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Leben im Sommer

von

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Damals, als ich dich dort liegen sah...

Mein Wochenende hatte ich damit verbracht mir die Augen fast wund zu heulen, Schokoladeneis zu essen und mir meine Rache für Gabriell auszudenken, weswegen ich kaum Schlaf fand.

„Clarissa…Kind du musst dich doch endlich mal hinlegen!“, schimpfte Anna mit mir.

„Nein! Ich kann nicht wütend ins Bett gehen! Ich bleibe solange wach, bis ich meine Rache vollständig geplant habe!“

Schlussendlich schlief ich doch ein…im Garten…in der prallen Sonne…das Ergebnis war ein ordentlicher Sonnenbrand im Gesicht und meinem Dekolleté, was mich natürlich noch wütender machte.

„Was hast du denn angestellt? Zu heiß geduscht?“, schmunzelte mich Daniela am Montag in der Schule aus, als sie mich ansah.

„Nein…“, knurrte ich, „ich hab im Garten gelesen und bin eingeschlafen…“

„Zum Glück hast du es geschafft den Sonnenbrand im Gesicht mit Make up zu verbergen.“

„…aber der auf deiner Brust ist einfach nicht zu übersehen!“

Wir blickten zu dem Mädchen, welches den letzten Kommentar abgegeben hatte. Shane.

Sie sah wie immer top gestylt aus, beinahe schon wie ein Topmodel, ihre Schuluniform schmiegte sich anmutig um ihren Körper, wie eine zweite Haut.

„Wo guckst du mir eigentlich hin?“, fragte ich sie giftig.

„Sind heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden…?“, gab Shane hochnäsig zurück.

Ich konnte mir ein Brummen nicht verkneifen, was Shane ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Sie beschleunigte ihren Gang dezent und warf eine ihre Haarsträhnen demonstrativ über die Schulter, bevor sie im Klassenzimmer verschwand. Ich ballte meine Fäuste und knirschte gewaltig mit den Zähnen.

„Warum hast du eigentlich noch keinen? Du bist ständig in der Sonne und völlig unversehrt!“, meinte Melinarés zu Julien, welcher neben mir lief, „deine blasse Haut läd die Sonne doch förmlich dazu ein, oder?“

Er grinste breit und zuckte mit den Schultern. Melinarés sah mich traurig an und fragte wie es mir ginge.

„Eigentlich wollte ich meine Rache nur für Gape planen…aber du siehst ja was daraus geworden ist! Jetzt muss ich Shane ebenfalls in meinem Terminkalender einplanen.“

„Hast du zufällig vergessen, dass du dich schon an ihr gerächt hast?“

Ich knurrte etwas unverständlich vor mir her.

„Hab…ich was…verpasst?“, fragte Julien unsicher, „wieso Rache für Gabriell?“

„Ach“, staunte ich und blickte zu Melinarés, „Daniela erzählst du’s gleich und ihn lässt du aus?“

„Beim nächsten Mal häng ich’s ans schwarze Brett, so dass es gleich jeder weiß!“, beschwerte sie sich.

„Was denn wissen? Mädels das ist unfair!“

„Gape und Clarissa…sind nicht mehr zusammen.“

Julien blieb abrupt stehen und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.

„Du kommst definitiv zu spät zum Unterricht, wenn du weiterhin wie angewurzelt stehen bleibst“, rief ich ihn aus ein paar Metern Entfernung zu.

Als er immer noch stocksteif wie ein Fahnenmast in der Gegend verweilte rannte ich zu ihm zurück und harkte mich bei ihm ein.

„Was hat er dir angetan?“, fauchte Julien.

„Erzähl ich dir später!“

„Wenn du Tipps für einen Racheplan brauchen solltest: ich hätte da ein paar auf Lager“, zwinkerte mir Daniela zu, als ich mit Julien auf ihre Höhe aufgeholt hatte.

„Oh…“, gab Melinarés von sich und nickte Richtung Klassenzimmertür, „wenn man grad vom Teufel spricht?“

Gabriell stand natürlich am Türrahmen, die muskulösen Arme über der Brust verschränkt und finster drein schauend. Als ich diesen Blick bemerkte wurde mir ganz flau im Magen, doch ich nahm all meinen Mut zusammen, atmete tief ein und ging erhobenen Hauptes an ihm vorbei gefolgt von Daniela und Melinarés. Auf Gapes Höhe wurde mir noch flauer und ich hatte das dringende Bedürfnis mich zu übergeben, doch ich kam unversehrt im Klassenzimmer an…

„Himmel…wenn Blicke töten könnten…“, murmelte Daniela, als diese zu mir aufgeschlossen hatte.

Ich seufzte. Was sollte ich an dieser Stelle erwidern? Mir fiel nichts ein…bis auf Shanes Blick, welchen sie mir zuwarf, als ich mich zu meinem Platz begab. Ihre Augen wanderten langsam zu Gabriell, dann wieder zu mir. Shane wusste es…

„Er scheint ganz schön sauer auf dich zu sein…“

„Es gehören immer zwei zu einer Beziehung“, unterbrach ich Daniela und sah ebenfalls finster drein, „aber wenn er es nicht für nötig hält mir Bescheid zu sagen, dass er noch eine wenn nicht sogar mehrere neben mir hat zum Knutschen ist er selber daran schuld!“

„Findest du nicht…das ihr beide etwas überreagiert? Besonders du?“

„Was?!“, zischte ich Melinarés an und ließ die Bücher auf meinen Tisch fallen, „wiederhol das noch mal!“

„Du hast ihn mitten in der Stadt angefahren als gäbe es kein Morgen mehr und regst dich auf, weil er zurückknurrt. Gabriell hatte dir gesagt, dass er an diesem Abend keine Zeit hatte und du meine Liebe hast dich in den Rosenbüschen versteckt und bist sogar ins Haus geschlichen!“

„Wie? Oh…ja…da war was…trotzdem. ER hat SIE umarmt und du kannst mir nicht sagen, dass ich nicht angefressen sein darf!“

„Angefressen vielleicht schon…“, gab Melinarés zurück, „aber du hättest nicht gleich Schluss machen sollen.“

„Ach ja? Was dann?“

„Ich kann sehr gut verstehen, dass du sauer auf Gabriell bist…“

„Stocksauer!“

„…aber du hättest ihn auch erst mal ausreden lassen sollen…oder? Außerdem besteht eine Beziehung immer auf der Basis des Vertrauens. Vertraust du ihm etwa nicht?“

„Ja, aber du siehst ja zu was das geführt hat“, mischte Daniela dazwischen.

