte, ihn in seiner Auffassungsgabe zu unterschätzen.

„Ich glaube schon“, gab Sam zu.

„Aber, ähm ... es wäre sehr nett, wenn das hier unter uns bleiben könnte!“

Fast flehend sah er Cas über seine Kaffeetasse hinweg an.

„Ich war noch nie mit ihr aus, ich hatte seit Ewigkeiten kein Date mehr und es ist wirklich keine große Sache. Ich möchte nicht, dass Dean ... dass er es missversteht.“
 

Castiel betrachte Sam noch einen Moment länger, bevor er zustimmend den Kopf neigte.

„Hast du Angst, dass Dean es nicht ernst nimmt oder davor, dass er es zu ernst nimmt?“, fragte er schlicht.

Sein Ausdruck verwandelte sich in ungewohnte Glückseligkeit, als er herzhaft in sein Sandwich biss und bedächtig zu kauen begann.

Sam musste tatsächlich schlucken, ohne etwas von seinem Müsli im Mund zu haben.

Mit dieser einfachen Frage hatte Cas den Nagel in jeder Hinsicht auf den Kopf getroffen und einmal mehr bewiesen, dass er beide Brüder bis auf die Nieren durchschaut hatte.

 

„Vielleicht beides ein bisschen“, gestand er dem Engel.

„Ich erzähle es ihm, aber ich möchte erst abwarten, wie es wird ... Und mich nicht vorher schon deshalb verrückt machen, verstehst du?“

Castiel hatte soeben zum zweiten Mal die Zähne genüsslich in seinem Sandwich versenkt und gab nur ein gedämpftes „Hmm!“ von sich, aber es klang zustimmend.

 

Erleichtert, dass sie das Thema nicht weiter vertiefen mussten, widmete sich Sam seinem Müsli und genoss die vertraute, unkomplizierte und doch außergewöhnliche Gesellschaft beim Frühstück. Wie auch immer sich zu Hause anfühlen mochte – möglicherweise kam es diesem Gefühl schon recht nahe.

 

Es dauerte nicht lange, bis fernes Türenknallen und kurz darauf ein Schlurfen auf dem Gang ankündigten, dass Dean den Tiefschlaf besiegt hatte.

Nun, zumindest die erste Runde hatte er gegen ihn gewonnen.

Er erschien in nachlässig gebundenem Morgenmantel, unter dem Shirt und Boxershorts hervorblitzten, in denen er wohl die Nacht verbracht hatte. Sein kurzes Haar stand schlafzerzaust in allen Richtungen ab und das gepresste Grummeln aus seinem Mund ließ sich nur als unausgeschlafener Morgengruß übersetzen.

Runde zwei: Dean versus Schlaf, auf in den Ring!, dachte Sam kopfschüttelnd.
 

In nahezu übermenschlicher Geschwindigkeit hatte Cas sein Frühstück Frühstück sein lassen und Dean einen Becher dampfenden Kaffee in die Hände gedrückt, den dieser fast blind entgegen nahm. Mit zusammengekniffenen Augen nippte Dean daran, nuschelte einen unverständlichen Dank und ließ sich schwer auf den einzigen freien Hocker an den Tisch fallen.

Obwohl er es inzwischen zu Genüge kannte, war Sam beeindruckt. Sein Bruder und der menschliche Engel besaßen eine schier unheimliche Dynamik, derer sie sich nicht im Geringsten bewusst zu sein schienen. Er hatte es aufgegeben, diesbezüglich etwas aus ihnen herauskitzeln zu wollen.

 

„Lange Nacht?“, fragte Sam und musterte die blutunterlaufenen Augen Deans, der den Eindruck erweckte, als gäbe es auf der ganzen Welt nur ihn und seinen Kaffee.

„Mh, kurz“, widersprach er gedämpft und Sam beschloss, die Kommunikation mit seinem Bruder einzustellen, bis etwas mehr Leben in ihn zurückgekehrt war.

Er warf einen amüsierten Blick zu Castiel, doch zu seiner Überraschung lächelte dieser eher gequält als belustigt zurück und er zuckte die Achseln. Dean war alt genug und selbst schuld, wenn er nächtelang um die Häuser zog, als wäre er noch in den Zwanzigern. Mitleid konnte er von Sam keines für seinen Kater erwarten.

