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More Than A Feeling

28 Gefühle
von

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Trauer

Sie war nicht mehr da. Einfach … nicht mehr da. Er hatte nicht einmal gewusst, dass so etwas möglich war. Zumindest nicht jetzt schon. Es war … zu früh. Zu früh für sie um zu gehen.

Für immer.

Dieser Schmerz in seiner Brust war unerträglich. Es fühlte sich an als würde sein Herz jeden Moment zerbrechen. Als würde seine Brust platzen unter diesem fürchterlichen Druck. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass man so etwas überhaupt fühlen konnte.

Neben seinem zerberstenden Herzen war da aber auch eine fürchterliche Leere.

Eine Leere, die ihn zu erdrücken drohte.

Das kleine Mädchen in seinen Armen gluckste und stupste ihn mit den winzigen Fingern in die Wange. Sie hatte keine Ahnung was hier vor sich ging. So klein und ohne Mutter. Und sie hatte keine Ahnung.

Er betrachtete das kleine Ding - seine Tochter sah zu ihm hoch und wurde plötzlich ganz ruhig, als würde sie fühlen, dass etwas nicht stimmte. Doch was konnte sie natürlich nicht sagen; nicht verstehen. Und für einen Moment beneidete er sie dafür.

»Alles wird gut«, murmelte er, obwohl er es selbst nicht wirklich glauben konnte. Nicht glauben wollte.

Wie konnte ohne sie alles gut werden? Sein Leben war mit einem Mal vorbei gewesen. Er hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie sein Leben ohne sie aussehen könnte, denn das war etwas, das er sich nie auch nur ansatzweise vorstellen wollte. Und jetzt … jetzt war genau das eingetreten. Seine größte Furcht. Seine große Liebe - sein Leben war nicht mehr da. Er blickte erneut hinab in das Gesicht des kleinen Mädchens und sah ihre Augen. Diese vertrauten Augen, durch die er bis in ihre Seele hatte blicken können, blinkten ihn nur fragend an.

»Irgendwann wirst du verstehen.«

Er strich der Kleinen über die Stirn und legte sie zurück in den Kinderwagen. Viel zu oft war er mit ihr hierher gekommen. Er hatte Angst davor was passieren würde, wenn er es alleine täte.

Ohne noch einmal zurückzublicken schob er den Kinderwagen vor sich her ›nach Hause‹. Seit sie nicht mehr hier war fühlte er sich unerwünscht, auch wenn man ihm ständig sagte, dass er solange bleiben könnte, wie er wollte. Doch das war nicht sein zu Hause, würde es nie sein - und ohne seine geliebte Frau gab es eigentlich keinen Grund für ihn zu bleiben. Eigentlich. Sie hatten ihn doch überzeugen können, dass seine kleine Tochter hier besser aufgehoben war, als in seiner Heimat. Und sie hatten Recht.
 

Wie mechanisch bewegte er sich durch die Räume, fühlte sich nirgends wirklich dazugehörig. Schließlich blieb er in der leeren Bibliothek stehen, den Blick nach draußen auf die weiten Wiesen und Felder gerichtet. Die Sonne schien strahlend vom Himmel, doch die nahm er nicht einmal war. Ihr hätte so ein Tag gefallen, das wusste er. Sie hätte die Sonnenstrahlen genossen, wäre durch die Wiese getanzt und hätte einen Blumenkranz geflochten. Er vermisste ihr Lachen, ihr Parfum, die Art wie sie den Kopf schief hielt, wenn sie etwas nicht verstand. Er vermisste einfach alles an ihr.

Traurig wandte er den Blick ab und wollte gerade auf sein Zimmer gehen, als die Bibliothek betreten wurde.

»Wie geht es dir?«

Die Stimme seines besten Freundes klang besorgt. Wie schon seit Wochen.

»Gut, danke«, gab er kurz angebunden zurück.

Sein Gegenüber glaubte ihm nicht. Natürlich nicht. Seine ganze Haltung verriet, dass es ihm alles andere als gut ging. Sie trafen sich in der Mitte des Raumes und sein bester Freund legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Du solltest alleine gehen. Ohne die Kleine.«

Natürlich hatte er Recht. Für das kleine Ding war es bestimmt nicht gut, wenn es die meiste Zeit mit seinem Vater am Friedhof verbrachte.

»Ich glaub ich kann das nicht«, gestand er, als er schon an der Tür stand und sich noch einmal umgewandt hatte.