„Sie hätte ihn fragen müssen wer die andere Frau war, bevor sie ihn zur Schnecke macht. Du hättest sie mal sehen sollen!“

Ich schwieg. Hätte ich eigentlich machen können. Jetzt musste sogar ich mir eingestehen, dass ich voreilig gehandelt hatte…ziemlich voreilig! Gerade als ich mich zum falschen Engel umdrehen wollte, um zu sehen wie er sich verhielt kam der Lehrer in die Klasse und gab Anweisungen, dass wir unsere Plätze aufsuchen sollten.

„Guten Morgen Schüler.“

Nein. Es war kein guter Morgen. Nicht für mich.

„Bevor wir mit dem Unterricht beginnen möchte ich euch euren neuen Mitschüler vorstellen.“

Raunen ging durch die Klasse. Zwei Mädchen vor mir tuschelten ob es ein hübscher Kerl sein könnte.

Ich sah von meinem Schulblock auf und blickte auf den neuen Mitschüler. Ein „Er“. Ein hübscher „Er“. Für einen Moment vergaß ich, dass Gabriell nur einen Tisch weiter saß und legte den Kopf auf die Handflächen und seufzte…was dem falschen Engel natürlich nicht entging. Er schnaubte wütend.

„Guten Morgen. Mein Name ist Julius Hausner. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit.“

Julius setzte sich auf seinen Platz weiter vorne und der Lehrer begann wie gewohnt mit seinem Unterricht. Ich spürte jeden Blick, den mir Gabriell zuwarf was nicht unbedingt zu den angenehmsten Erfahrungen in meinem Leben zählen sollte. Ich war schrecklich angespannt und rutschte auf meinem Stuhl nervös hin und her. Ständig spielte ich mit meinen Haaren, fummelte an meinen abgekauten Fingernägeln oder striff meinen Rock glatt. Kann mir mal jemand erzählen, warum ich versuchte einen Faltenrock glatt zu streifen? Irgendwann ging die Schulstunde zu Ende, ich schnappte mir meine Unterlagen für den nächsten Kurs und stand auf. Natürlich stieß ich mit dem falschen Engel zusammen. Ich sah ihn erschrocken an, während er mich keines Blickes würdigte und einfach weiterging. In diesem Moment dachte ich, was ihr alle dachtet: Arschloch!

„Ehm…kann ich dich mal kurz stören?“

Ich blickte nach links. Julius stand neben mir und sah mich mit seinen hellblauen Augen an.

„Ja natürlich darfst du uns stören“, zwänge Shane sich zwischen uns und spielte mit einer Haarsträhne. Meine Nackenhaare stellten sich und ich meine Übelkeit von vorhin kam wieder zum Vorschein.

„Ich kenne mich hier noch nicht aus…“, begann der Junge und wechselte die Blicke zwischen uns, „geschweige denn das ich jemanden kenne. Könntet ihr beide mir bitte zeigen, wie ich in die Sporthalle komme?“

Ich nickte ihm zu, während Shane Julius in unsere Mitte nahm und wir gingen zusammen los.

„Und woher hast du vorher gewohnt?“, erkundigte sich Shane.

„Middelkerke.“

„Gesundheit“, lächelte das Mädchen.

„Nein da komm ich her.“

„Ach so…das ist mir jetzt aber peinlich“, grinste Shane übertrieben.

„Dann kommst du also aus Belgien…? Nordseeküste, richtig?“, mischte ich mich ein, als mir wieder einfiel, dass mein Mund auch zum Reden da war.

„Genau.“

Ich erntete giftige Blicke von Shane, die mir im Moment jedoch völlig egal waren.

„Und…von welcher Schule kommst du ursprünglich?“

Er schwieg Shane an. Vielleicht hatte ich auch nur zu leise für mich gesprochen?

„Von welcher Schule kommst du?“, fragte sie erneut, diesmal etwas lauter.

„Ich habe dich schon verstanden“, bekam das Mädchen als Antwort.

„Ach so…ich dachte schon…“

„Nein du redest nicht zu leise.“

Ich musste mich zusammen reißen, nicht gleich loszulachen. Wieso sollte ich mich mit ihr zoffen, wenn es der Neue für mich tat?

Wir kamen an der Sporthalle an, als mich der Trainer bemerkte und laut rief: „Hey Gape! Komm her! Hier ist jemand für dich!“

„Äh…nein, nein, nein!“, wehrte ich ab und winkte mit beiden Händen, doch da kam der falsche Engel schon angerannt.

Er sah mich, Shane und den Neuen und hob beide Augenbrauen, während ich mir nur mit der flachen Hand auf die Stirn schlug. Dann trat Julius vor.

„Du musst unser neustes Teammitglied sein…“, kommentierte der Trainer und sah auf seine Liste, „Julius Hausner?“

„Der bin ich.“

„Das hier ist Gabriell. Er wird dich hier ein bisschen herumführen und für die ersten Tage deine Ansprechperson sein.“

Der Trainer nickte Gape zu und verschwand wieder in der Menge seiner anderen Schüler. Ich hatte auch nur noch den Gedanken so schnell wie möglich zu meinem Kurs und weg von Gape zukommen, wäre da nicht Miss Ich-versau-dir-jetzt-die-Tour gewesen.