 

Er beendete sein Frühstück schweigend und hatte sein benutztes Geschirr bereits zur Spüle getragen, als Dean genug zu sich gekommen war, um sich auf der Suche nach Essbarem tapsig zum Kühlschrank zu begeben.

„Wann brechen wir auf, Dean?“, fragte Castiel, der ebenfalls zu spüren schien, dass Sams Bruder wieder unter den Lebenden weilte.

„Nachmittag“, sagte Dean nur, ein Paket Frühstücksspeck und eine Schachtel Eier in beiden Armen zum Herd balancierend.

 

„Willst du mit, Sam? Baumarkt, Klamotten für Cas …?“

Sam verschluckte sich halb an seinem letzten Schluck Kaffee. Wieso hatte er eigentlich nicht damit gerechnet, dass Dean ihm anbieten würde, mitzukommen? Es war schließlich nicht so, dass er und Cas ihn, Sam, ausschlossen. Obwohl er sich mit ihnen schon manchmal wie das dritte Rad am Wagen fühlte … Akzeptiert, willkommen sogar, aber – überflüssig.

„Ach nein, vielen Dank!“

Andererseits musste sich Cas mit beiden Brüdern gegenüber oft ähnlich fühlen. Wie man es auch drehte und wendete: Das Bindeglied zwischen ihnen in diesem seltsamen Dreiergespann, Team freier Wille, das war und blieb immer Dean.

 

Dean zuckte gleichgültig die Achseln, während er sich am Herd zu schaffen machte.

Offensichtlich ohne eine richtige Antwort darauf zu erwarten, fragte er: „Schon was Besseres vor?“

Sams Blick suchte ertappt den von Castiel, nicht ganz sicher, ob er von diesem Unterstützung, Ablenkung oder Verplappern erwartete.

Der Engel musterte sein Gesicht nur interessiert, die Fältchen um seine Augen kräuselten sich im Anflug eines Lächelns.

„Könnte sein, ja ...“, probierte Sam es geknickt mit der Wahrheit.

 

Man musste Dean sehr gut kennen, um das winzige Innehalten seiner Bewegungen zu bemerken, das aufkommende Stirnrunzeln im von Müdigkeit noch verquollenen Gesicht.

Zu ihrer beider Pech kannte niemand Dean besser als Sam, dessen Magen einen nervösen Satz machte. Er wollte nicht diskutieren, nicht streiten. Nicht darüber. Nicht mit Dean. Schon gar nicht jetzt.

 

„Fall oder Frau?“

Wie beiläufig eine Frage klingen konnte, von der alle Anwesenden wussten, dass sie es nicht war.

Hatte einer der Brüder vor dem anderen ein Geheimnis, verhieß das niemals Gutes. Gute Stimmung schon gar nicht.

„Eine Frau. Ein … Date“, presste Sam hervor und wappnete sich innerlich gegen Sticheleien.

Von Cas erntete er ein beifälliges Kopfnicken. Der Engel schätzte Ehrlichkeit, nach wie vor.

 

Bitte versau es mir nicht, Dean, bitte lass mir das …

 

„Hm ...“

Dean schien sich auf sein Rührei zu konzentrieren.

„Viel Spaß.“

 

Viel Spaß? Das ist alles?“

 

„Was erwartest du von mir? Bleib anständig, tu nichts, was ich nicht auch tun würde? Schützt euch, Kinder?“

 

Dean lachte unanständig, aber Sam merkte, dass es aufgesetzt war. Er schnaubte.

 

„Fahrt nicht zu früh. Cas hat auch nicht geschlafen und sollte sich vorher ausruhen!“

 

Er hatte es gut gemeint, obwohl Cas‘ hochgezogene Schultern andeuteten, dass er sich offenbar irgendwie verraten fühlte. Das tat Sam leid, aber erwiesenermaßen war niemand im Bunker in der Lage, angemessen für sich selbst zu sorgen. Manchmal musste man sich dafür eben gegenseitig in die richtige Richtung schubsen.

