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People always leave

Fortsetzung zu 'And now we can't have it'
von

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Tais Entscheidung

Schwerfällig öffnete er seine Augen. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war Blut. Und der Schmerz, der durch seinen Kopf schoss, als er niedergeschlagen wurde. Jetzt war der Schmerz verschwunden.

Stattdessen fühlte er sich wie betäubt. Seine Muskeln fühlten sich so schwer an, dass er nicht einmal wusste, ob er sich überhaupt noch bewegen konnte.

„Was zum Teufel …“, krächzte Tai und wollte sich aufrichten, doch irgendetwas drückte ihn nieder.

„Bleib liegen“, befahl die Stimme seiner Schwester in besorgtem Ton.

Er blinzelte und kniff die Augen zusammen, weil das grelle Licht ihn blendete. Ergeben ließ er sich zurück in die Kissen sinken. Sein ganzer Körper fühlte sich an wie Blei.

„Was ist passiert?“, presste er gequält hervor und öffnete langsam die Augen, damit sie sich an das Licht gewöhnen konnten. Zuerst blickte er in das Gesicht von Kari, die neben seinem Bett saß und seine Hand hielt. Dann sah er sich um und erkannte Matt und Sora und Izzy, die ebenfalls da waren und von dem weißen, hellen Licht der Decke angestrahlt wurden.

Dieses Bild war unheimlich. Als würde er auf dem Sterbebett liegen. Und alle sahen ihn so sorgenvoll an.

„Ich habe gerade ein Déjà-vu“, sagte Tai und ein ungläubiges Grinsen huschte über seine Lippen.

Matt wurde wütend.

„Das ist nicht witzig!“, schnauzte er ihn an. „Du könntest tot sein.“

Tai zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Bin ich aber nicht.“

Warum reagierte er denn gleich so giftig?

Sora schossen bei diesen Worten sofort die Tränen in die Augen und sie wandte sich ab.

Wow. Dieses Wiedersehen mit ihr und Kari hatte er sich irgendwie anders vorgestellt.

„Weißt du noch, was passiert ist?“, wollte Izzy wissen, der mit verschränkten Armen neben Matt stand. Er war der Einzige von den Vieren, der anscheinend nicht gleich in Panik verfiel.

Tai richtete sich etwas in seinem Bett auf und zuckte mit den Schultern.

„Ich wurde überfallen, denke ich mal. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass wir telefoniert haben und dann muss mich jemand von hinten niedergeschlagen haben.“

Sora fing bei seinen Worten an zu schluchzen und flüchtete sich in Matts Arme, während Kari scharf die Luft einsog.

„Hast du gesehen, wer es war?“, bohrte Izzy weiter.

Tai schüttelte den Kopf. „Ich habe eine blaue Jeans gesehen, das ist alles. Ich denke mal, die trägt gefühlt jeder dritte New Yorker?“

Er war einfach so verdammt unvorsichtig gewesen. Wie konnte er so leichtsinnig sein und sich in eine dunkle, einsame Gasse stellen? War doch klar, dass er überfallen werden würde.

„Bin wohl noch mal mit einem blauen Auge davongekommen“, sagte Tai und kratzte sich am Kopf, um den ein Verband gewickelt war. Immerhin hatte er keine Schmerzen. Kari und Matt sahen ihn an, als hätte er eben die Untertreibung des Jahrhunderts gemacht.

„Mein Handy ist vermutlich weg, nehme ich mal an.“

Zu blöd. Sobald er hier raus war, musste er sich dringend ein Neues besorgen.

Kari griff in die Nachttischschublade neben seinem Bett und holte eine Tüte raus, die sie ihm auf den Schoß legte.

Darin befanden sich sein Handy, was einige Kratzer abbekommen hatte und sogar seine Brieftasche.

„Oh, eigenartig …“, überlegte Tai und inspizierte die Sachen, als wären es nicht seine. „Wer überfällt denn jemanden und vergisst dann, die Wertsachen zu klauen?“

Der Braunhaarige hob den Kopf und sah in die Runde.

Ein Blick genügte. Es war glasklar, was alle dachten.

„Leute … ernsthaft?“

Tais Mundwinkel wollten belustigt in die Höhe wandern, doch Kari fuhr hoch.