„Hi Gape…“, winkte Shane ihm zuckersüß rüber und knöpfte ihre Bluse ein Loch weiter auf.

„Hi Shane“, grüßte Gabriell zurück und wartete.

Anscheinend auf eine Erklärung meinerseits, doch ich hatte mich schon aus dem Staub gemacht. Ganz heimlich still und leise…feige wie ich an diesem Tag war.
 

„Hey wo warst du denn? Ich hatte schon Angst, dass du nach Hause gegangen bist!“, begrüßte mich Melinarés, als ich in den Klassenraum kam.

„Ich hab den Neuen zur Sporthalle gebracht. Mit Shane.“

Ihre blauen Augen weiteten sich und ich nickte nur genervt.

„Und bist du…‘ihm‘ begegnet?“

„Natürlich! Mein Karma ist so beschissen!“

Melinarés seufzte tief und zog sich ein altes Hemd über. Als sie meinen fragenden Blick bemerkte meinte sie: „Hast du…dein Hemd vergessen?“

„Welches Hemd?“

„Wir sollten für den Kunstunterricht ab sofort ein altes Hemd mitbringen, weil wir ab heute töpfern.“

Ich ließ fassungslos die Schultern sinken.

„Du…hast es vergessen. Stimmt’s?“

„Volltreffer…“, seufzte ich und teilte der Lehrerin mit, dass ich besagtes Kleidungsstück nicht dabei hatte.

„Hm…dann kann ich nichts machen, außer dich in Freistunde zu schicken…“, murmelte diese.

Cool. Das Wetter war perfekt! Was wollte ich also mehr? Fröhlich vor mit her pfeifend begab ich mich zu einer Sitzbank, wo ich perfekte Sicht auf den Sportplatz hatte und die Jungs beim Volleyball spielen beobachten konnte. Dieser neue Schüler Julius fiel dank seiner roten Haare in der Menge sehr gut auf, was es mir erleichterte ihn aus der Ferne zu mustern. Er war genauso groß wie Julien, hatte aber sichtlich mehr Muskelmasse antrainiert. Allgemein vergnügte es mich, den Jungs beim Sport zuzusehen, während ich schön im Schatten sitzen und einen auf Gemütlich machen konnte. Ich holte mein Handy raus, um ein wenig darauf zu zocken, als mir plötzlich eine Nachricht auffiel. Ich hielt kurz inne. Sie war vom falschen Engel. Von vor zehn Minuten. Aus Reflex tippte ich auf das Symbol und las die Nachricht.

„Wusste gar nicht, dass du so schnell neue Freundschaften schließt.“

Meine Nasenflügel blähten sich auf und ich tippte eifrig.

„Na klar, Shane und ich sind BFF‘s, wusstest du das nicht?“

Ich nickte meinem Handy gehässig zu und wollte es wieder weglegen, doch da vibrierte es erneut.

„Ich meinte eigentlich den Rotschopf.“

Ich seufzte genervt, als ich bemerkte, dass der falsche Engel nahe des Zauns stand, wo ich saß. Seine Augen funkelten mich an. Aus dem Augenwinkel linste ich zu ihm rüber und tippte gleichzeitig eine Nachricht.

„Er scheint echt nett zu sein.“

Bähm. Der hatte gesessen. Zumindest erkannte ich es an Gapes Gesichtsausdruck. Zufrieden schlug ich ein Bein über das Andere, während er wütend davon stampfte. Ich musste zugeben, dass ich den Anblick genoss…ein wenig. Ich widmete mich erneut meinem Handy, nicht um zu schreiben, sondern um mein Lieblingspiel ein wenig zu suchten. Nach ein paar Minuten bemerkte ich, wie ein weißer großer Ball zu meinen Füßen rollte. Ich sah überrascht auf und bemerkte, wie jemand auf mich zu rannte.

„Hey!“, rief Julius außer Atem, „wirf ihn her!“

„Ich sitz aber grad so schön…und mein Highscore knackt sich leider nicht von alleine…“

Der Junge grinste: „Bitte…würdest du mir bitte den Ball zuwerfen?“

Wie konnte ich da nur widerstehen? Seufzend stand ich also auf, kniete mich zu dem Ball runter und warf ihn Julius zu.

„Cool, dankeschön!“

„Du brauchst hier nicht einen auf freundlich zu machen“, lachte ich, „das macht hier niemand.“

„Dann wird’s aber mal langsam Zeit“, erwiderte er und rannte wieder zu den anderen.
 

***
 

„Die Lehrer könnten uns ruhig mal öfters früher Schulschluss geben…es ist Mitte Mai und super Wetter“, schwärmte Daniela und stieg in ihren Mini ein und ließ das Verdeck zurückfahren, „kommt ihr noch mit auf einen Milchshake?“

„Klar warum denn nicht?“, grinste Julien breit und stieg ebenfalls ein.

„Lass mich raten: du hast eine deiner vielen außerschulischen Aktivitäten?“

Melinarés zog eine Grimasse und gab mir einen leichten Schlag auf den Oberarm.

„Solltest du dir auch suchen. Lenkt dich besser ab.“

Jetzt war ich dran mit Grimasse ziehen und streckte ihr die Zunge entgegen.

„Also was ist? Kommst du mit?“

Wortlos krabbelte ich auf die Rücksitzbank und Daniela fuhr los. Nach 20 Minuten Fahrt parkte sie und wir gingen in unser Stammcafé. Mir entging natürlich nicht, dass Julien mir nicht von der Seite wich. Ich nahm ihn kurz in den Arm.

„Wofür…war das?“, grinste er verblüfft.