Sam sah zu, dass er sein Geschirr spülte und bekam gerade noch mit, wie ein missgelaunter Dean Castiel zwischen eigenen unterdrücktem Gähnen eine Standpauke über die Notwendigkeit von genügend Schlaf hielt.

Destruktivität und Doppelmoral.

Herrlich.

 

Beinahe aus Gewohnheit vertrieb sich Sam die Zeit bis zu seiner Verabredung in der Bibliothek. Nachdem er erneut Nachrichten und Überwachungsprogramme überprüft hatte, kam er zu dem Schluss, dass die Ereignislosigkeit eigentlich nur das Luftholen vor der nächsten Apokalypse bedeuten konnte.

Ob Himmel, Hölle oder etwas dazwischen – irgendjemand (oder etwas) steckte vermutlich bis zur abstoßenden Fratze in Herrschaftsplanungen oder zog die Fäden für den neuen Weltuntergang. Was blieb ihm anderes übrig, als Augen und Ohren offen zu halten und darauf zu warten, dass etwas in der Welt passierte, das noch verdächtiger war, als diese Episode erzwungener Untätigkeit? Es gab keinen Hinweis darauf, wonach er Ausschau halten sollte.

 

Mehr oder minder beruhigt vergrub sich Sam erneut hinter Lehrvideos und gab sich Mühe, die Gebärden aller Höflichkeitsfloskeln, die in einer Unterhaltung auftauchen konnten, zu perfektionieren. So verging die Zeit recht schnell und während er sich für seine Verabredung frisch machte und sich penibel die Zähne putzte, überlegte er, wie er am besten zum Café käme.
 

Da Dean und Cas selbst Pläne hatten, fiel der Impala, auf den er insgeheim spekulierte hatte, definitiv weg, aber es war nicht so, dass die Garage des Bunkers nicht genug Alternativen inpetto gehabt hätte. Wobei die meisten davon vielleicht ein wenig zu sehr nach Oldtimer-Fanatiker schrien. Und er befürchten musste, ohne Extragenehmigung zum Fahren bei einer Kontrolle in Schwierigkeiten zu geraten.

Andererseits beherbergte die Garage inzwischen nicht nur den 67er Chevrolet Impala und die Autos und Zweiräder der Men of Letters, sondern auch den rostigen alten Pickup Truck, den Cas vor einiger Zeit aufgegabelt hatte. Zusätzlich zu dessen goldenem 78er Continental Mark V Lincoln, doch dieses Auto, das den Namen nicht einmal verdiente, stand für keinen der Winchesters als akzeptables Transportmittel zur Diskussion.

Missmutig kaute Sam auf den Innenseiten seiner Wange herum, während er mit einer schnellen Handbewegung sein Haar vor dem Spiegel ordnete.

Vermutlich sollte er sich nicht so anstellen und Dean einfach um sein Auto bitten.

 

Er hatte gerade den Entschluss gefasst, sich auf die Suche nach seinem Bruder zu machen, als er laute Stimmen aus dem Strategiezimmer hörte.

„So nehm‘ ich dich nicht mit, Cas, vergiss es!“, beschwerte Dean sich lautstark.

Sam beeilte sich, dazuzustoßen und als er sie erreichte, konnte er ein Losprusten gerade noch als Räuspern tarnen.

 

Dean hatte es wohl in der Zwischenzeit geschafft, zu duschen und sich anzuziehen.

Jeans, schwarzes Shirt, Flanell (Karos in rot-weiß), Schnürboots – alles wie immer.

Cas hingegen … sah nicht wie immer aus.

Weder trug er den alten Trenchcoat, den er seit Beginn seiner neuen Menschlichkeit immer häufiger ablegte, noch das schlabberige Outfit vom Morgen. Er steckte in verwaschenen Jeans, schweren Schnürstiefeln und einem schwarzen Shirt unter einem rot-weiß-karierten Flanellhemd.

An sich nicht außergewöhnlich, wenn man mit zwei Winchesters unter einem Dach lebte und sich aus ihren Kleiderschränken bediente.

