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Schneeflocke [Nikolaus Special]

von

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Schneeflocke

Hallo meine Lieben :)
 

Anlässlich des heutigen Tages habe ich mir gestern einen Oneshot zum Thema "Nikolaus" überlegt und das kam dabei heraus. Ich hoffe, er gefällt euch und ihr könnt für ein paar Minuten abtauchen und genießen.
 

Viel Spaß beim Lesen ♥
 

„Hallo mein Schatz, leider schaffen wir es nicht zur Nikolausfeier. Du weißt ja, Paps hat immer so viel zu tun und ich bin auch nicht mehr die Jüngste. Sei nicht traurig deswegen. Wir holen das definitiv nach, ja? Wir haben dich lieb!“
 

Das Piepen des Anrufbeantworters lässt mich wieder in die Realität zurückkehren. Ich stehe geknickt und mit hängenden Schultern neben meinem Telefon, den Blick starr auf das nun leuchtende, rote Briefsymbol gerichtet. Eine neue Nachricht. Hatte ich wirklich erwartet, dass sie dieses Jahr Zeit für mich, ihre Tochter, finden würden? War ich wirklich so naiv daran zu glauben? Ja, das war ich.
 

Seufzend drücke ich auf das Briefsymbol, höre mir die Worte meiner Mutter ein weiteres Mal an. Sie fühlen sich wie einzelne, kleine Stiche in meinem Herzen an. Dann verstummt die Stimme des Anrufbeantworters und ich stehe wieder in der Stille, wie zuvor vor dem Anruf. Ich bin bewusst nicht rangegangen, wollte mir ihre entschuldigenden Worte nicht antun. Genau 5 Jahre haben wir uns jetzt nicht mehr gesehen und außer zu meinem Geburtstag, Nikolaus und Weihnachten melden sie sich nicht. Außer es ist etwas Schlimmes passiert, zum Beispiel ein Todesfall, aber selbst das kommt selten bis nie vor.
 

Meine Familie ist nicht mehr so groß wie früher. Oma und Opa sind schon lange in den Himmel aufgestiegen, Geschwister habe ich keine. Meine Tante und mein Onkel wohnen weiter weg und ihr Interesse an der Familie ist sichtlich begrenzt. Wer bleibt mir also außer meinen Eltern? Ein Partner? Das wäre Wunschdenken. Mein letzter Freund ist 2 Jahre her und in der Zeit habe ich ´Mister Perfect´, wenn es ihn überhaupt gibt, noch nicht gefunden. Ich wäre froh, wenn ich dieses Jahr jemanden an meiner Seite hätte, aber scheinbar werde ich sowohl Nikolaus als auch Weihnachten alleine verbringen.
 

Bei diesen Gedanken zieht sich eine Gänsehaut über meinen Körper und ich verfalle in eine traurige Stimmung. Mein Blick wandert in mein dekoriertes Wohnzimmer. Die Fenster sind mit verschiedenen sternenförmigen Lichterketten geschmückt, selbstgebastelte Schneeflocken aus Papier hängen an den Scheiben. Selbstgebackene Plätzchen türmen sich auf einem silbernen Teller auf dem geschmückten Tisch. Alles ist schön vorbereitet für das diesjährige Fest. Der ganze Raum scheint nur für diesen einen Tag zu strahlen. Ich fühle mich wie das genaue Gegenteil meiner Dekoration. Allein und einsam.
 

Ich schrecke auf, als mir etwas weiches, mauzendes um die Beine streift und nach Aufmerksamkeit verlangt. Matt lächelnd begebe ich mich in die Hocke, streichle über das weiße Fell meines Katers. Er scheint meine traurige Stimmung zu fühlen, denn er drückt seinen Kopf gezielt gegen meine Beine, schnurrt ausgiebig dabei. Vielleicht hat er auch einfach nur Hunger. „Du kannst dich so glücklich schätzen, dass du ein Kater bist mein lieber Artemis“ ich kraule meinen langjährigen Freund gezielt hinter den Ohren, entlocke ihm somit ein mauzen. Meine weiße Schneeflocke, so nenne ich ihn gerne liebevoll, hat eines Tages vor meiner Tür gesessen. Er war gerade einmal handgroß und sehr abgemagert. Sein klägliches Mauzen nach Futter und Wärme ließ mein Herz in Sekunden erweichen. Da mein Vermieter zum Glück nichts gegen Tiere hat, konnte ich den kleinen Kerl behalten. Nun wohnen wir schon fast 2 Jahre zusammen. Ironie wenn man bedenkt, dass mein Exfreund kurz zuvor aus und Artemis eingezogen ist.
 

