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Daemon 3

Akte Chase
von

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Kapitel 5

[JUSTIFY]Ich war noch nie im Ödland gewesen. Die meisten Menschen, Hunter miteingeschlossen, setzten nie auch nur einen Fuß in die verlassenen Städte und Landschaften, die von Daemonen überrannt und eingenommen worden waren. In jeder Infiltration mit Daemonen kam es irgendwann zu dem Moment, da das Gleichgewicht kippte und die Daemonen von einem Tag auf den anderen die Oberhand gewannen und ganze Distrikte unbewohnbar machten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Zu Beginn hatte es noch mutige Seelen gegeben, die ihre Heimat nicht verlassen und lieber mit der Gefahr im Rücken in ihren Wohnungen bleiben wollten. Erst als genau diese Menschen von Daemonen dazu missbraucht wurden, sich zu vermehren und weitere Städte zu infiltrieren, war das Ödland offiziell als unbewohnbar eingestuft worden. Die Gefahr für den Rest der Bevölkerung war zu groß.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit all diesem Wissen im Hinterkopf fühlte es sich auf einem elementaren Level falsch an, auch nur einen Fuß hinter die Grenze zu setzen. Mein Blick wanderte über die Landschaft, die sich vor mir ausbreitete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Unkraut wucherte aus den Rissen der aufgerissenen Straße und stemmte sich verzweifelt gegen den nahenden Winter. Stahlgraue Wolken füllten den Himmel und die heruntergekommenen Gebäude der verlassenen Hauptstadt des ehemaligen Distrikt 15 reckten sich ihnen wie steifgefrorene Finger entgegen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Gruselig“, sagte Sam leise neben mir. „Es ist so ruhig. Wo sind die Mistviecher?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Von Daemonen gab es so nah an der Grenzmauer noch kein Zeichen, aber als wir die ersten Schritte über die Straße machten, konnte ich hier und da gelbe Fußspuren ausmachen. Ein dumpfes Grollen tönte aus der Richtung der Stadt. Wenn ich mich nicht täuschte, würden sich dort die meisten Daemonen eingenistet haben, inmitten der verrotteten Leichen ihrer damaligen Opfer und deren Wohnungen. Eine Stadt nur für Daemonen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du wirst ihnen noch früh genug über den Weg laufen“, beruhigte ich sie. „Ich persönlich will einfach nur diesen mysteriösen Typen finden, dem die Nachricht gilt und dann nichts wie weg hier.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und wie sollen wir ihn finden?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Der Daemon sagte, wir würden ihn erkennen, wenn wir ihn sehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„An seinen Richtungsangaben sollte er noch etwas feilen“, grummelte Sam.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Uns bleibt nicht viel übrig, als geradeaus zu gehen und zu hoffen, dass er uns findet“, sagte ich. „Fuck, mein Bein tut jetzt schon weh, wenn ich daran denke, wie weit wir laufen müssen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Hast du schon eine Schmerztablette genommen?“, fragte Sam und ich nickte. „Tja, dann heißt es wohl immer vorwärts und nicht hops gehen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dein Optimismus ist wahrlich beruhigend …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Zeit verflog, während Sam und ich uns Beleidigungen und spitze Bemerkungen an den Kopf warfen. Ida blieb ungewöhnlich still, so als sauge sie die Atmosphäre außerhalb der Grenzen mit ihrem ganzen Körper ein. Gegen Mittag war die Stadt endlich so nah, dass ich die ersten Straßenschilder erkennen konnte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Solange wir noch keinen Daemon gesichtet hatten, nutzten wir die Gelegenheit, um unseren Proviant auf dem kalten Asphalt auszupacken und einige Brote zu verputzen. Trotzdem lag ein Schatten der Paranoia über uns und das Essen verschwand ungewöhnlich schnell. Keine fünf Minuten später waren wir schon wieder auf den Beinen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Mir gefällt es hier nicht.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich sah zu Ida hinunter, die ein wenig vorgeflogen war und nun hastig wieder zurückkam. Inzwischen hatten wir die Stadt betreten und die Wohnblöcke und Hochhäuser erhoben sich zu beiden Seiten wie Riesen. Jeder Schatten schien sich zu bewegen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Mir auch nicht“, sagte ich leise. „Aber wir müssen —“ Abrupt blieb ich stehen. „Was war das?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sam war sofort an meiner Seite, Hände erhoben und einen Fixierungsschlüssel auf den Lippen. Ich folgte ihrem Beispiel. Gemeinsam tasteten wir uns vorwärts.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der kalte Wind heulte durch die Hauptstraße. Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich Ausschau nach dem neongelben Leuchten, das Daemonen auch aus der Entfernung für mich sichtbar machte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Da.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein Schimmern lenkte meine Aufmerksamkeit auf die andere Straßenseite. Der Daemon musste im Schutz der Schatten einiger verlassener Autos aus unserem Sichtfeld gehuscht sein. Ich stieß Sam mit der Schulter an und nickte in die Richtung des Daemons. Schritt für Schritt näherten wir uns.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Daemon war klein, kaum größer als eine Hauskatze. Er fletschte die schwarzglänzenden Zähne und presste sich flach gegen den Boden, als Sam an mir vorbei trat.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Residere. Abire. Deficere. Decedere. Residere.