Das Problem dabei war nur, dass er aussah, als hätte er versucht, Dean zu imitieren.

 

„Aber wenn du es trägst, ist es in Ordnung“, stellte Castiel irritiert fest und zupfte fragend an Deans Hemdsärmel herum.

Sam musste sich zusammennehmen, um nicht laut loszulachen. Dean machte ein Gesicht, als hätte er in die sauerste aller Zitronen gebissen und riss sich aus Cas‘ Griff los.

„Es ist in Ordnung, wenn nur ich es trage, Cas!“, zischte er und vermied es offensichtlich, in Sams Richtung zu sehen.

„Der Twin-Look war schon bei Britney und Justin out! Und. Wir. Gehen. So. Nicht. Zusammen. Raus!“

 

Sams Augen schwammen vor unterdrücktem Lachen in Tränen, die Muskeln in seinen Wangen ziepten vor Anstrengung, die Kontrolle über seine Züge zu wahren.

Die tiefen Augenringe des Engels waren etwas verblasst. Anscheinend hatte er sich seit dem Frühstück etwas erholen können. Auch Deans derzeit rot angelaufenes Gesicht wirkte weniger verquollen und übernächtigt.

Bereit für ihren Ausflug schienen die zwei trotz allem nicht gerade.

Cas sah so zerknirscht und ratlos aus („Wer sind Britney und Justin?“), offensichtlich besorgt, der Grund dafür zu sein, dass Dean wütend war und … sich schämte?

Mitleid überkam Sam; der Drang zu lachen, verebbte. Es war schwer, mitanzusehen, dass Deans Reaktion auf Cas ihm Kummer bereitete.

 

„Geh dich umziehen!“, forderte Dean mit vor der Brust verschränkten Armen.

Mit hängenden Schultern schlurfte Castiel den Gang entlang Richtung Deans Zimmer, um das Hemd gegen ein anderes zu tauschen und Sam nutzte die Gelegenheit, mit seinem Bruder allein zu sein.

 

„Meinst du nicht, du bist ein bisschen zu hart zu ihm? Er gibt sich solche Mühe“, begann er vorsichtig.

Dean verzog das Gesicht, schien aber zuzuhören.

„Sieh mal, Cas freut sich wirklich, dass du ihn mitnimmst … Er verbringt gerne Zeit mit dir und ist so dankbar, dass du ihm hilfst. Verbock‘s nicht.“

Ein Augenrollen und ein genervter Seufzer, allerdings kein bissiger Kommentar und das hieß schon eine ganze Menge.

Es war genau das, was Sam sich gedacht hatte: Cas war und blieb eben immer Deans wunder Punkt, das, was den Jäger sanft werden ließ, wenn man ihn richtig damit erwischte.

 

„Ich versuch‘s. Aber das war so bescheuert … Wieso rafft er das denn nicht?“

 

„Er bewundert dich eben, Dean! Er will dir gefallen und er glaubt, wenn er das tut, was du magst, erreicht er das.“

 

Die Verbindung zwischen Dean und dem Engel war nicht mit der der Brüder zu vergleichen, das hatte Sam längst begriffen.

Sie beruhte weniger auf blindem Verständnis für die Denkweise des anderen. Nicht darauf, das letzte Bruchstück von Familie und Zuhause füreinander zu sein, nicht darauf, die Grenzen zwischen Eltern, Brüdern, Gegnern, Einheit immer wieder verwischen und einreißen zu lassen.

Vielmehr befanden Castiel und Dean sich in einem gänzlich anderen emotionalen Spektrum zueinander. Vermutlich in einem, das man nur betrat, wenn einer von beiden die Seelenbruchstücke des anderen aus der Hölle zog und wieder zusammenfügte. Wenn man sich gegenseitig oft genug verließ, enttäuschte, tötete, heilte, verlor, rettete. Wenn man genug getrauert hatte, gemeinsam oder umeinander, auf eine Art wie es Brüder nicht taten. Wenn man gemeinsam dem Fegefeuer entkommen war.

Sam hatte das vor langer Zeit verstanden. Und so, wie er und Dean sich kannten, eben auf eine gänzliche andere Weise, wusste Sam, dass sein Bruder nicht bereit war, diesen Unterschied zu akzeptieren.

