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Between Near and Distance - Unter den Goldkiefern

Eine Bonanza Geschichte
von

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Kapitel 19

Kapitel 19
 

Summend stand Ben vor dem Spiegel im Flur und fuhr sich mit einem Kamm durch die Haare. Hoss, der gerade die Treppe runter gepoltert kam, rannte ihn fast um.
 

"Pa! Warum stehst du denn im Weg?", schnaufte Hoss und war sichtlich erschrocken. Ben hob lächelnd die Hand und präsentierte den Kamm.
 

"Und wieso hast du es so eilig? Der Kaffee ist noch nicht fertig.", schmunzelte Ben.

"Ich will ja auch garnicht frühstücken. Ich muss die Pferde fertig machen."

"Aha, und warum hast du es so eilig? Musst du denn weit weg?"

"Nein, Blödsinn. Ich weiß nur, dass Adam mich eben aus dem Bett geworfen hat mit keinerlei Information außer, dass ich Sport und Chubb satteln soll. Und zwar sofort." Damit lief Hoss an ihm vorbei, war dann weg und ließ einen sehr verwirrten Ben zurück.

Hatten sie nicht etwas ganz Anderes ausgemacht gehabt?
 

Das konnte ihm nur einer beantworten. Also ging er hoch und hörte Geräusche aus dem Badezimmer. Auf gut Glück klopfte er zuerst an und ging dann hinein. Tatsächlich war es Adam, welcher schon völlig bekleidet war und nur noch letzte Handgriffe an seiner Frisur vornahm.

"Morgen Adam. Hoss erzählte mir, dass ihr losreitet. Vor dem Frühstück."

"Morgen Pa. Ja, das stimmt. Ich habe entschieden, dass es sicherer ist, wenn ich mich nochmal nach Spuren umsehe.", antwortete Adam und sah ihn durch den Spiegel an.

"Das ist sehr vernünftig, Adam. Aber ich mache mir nun doch etwas Sorgen. Geht es Joe denn schlechter?"
 

"Nein, das glaube ich nicht. Er hat nach keinem von uns gerufen, also wird es ihm wohl gut gehen."

"Schläft er denn noch? Wenn wieder alles gut ist, kann er doch sicher mit uns frühstücken, oder?", freute sich Ben.

"Ich weiß es nicht. Ich war nicht mehr bei ihm.", beichtete Adam und drehte sich noch immer nicht um.
 

Ben sah nun wirklich überrascht aus. Was sagte Adam da? Er hatte sich doch ganz freiwillig um Joe gekümmert und nun war er nicht mehr bei ihm gewesen?

"Was ist passiert? Hattet ihr Streit? Adam du weißt, dass Joe manchmal spricht, ohne nachzudenken."

Nun drehte er sich um, trotzdem sah er seinem Vater nicht in die Augen.

"Nein, kein Streit. Nur diese Dinge, die ich nicht kann. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du nach ihm siehst."
 

"Adam, mein Junge. Das ist keine Lösung. Meinst du nicht, dass ihn das auch verunsichert?", versuchte Ben ihn zu überzeugen und ging zu seinem Sohn, um ihm die Hände auf die Schultern zu legen. Adam hob den Blick, aber er sah an ihm vorbei. Was war nur los mit ihm?

"Da muss er wohl durch."

"Adam, bitte entschuldige. Aber das verstehe ich nicht. Es war doch alles in Ordnung. Ihr wart euch sogar wieder näher gekommen."
 

Adam zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden.

"Nicht so. Ich brauche ein wenig Zeit."

"Dann sprich mit ihm. Aber zeig ihm nicht die kalte Schulter. Du hast neulich noch selbst gesagt, wie sehr sowas verletzten kann.", sprach Ben einfühlsam, legte beide Hände an Adams Wangen und sah ihm nun endlich in die Augen.
 

Adams Blick war höchst ungewöhnlich. Öfter mal nachdenklich, hin und wieder stolz, aber nie so gehetzt, als wäre er auf der Flucht. Ben machte sich nun wirklich Sorgen.

"Adam bitte. Du hast keine Ahnung, wie glücklich ich war, euch einander wieder so nah zu sehen."

Ruckartig riss Adam sich los.

"Aber nicht so!", rief er und verließ schleunigst das Bad. Im Flur gab es an diesem Tag nun schon fast den zweiten Zusammenprall.
 

Joe war aus seinem Zimmer raus gekommen und wich gerade so noch aus, indem er sich an die Wand presste. Schmerzhaft stöhnte er auf und hielt beide Hände an seine blutende Hüfte.

Aufgrund des Schmerzlautes drehte sich Adam doch zu ihm um, obwohl er eigentlich nur noch weg wollte. Entsetzt blickte er auf die Blutlache auf Joes Kleidung und an seinen Händen. Auch Ben kam nun eilig angerannt und fing den stürzenden Joe schnell auf.
 