»Doch du kannst.« Die hellen Augen seines Gegenübers fixierten ihn. »Du musst.«

Er nickte leicht. Er musste. Für seine Tochter. Für sich.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen wandte er sich ab und ging. Seine Beine trugen ihn, ohne dass er ihnen die Richtung zeigen musste. Er ließ die Bibliothek und das ganze Anwesen hinter sich und fand sich wenige Minuten später erneut an ihrem Grab wieder.

Wie automatisch ging er in die Knie, betrachtete den Strauße Rosen, den er vor weniger als einer Stunde dort auf den Boden gelegt hatte und bevor er an irgendetwas anderes denken konnte, liefen ihm heiße Tränen über die Wangen. Seit ihrem Tod hatte er nicht mehr geweint, hatte es immer unterdrückt. Er wollte seiner Tochter keine Sorgen bereiten, keine Angst machen. Sie sollte nicht sehen, wie ihr Vater weinte.

Seine Finger berührten die Schrift auf dem Stein. Ihren Namen. Den kurzen Strich zwischen ihrem Geburts- und Todestag. Den viel zu kurzen Strich, der ihr Leben widerspiegeln sollte. Und doch hatte sie jede einzelne Sekunde ihres Lebens genossen und ausgenutzt, das wusste er. Dieser kleine Gedanke ließ ihn trotz der Fassungslosigkeit, der Tränen und der furchtbaren Trauer für einen Moment lang lächeln.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  konohayuki
2017-03-28T17:20:49+00:00 28.03.2017 19:20
Und weiter geht's!
Nachdem ich jetzt doch noch ein bisschen Zeit habe, schaue ich mal, wie weit ich mit dem Kommentieren komme.

>Neben seinem zerberstenden Herzen war da aber auch eine fürchterliche Leere.
Finde ich sehr gut getroffen. Trauer ist ja nicht nur der Schmerz, vor allem, wenn man jemanden verliert.

>Das kleine Mädchen in seinen Armen gluckste und stupste ihn mit den winzigen Fingern in die Wange.
Auch wenn das Überthema jetzt ja nicht das schönste ist: Aw, wie süß!

>Er betrachtete das kleine Ding - seine Tochter sah zu ihm hoch und wurde plötzlich ganz ruhig, als würde sie fühlen, dass etwas nicht stimmte.
Irgendwas fühlte sich an dem Satz komisch an beim ersten Lesen, aber ich konnte nicht genau ausmachen, was es war. Beim zweiten Lesen hab ich dann gemerkt, dass es der Gedankenstrich ist. Er wirkt, als würde da ein Einschub kommen, um das "kleine Ding" zu beschreiben, aber du führst den Satz direkt weiter. Um es vielleicht ein wenig deutlicher zu machen, würde sich vielleicht eine Konstruktion wie "Er betrachtete das kleine Ding - seine Tochter - und als diese zu ihm hochsah wurde sie plötzlich ganz ruhig, als [...]" passender sein? Ich bin mir bei dem Satz aber immer noch etwas unschlüssig, muss ich sagen.

>Doch was konnte sie natürlich nicht sagen; nicht verstehen.
Statt dem Semikolon würde ich hier ein normales Komma bevorzugen. Es gehört ja doch irgendwo noch zusammen.

>Und für einen Moment beneidete er sie dafür.
Verständlich. Sehr verständlich.

>Seit sie nicht mehr hier war fühlte er sich unerwünscht, auch wenn man ihm ständig sagte, dass er solange bleiben könnte, wie er wollte.
Das ist in so einer Situation glaube ich das Schlimmste, was einem passieren kann. Dass man sich dort, wo man ist, nicht zuhause fühlt. Gott, er tut mir wirklich leid.

>Doch du kannst.
Hier bin ich mir wieder unsicher, ob da nach dem "doch" nicht ein Komma stehen müsste. Spontan würde ich eines setzen, aber ich mag mich da auch irren.

>Den viel zu kurzen Strich, der ihr Leben widerspiegeln sollte.
Ganz großes Tennis mit Worten.

Das Ende finde ich so bitter-süß. Ich hoffe für ihn, dass er sich fangen kann. Irgendwie macht mich das Geschichtchen gerade ein bisschen traurig. Aber das spricht für deine Schreibkünste, immerhin ist das Überthema ja Trauer, und wenn die Geschichte es schafft, das Gefühl auszulösen, hast du auf jeden Fall einen sehr guten Job gemacht. Irgendwie hätte ich gerade gerne etwas fröhliches.

Liebe Grüße,
konohayuki
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