„Was denkst du denn? Ist es nicht ganz offensichtlich, wer dahintersteckt? Wie kannst du nur so blind sein und immer noch glauben, dass das alles Zufälle sind?“

Tai sah sie erschrocken an. Kari war richtig wütend. So hatte er sie noch nie gesehen.

„Das ist kein Spiel mehr, Tai“, schrie Matt seinen besten Freund an. „Kyle ist hier der Drahtzieher und niemand sonst. Und er macht das alles nur, weil er dich loshaben will. Weil du ihm im Weg stehst. Weil er Mimi für sich alleine haben will. Und ganz ehrlich, Kumpel, er hat sie schon längst. Also hör auf, dir was vorzumachen und steig endlich in dieses verdammte Flugzeug und flieg nach Hause. Sie ist es nicht wert.“

Matt funkelte seinen besten Freund an, während Tai ihn nur mit offenem Mund anstarrte. Er war wie vor den Kopf gestoßen. Sie ist es nicht wert? Wäre er nicht wortwörtlich ans Bett gefesselt, wäre er drauf und dran gewesen, aufzuspringen und Matt eine runterzuhauen.

Alle waren gegen ihn.

Einfach alle.

„Tai, hör mal“, versuchte es nun Kari, einen Tick sanfter. Sie griff nach seiner Hand und drückte sie fest, als würde es hier um alles oder nichts gehen. „Du hast drei Tage im Koma gelegen.“

Tai riss die Augen auf.

Was?

„Dass du gerade keine Schmerzen spürst, liegt einzig an dem Morphium, was sie dir gegeben haben. Du hast ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Sie mussten dich ruhigstellen, damit der Kopf sich etwas erholen kann. Du warst mehrmals in den letzten 24 Stunden wach, während die Ärzte dich untersucht haben.“

Wie bitte? Was erzählte sie da? Er war wach gewesen? Mehrmals sogar?

Daran konnte er sich gar nicht erinnern.

„Sie sagen, es wird noch eine Weile dauern, bis du dich erholt hast. Und so lange musst du noch hierbleiben. Wenn es dir besser geht, wollen sie noch ein paar Tests machen, um zu sehen, ob dein Gehirn irgendwelchen Schaden genommen hat.“

Kari berichtete dies alles so ruhig und gefasst, doch Tai bekam immer mehr Angst. Was, wenn er wirklich bleibende Schäden davongetragen hatte? Und wie sollte es nun weitergehen? Mit ihm? Mit Mimi? Was sollte er tun?

Plötzlich drehte sich sein Magen um.

„Ich glaub, mir wird schlecht.“

Kari reagierte schnell, als Tai sich eine Hand vor den Mund presste, und reichte ihm eine Schale. Er übergab sich darin, während er Schweißausbrüche bekam. Mimi hatte seitdem nichts mehr von ihm gehört. Was sollte sie nur von ihm denken? Dass er sie nicht mehr wollte? Er musste unbedingt irgendwie Kontakt zu ihr aufnehmen und ihr alles erklären. Und noch viel wichtiger, er musste sie von diesem Kyle wegholen.

Als er den Kopf hob, sahen ihn alle so mitleidig an, dass sein Magen sich erneut verkrampfte. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie ihn so ansahen, als wäre er komplett hilflos. Nur ein Opfer seiner selbst.

„Könnt ihr mich bitte mit Izzy allein lassen? Ich möchte mit ihm reden.“

Die anderen tauschten fragende Blicke aus. Vermutlich hatten sie damit gerechnet, dass Izzy der letzte Mensch ist, mit dem Tai gerade allein sein wollte. Und auch Izzy schien etwas überrascht. Aber Tai musste unbedingt mit ihm sprechen – allein.

„Ist gut“, nickte Kari schließlich und stand von ihrem Stuhl auf. „Wir warten vor der Tür.“

Matt war es deutlich anzusehen, wie wenig ihm diese Idee gefiel. Er warf Izzy einen warnenden Blick zu, ehe sie alle das Zimmer verließen.

Betretenes Schweigen legte sich über die beiden und dass dieses weiße Zimmer so unnatürlich hell beleuchtet wurde, machte das Ganze nicht besser. Es war eine Szene, wie aus einem Albtraum.

Und im Grunde war es das ja auch.