„Du brauchst keine Angst zu haben, dass du unter der Trennung leiden könntest. Ich darf dich sowieso behalten!“

Er lachte auf: „Dann bin ich ja beruhigt!“

„Nein ehrlich. Ich bin zwar im Moment noch down aber in ein paar Tagen bin ich wieder ganz die Alte.“

Er lächelte mir zu und bestellte seinen Milchshake und meinen gleich mit. Dann hellte seine Miene noch mehr auf und es sprudelte nur so aus ihm heraus.

„Was machst du in der ersten Sommerferienwoche?“

„Hä?“

„Vom 6. bis zum 13.? Hast du da schon was vor?“

„Nichts das ich jetzt wüsste…“

„Weil: ich habe gestern einen Beitrag zu einem See gesehen.“

„Wahnsinn! Ein See!“, spielte ich begeistert.

„Pass auf! Dort sind auch ein Campingplatz und eine Grillstelle vorhanden!“

„Julien…komm auf den Punkt.“

„Hast du Lust mitzufahren?“

„Mit wem?“

„Mit mir und den anderen. Allerdings bist du die Erste, der ich die Idee erzähle.“

„Klingt interessant“, gestand ich und nahm meinen Milchshake, „und was ist der Anlass?“

„Naja…dieses Schuljahr ist unser letztes…“

„Stimmt ja!“

„Und ich dachte mir, dass wir das als keine interne Abschiedsfeier veranstalten könnten? Wer weiß, wann wir uns in den nächsten Jahren zu Gesicht bekommen?“

„Also ich wäre da auf jeden Fall dabei.“

„Cool!“

Wir setzten uns nach draußen, wo sich Daniela eine Zigarette angezündet hatte. Julien sah sie böse an.

„Ich weiß…“, grinste sie müde und blies den blauen Rauch aus ihrem Mund, „rauchen ist ungesund und schadet der Umwelt.“

„Schön, dass du’s weißt!“

„Aber ich scheiß drauf.“

Julien ließ die Schultern sinken und sah sie wie einen hoffnungslosen Fall an. Ich grinste breit und nahm einen großen Schluck. Während die beiden darüber diskutierten, wie viel Geld Daniela mit dem Rauchen rausschmiss bemerkte ich unseren neuen Mitschüler auf der anderen Straßenseite laufen. Seine rotgefärbten Haare leuchteten in der Sonne wie ein Feuerwehrauto und ergaben zu den hellblauen Augen einen perfekten Kontrast. Neben ihm lief Gabriell und schien sich angeregt mit ihm zu unterhalten. Mein Herz machte einen heftigen Sprung, so als wolle es aus meiner Brust springen und zu ihm in die Arme. Erneut seufzte ich.

„Also Daniela wäre auch mit dabei“, riss mich Julien aus meinen Gedanken.

„Hä?“

„Zum See. Daniela ist auch dabei.“

„Yeah! Das wird so cool!“, rief ich belustig aus und hob meinen Milchshake in die Höhe.

Gerade als ich wieder auf die andere Straßenseite gucken wollte eilte der falsche Engel bereits zu uns rüber, Julius mit im Schlepptau.

„Shit!“, fauchte ich und bückte mich unter den Tisch, so als wäre mir etwas runtergefallen.

„Äh…Clarissa? Was machst du da?“, fragte Julien belustig.

„Pscht!“

„Hast du mich gerade ernsthaft angepscht?“

„Hey“, hörte ich Gabriells Stimme, „kannst du deiner besseren Hälfte bitte Bescheid sagen, dass wenn er das Training morgen wieder schwänzt der Trainer ihn aus dem Team schmeißt?“

„Oh. Okay…war er heute nicht da?“, gab Daniela überrascht zurück.

„Nein. Sonst hätte ich dich ja nicht darauf angesprochen…“

„Macht Sinn.“

„Ernsthaft, was machst du da unten?“, raunte mir Julien zu.

„Alter! Tu einfach so, als würde ich meinen Schlüssel suchen!“

„Clarissa dein Schlüssel hängt an deiner Tasche.“

Ruckartig richtete ich mich wieder auf, schlug mir den Kopf an der Tischkante an und japste auf.

„Au!“

Gabriell sah mich fragend an und deutete mit dem Zeigefinger auf die Stelle meines Rucksacks, wo mein Schlüssel baumelte. Verdammt! Ich rieb mir die schmerzende Stelle und funkelte ihn vorwurfsvoll an.

„Was? Du flüsterst viel zu laut!“

„Ich werde es Mike ausrichten“, versprach Daniela.

„Klasse, danke! Wir können nicht auf ihn verzichten, jetzt wo bald das große Spiel ist.“

„Stimmt da war ja was…in knapp 6 Wochen oder?“

„Japp. Regionalmeisterschaft“, prahlte er und wand sich an Julius, „bist doch auch dabei, oder?“

„Wenn der Trainer mich bis dahin nicht völlig zur Weißglut getrieben hat, dann ja.“

„Er hat komische Methoden das stimmt. Aber sie haben Erfolg.“

In diesem Moment hielt hinter Gabriell ein schwarzes Auto und hupte. Wir drehten uns natürlich alle zu dem Fahrer um, welcher sich als die rothaarige Frau entpuppte. In mir stieg die Wut von Freitagabend und Samstag wieder hoch, doch bevor ich etwas machen oder sagen konnte hüpfte Gape zu ihr ins Auto und grinste breit.

„Das…war sie das?“, fragte Daniela, als die beiden schon einige Sekunden weitergefahren waren.

„Ja…“, knurrte ich.

„Ich hätte nie gedacht, dass Gape auch auf reifere Frauen steht. Die ist locker Anfang 40!“

„Aber sie hat Geschmack. Und Geld! Das war ein Audi r8 Spyder!“, schwärmte Julien und versuchte dem Auto so lange wie nur möglich nachzuschauen, „den kriegst du nicht unter 170 Tausend.“

„Wahrscheinlich liegt der Brief eh auf der Bank…“

„Meinst du? Die Frau war perfekt gestylt bis zu den Fingernägeln!“

„Dann ist es das Auto von ihrem Mann…“

Ich seufzte und nahm einen kräftigen Schluck von meinem Milchshake.
 