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Kraft des Fixierungsschlüssels riss den jämmerlich quietschenden Daemon zu Boden. Schwarzer Rauch stieg von seinem Körper auf, bis er auf die Größe einer Ratte geschrumpft war. Der Geruch von Schwefel und verfaulten Eiern stach in meiner Nase. Ich ging neben dem kleinen Ding in die Hocke und berührte mit ausgestrecktem Arm seine Stirn. Kalter Glibber berührte meine Fingerspitzen, die gelben Augen pressten sich aus dem Körper hervor.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Noxa.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Daemon verpuffte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das war einfach“, verkündete Sam. „Mehr hat das Ödland nicht zu bieten? Ich bin enttäuscht.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Vielleicht solltest du es nicht heraufbeschwören“, murmelte ich und wischte mir über den rauen Stoff meiner Jeans, um das klebrige Gefühl an meinen Fingern loszuwerden.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Was ist mit denen da?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida deutete nach oben. Eine Gruppe Daemonen krabbelte wie Spinnen durch das Fenster des zweiten Stocks eines Wohnhauses und sprang kreischend die verbleibenden Meter herab. Die drei Monster näherten sich uns auf allen Vieren, ähnlich einem Rudel hungriger schwarzer Hunde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein Schrammen über Asphalt ließ mich aufhorchen und ich sah hektisch über meine Schulter. Eine weitere Gruppe, dieses Mal vier Daemonen, hatte sich von hinten angeschlichen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Scheiße“, sagte ich und sah mich prüfend um. Wie ich vermutet hatte, stand im Eingang zu einer düsteren Gasse ein Daemon, der mir bis zur Brust reichte. „Sie kesseln uns ein. Wir müssen abhauen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und wo lang?“ Sam trat zurück, bis wir Rücken an Rücken standen. Das Gewicht ihres Körpers nahm mir ein wenig der aufsteigenden Panik, aber die Situation sah trotzdem nicht gut aus.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Der da.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida deutete auf den einzigen Daemon, der alleine war. Er war außerdem groß genug, um die gesamte Straße auszufüllen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Wir können ihn besiegen und durch die Gasse entkommen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Einen besseren Plan habe ich nicht“, sagte ich und schielte zurück zu Sam.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tun wir's.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sam war die erste, die losrannte. Aus dem Sprint heraus rief sie ihren Fixierungsschlüssel, ohne langsamer zu werden. Ida, nun pechschwarz, ging auf alle Viere, sprang vor und verbiss sich in der Kehle des Daemons. Ich lief hinterher, den Gehstock unter meinen Rucksack geklemmt, die Zähne zusammengebissen. Meine Wade pochte schmerzhaft bei jedem Schritt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Deficere! Decedere! Occidere!“, schrie ich und zielte dabei mit beiden Händen auf den Daemon, während Ida sich von ihm abstieß und in der Luft schneeweiß wurde, um nicht von meinem Muster getroffen zu werden. Der Daemon kreischte und bäumte sich auf, Zähne gebleckt. Seine runden, stechend gelben Augen leuchteten im Schatten der Gebäude. Sam blieb zwei Meter vor ihm stehen und beendete mein trigonales Muster mit der absteigenden Reihe. „Decedere. Deficere.“ Schwarzer Rauch pulsierte empor, entriss dem Daemon seine Masse, bis er zusammenschrumpfte und sich am Boden wand. Ida schoss herab und biss in seine Schulter, wo sie ein großes Stück schwarze Masse herausriss und auf das Pflaster spuckte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Während Sam den Daemon mit einem lauten Nex exzidierte, hielt ich unserer kleinen Gruppe den Rücken frei. Die Daemonen, die uns von allen Seiten umringt hatten, folgten uns und schlossen sich auf der offenen Straße nach und nach zu einem Mob zusammen, ein Dutzend Daemonen auf einem Haufen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich schluckte schwer. Gegen Isaac zu kämpfen war hart gewesen, weil er so stark war, aber viele kleine Daemonen zusammen bargen keine geringere Gefahr.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Manere. Manere. Manere.“ Ich ließ meine überkreuzten Hände nacheinander über die Daemonen wandern. Die kleineren von ihnen wurden durch unsichtbare Kräfte zu Boden gerissen, als hätte sich die Schwerkraft mit einem Mal vervielfacht, doch eine Handvoll schüttelte meine Fixierung mühelos ab und preschte in unsere Richtung. Einer von ihnen war schneller als die anderen und sprang genau auf mein Gesicht zu.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hatte keine Zeit für einen Schlüssel, stattdessen warf ich mich zur Seite und wich der Attacke um Haaresbreite aus.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Coon, komm schon!“, rief Sam hinter mir. Inzwischen hatte der Rest der Daemonen ihren Vorreiter eingeholt und bildeten ein Meer aus schwarzen Leibern, während gelber Geifer von ihren gebleckten Zähnen triefte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ohne zu zögern machte ich auf dem Absatz kehrt und preschte in Sams Richtung.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich lief so schnell ich konnte, trotz meines brennenden Beins, aber ich war zu langsam. Gerade als ich den Eingang erreicht hatte, fielen von oben zwei weitere Daemonen herab und landeten kreischend und kratzend auf meinem Rücken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Panisch warf ich mich herum, wobei der kleinere der beiden das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte, während ich gleichzeitig einen Verteidigungsschlüssel brüllte, der sich in dem Moment manifestierte, als der zweite Daemon seine Klauen in meine Schulter schlug. Ich spürte den Schmerz, aber der Schutzschild bewahrte mich vor zu großem Schaden. Die Wucht des Schlüssels schleuderte den Daemon regelrecht von mir weg, seine abgetrennten Krallen klackerten auf den Beton unter mir.