Schließlich räusperte sich Izzy und trat zu Tai ans Bett. Er setzte sich auf den Stuhl, auf den eben noch Kari gesessen hatte und sah Tai fragend an.

„Möchtest du ein Glas Wasser?“

Tai versuchte den bitteren Geschmack von Galle, der sich auf seiner Zunge verbreitet hatte, hinunter zu schlucken, aber es gelang ihm natürlich nicht. Seine Kehle war staubtrocken, also nickte er und nahm das Glas Wasser dankend an, das Izzy ihm nun reichte. Wie ein Verdurstender leerte er es in einem Zug.

„Was möchtest du wissen?“

„Ich …“, begann Tai, doch er wusste nicht, wie er anfangen sollte und sah deshalb verlegen auf seine Bettdecke. „Ich habe das Gefühl, dass du gerade der Einzige bist, der mir nichts vormacht. Deshalb wollte ich mit dir alleine sprechen. Ich brauche ein paar Antworten, Izzy.“

Er blickte auf und sah dem Rothaarigen fest in die Augen. Schluss mit den Lügen und den Märchen. Tai wollte endlich die Wahrheit wissen. Über alles.

Izzy erwiderte seinen Blick und man konnte deutlich sehen, wie er mit sich haderte. Doch dann wurde auch sein Gesichtsausdruck entschlossen und er lehnte sich im Stuhl zurück, während er die Hände im Schoß miteinander verschränkte, wie zu einem Gebet.

„Okay, und was genau soll ich dir erzählen?“

„Warum bin ich hier?“, legte Tai sofort los. Er musste dringend die Wahrheit erfahren. Das alles hatte ihn bereits schon zu viel gekostet und wenn das weiter so ging, würde bald noch mehr auf dem Spiel stehen, als nur Mimi.

„Weil du zusammengeschlagen wurdest“, antwortete Izzy.

Tai schüttelte ungeduldig den Kopf. „Nein, nicht, warum ich im Krankenhaus bin. Warum ich in New York bin. Warum bin ich wirklich hier?“

Er hatte schon länger das Gefühl, dass es hier schon lange nicht mehr nur um Mimi und seine Beziehung zu ihr ging.

Izzy überlegte einige Sekunden und stieß dann die Luft aus.

„Also schön …“, sagte er, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und beugte sich nach vorn. „Du bist hier, weil wir dich dringend aus Tokyo wegbringen mussten.“

Tais Herz machte einen Satz. Also war er doch nicht verrückt gewesen. Die ganze Zeit über hatten sie ihm was vorgemacht.

„Du warst da in so eine Sache verwickelt. Du und dein Freund Ray, aus der Uni.“

Ray? Was hatte er damit zu tun?

Ray war so ein dunkles Kapitel in seinem Leben und gehörte nicht zu der Sorte Mensch, mit denen er sich sonst umgab.

Ray war kriminell. Tai und er hatten sich während des ersten Semesters kennengelernt. Mimi hatte ihn gerade verlassen und er war am Boden zerstört. Genau das, wonach Ray gesucht hatte – nach leichten Opfern. Sein Studium war nichts weiter als eine Tarnung gewesen. Worauf er eigentlich abzielte, waren junge, leicht beeinflussbare Menschen, die dem Druck, dem Alltag und dem Stress nur allzu gerne mal entflohen.

Und hier kam Ray ins Spiel.

Seit Jahren schon verkaufte er ziemlich erfolgreich Drogen an Studenten. Dabei ließ er andere die Drecksarbeit machen und war selbst der Kopf der Bande, wie Tai später von ihm selbst erfuhr. Und zu allem Überfluss freundete er sich mit ihm an. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, wer Ray wirklich war. Zufälligerweise belegten sie dieselben Kurse und zufälligerweise war Tai zu dieser Zeit ziemlich empfänglich für alles, was ihn vergessen ließ. Ein gefundenes Fressen also.

„Ich … ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört“, fiel Tai plötzlich auf, woraufhin Izzy nickte.

„Kein Wunder. Ich kann mir vorstellen, dass er den Teufel tun und dich kontaktieren wird.“

Tai verstand nur Bahnhof. Irritiert sah er Izzy an.

„Was ist passiert? Und was hat Ray damit zu tun?“

Izzy atmete schwerfällig aus, bevor er ansetzte und Tai die ganze Wahrheit erzählte.