Vielleicht war es einfacher für ihn, Cas oberflächlich als einen zweiten Bruder zu sehen. Schließlich hatte er gelernt, dass sein Bruder der einzige war, den er niemals ganz und gar verlor.

 

„Gut, dass er endlich was eigenes zum Anziehen bekommt!“, unterbrach Sam Deans Schweigen möglichst diplomatisch. Er rechnete sich immer noch eine geringe Chance auf den Impala aus und die wollte er sich auf keinen Fall verspielen.

„Apropos. Wenn ihr danach in den Baumarkt wollt, wäre es dann nicht einfacher, wenn ihr Cas‘ Pickup nehmt?“

Er atmete tief durch, sich des Misstrauens, das unmittelbar nach der Frage über Deans Gesicht flackerte, wohl gewahr.

 

„Du willst Baby“, stellte Dean trocken fest und löste die verschränkten Arme.

Nein. Sie konnten einander definitiv nicht überraschen.

Sam schloss kurz die Augen, legte sich die nächsten Worte in seinem Kopf zurecht. Überraschenderweise kam Dean ihm zuvor.

„Kenne ich sie?“, fragte er, bevor Sam den Mund aufmachen konnte.

Seine Stimme klang erstaunlich ruhig, leise, fast schon behutsam für seine Verhältnisse.

 

„Dein Date?“

 

Sam zögerte. Er hatte sich nach diesem kleinen Geheimnis gesehnt, hatte abwarten wollen, wie sich alles entwickelte. Befürchtet, dass Dean zu kindisch reagieren würde, als dass er diese Information mit ihm teilen konnte.

In diesem Moment fühlte es sich allerdings nicht so an, als wäre die Neuigkeit bei ihm in den falschen Händen. Was sich natürlich noch jederzeit ändern konnte. Dean war launisch.

 

„Eileen hat mich gefragt, ob ich mit ihr Kaffee trinken gehe“, gestand Sam schließlich. Erstaunlicherweise war es eine kleine Erleichterung, es nicht weiter vor seinem Bruder verheimlichen zu müssen.

„Eileen?“, wiederholte Dean überrascht und Sam konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Zusammenhänge, Erkenntnisse … und am Ende wirkte der Blick, den er ihm schenkte, nahezu sanft und er nickte, so als wäre Sams Verabredung die logischste Sache der Welt.

 

„Die Regeln für Baby?“

 

Sam blinzelte perplex, lächelte dann aber dankbar.

 

„Keine Tiere oder kleine Kinder im Wagen. Kein Sex in oder auf dem Auto. Keine Lebensmittel, die Flecken machen können. Keine Kratzer oder Dellen, keine Unfälle. Nicht unter blühenden Bäumen parken, nicht falsch parken, nicht blitzen lassen. Niemand anderen außer mir ans Steuer lassen …“, betete Sam mit nicht ganz ernst gemeintem Augenrollen herunter und zählte dabei die einzelnen Punkte an den Fingern ab.

 

„Habe ich was vergessen?“
 

Dean hatte zu jedem Punkt nachdrücklich genickt. Als Sam sich unterbrach, starrte er ihn entrüstet an.
 

„Fast das Wichtigste! Nicht die falsche Musik hören!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es gibt definitiv zu wenig Fanfics, die sich auf brüderliche Weise mit der Beziehung von Sam und Cas auseinander setzen und das finde ich immer ein bisschen schade, denn auch die beiden stehen sich sehr nahe.
Außerdem stört es mich oft ein wenig, dass, sobald es um das Liebesleben eines Winchester Bruders geht, der andere für den Plot vollkommen unter den Tisch gekehrt wird. Natürlich macht es Sinn, einen klaren Fokus zu setzen, aber der Kern der Serie ist ja auch irgendwo die abhängig tiefe, treue Beziehung zwischen Sam und Dean, die jeweils ihre Persönlichkeiten prägt.
Ich habe versucht, beides zu berücksichtigen und damit dann schnell den längentechnischen Rahmen gesprengt - hups! Komplett anzeigen

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