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schwer atmend sah ich mich nach meinen Freunden um. Ida, die bereits Sam gefolgt war, flog schreiend zurück, um mir den Rücken zu decken. Sie warf sich dem größeren der beiden ins Gesicht, der sich von seinem Schock noch nicht ganz erholt hatte, während ich auf den zweiten zielte und mit einem hektischen Schulterblick sicherging, dass ich nicht im nächsten Moment zerfetzt wurde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sidere, Sidere, Sidere …“ Ich hielt den Daemon fest und bewegte mich schnellen Schrittes auf ihn zu. Die Fixierung hielt ihn flach auf die Straße gedrückt, aber sein Maul stand offen und er kämpfte gegen die unsichtbaren Fesseln an, schnappte nach mir.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida drückte unterdessen den linken Daemon gegen die Häuserwand und fraß sich mit großen Bissen durch seinen Hals. Ein Stück vor den beiden hielt ich inne und sah erneut zurück.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Daemonengruppe war nun ganz nahe, und es waren zu viele, um sie alle gleichzeitig auszuschalten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„COON!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sams Ruf folgend, fluchte ich und sprang mit einem langen Satz über den am Boden fixierten Daemon hinweg. Stickiger, dunkler Rauch verdeckte mir die Sicht; Ida hatte ihren Daemon aufgefressen und Sam einige Schwächungsschlüssel in die Richtung der beiden abgefeuert. Jetzt fing sie mich auf, als ich stolperte und in ihre Arme fiel.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Lass uns verschwinden“, murmelte sie und zog mich mit. Mein Bein brannte. Ich schleppte mich durch die Gasse, nur wenige Schritte hinter ihr, aber ich spürte, wie ich immer langsamer wurde. Plötzlich tauchte Ida neben mir auf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Geht es dir gut?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Zwischen zwei Atemzügen warf ich ihr ein schwaches Lächeln zu. „Wird schon gehen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ihr Blick verfinsterte sich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Coon …[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Vor uns blieb Sam abrupt stehen und ich lief geradewegs in sie hinein. Keuchend trat ich an ihr vorbei. Die Gasse war zu Ende. Ich schielte hinaus auf die offene Straße, die vor uns lag. Und schluckte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Daemonen, so weit das Auge reichte. Sie kletterten über Ampeln und überschlagene Autos, liefen über den Bordschein, hingen von Fenstern und Laternen herab oder bekämpften sich gegenseitig auf der Straße.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das ist dann wohl Endstation“, sagte Sam leise. Ihre Hand tastete nach meiner und ich erwiderte den Händedruck. Ihre Haut war warm und glitschig von Schweiß.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sam“, sagte ich. „Du kannst noch umdrehen. Hinter uns waren nicht so viele Daemonen. Wenn du die Gasse als Flaschenhals benutzt, kannst du sie nacheinander exzidieren und den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich alleine also.“ Sam bedachte mich von der Seite mit einem kritischen Blick. „Und was tust du, ein Teekränzchen veranstalten?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Einen Versuch ist es wert.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Coon, ich meine es ernst.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich auch!“ Wütend fuhr ich zu ihr herum. „Keine Ahnung, warum, aber aus irgendeinem Grund wurde ich wegen dieser Nachricht hergeschickt. Ich bin dankbar, dass du mitgekommen bist, aber ich weiß nicht, was noch auf uns wartet, und vielleicht … vielleicht kann nur ich diesen mysteriösen Empfänger erreichen. Was, wenn das von Anfang an der Plan gewesen war? Dass es egal ist, wie viele Hunter und Helfer ich mitnehme, weil ohnehin nur ich zum Schluss durchkommen werde?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das ist zu weit hergeholt“, sagte Sam, aber ihre Stimme klang nicht mehr so sicher wie zuvor. „Wie soll irgendjemand durch diese Daemonen durchkommen? Du kannst ihre Spuren sehen, aber das hilft dir nicht, sie zu bekämpfen!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Gottverdammte Scheiße, ich wusste es doch auch nicht. Aber etwas musste es sein, einen Vorteil, den ich gegenüber den anderen Huntern hatte. Etwas, das mich abhob.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Kurz dachte ich an Marys Scherz zurück. Vielleicht war das Teekränzchen mit einer Streicheleinheit tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Oder vielleicht verlor ich im Angesicht des sicheren Todes den Verstand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sam, bitte“, flehte ich, doch sie ignorierte meine Worte. Hinter uns erschien Ida. Sie keuchte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Sie folgen uns in die Gasse! Warum geht ihr nicht weiter, sie sind fast— oh.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie verstummte, als ihr Blick auf die Daemonen fiel, die inzwischen auf uns aufmerksam geworden waren. Einige der näherstehenden Exemplare mussten unsere Stimmen gehört haben. Sie hoben die schwarzen Köpfe, kamen vorsichtig in unsere Richtung, gelbe Glubschaugen weit geöffnet und auf uns fixiert. Nein, nicht auf uns.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Auf mich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich schluckte schwer und machte unwillkürlich einen Schritt vorwärts. Sams Hand umklammerte meinen Arm. „Coon, bist du lebensmüde? Wir müssen umkehren. Du hast es selbst gesagt, wir werden mit den Daemonen hinter uns schon fertig. Wir finden einen anderen Weg zu diesem Empfänger. Komm schon!“.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nein.