„Es hat mit deinem letzten Krankenhausaufenthalt zu tun. Du erinnerst dich? Du hattest ziemlich viel Alkohol getrunken und standest unter Drogen. Ich weiß, dass du dich nicht mehr erinnern kannst, aber …“

Izzy schluckte, als würden ihm die nächsten Worte nur schwer über die Lippen kommen.

„An dem Abend zuvor warst du mit Ray zusammen. Anscheinend habt ihr euch übel abgeschossen. Ray hat eine Party bei sich im Haus gefeiert, zu der du später dazu gestoßen bist.“

Tai kramte wie verrückt in seinem Gedächtnis nach irgendeiner Erinnerung. Doch was Izzy da erzählte … davon wusste er nichts. Das war alles wie in Nebel getaucht, durch den er nicht hindurchsehen konnte. Er wusste nur das, was seine Schwester und die anderen ihm damals im Krankenhaus erzählt hatten, als er wieder zu sich kam. Sie sagten, er hätte gefeiert und es übertrieben und er hatte ihnen sofort geglaubt, weil er zu diesem Zeitpunkt so ziemlich auf dem Tiefpunkt angelangt war. Es war also nicht unwahrscheinlich. Ray hatten sie allerdings mit keiner Silbe erwähnt.

„Wir wissen auch nicht genau, was passiert ist“, erzählte Izzy weiter. „Zu dem Zeitpunkt, als Matt dich gefunden hat, warst du bereits bewusstlos und lagst vor Rays Haus, was lichterloh gebrannt hat.“

Was? Tai riss vor Entsetzen die Augen auf. Es hatte einen Brand gegeben? Aber … daran müsste er sich doch erinnern, oder?

„Oh Gott“, hauchte er und schlug sich die Hand vor den Mund. „Geht es Ray gut? Und was ist mit den anderen Gästen passiert? Du sagtest, es gab eine Party.“

Izzy schüttelte schnell den Kopf. „Beruhig dich, von den Gästen ist niemand zu Schaden gekommen. Die Party war wohl schon vorbei, als du dort ankamst.“

Tai lehnte sich in seinem Bett zurück, während sein Kopf zu dröhnen begann. Anscheinend ließ das Schmerzmittel nach. Das ergab alles keinen Sinn …

„Wir wissen nur, dass du und Ray als Letzte in dem Haus gewesen seid. Ray hat es ziemlich übel erwischt, viel schlimmer als dich. Er wäre fast in den Flammen umgekommen. Er konnte sich wohl gerade noch aus dem Küchenfenster retten, aber er hatte eine Rauchvergiftung und auch einige schwere Verbrennungen. Du hingegen bist mit einem blauen Auge davongekommen, und das noch bevor die Feuerwehr und die Polizei kamen. Matt hat dich weg und in ein Krankenhaus gebracht.“

Fassungslos griff sich Tai an die Stirn, die immer mehr schmerzte. Was zum Teufel erzählte ihm Izzy da? War an dieser wilden Geschichte tatsächlich etwas dran?

„Wieso kann ich mich an nichts erinnern?“, fragte Tai mit bebender Stimme.

Izzy zuckte mit den Schultern. „Du warst total zugedröhnt, Tai. Wenn wir mal ehrlich sind, das war zu der Zeit nicht das erste Mal, dass du einen Blackout nach einer Party hattest.“

Richtig. Wie schon gesagt, es war eine dunkle Zeit in seinem Leben gewesen. Wenn nicht, sogar die Schwärzeste.

„Und … und ihr glaubt …“ Er traute sich beinahe nicht, die Worte überhaupt auszusprechen. Allein der Gedanke daran, dass er beinahe einen anderen Menschen auf dem Gewissen hatte, war unerträglich. Alles in ihm verkrampfte sich und ihm wurde erneut übel.

„Ihr glaubt, der Brand war meine Schuld?“

Izzy seufzte und ließ den Kopf hängen. „Das wissen wir nicht mit Sicherheit. Es waren nur noch Ray und du im Haus, also … einer von euch beiden muss daran schuld sein.“

Natürlich, jetzt ergab alles Sinn, warum er seitdem auch nichts mehr von Ray gehört hatte. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, denn Ray war meist schwer beschäftigt, alle seine Kunden mit Drogen zu versorgen. Aber im Nachhinein war es schon komisch.