"Joe, was ist passiert?", fragte Ben besorgt.

"Gnh, ich hab mich im Schlaf wohl zu viel...hah...bewegt. Sie ist weiter aufgerissen.", keuchte Joe und stützte seinen Kopf gegen Bens Schulter.

"Was ist mit deinem Kopf? Noch Kopfschmerzen?"

"Nein, und selbst wenn, würde ich die jetzt nicht spüren."
 

"Adam, los komm, hilf mir.", befahl Ben und legte sich einen von Joes Armen um die Schultern. Adam kam sofort herbei und tat dasselbe mit Joes anderem Arm. Zusammen brachten sie den Verletzten zurück in dessen Zimmer und legten ihn zurück auf das Bett.

Sofort entfernten sie ohne Rücksicht auf Verluste das Hemd. Auch die Hose wurde ruppig herab geschoben.
 

Die Wunde war zwar noch genauso tief wie zuvor, aber nun deutlich länger. Der Riss reichte fast bis zum Bauchnabel.

"Himmel Joe, was hast du denn gemacht? Das muss genäht werden."

Wie auf ein Kommando sammelte Adam alles für seinen Vater zusammen, welcher sich die Hände ordentlich wusch und schließlich abtrocknete.

"Halt ihn fest, Adam.", befahl Ben erneut und reichte Adam ein Stück Leder, welches er Joe zwischen die Lippen schob.
 

Joe biss von selbst zu und beobachtete, wie sein Vater alles fürs Nähen vorbereitete. Adam derweil schlüpfte eilig aus den Schuhen, krabbelte hinter Joe aufs Bett und zog diesen an seinen Oberkörper. Joe lehnte sich an ihn und spürte sogleich die starken Arme seines Bruders, die ihn umschlangen und sicher an den kräftigen Körper drückten. Joe war verwirrt. Er hatte Teile der Unterhaltung noch gehört und war nun verunsichert, aber fühlte er sich auch sehr sicher in Adams Armen. Also entspannte er sich.
 

Adams Sorge war viel zu groß, um sich emotional abzugrenzen. Vielmehr ließ er es einfach zu und legte seinen Kopf auf Joes ab.
 

Ben stutzte kurz und besah sich das Bild. Adam klammerte an Joe, wie ein Ertrinkender an einem dünnen Zweig. Und aus Joes Gesicht war der Schmerz verschwunden, er hatte die Augen entspannt geschlossen. Hatte er wirklich gerade mit einer kleinen Kopfbewegung bewirkt, dass Adams Lippen seine Stirn berührten?
 

Trotz der ernsten Lage musste er lächeln. Er atmete tief durch, reinigte die Wunde und fing an zu nähen. Ben gab sich Mühe, Ruhe auszustrahlen und sicher die Nadel durch die Haut zu führen. Er brauchte vierundzwanzig Stiche, um die ganze Wunde zu verschließen.
 

Er war gerade fertig, da stürmte Hoss ins Zimmer.

"Pa! Wir haben zwei Tote!"

"Was?" Ben sprang auf und stieß dabei versehentlich Joes angewinkeltes Bein an, worauf der schmerzerfüllt aufjaulte. Sofort drückte Adam dessen Gesicht an sich und flüsterte ihm beruhigende Nichtigkeiten ins Ohr.

"Wie? Warum? Wer ist tot?", stammelte Ben und auch Adam hob nun den Kopf erschüttert.

"Bei den Rindern. In der Nacht haben Berglöwen die Wachen direkt angegriffen und zwei von ihnen getötet. Sie wurden eben erst gefunden. Es waren drei Männer. Der dritte ist verletzt, die anderen beiden sind tot.", erklärte Hoss hektisch.
 

"Diese verdammten Mistviecher.", fluchte Ben und zitterte vor lauter Wut.

"Wir müssen was unternehmen, Pa.", meldete sich Joe mit noch etwas schwacher Stimme und wollte aufstehen. Doch Adam war stärker und drückte den Jüngeren sofort an sich.

"Du gehst nirgendwohin.", meinte er leise, aber sehr bestimmt.
 

Ben drehte sich sofort zu den Beiden um und fuhr sich verzweifelt durch die Haare.

"Adam, Hoss, wir reiten in den Wald und schnappen uns die Biester. Adam verbinde deinen Bruder und komm dann runter. Und Joe, du tust genau das, was Hop Sing dir sagt."

Dann stürzte Ben sofort hinaus, Hoss folgte aufgebracht.

Adam sah kurz auf die sich schließende Tür und seufzte, dann drückte er Joe enger an sich.