“ Eine kalte Ruhe überkam mich und eine Erinnerung kämpfte sich in mein Bewusstsein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Gelb, überall gelb.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Daemonen näherten sich weiter. Sie kreischten, knurrten, neigten die Köpfe. Sie … kommunizierten miteinander. Vereinzelte andere Daemonen erhoben sich, kamen auf die Gasse zu.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Eine Erinnerung bahnte sich ihren Weg in mein Bewusstsein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Daemon stand direkt über mir, sein Geifer tropfte auf meine Brust.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Eine andere Gruppe kreischte, lief in unsere Richtung, doch die Daemonen von zuvor versperrten ihr den Weg, griffen sie an, keiften und spuckten und bissen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er schnupperte, ließ von mir ab, lief an mir vorbei. Verschonte mich. [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich machte noch einen Schritt vor, aus der Gasse hinaus.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ignorierte mich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Coon!“ Sams Zischen war direkt an meinem Ohr, aber ich ließ sie stehen, schüttelte ihre Hand ab. Die Daemonen sahen mich an. Ihre Nüstern blähten sich, ihre Zungen schleckten über meine Hände.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie traten zur Seite.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sam murmelte etwas hinter mir, das sich verräterisch nach Unmöglich anhörte. Sie schien mir folgen zu wollen, doch plötzlich bäumten sich die Daemonen auf und fauchten sie an. Ida schwebte über sie alle hinweg und hing neben mir in der Luft.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Was ist los? Warum lassen sie dich in Ruhe?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich weiß nicht“, sagte ich und setzte sorgsam einen Fuß vor den anderen, um keinen der Daemonen zu provozieren. Die Kämpfe am Rand der kleinen Gasse, die sich für mich gebildet hatte, wurden lauter. „Aber es ist schon einmal passiert. Damals, als die Rotte das Wohnhaus meiner Ziehfamilie angegriffen hat. Alle Stockwerke waren mit Daemonen gefüllt, aber sie haben mich alle ignoriert.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Ich komme mit dir.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich wusste, dass ich sie nicht umstimmen konnte, aber ich sah trotzdem zurück zu Sam. „Warte am Eingang auf mich“, rief ich ihr zu. „Wenn ich bis morgen nicht zurück bin, hol Unterstützung.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wehe, du stirbst!“, schrie sie zurück.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ida, hilf ihr durch die Gasse“, sagte ich. „Du kannst mich danach finden.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie wirkte hin- und hergerissen, nickte jedoch schließlich und schoss als weißer Blitz davon.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tief durchatmend ging ich weiter. Die Höhle des Löwen erwartete mich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Knurren und Keifen umringte mich von allen Seiten. Zwei Daemonen geleiteten mich vorwärts, schnappten nach neugierigen Artgenossen, die mir nicht so friedlich gesinnt schienen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Interessant, dachte ich, während ich langsamen Schrittes die Straße überquerte und in eine weitere Gasse abbog, die Daemonen dicht an meiner Seite. Einige von ihnen beschützen mich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Eiskalter Novemberwind fegte durch die Spalte zwischen den beiden Wohnhäusern, durch die ich mich kämpfte, fraß sich durch meinen Schal in meine Wangen und Ohren. Zitternd zog ich meinen Mantel enger. Einer der Daemonen, ein kleines Exemplar, sah über die Schulter zu mir auf. Seine leuchtend gelben Augen quollen halb aus seinem Kopf und fixierten mich träge. Schwarzer Speichel troff sein Kinn herab. Musste er sich zurückhalten, um mich nicht anzugreifen? Ich dehnte unauffällig meine Finger und massierte meine Hände, um sie warm zu halten. Im Notfall wollte ich in der Lage sein, im Bruchteil einer Sekunde wieder in Kampfmodus überzugehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als wir die Gasse verließen, schien mir die tiefstehende Sonne direkt in die Augen. Fluchend hielt ich eine Hand vor mein Gesicht. Erst als ich keine schwarzen Flecken mehr in meinem Sichtfeld ausmachte, ließ ich sie sinken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wir waren in einem Park ausgekommen. Knorrige, kahle Bäume ragten wie Skelette in den Himmel und Moos wucherte über verfallene Steinskulpturen und  zerrüttete Holzbänke. Von feindseligen Daemonen war weit und breit keine Spur zu sehen, dafür türmten sich Autokarosserien und Mülltonnen wie eine Mauer vor allen Straßenkreuzungen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich sah zurück. Die Gasse schien der einzige Eingang zu diesem Ort zu sein. So viel Organisation konnte nicht von den Daemonen kommen. Jemand, oder etwas, führte sie an, gab ihnen Befehle. Mein rechtes Bein pochte mit jedem Schritt, doch ich zwang mich dazu, weder zu humpeln, noch meinen Gehstock zu Hilfe zu nehmen. Derzeit mochte ich Gast der Daemonen sein, aber mein Instinkt sagte mir, dass ich mich nicht in Sicherheit wiegen durfte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die beiden Daemonen trabten voran, geradewegs ins Herz des Parks. Meine Stiefel versanken leicht in dem aufgeweichten Erdboden, das Gras streifte die Löcher meiner Jeans, die auf Höhe meiner Knie waren. Die gelben Fußspuren, die bislang mein gesamtes Sichtfeld eingenommen und es mir schwer gemacht hatten, Details zu erkennen, waren hier fast nicht existent. Lediglich die frischen Spuren meiner daemonischen Begleiter flackerten bei jedem ihrer Schritte im taunassen Gras auf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schließlich erreichten wir einen Springbrunnen, aus dem