„Wie geht es Ray?“, erkundigte er sich dennoch sorgenvoll. Er wollte auf keinen Fall daran schuld sein, dass Ray sein Leben lang mit den Folgen des Brandes zu kämpfen hatte – egal, was für ein Mensch er war.

„Es geht ihm gut, soweit ich von Kari weiß“, sagte Izzy und sah Tai an. „Er lag natürlich einige Zeit länger im Krankenhaus als du. Aber sie konnten seine Wunden gut versorgen und er wird kaum Narben zurückbehalten. Auch er sagt, dass er sich an nichts erinnern kann, was geschehen ist, weshalb die Polizei es momentan als einen Unfall abtut. Allerdings sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen und noch hat Ray dich mit keinem Wort bei der polizeilichen Vernehmung erwähnt. Das kann sich allerdings jederzeit ändern. Sobald er sich erinnern sollte, wird die Polizei zwangsläufig auf dich aufmerksam.“

Tai drehte sich der Magen um und er legte sich eine Hand auf den Bauch. Das durfte alles nicht wahr sein!

„Deswegen sollte ich mit dir nach New York gehen.“

„Ja“, sagte Izzy. „Matt und die anderen wussten von meinem Plan, eine Zeit lang in New York zu arbeiten und sie baten mich, dich mitzunehmen. Sie … Wir wollten dich einfach nur beschützen, Tai. Aber jetzt …“ Izzy geriet ins Stocken, was Tai aufhorchen ließ. Ein noch schlechteres Gefühl überkam ihn. Sein Mund wurde staubtrocken und er versuchte, das Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu halten. Das war alles zu viel für ihn.

„Jetzt ist alles irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Ich … ich war unvorsichtig, Tai. Ich habe Mist gebaut und jetzt weiß Kyle von dem Brand und davon, dass du darin verwickelt warst. Er weiß, dass wir dich von der Polizei fernhalten wollen. Seitdem setzt er es gegen uns ein. Er hat uns quasi in der Hand.“

Izzys Gesicht wirkte gequält und die Schuldgefühle spiegelten sich in seinen Augen wider. Aber das alles war nichts im Vergleich zu der Schuld, die Tai empfand. Er hätte um ein Haar einen Menschen auf dem Gewissen gehabt. Er war eine Gefahr für sich selbst und für andere. Die ganze Zeit dachte er, sein größtes Problem wäre, Mimi zurückzugewinnen. Und nun erfuhr er, dass er selbst das größte Problem war.

„Und das heißt, entweder ich fliege zurück nach Tokyo oder er sagt der Polizei alles, was er weiß“, schlussfolgerte Tai. Izzy nickte gequält und fuhr sich gestresst durchs Haar.

„Genau so ist es. Ich sage ja, er hat uns in der Hand.“

„Welche Beweise hat er?“

„Vermutlich hat er ein Gespräch mitgeschnitten, das ich mit Kari darüber geführt habe.“

Verdammt!

Tai biss sich auf die Unterlippe. Kyle gewann. Schon wieder.

„Wir haben versucht, dir ein Alibi zu verschaffen“, sagte Izzy, was Tai aufsehen ließ.

„Ein Alibi? Wie?“

Verstohlen sah Izzy sich um, als würde er sicher gehen wollen, dass niemand mithörte.

„Ich habe dein Flugticket, deinen Passeintrag und die Ankunftszeit an der Universität gefälscht. Es steht auf dünnen Eis und bei genauerer Überprüfung würde es vermutlich auffliegen, aber auf den ersten Blick wird es niemand bemerken. Ich habe alles um genau eine Woche vordatiert. Laut der Unterlagen warst du zum Zeitpunkt des Brandes also gar nicht in Tokyo.“

Tai versuchte zuzuhören und irgendwie zu verinnerlichen, was Izzy gerade gesagt hatte. Doch es wollte einfach nicht in seinen Kopf gehen. Das alles erschien ihm wie ein schlechter Scherz. Und wie sehr er hoffte, es wäre einer.

„Sobald Kyle auspackt und Ray sich erinnert, bist du geliefert“, seufzte Izzy und ließ sich so tief auf dem Stuhl sinken, dass er fix und fertig aussah. „Allerdings sind wir inzwischen alle der Meinung, dass du in Tokyo sicherer aufgehoben bist als hier.“

So wie Tai Izzy kannte, hatte er sich tagelang den Kopf darüber zermartert. Dabei hatte er schon genug getan. Sie hatten alle bereits genug für ihn getan.