"Wenn ich bleiben soll, musst du es nur sagen Kleiner."

"Nein, geh. Ich komme hier klar.", meinte Joe in einem abweisenden Unterton.
 

Adam hob eine Braue an und strich durch Joes Haar.

"Was hab ich jetzt wieder gemacht?"

Joe atmete tief durch und verspannte sich, worauf Adam ihn langsam los ließ.

"Ich habe euch kurz reden hören, dich und Pa. Also warum solltest du bleiben wollen? Ich bin dir doch eh nur eine Last."

Mit einem Satz war Adam von der Matratze gesprungen und stand nun vor seinem Bruder vor dem Bett. Mit steinerner Miene nahm er das Gesicht Joes in beide Hände.

"Du bist mir niemals eine Last. Hörst du? Niemals. Es ist nicht dein Fehler und nicht deine Schuld. Ich muss nur lernen mit etwas umzugehen, das mit mir selbst zu tun hat." Zärtlich strich er mit dem Daumen über Joes Wangen und sah ihm tief in die eingeschnappten, grünen Augen.
 

"Und deswegen musst du Pa beauftragen nach mir zu sehen, weil du mir nicht zu nahe kommen kannst? Und übrigens hast du gestern versprochen, dass du nochmal zu mir kommst. Du bist nicht gekommen." Forsch zog Joe sein Gesicht aus Adams Händen. Er wollte jetzt nicht betüddelt werden.

Adam seufzte und machte sich daran die frische Naht nochmal einzusalben und anschließend zu verbinden.

Als er damit fertig war, zog er die Schuhe wieder an und entsorgte zuerst das blutige Bettzeug und kleidete dann Joe neu ein.
 

"Ich weiß, ich habe dich enttäuscht Joe. Diese ganze Sache, die da zwischen uns abläuft, überfordert mich. Das ist zu viel auf einmal. Ich kann über Gefühle singen und dichten und erzählen, aber nur, wenn es nicht um meine geht.", versuchte er es nochmal und fuhr Joe sanft durch die Haare. Sein Kleiner saß mit verschränkten Armen da und versuchte ihn wohl zu ignorieren. Allerdings hielt er das nicht lange durch.

"Sag sowas nie wieder. Und wenn du mich nochmal sitzen lässt, wirst du es bereuen. Wenn ihr heute noch wiederkommt, will ich, dass du singst, eine Ballade oder so, heute Abend.", forderte Joe und blickte Adam richtig grimmig an.
 

"Warum gerade eine Ballade?", hob Adam eine Braue. Hatte Joe etwas mitbekommen?

"Vielleicht gewöhnst du dich so ja daran, dass es nicht Schlechtes ist, sich einfach mal fallen und Dinge passieren zu lassen."

Adam rieb sich übers Gesicht und nickte schließlich.

"Von mir aus. Aber nur, wenn ich heute Abend von Hop Sing keine Klagen höre."

"Abgemacht und jetzt geh."
 

Adam drehte auf dem Absatz und wollte auf die Tür zu marschieren. Er kam jedoch nicht einen Schritt vorwärts, da wurde er ruppig am Handgelenk gepackt und zurück gezerrt. Adam stolperte wegen des Schwungs und landete vor Joes Bett auf den Knien. Joes Blick hatte eine 180 Wendung hingelegt und endlich strahlten die grünen Augen wieder. Adam konnte nichts tun, als sich Joe herab beugte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Anschließend tätschelte Joe die Wange etwas und richtete sich ächzend wieder auf.

"Jetzt kannst du gehen."
 

Adam erhob sich und rieb sich abwesend mit einer Hand die Wange, ehe er es nun tatsächlich zustande brachte, das Zimmer zu verlassen. Joes miese Laune war mit einem Mal verpufft, er saß da und grinste, während er hörte, wie seine Familie das Haus verließ.

Nur im Erdgeschoss hörte er Hop Sing noch rumwerkeln.
 

Aber das war ihm egal. Wichtig war nur das verhallende Geräusch von Pferdehufen. Und im Geheimen galoppierte sein Herz ihnen nach. Es machte ihn fuchsteufelswild, dass er nun ans Bett gefesselt war. Endlich ging es seinem Kopf wieder gut, da machte ihm die Wunde einen Strich durch die Rechnung.
 

Nur langsam beruhigte sich sein Herz wieder, welches wieder zu rasen angefangen hatte, als er Adam den Kuss auf die Wange gegeben hatte. So langsam war diese Affinität etwas, das man nicht mehr ignorieren oder auf die leichte Schulter nehmen konnte. Er sollte sich Gedanken machen, wohin das Ganze führen sollte und ob er es seinem Bruder zumuten konnte, dafür die Verantwortung zu übernehmen.



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