kein Wasser mehr spritzte und in dessen Becken Herbstlaub verrottete. Auf seinem Steinrand saß eine helle Gestalt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ruckartig blieb ich stehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Gestalt war ein Mann, weiß wie Schneeglöckchen im Frühling. Lediglich seine Hände und Füße waren schwarz wie Öl. Er trug einen Anzug, der schlierenhaft mit seinem restlichen Körper verschmolz. Sein längliches Gesicht betonte die Geheimratsecken, die seine Stirn umso höher wirken ließen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Dae erhob sich zaghaft und beobachtete mich schweigend aus der Ferne. Ich sah genauer hin. Er war in seinen Vierzigern. Kein Kind mehr, wie Ida oder Isaac. Vor mir stand ein erwachsener Mann in Dae-Gestalt, mit einer Färbung, die mir noch nie im Leben untergekommen war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Etwa fünf Monate, nachdem Amanda mit dir schwanger wurde, ist Brian auf dem Heimweg nach der Arbeit von einem Daemon angefallen und gebissen worden. Passanten haben ihn einige Stunden später tot aufgefunden.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nein. Ich schüttelte die Erinnerung an Sams Worte ab. Es konnte nicht sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Derjenige, der mich geschickt hat, ist dein Vater, Raccoon Thynlee. Und er kann es nicht erwarten, dich wiederzusehen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Meine Knie wurden weich wie Wachs und ich schaffte es gerade noch, mich gegen einen Baumstamm abzustützen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Dae erwartete mich weiterhin, ungehetzt, unbesorgt. Mit einer Zunge wie ein Reibeisen ging ich langsam auf ihn zu, bis wir einander gegenüberstanden. Er machte eine wegscheuchende Bewegung mit seiner rechten Hand und die beiden Daemonen, die mich zu ihm geführt hatten, winselten leise und rannten davon. Nun endlich sah er mir in die Augen. Seine waren milchig weiß.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Raccoon“, begrüßte er mich. Seine Stimme war sanft wie Honig, duldsam, wie die eines Lehrers, der bereits mit allen Arten von Kindern fertig geworden ist, indem er nie die Stimme erhoben hat. In seiner Gegenwart fühlte ich mich gleich wie ein unbeholfener Teenager.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Bist du …“ Ich brach ab. Ich konnte mich nicht dazu durchringen. Was, wenn ich Recht hatte? Was, wenn ich falsch lag? Ich wusste nicht, welche Erkenntnis schlimmer wäre. Aber der Dae ließ mich nicht so leicht davonkommen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Bin ich was?“, fragte er lächelnd. „Tot? Auf jeden Fall.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schnaubend ließ ich meinen Rucksack zu Boden sinken. „Bist du … bist du mein Vater? Ist dein Name Brian?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dein Vater?“, fragte er verblüfft. Dann lachte er. „Oh nein, ganz sicher nicht. Mein Name ist William Parker. Ich bin Vater einer wundervollen Tochter, das stimmt, aber sie ist nicht hier.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Es tut mir leid. Das war wohl nicht die Antwort, die du hören wolltest.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ohne es zu merken, hatte ich mir ans Herz gefasst, meine Finger in den Stoff meines Mantels gekrallt. William Parker. Ein Mann, der nichts mit meinem Vater zu tun hatte. Der Daemon hatte also doch gelogen. Ein Zittern überkam mich und ich presste meine Augen zusammen, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]War ich wirklich so vorfreudig darauf gewesen, dass mein Vater derjenige sein könnte, der Mary in Gefahr gebracht und mich erpresst hatte? Meine Eltern waren tot und ich würde sie niemals kennenlernen. Es war besser so.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich musste es nur wissen“, presste ich hervor. „William also. Du bist der Empfänger für die Nachricht?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„In der Tat.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Beantworte mir zuerst ein paar Fragen.“ William neigte den Kopf, wehrte sich jedoch nicht gegen meine Forderung, sodass ich einfach weitersprach. „Wer bist du? Warum arbeitest du mit den Daemonen zusammen? Wer ist der Anführer? Wie kontrollierst du all diese Daemonen? Warum greifen mich einige von ihnen nicht an?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Dae lachte erfreut auf. „So viele Fragen! Wo soll ich da nur anfangen?“ Sein Blick fiel auf meine Beine. „Warum setzen wir uns nicht? Hast du dich auf dem Weg hierhin verletzt? Daemonen können solche Rüpel sein, nicht wahr?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Rüpel?“, fragte ich trocken, kam seiner Einladung jedoch nach. Ich wusste nicht warum, aber William gab mir nicht das Gefühl, dass er mein Feind war. Im Gegenteil. Vielleicht half er mir sogar, an die Informationen heranzukommen, die ich brauchte. Der Marmor war kalt, aber ich ignorierte das eisige Gefühl und rieb meine Hände zwischen meinen Oberschenkeln, bis sie warm wurden. William betrachtete mich eingehend.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Kälte“, sagte er. „So ein merkwürdiges Konzept. Als wolle die Luft selbst uns angreifen. Ich weiß nicht, wann mir das letzte Mal kalt war. Es ist schon so lange her.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wie lange?“, hakte ich nach. „Wer bist du?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Keine Sorge, ich werde deine Frage beantworten“, sagte er. „Einige zumindest. Aber fangen wir mit mir an. Ich bin William Parker. Ich bin ein Dae und ich bin … Entschuldigung, welchen Tag haben wir heute?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Den zwölften November.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und das Jahr?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Misstrauisch ließ ich davon ab, meine Hände zu reiben. „892. Wieso?