V.
Es war perfekt. Zwar nicht die Art von perfekt, die Tooru sich gewünscht hätte, aber es war ein Anfang. Frau Schicksal schien sich offenbar nicht ganz so sehr über ihn zu belustigen, wie er noch vor einiger Zeit geglaubt hatte, sonst würde sie ihm nicht so gut in die Hände spielen. Eigentlich war es Tooru zu wider, sich zwischen zwei Menschen zu drängen, die sich mochten. Aber es ging hier nicht um irgendwelche zwei Menschen. Es ging hier um seinen besten Freund, da hatte er noch ein Wörtchen mitzureden. Erst recht, wenn er selbst Gefühle für Iwaizumi hatte.
Es war Samstag und sein achtzehnter Geburtstag. Tooru freute sich jedes Jahr auf’s neue auf seinen Geburtstag, wie ein kleines Kind. Man bekam Geschenke und eine Torte, man stand im Zentrum der Aufmerksamkeit und wurde noch mehr geliebt, als sonst. Geschenke bekam Tooru nicht mehr so viele wie damals. Eine Kleinigkeit von seinen Eltern, Blumen von seiner Schwester und sein Neffe malte ihm immer ein Bild. Die Mädchen an seiner Schule überhäuften ihn mit selbstgebackenen Plätzchen. Von seinen Teamkameraden bekam er jedoch die besten Geschenke: warme Händedrücke und herzhafte Umarmungen. Danach folgten blöde Späße über sein Alter. Worauf sich Tooru aber am meisten freute war das Geschenk von Iwaizumi. Sie waren oft die letzten in den Umkleiden, außer an diesem Tag. Sein bester Freund beeilte sich, wartete draußen auf ihn, nur um ihn dann zu tadeln, dass er sich gefälligst beeilen sollte.
Tooru hatte sich oft gefragt, warum sich Iwaizumi an seinem Geburtstag so beeilte und war zu dem Schluss gekommen, dass es ihm schrecklich unangenehm sein musste, wenn er ihm sein Geschenk bereits vorher gab. Wahrscheinlich dachte sich Iwaizumi, dass er sich den ganzen Heimweg lang über die kleine Aufmerksamkeit freuen würde (womit er richtig lag). Deswegen bekam er Iwaizumis Geschenk immer zum Schluss, bevor sich ihre Wege trennten.
„Du bist spät, Iwa-chan.“ Tooru wollte sich gespielt eingeschnappt geben, schaffte es allerdings nicht. Dafür freute er sich zu sehr auf den heutigen Tag. Und den morgigen. Denn aller Proteste seines Freundes zum Trotz, hatte Tooru einen DVD-Abend mit Übernachtung geplant.
„Ich wollte nach dem Training noch ma-“
„Schon gut. Lass uns los, sonst schließen die Läden.“
Für diesen Abend brauchten sie noch Filme, Popcorn, Chips, Keks und natürlich völlig übersüßte Limonade. Eben das DVD-Männerabend Starterpaket.
„Was willst du sehen?“, fragte Iwaizumi. Sie standen vor den Regalen der Videothek, jeder von ihnen war bepackt mit einer Einkaufstüte, in der sich ihre Verpflegung für heute Abend befand.
„Hm, wie wär’s mit Science-Fiction?“
„War klar.“
Tooru schlenderte durch die Gänge und ließ seinen Blick von einem Cover zum nächsten wandern, während Iwaizumi ihm folgte.
„Such dir auch einen Film aus, Iwa-chan. Du guckst ja schließlich mit.“
Wenn schon, denn schon. Tooru würde sicherlich nicht zulassen, dass sein Sandkastenfreund sich langweilte oder einen Film mit ansehen musste, den er total bescheuert fand. In der Vergangenheit hatte er sich mal einen Spaß daraus gemacht, aber aus dem Alter waren sie raus. Iwazumi kam der Aufforderung nach, aber nicht sofort.
„Wie wär’s mit einem von diesen?“ Iwazumi hielt ihm vier Filme unter die Nase, die sogar recht vielversprechend klangen. Einer schied sofort wieder aus, da Tooru ihn schon kannte. Am Ende verließen sie die Videothek mit fünf Filmen; zwei Sci-Fi Filme, ein Aktionfilm, ein Thriller und eine Komödie. Tooru war für einen Augenblick versucht gewesen, sich einen Liebesfilm auszuleihen, aber das Risiko war ihm dann doch zu hoch.
Bei sich zu Hause angekommen, stellte Iwazumi die Limonade in den Kühlschrank, während Tooru die Snacks auf dem Küchentisch neben den Geschenken seiner Familie ausbreitete. Sie hatten noch ungefähr zwei Stunden, bevor es wirklich Abend war.
„Hunger?“, fragte Tooru und Iwazumi nickte. „Es ist noch Torte da, bedien dich.“
Das war alles andere als ein gutes Abendessen, aber das störte ihn nicht. Während Iwaizumi sich an der Geburtstagstorte bediente, machte Tooru sich daran, das Popcorn zu machen.
„Was glaubst du, wie viel brauchen wir, Iwa-chan?“
„Keine Ahnung. Alles?“
„Wird das nicht zu viel?“
Na, und wenn schon. Es würde ein langer Abend werden. Kurzerhand gab Tooru etwas Öl in den großen Topf, stellte ihn auf die Herdplatte und gab die hälfte der Körner dazu. Deckel drauf, fertig. Es dauerte nicht lange, da explodierten die ersten Körner und der Topf quoll über. Geplatzte Maiskörner landeten überall auf dem Herd und auf dem Boden.
„Was machst du?!“
„Popcorn!“
Oikawa nahm den Topf vom Herd, um diese kleine Popcorninvasion aufzuhalten, während Iwaizumi genervt seinen Kuchen stehen ließ und sich den Besen schnappte. Oikawa kramte zwei große Schüsseln aus dem Schrank, für das Popcorn.
„Da sind manche Körner noch nicht geplatzt…“
„Gott, Oikawa. Damit kannst du eine Armee versorgen.“
„Gut, dass meine Mama später kommt. Die wird sich freuen, wenn sie nicht kochen muss.“
Es waren am Ende fünf Schüsseln voll mit dem Kinosnack. Iwaizumi hatte die Küche dreimal gefegt und alles, was daneben gegangen war, in den Müll befördert.
„Sollen wir dann schon anfangen? Es ist zwar noch nicht sieben, aber egal.“
„Von mir aus. Was willst du zuerst sehen?“
„Mir egal. Entscheid du, Iwa-chan.“
„Tsk. Hast du heute überhaupt Geburtstag? Du bist so bescheiden.“
Iwaizumi entschied sich für einen der beiden Science-Fiction Filme. Dann schnappten sie sich die gekühlten Getränke, Gläser und jeweils eine Schüssel Popcorn, bevor sie es sich in Toorus Zimmer bequem machten.