***
 

Trotz meines kräftigen Sonnenbrandes lag ich noch am selben Nachmittag im Bikini im Garten, um den Rest meiner Haut wenigstens einigermaßen anzugleichen und blätterte in einer Zeitschrift, als ich plötzlich ein heftiges Schnaufen vernahm. Ich guckte auf um genauer horchen zu können, doch da verstummte es auch gleich wieder. Ich stutzte, stand auf und ging zur Hecke. Plötzlich richtete sich Julius wieder auf und ich quietschte vor Schreck. Er sah mich fassungslos an, was ihn nicht daran hinderte sich zu dehnen.

„OH! GOTT! MEIN HERZ!“, rief ich aus und rang nach Luft.

„Hab dich wohl erschreckt, hm?“, lächelte er verlegen.

„He…wie kommst du nur darauf?“

„War geraten…“, grinste er und kam zu mir, „hast du mal Wasser?“

„Wie…bitte?“

„Hast du mal Wasser?“, fragte Julius erneut und lehnte sich über die Hecke.

„Ich hab einen Gartenschlauch.“

„Okay der geht auch“, entgegnete er nach kurzem Überlegen.

„Wie jetzt?“

„Ich hab fünf Kilometer hardcorejogging hinter mir und muss noch zwei Kilometer schaffen und das ist bei dieser Hitze nicht wirklich das optimalste, also wärst du so nett? So als kleine Abkühlung.“

Ich zog verwundert eine Augenbrauche hoch und zuckte mit den Schultern.

„Wenn du das so willst…“

Während Julius ein breites Grinsen aufsetzte schlenderte ich zum Gartenschlauch, schraubte das Wasser voll auf und ging wieder zurück. Der Junge war bereits um die Einfahrt zu meinem Liegeplatz gekommen und stützte die Hände auf die Knie.

„Einfach drüber“, wies er mich an.

Ich hielt ihn den Schlauch knapp über den Rotschopf und drehte die Düse auf. Das kalte Wasser strömte über seinen Kopf, seine Schultern und seinen Rücken.

„Ah…“, stöhnte Julius kurz auf, als das eisige Nass seine Haut berührte.

Ich zog eine Grimasse bei dem Anblick, wie er sich unter dem kalten Nass wandte und ging einmal um ihn herum…natürlich nur um ihn überall nassspritzen zu können ich hatte keinerlei Hintergedanken. Ja klar…wer’s glaubt, murmelte eine Stimme in meinem Kopf. Julius richtete sich plötzlich auf, zog sein T-Shirt aus und räkelte sich unter dem Wasserstrahl. Ne jetzt, oder? Ich begutachtete seine Bauchmuskeln und die seiner Arme, als er plötzlich in seiner Bewegung inne hielt.

„Dir…gefällt anscheinend was du da siehst?“, fragte er belustigt und fuhr sich mit den Fingern durch das nasse Haar.

„Bilde dir ja nichts darauf ein“, gab ich zurück und stellte den Wasserstrahl ab.

Julius stemmte die Hände in die Hüfte musterte mich mit prüfendem Blick.

„Du…wohnst also hier?“, fragte er schließlich.

„Sagen wir’s so: man trifft mich hier öfters an.“

„Aha. Na dann mach ich mich mal lieber weiter, bevor dein Vater noch falsche Gedanken kriegt“, grinste er.

Noch bevor ich etwas erwidern konnte kam ein weiteres Etwas keuchend um die Ecke gebogen.

„Hey! Du sollst laufen! Laufen und nicht in Supermanpose in anderer Leute Garten stehen!“, hörten wir plötzlich Gabriells Stimme, welcher genauso außer Puste war wie Julius vor einigen Minuten noch.

Gabriell joggte auf der Stelle, als er seinen neuen Teamkollegen erreicht hatte und nickte ihm zu.

„Hopp! Weiter geht’s!“

„Ich hätte beinahe einen Hitzekoller bekommen. Ich musste mich abkühlen“, kommentierte der Rotschopf dies und zeigte mit dem Daumen auf mich, „sie hat mir das Leben gerettet.“

Der falsche Engel sah zu mir rüber und als er bemerkte, dass ich im Bikini dastand blieb er stehen und grinste helmisch.

„Wie jetzt? Ich bemüh‘ mich über mehrere Wochen um dann am Rosengitter heimlich hochklettern zu dürfen und er täuscht einmal einen Hitzekoller vor und wird gleich von dir abgespritzt?“

„Irgendwas musst du falsch gemacht haben“, entgegnete ich und versuchte wegen der Zweideutigkeit nicht zu lachen.

Gabriell grinste herausfordernd und stieg über die Hecke: „Mir ist auch heiß, ich glaube ich krieg gleich auch n‘ Hitzekoller!“

„Dann nehm dir das nächste Mal mehr zu trinken mit!“

Wir zuckten alle drei miteinander zusammen, als wir plötzlich die Stimme meines Onkels hörten. Frederik stellte sich breitbeinig neben mich, das T-Shirt hatte er unter der Latzhose ausgezogen, einen Sonnenhut aufgesetzt und war mit einer Sense bewaffnet…Moment mal…SENSE?!

„Onkel…was genau hast du damit vor…?“, wollte ich argwöhnisch wissen.

„Einen bleibenden Eindruck hinterlassen“, raunte er mir zu, so dass es weder Gabriell noch Julius hören konnten.

„Willst du echt, dass wir an einem Sonnenstich krepieren?“, scherzte Gabriell und kam ein paar Schritte näher.