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„892 … Nun, in dem Falle bin ich 132 Jahre alt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Niemals“, entgegnete ich automatisch. „Du bist ein erwachsener Mann. Dae von Erwachsenen halten nie so lange durch. Sie werden zu Daemonen oder lösen sich auf.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und woher weißt du das?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich bin Hunter. Es ist mein Job, so etwas zu wissen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Vielleicht ist es aber auch dein Job, neue Erkenntnisse zu sammeln, wenn du mit neuen Beweisen konfrontiert wirst.“ Er lächelte mich entwaffnend an. „Ich war verheiratet und hatte zwei kleine Töchter. Eine von ihnen, Mia, starb bereits in Rebekkas Bauch. Eine Totgeburt. Unsere zweite Tochter lebte. Ramona war aufgeweckt und abenteuerlustig. Sie war gerade zwei, als ich von einem Daemon gebissen und getötet wurde.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er machte eine Pause.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tut mir leid“, sagte ich, damit er weiterredete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich hatte meiner Frau versprochen, sie für immer zu lieben und für sie da zu sein“, fuhr William nach einer Weile fort, so als habe er meine Worte gar nicht zur Kenntnis genommen. „Wie konnte ich das tun, wenn ich tot war? Wie konnte ich sie ganz allein mit unserem kleinen Mädchen zurücklassen? Also blieb ich. Am Anfang bemerkte meine Frau mich selbstverständlich nicht, und die Dunkelheit in meinem Herzen wuchs. Ich war nah daran, ein Daemon zu werden, wie du richtig vermutet hast. Doch dann geschah etwas, das mein Dasein für immer verändern würde. Ramona spielte draußen auf der Straße und lief ihrem Spielball hinterher. In genau dem Moment kam ein Auto um die Ecke gerast.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hielt den Atem an.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich warf mich dazwischen.“ Williams Blick fiel auf seine pechschwarzen Hände hinab. „In diesem Moment wollte ich nur eines: Meine Tochter beschützen, egal wie. Und die gesamte Dunkelheit, meine gesamte Masse, verdichtete sich in meinen Händen und ich packte Ramona und warf mich mit ihr zusammen auf die andere Straßenseite. Für einen Außenstehen muss es so ausgesehen haben, als wären meinem kleinen Mädchen plötzlich unsichtbare Flügel gewachsen.“ Er lächelte bei der Erinnerung. „Danach habe ich im Haus Botschaften hinterlassen, meiner Frau gesagt, sie solle sich Sichtlinsen anschaffen. Anschließend lebten wir wieder wie eine normale Familie. Ich konnte ihr zu Hause helfen, mit meiner Tochter spielen, ihr ein Vater sein. Dann wurde Rebekka krank. Es gab kein Mittel, keine Heilung. Sie starb in meinen Armen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sie war dein Anker“, flüsterte ich. „Wieso bist du nicht mutiert?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das wäre ich sicher“, sagte er und sah mir in die Augen. „Aber Rebekka flehte mich an, ich möge Ramona beschützen und mich um sie kümmern. Sie zu meinem Anker machen. Es war nicht leicht. Es war, als würde ich meine Beziehung zu Rebekka zertrennen und meine Liebe zu ihr fortan nur noch eine schwammige Erinnerung sein. Aber es funktionierte. Ich opferte sie zum Wohle meiner Tochter.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber du bist über hundert Jahre alt“, sagte ich. „Lebt Ramona noch? Warum bist du noch hier?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sie lebt, mehr oder weniger.“ William sah in die Ferne. „Und solange sie lebt, werde ich sie beschützen. Deshalb bin ich so alt. Meine Bestimmung ist noch nicht vollendet. Aber genug von ihr und mir. Du willst wissen, wer derjenige ist, der mir diese Nachricht sendet? Ich weiß es nicht. Ich habe ihn selbst nie persönlich kennengelernt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wieso hilfst du ihm dann?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sagen wir, unsere Ziele überschneiden sich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Genervt verschränkte ich die Arme. Er antwortete zwar, aber seine Worte waren so schwammig, dass er genauso gut nichts hätte sagen können.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du bist nicht alleine hergekommen“, sagte er nach einer Weile. „Du wirst von einem Dae begleitet, richtig?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und wenn es so wäre?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich dachte nur daran, dass sie wohl bald zu uns stößt.“ Er erhob sich. „Also dann. Was ist die Nachricht?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich zögerte. Bislang kannte ich weder die Beweggründe von William, noch des mysteriösen Anführers. Ihn auszufragen war eine Sache, aber ihren Interessen zu dienen, indem ich die Botschaft übermittelte, war eine ganz andere. Trotzdem. Das Bild von Mary flackerte vor meinem geistigen Auge auf, wie sie ihr Kind verlor, weil ich mit Rosies Leben gespielt hatte. Ich mochte die Situation nicht mögen, aber hatte ich wirklich eine Wahl?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dd1-d4. Lc8xd4. 0-0. D†: Dd8-g5+“, rezitierte ich. William schien auf weitere Anweisungen zu warten, doch ich blieb stumm.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das ist alles?!“, fragte er und griff nach meinem Unterarm. „Bist du sicher?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es stand in Blut an einen Kühlschrank geschmiert“, erwiderte ich und schob seine Hand weg. „War schwer zu übersehen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Beschämt trat er zurück. „Natürlich. Ich hatte nur mit mehr Informationen gerechnet, das ist alles. Bitte verzeih mir.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das war es also?“, fragte ich und erhob mich von dem Brunnenrand. „Ich kann gehen?