„Keine Sorge“, meinte Tai mit leiser Stimme. Er krallte die Finger in die Bettdecke. „Ich werde nach Hause fliegen.“

Fassungslos richtete Izzy sich auf und starrte ihn mit großen Augen an.

„Tai …“

„Ist schon gut“, erwiderte er. „Ihr hattet recht. Es war dumm von mir zu glauben, dass ich gegen Kyle eine Chance hätte. Und nachdem, was du mir gerade erzählt hast, hat er mir vermutlich den Schlägertyp auf den Hals gehetzt.“

Das alles konnte er ertragen. Er konnte ertragen, dass Kyle ihm immer einen Schritt voraus war. Er konnte ertragen, dass er ihn in den Knast gebracht hatte. Er konnte ertragen, dass er niedergeschlagen wurde. Er konnte sogar ertragen, dass er selbst an allem schuld war, was passiert war, auch an der Sache mit Mimi und mit Ray.

Was er nicht ertragen konnte war, dass er seine Freunde mit sich in den Abgrund riss. Das musste endlich aufhören.

„Ich werde es nicht zulassen, dass Kari, du und die anderen noch mehr mit in die Sache hineingezogen werdet. Ihr habt bereits zu viel Schuld auf euch geladen.“

Das alles musste aufhören. Und zwar auf der Stelle.

Sobald er genesen war, würde er in ein Flugzeug steigen und New York hinter sich lassen. Diese Stadt hatte ihm nur Ärger gebracht. Was ihm egal wäre, wenn nicht seine Freunde darunter leiden würden. Sie machten sich Sorgen um ihn und taten alles, um ihn zu beschützen – unter allen Umständen. Und dabei gerieten sie nach und nach selbst in die Schusslinie. Das konnte er nicht länger zulassen.

Auch wenn das bedeutete, sein eigenes Glück ein für alle Mal aufzugeben.

Mimi ein für alle Mal aufzugeben.

„Aber was ist mit …“, setzte Izzy sofort an.

„Mit Mimi?“

Nun konnte Tai das Zittern seiner Hände nicht mehr unterdrücken und auch der Schmerz in seinem Kopf wurde unerträglich. Und trotzdem war es nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er gerade in seinem Herzen empfand.

„Darüber würde ich gern mit Matt sprechen, wenn das ok ist. Danke Izzy, du hast bereits zu viel für mich getan.“

Einige Sekunden lang schwieg Izzy, dann richtete er sich auf.

„Ich habe es gern getan“, sagte er bedrückt und legte Tai eine Hand auf die Schulter. Dann ging er zur Tür.

„Izzy?“

Der Rothaarige drehte sich noch ein mal um.

„Danke, für deine Aufrichtigkeit.“

Ein kurzes Grinsen huschte über Izzys Lippen.

„Jederzeit, Kumpel.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kleines-Engelschen
2020-10-31T18:18:22+00:00 31.10.2020 19:18
ein tolles kapitel. ich bin gespannt wie es weitergeht und was tai nun wirklich tun wird.

greetz
Von:  Hallostern2014
2020-10-25T11:32:55+00:00 25.10.2020 12:32
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Huhu meine Liebe❤ Dieser Kyle. Ich habe immer mehr Fantasien wie er um kommen könnte 😂.

Ich bin aber auch gespannt ob Mimi von dem Vorfall mit Tai erfahren hat. Oder ob sie die Plan von dem Arsch durch gezogen hat.

Jetzt weiß Tai nun den Grund warum er in New York ist. Dennoch bleibt die Hoffnung trotz seiner Entscheidung, dass er weiter um Mimi kämpft. Kyles Schwester sollte davon erfahren das er flüchten will und ihn endlich auch die Vergangenheit von Mimi sagen. Damit er sie aus den Händen von dem Arsch befreien kann und mit ihr zusammen nach Japan fliegen kann.

Ich kann zwar verstehen warum er flüchten will. Aber ich denke wenn die anderen ihn helfen plus die Hilfe von Kyles Schwester könnten die es schaffen.


Also diw Hoffnung stirbt zu letzt 😁





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