Sofort positionierte Frederik die Sense so, als könnte er jeden Augenblick damit zuschlagen. Seine Augen funkelten.

„Wann habe ich dir Grünschnabel je erlaubt meinen Garten betreten zu dürfen?“

Gape blieb stehen und überlegte kurz. Dann erwiderte er: „Du hast mich schon oft genug zu euch reingelassen!“

„Aber das hier ist mein Garten, welchen ich über Jahre lang gepflegt und gehegt habe…also wie lange wollt ihr eure Latschen noch auf meinem Rasen verewigen?“

„Ich hätte gerne etwas kaltes Wasser wenn’s nicht zu viel verlangt ist.“

„Keine 800 Meter weiter die Straße runter ist ein Bach.“

„Ich will aber auch den Waschstraßenservice deiner Nichte!“, knurrte Gabriell.

Frederik sah mich kurz an, wie ich immer noch den Gartenschlauch in der Hand hielt. Für einen Augenblick überlegte er, bis er schließlich zu dem Entschluss kam die Situation als ungefährlich einzustufen. Trotzdem wollte er immer noch einen bleibenden Eindruck hinterlassen, also nahm er mir den Schlauch aus der Hand, drehte die Düse auf und richtete ihn genau auf Gabriell. Dieser schreckte zusammen, als mein Onkel ihn mit dem kalten Wasser abduschte, ohne Rücksicht, wo er ihn gerade damit traf.

„So. Waschstraßenservice beendet. War das deutlich genug?“

Der falsche Engel starrte meinen Onkel fassungslos an. Er tropfte wie ein begossener Pudel nach seinem Schaumbad, auf welches er noch nie besondere Lust gehabt hatte. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen entschied dann jedoch, dass es für alle besser war, meinem Onkel den Schlauch wieder abzunehmen, bevor er noch auf dumme Gedanken kam. Julius und Gabriell sahen sich kurz gegenseitig an und räumten schließlich das Feld, und als die beiden weiterjoggten wand ich mich an Frederik.

„Was…was sollte noch mal die Sense dabei? Das Teil ist doch völlig stumpf!“, meinte ich stutzig.

„Ich weiß. Aber wussten die beiden das auch?“, grinste Frederik frech, „außerdem schein ich alles richtig gemacht zu haben.“

„Weil die beiden weitergezogen sind…?“

„Hast du deren Gesichter gesehen?“, lachte er aus vollem Hals, „besonders Gabriell!“

„Ja…ich glaube die waren etwas blass um die Nase. Macht dich das etwa glücklich? Warum?“

„Solange ich ein Lächeln im Gesicht meiner Nichte und Furcht in den Augen ihres Freundes sehe…bin ich glücklich…“

Ich war so gerührt, dass ich den großen Drang verspürte meinen Onkel mal wieder richtig zu umarmen. Er hatte es auf jeden Fall verdient!
 

***
 

Gabriell stieg mit seinen nackten Füßen in das fließende Nass des Baches und ließ das eben passierte noch einmal Revue passieren. Wieso war sie nicht eingeschritten? Wieso? Der Junge richtete sich wieder auf und rieb sich den Nacken. Ach ja…sie ist ja wütend auf mich…immer noch.

„Was war das denn eben für ein Verrückter?“, wollte Julius wissen und dehnte seine Beine, „ich meine…wer rennt am helligten Tag mit Strohhut und Sense herum?“

„Das eben war der Onkel von Clarissa. Er wollte mir damit anscheinend sagen, dass ich weder auf seinem Grundstück noch in der Nähe seiner Nichte etwas zu suchen habe.“

„Wie? Ich meine…du und sie…ihr?“

Gabriell sah den Rotschopf herausfordernd an: „Und wenn es so wäre?“

„Sorry ich hab ja nur gefragt.“

Gape ballte seine Faust fest zusammen und biss die Zähne aufeinander.

Noch am selben Abend saßen der falsche Engel und sein Großvater beim Abendessen. Normalerweise schaufelte Gape sein Essen in sich wie sonst keiner, doch heute stocherte er nur lustlos darin rum.

„Sag mal Kleiner…“, fing Oliver besorgt an, „dich bedrückt doch was…?“

„Hm.“

„Wegen dem Turnier?“

„Nein…“

Oliver atmete erleichtert auf. Er trank einen Schluck Weinschorle und startete einen neuen Versuch.

„Redet Clarissa immer noch nicht mit dir?“

„Nein…“, seufzte der Junge.

„Bloß nicht locker lassen! Manche Mädels haben so eine Masche bei der sie sehen wollen, dass der Kerl Interesse zeigt! Sie wird dich noch ein wenig zappeln lassen…“

„Ach ja?“, lachte Gabriell ironisch, „ich habe heute ‚nicht lockergelassen‘.“

„Ja? Und?“

„Frederik wäre beinahe mit einer Sense auf mich losgegangen!“, knurrte er.

„Wie jetzt? Mit diesem alten Teil? Und du hast auch noch Schiss davor? Junge die war bereits stumpf, da hast du noch in den Windeln gesteckt!“

„Toll! Aber wusste ich das schon vor fünf Stunden? Nein!“

Oliver kicherte in die Faust.

Später lag Gabriell hellwach auf seinem Bett und starrte auf die Zimmerdecke. Er hatte alle viere von sich gestreckt und horchte nervös dem Ticken seines Weckers. Er atmete tief ein und hielt die Luft einen Moment an, bevor er sie langsam wieder ausblies. Dann blickte er auf die Uhr.

„Warum bin ich um halb neun ins Bett gegangen?“, fragte er sich selbst und stand auf.