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William stand auf. „Vielleicht solltest du auf deinen Dae warten“, sagte er und nickte in Richtung der Gasse, durch die ich gekommen war. „Sonst verliert ihr euch womöglich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Blick folgte seiner Geste. Die beiden Daemonen bewachten den Durchgang, aber von Ida war noch nichts zu sehen. Waren sie und Sam in Schwierigkeiten geraten?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich kann ihr entgegengehen, sie wird mich schon finden“, sagte ich und drehte den Kopf zurück.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Williams schwarze Hände packten mein Gesicht und meine Schulter und er versenkte seine Zähne in meinem Nacken. Warmes Blut tropfte über mein Schlüsselbein und in meinen Pullover. Ich schrie, trat nach ihm, doch sein Körper bot keinen Widerstand. Mein Fuß versank in seiner weißen Wade, während er seine Finger in meinen Mund schob, ihn wie mit einem Schraubstock aufzwang und meine Zunge herabpresste. Mein Schrei wurde zu einem erstickten Gurgeln, als er sich vorbeugte und als schwarzer Rauch durch meinen Mund floss.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Trotz meiner langen Karriere als Hunter war ich bislang noch nie gegen meinen Willen von einem Daemon besessen worden. Selbst Ida war im Moment ihrer Übernahme so schwach gewesen, dass ich ihre Präsenz kaum als solche wahrgenommen hatte. Das Gefühl der absoluten Machtlosigkeit und Perversion, das mich jetzt überkam, war nicht im Ansatz mit Idas sanfter Co-Existenz zu vergleichen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William füllte mein gesamtes Bewusstsein aus. Ich hatte mich von seiner freundlichen Art und dem weißen Körper täuschen lassen—er war eine geballte Ladung aus dunkler, korrupter Masse, die sich nun wie Daemonengift durch meinen gesamten Körper ausbreite, meine Gliedmaßen durchfloss, die Kontrolle über meine Körperfunktionen übernahm, bis ich nicht mal mehr selbstständig atmen konnte, bis selbst mein Herzschlag nur noch durch seinen Willen fortfuhr.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Bewusstsein drängte er zur Seite, bevor er es sich anders überlegte und begann, sich systematisch durch meine Gedanken und Erinnerungen zu wühlen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mir war schwarz vor Augen, er hatte meine Sicht nicht zugänglich gemacht, meine Sinne nutzlos. Ich hörte nichts mehr, roch nicht, schmeckte nicht, spürte nichts außer meinem Herzschlag, der immer unregelmäßger wurde, weil William sich nicht genug darauf konzentrierte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die einzigen Eindrücke, die mich in diesem Zustand erreichten, waren meine eigenen Erinnerungen, in die William sich wie ein Spürhund verbissen hatte. Zuerst durchforstete er mein Gedächtnis nach weiteren Teilen der Nachricht, spielte meine Erinnerung an Mary ab, wie sie mit dem Messer in der Hand in der Küche stand und von dem Daemon gezwungen wurde, sich selbst als Geisel zu halten. Das Gespräch mit den anderen Gründern in Rocks Bar überflog er flüchtig, so als interessiere es ihn nicht, dafür fand er großen Gefallen an meinem Besuch beim Chief und seinem Sekretär. Von meinem Streit mit Blue aus machte er große Sprünge in meine Vergangenheit, fand meine dunkelsten Erinnerungen aus dem Rottenangriff, wie die Daemonen mich passieren ließen, sprang von dort zu dem Moment, als ich durchweicht und mit Fieber im Regen vor Rocks Tür stand und ihn bat, mich bei ihm anzustellen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schließlich wurden die Sprünge so erratisch, dass ich selbst nicht mehr hinterherkam und mich ein Gefühl des Schwindels überkam. Ohne Körper, ohne Möglichkeit mich zu orientieren, festzuhalten, fiel ich in einen Strudel aus nackter Panik.[/JUSTIFY]

… WAS WILLST DU VON MIR …

[JUSTIFY]Mein stummer Schrei mutierte zu einem schwachen Piepsen in meinem Kopf, das William nur ungeduldig zur Seite schob und ignorierte. Er fand meine Erinnerungen an Chris, an unsere gemeinsame Nacht, an den Morgen danach, der unsere Beziehung für immer zerstörte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dass er mich in diesen Momenten nackt sah, war nicht so schlimm wie die Gefühle, die er aus meinen tiefsten Punkten heraussondierte. Meine Scham, meine Schuldgefühle, die Machtlosigkeit, hundertmal verstärkt, jetzt da ich wirklich die Kontrolle verloren hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich kämpfte gegen ihn an, verzweifelt, versuchte, ihn mit aller Gewalt aus meinem Körper zu schütteln, ihn wenigstens meinen Erinnerungen fernzuhalten, aber William war zu stark. Er war ein Dae mit über hundert Jahren Erfahrung.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hatte keine Chance.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als er endlich von mir abließ, fühlte ich mich zerfleddert wie ein altes Tagebuch, das jemand achtlos in eine Ecke geworfen hatte. Wäre Williams Kontrolle nur ein wenig schwächer gewesen, ich bin sicher, dass ich geweint hätte. Mein Herz schlug immer langsamer, mein Puls wurde schwächer.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]War das normal? Würde ich sterben, sobald er die Informationen hatte, die er brauchte und meinen Körper wieder zurückließ, eine nutzlose Hülle, die er achtlos fallen lassen konnte?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Etwas regte sich vor meinen Augen. Ich blinzelte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William blinzelte für mich, um den grauen Schleier zu entfernen. Ich lag bäuchlings im taufeuchten Gras. Mir hätte kalt sein sollen, aber ich spürte nichts. William hatte mich von allen Sinneseindrücken außer meinen Augen abgeschottet. Aus den Augenwinkeln konnte ich gerade so die Daemonen ausmachen, die sich vorsichtig näherten, offensichtlich verwirrt, weshalb ich am Boden lag und niemand mich beschützte. Vielleicht suchten sie auch nach William. Ich hatte keine Ahnung. Es war mir auch egal. Mein Herzschlag verlangsamte sich noch weiter. Ich war so unendlich müde. Was hatte William vor? Wollte er mich töten? Dazu hätte er mein Herz einfach anhalten können. Nein, er tat etwas anderes. Aber was wollte er nur—[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein weißes Schemen flog durch die Gasse in unsere Richtung. Ich konnte die Gestalt gerade so durch die kahlen Bäume ausfindig machen. Ida! Es musste Ida sein. Hoffnung füllte mich. Ida würde William aus meinem Körper verdrängen können, da war ich sicher. Sie kam näher. Wurde langsamer, als sie mich entdeckte, dann schoss sie vor und kam direkt vor mir zum Stillstand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und als William in genau diesem Moment meinen Atem stoppte, meine Augen entfokussierte und meinen Herzschlag ebenfalls aussetzte, wusste ich, was sein Plan war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]… NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN …[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wie eine Wahnsinnige schlug ich von innen gegen die Fesseln, die er meinem Körper auferlegt hatte—vergebens. Williams Griff war stählern und unzerstörbar. Und während all dessen ließ er mich zusehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich sah, wie Idas Unterlippe zu zittern begann. Sie stupste mich an, doch ihre Masse reichte nicht aus, um mich zu berühren. Meine Lungen brannten, aber ich konnte nichts tun. Ida ballte die kleinen Hände zu Fäusten. Ihr Blick fiel auf die Bisswunde an meinem Hals, zu den Daemonen, die Abstand genommen hatten, so als ahnten sie, was ihnen bevorstand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Meine kleine Gefährtin schrie. Ich konnte ihre Stimme nicht hören, aber ich sah die Verzweiflung in ihrem Gesicht, den aufgerissenen Mund, den zurückgeworfenen Kopf. Schwärze zerriss das milchige Weiß, blühte in ihrer Brust auf und breite sich in ihrem gesamten Körper aus wie Tinte, die in Wasser getropft wurde. Ihre Form zerschmolz, das Antlitz des siebenjährigen Mädchens verschwamm, ihre Augen traten hervor, gelb und leuchtend und rund wie Tennisbälle. Ida verschwand, ersetzt durch die Form eines pechschwarzen Daemons, der auf allen Vieren fauchend über meinen leblosen Körper hinwegsprang und aus meinem Sichtfeld verschwand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dunkelheit legte sich über meine Augen, stattdessen öffnete William mein Gehör, ließ mich dabei zuhören, wie Ida kreischend auf die Daemonen losging, sie in Fetzen riss, verschlang, bis nichts mehr von ihnen übrigblieb. Ihr schwerer Atem verklang, ihre Schritte entfernten sich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Stille hüllte mich ein weiteres Mal ein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich warf mich gegen die Fesseln, riss an seiner Kontrolle, schleuderte Erinnerungen aus Schmerz und Verrat gegen ihn, bis er genervt meine Gedanken packte und so tief in mein Unterbewusstsein stopfte, dass ich für einen Moment vergaß, wer ich überhaupt war. Aber selbst in diesem Moment, als mir mein eigener Name so schwer erreichbar vorkam wie die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, wusste ich doch eins.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein schlimmster Albtraum, meine größte Furcht, seit Ida gestorben und als Dae auferstanden war, hatte sich erfüllt. Sie war zu einem Daemon geworden. Eindeutig und unwiderruflich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Weil sie glaubte, ich sei tot.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schlimmer, weil sie glaubte, es sei ihre Schuld, weil sie mich nicht beschützt hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich wusste, wie Schuld sich anfühlte, wie sie sich durch alles Gute und Erfreuliche im Leben fraß, einen grauen Schleier über alle Farben der Welt warf, wie sie schwerer als Stein auf dem Herzen wog.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und nun war Ida ihr zum Opfer gefallen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es war notwendig“, sagte Williams unbekümmerte Stimme in meinem Kopf. „Nun schlaf.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Schlaf? Wie konnte er glauben, dass ich jetzt schlafen konnte, nach allem, was er mir angetan hatte? Aber William besaß weiterhin die Kontrolle über meine Körperfunktionen. Träume blubberten an die Oberfläche, Schwere legte sich über meine Gedanken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich schlief.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und träumte von Ida, verloren, verzweifelt und allein im Ödland, umringt von Daemonen, die sie in der Luft zerrissen.[/JUSTIFY]



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kerstin-san
2020-12-18T17:39:31+00:00 18.12.2020 18:39
Hallo,
 
ich mag Sam und ihre trockenen Sprüche, kein Wunder, dass sie und Coon sich so gut verstehen.
 
Ich frage mich ja, von was die Daemonen im Ödland denn so leben, wenn alle Menschen schon tot sind oder müssen die gar keine Menschen verschlingen, um zu überleben? Auf jeden Fall wirkt es wie eine totale Selbstmordmission, auf die sich unser Trio begibt.
 
Also das Verhalten der Daemonen so einige Fragen auf: Wenn nur ein Teil Coon beschützt, während der andere Teil sofort auf Angriff eingestellt ist, gibt es da vermutlich wirklich Abstufungen, was Intelligenz und Verständnis angeht und vlt. auch sowas wie rivaliserende Fraktionen etc. - im Prinzip wie bei den Menschen.
 
William fand ich sehr interessant, weil er wenigstens bröckenweise Infos zu bieten hat und ich bin ihm genau wie Coon total auf den Leim gegangen, weil er so nett wirkte - typischer Anfängerfehler kann man da nur sagen >.<
Und dann das mit Ida! Oh nein! Was genau bezweckt William damit nur?
 
Liebe Grüße
Kerstin


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