Vorsichtig schlich er die Stufen runter um seinen Großvater ja nicht zu wecken und fischte seinen Haustürschlüssel aus der kleinen Kupferschale. Draußen war es noch sehr mild als Gabriell auf sein Fahrrad stieg und einfach drauf los fuhr. Einfach nur fahren. Frust abbauen. Für einen Moment sämtliche Sorgen vergessen…

Die laue Luft blies ihm um die Ohren, während er noch mehr in die Pedale trat um noch schneller zu sein. Kleiner Adrenalinjunkey…dann kam er an diese eine besagte Stelle…wo er seit langem endlich wieder einmal Wärme tief in seinem inneren gespürt hatte. Gabriell stieg von seinem Rad ab und schlitterte den Hang hinunter. Hier hatte er sich früher immer während des Joggens gedehnt...bis zu jenem Tag.
 

***
 

Er hatte einen dumpfen Aufschlag vernommen und sich umgesehen. Aus einem kleinen Dornenbusch ragten zwei Beine hervor und bewegten sich nicht im Geringsten. Die Beine eines Mädchens.

„Hey! Geht es dir gut?“, rief der Junge aufgeregt und rannte zu der Stelle.

Er zog vorsichtig die einzelnen Zweige auseinander und blickte dann in das Gesicht der Gestürzten. Es war seine neue Mitschülerin, Clarissa. Sie lag regungslos vor ihm, geschlossene Augen, aber intakter Atem. Gabriell zog sie aus den Büschen heraus und rüttelte kurz an ihr. Sie war völlig weggetreten.

„Shit…ich hab mein Handy nicht mit…“, knurrte er und biss sich auf die Lippen.

Er betrachtete sie einen Augenblick lang wie sie am Boden lag und so aussah, als würde sie schlafen. Plötzlich…von einem Moment auf den nächsten fühlte es sich in seiner Brust an, wie tausend kleine Knallfrösche, welche gerade entzündet worden waren. Wie Brausepulver, welches man gerade in Wasser auflöste. Wie einhundert Schmetterlinge, die alle auf einmal davonflogen…

Das Mädchen gab ein stöhnendes Geräusch von sich und riss Gabriell aus seinem Gefühlschaos.

"Bist du okay?", fragte er aufgeregt.

"Mir is schwindelig...", stöhnte sie.

"Und sonst? Hast du irgendwelche Schmerzen?"

Jetzt öffnete sie ihre Augen. Sie waren blaugrün, wie große Murmeln. Clarissa sah ihn direkt in seine Augen.

" J...ja, mein Bein tut ein bisschen weh...", wimmerte sie leise.

Gabriell setzte sie auf und tastete ihre Beine ab. "Welches? Das hier?"

"N...n...nein das linke", meinte sie und unterdrückte einen schmerzenden Schrei, "da, genau da…autsch!"

"Sorry!", entschuldigte er sich gleich und lächelte leicht, "ich habe ein umgekipptes Rad da oben gesehen und geschaut, ob jemand hier gestürzt ist. Warst anscheinend du?", erkundigte er sich und blickte direkt in ihre Augen.

Sie erinnerten ihn an die Farbe von karibischem Meereswasser, wenn man dieses in Dokumentationen immer von oben sehen konnte.

"Ich bin noch nicht so gut darin...im Abrollen versteht sich", erklärte sie Gabriell und erwiderte seinen Blick.

"Tut‘s hier weh? Oder mehr am Knöchel?"

"Knöchel."

Gape tastete vorsichtig die Stelle ab, während dessen musterte sie seinen Oberkörper, was ihm natürlich nicht entging. Er verkniff sich ein Schmunzeln.

"Geht's wieder? Nach so einem Sturz ist man meistens ein wenig benommen und vor allem nach so einem den du hingelegt hast", erzählte er und zeigte auf den Abhang.

Clarissa folgte mit ihren Blicken in die Richtung die er zeigte und bemerkte, dass dieser eigentlich gar nicht so kurz gewesen war. Oben auf der Straße lag das Rad, wo sich der vordere Reifen immer noch drehte.

"Oh...doch so ein Stück...?"

"Meinst du, dass du aufstehen kannst?", fragte Gabriell schon fast fürsorglich besorgt.

"Ja."

Er reichte ihr seine Hand und half dem Mädchen auf die Füße, welche aber sofort wieder nachgaben, da sie immer noch vom Anblick seiner Augen so weich waren. Sie knickte nach vorne weg und fiel Gabriell direkt in seine Arme an seinen Körper, wo sie mich ins Oberteil krallte, um nicht abzurutschen um auf Hüfthöhe zu fallen. Gabriell holte tief Luft, so sehr war er erschrocken. Er hielt sie an den Oberarmen fest, so dass Clarissa nicht noch weiter abrutschen oder sogar hinfallen könnte. Plötzlich bemerkte er, wie sie ihr Gesicht in sein Shirt vergrub. Gabriell spürte, wie sich verlegene Röte auf seinen Wangen breit machte. Schnell sah er sich um, dass sie auch nicht von irgendwelchen schaulustigen Passanten beobachtet wurden…dann grinste er breit.

"Sicher, dass du aufstehen willst?", fragte er leicht verlegen und packte sie an den Schultern, um das Mädchen gerade hinzustellen, "du wirkst etwas benommen?"

"N...nein, mir geht es wirklich gut! Danke ich glaube ich fahre wieder heim..."

Er zog eine Augenbraue hoch und musterte sie ganz genau. Taffes Mädel!

"Du bist ganz schön blass um die Nase, ich denke du setzt dich wieder hin...?", schlug er vor und deutete auf den Rasen.

"Ja, ich bin abgerutscht und hier runter gefallen...ich weiß! Aber du hast super erste Hilfe geleistet und mit mir gewartet", erklärte Clarissa Gabriell und löste langsam ihren Griff aus dem Oberteil um sich dann alleine hinzustellen. Der falsche Engel erkundigte sich noch mal nach dem Befinden und fragte wie sie jetzt nach Hause kam.

"Ich fahre, wie denn sonst?"

"Fahren? Du?" Gabriell lachte und hielt sich den Bauch. Clarissa stemmte eine Hand in die Hüfte und versuchte ihn düster anzuschauen.

"Ich glaube kaum, dass du mit diesem Rad noch irgendwohin fahren wirst. Ich habe es mir genauer angeschaut...die Kette ist gerissen."

"Dann laufe ich eben!“

"Komm...ich kann mitgehen, Clarissa! Du schaffst es nicht mal zweihundert Meter weit, bis du unter den Schmerzen zusammenbrichst!"

Während sie versuchte den Hang wieder zu erklimmen stand Gabriell unten und wartete anscheinend, dass sie irgendetwas sagte oder etwas tollpatschiges machte.

"Ach ja, bevor ich es vergesse: danke für deine Hilfe!", rief sie ihm dann doch runter.

Sie hatte es tatsächlich geschafft. Er winkte kurz und sah ihr noch kurz hinterher. Irgendwie machte es ihn traurig, dass er keine Gelegenheit hatte noch ein wenig mit ihr zu Plaudern. Schien ein sehr nettes Mädchen zu sein! Gabriell schaltete seinen MP3 Player wieder ein und steckte sich die Stöpsel in die Ohren, als ihm der dichte aufziehende Nebel auffiel. Verdammt! Jetzt muss ich mich aber beeilen!, dachte er und sprintete los, doch so schnell wie er losgerannt war hielt er auch schon wieder an.

„Ich kann sie nicht alleine heim laufen lassen! Der schmerzende Knöchel...und der heraufziehende Nebel…argh!“

Er eilte den Hang quer doch und rannte so schnell seine Füße konnten die Straße entlang. Hoffentlich war sie nicht schon wieder hingefallen! Hoffentlich finde ich sie gleich! Und dann sah er Clarissa endlich nach guten 80 Metern auf der Straße kauernd und sich den Knöchel reibend.

"Verdammt!", fauchte sie.

Er bremste ab und schlenderte die restlichen Schritte zu ihr rüber, im Gesicht ein breites Lächeln.

"Habe ich es dir nicht gesagt?! Keine zweihundert Meter schaffst du!", lachte er triumphierend.

Clarissa drehte sich zu Gabriell um und warf ihn einen giftigen Blick zu, worauf er wieder kicherte. Er kniete sich neben sie, legte ihren Arm um seinen Nacken und hob das Mädchen hoch.

"Bist du wahnsinnig? Lass mich runter!"

"Du hast Sendepause, Kleines!", meinte er und sah die Straße hinunter, "da lang?"

Clarissa nickte nur und hielt sich an seiner Schulter fest. Von diesem Tage an wollte er nur noch in ihrer Nähe sein, die Wärme, welche Clarissa ausstrahlte in sich aufsaugen und tief in seinem Inneren verankern. Dann, ein paar Monate später passierte der Unfall. Gabriell hatte jede wache Minute an ihrem Krankenbett Wache geschoben, auch als ihre Tante und ihr Onkel anwesend waren. In dem Moment, als Clarissa ihre Augen wieder öffnete war sein Beschützerinstinkt vollständig geweckt worden.
 

Ich dachte schon…ich hätte dich verloren…
 

Zwei Wochen später, als sie beide in ihrem Bett lagen und dem Gewitter lauschten flatterten wieder die einhundert Schmetterlinge in Gapes Bauch wild umher. Er musste alle Kraft aufbringen seine Hände und Füße stillzuhalten, so sehr war er aufgeregt gewesen. Als Clarissa ihn dann auch noch bat, zu ihr rüber zu kommen war sein Glück schon fast vollkommen. Er nahm einen tiefen Zug von ihrem Geruch, welcher ihn an Orangen und Vanille erinnerte und schlief zufrieden ein.

Am nächsten Morgen am Frühstückstisch saßen sie zu viert in der Küche, Anna hatte extra große Portionen für Gabriell gekocht.

„Und? Wie schmeckt dir der Orangensaft?“

„Anna…lass den Jungen doch endlich mal in Ruhe frühstücken…“, hatte Frederik sie getadelt.

„Ich möchte doch bei einem seltenen Gast wie ihm mal nachfragen dürfen?“

„Ja. Aber nicht alle drei Minuten!“

Gabriell grinste breit und nahm einen kräftigen Schluck des frisch gepressten Orangensaftes.

„Das Beste, was ich je getrunken und gegessen habe!“

Anna quietschte glücklich auf ihrem Platz und schenkte den falschen Engel gleich noch mal nach.

Später als Gabriell sich von Clarissas Onkel und Tante verabschiedet hatte standen er und sie noch im Garten.

„Ich hoffe, dass dich meine Tante nicht zu Tode genervt hat?“, wollte Clarissa verlegen wissen.

Gape lachte auf und schüttelte den Kopf: „Sie sind beide herzensgute Menschen.“

Clarissas Gesicht hellte auf und sie lächelte.

„Komm gut nach Hause.“

„Ich brauch bloß 15 Minuten.“

„Pass trotzdem auf dich auf…“

„Okay.“

Sie gab ihm einen Abschiedskuss.

„Darf…darf ich dir etwas sagen?“

„Natürlich.“

„Es…es ist etwas peinlich…“

„Ohje. Was kommt jetzt?“

Clarissa kicherte verlegen und hüpfte von einen Fuß auf den anderen. Dann striff sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Ich…also…ähm…ich…liebe…dich…“

Gabriells Herz machte einen gewaltigen Sprung. Er stieg noch einmal von seinem Fahrrad ab, nahm Clarissas Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie zärtlich auf den Mund. Dann umarmte er sie und drückte sie fest an seine Brust. Als er die Augen öffnete bemerkte er, wie sich Clarissas Tante schnell hinter dem Vorhang versteckte. Er schmunzelte…und drückte Clarissa noch einmal bevor er nach Hause fuhr



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