„Komm, heute gibt es etwas besonders zu fressen!“ ich versuche ein ehrlicheres Lächeln auf die Lippen zu bekommen, aber es fällt schwer. Ich weiß, dass Artemis meine Gefühlslage spüren kann und gerade deshalb möchte ich nicht traurig sein. Schnurrend folgt er mir in die Küche, umgarnt meine Beine mit seinem Körper. „Ich beeil mich ja!“ verspreche ich ihn und hole einen frischen Napf aus dem Schrank, bevor ich ihn mit einer leckeren Mischung aus Lachs und Gelee fülle. Um alles abzurunden platziere ich einen zurechtgeschnittenen Käsewürfel auf dem Lachsfleisch. Er liebt Käse über alles, wer weiß warum. War wohl im früheren Leben mal eine Maus. „Lass es dir schmecken!“ bevor ich den Napf nur ansatzweise auf den Boden stellen kann, hängt Artemis sein Kopf schon mittendrin. Kopfschüttelnd verfolge ich das Spektakel, kann mir ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. Auch wenn ich alleine bin, ist er doch immer an meiner Seite. Meine Schneeflocke.
 

[*]
 

„Und denken Sie daran immer die Salbe am Abend aufzutragen. Ansonsten verheilt die Wunde nicht!“ ich überreiche der verweinten Frau die angesprochene Salbe, welche sie dankbar und mit zitternden Händen annimmt. Danach verstaut sie ihren kleinen Chow-Chow in einer Tragebox, bedankt sich bei mir mehrere Male. Seufzend lasse ich mich auf einen schwarzen Drehstuhl sinken, fahre mir mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Heute ist Nikolaus und eigentlich wollte ich mit meinem besten Freund um die Häuser ziehen. Bevor wir überhaupt daran denken konnten uns fertig zu machen, kam ein Anruf von meinem Chef. Er müsse schnell zu einem Notfall und ich solle kurz auf alles Acht geben. Natürlich konnte ich nicht nein sagen und so stehe ich jetzt hier, in meinem weißen Kittel mit der Aufschrift „Y. Kou –Assistenzarzt“ und warte darauf, dass mein Chef zurückkommt. Leider ist er kurz nach der Untersuchung eben erst los und das bedeutet, dass es etwas länger dauern kann. Was mache ich denn jetzt bloß?
 

Das Vibrieren meines Handys rettet mich aus meiner gelangweilten Situation und ich ziehe es hastig aus meiner Hosentasche. „Meinst du, du schaffst es heute noch? - Seiya“ natürlich konnte diese Frage nur von meinem besten Freund kommen. Zügig schreibe ich ihm zurück, dass ich nicht genau weiß wann ich hier wieder rauskomme. Danach wird es wieder still um mich herum. Ein langgezogenes Seufzen folgt und ich lege meinen Kopf auf die kalte Tischplatte vor mir ab. So hatte ich mir meinen Tag ganz sicherlich nicht vorgestellt. Ich wollte Ablenkung von meiner momentanen Situation, wollte mit Seiya ein paar Bier trinken gehen. Von was ich mich ablenken will, wollt ihr wissen? Na von den Frauen natürlich! Nicht irgendeiner Frau, sondern ihr. Meine Exfreundin hat vor genau einem Vierteljahr, an meinem Geburtstag, mit mir Schluss gemacht. Ist doch ein geiles Geschenk, oder? Du kommst von der Arbeit nach Hause und erwartest einen kurzen Brief mit den Worten „Ich kann das nicht mehr. Bitte melde dich nicht bei mir. Lynia“.
 

Nach einem halben Jahr hat sie mich dann unerwartet angerufen um mir mitzuteilen, was sie alles an der Beziehung gestört hat. Angeblich hätte ich nie Zeit für sie gehabt, die Tiere auf der Arbeit wären mir wichtiger gewesen. Also wer auf hilfsbedürftige Tiere eifersüchtig ist, hat sie doch nicht mehr alle! Den Anruf hätte sie sich damals mehr als schenken können! Leider denkt mein Herz da was ganz anderes. Es kann einfach nicht von ihr loslassen und das ist das Schlimme an der ganzen Situation. Ein ganzes Jahr Beziehung ist zwar nicht lang, aber es war dennoch bedeutungsvoll. Für mich jedenfalls… „Bin wieder da!“ die Stimme meines Chefs lässt mich automatisch aufhorchen.
 

Feierabend!
 

Mit einer schon deutlich besseren Laune begebe ich mich aus dem Raum, sehe meinen Chef im Flur hastig die Jacke ausziehen. „Irgendwas vorgefallen?“ ich berichte ihm, dass nach dem Eingriff mit dem Chow-Chow kein weiterer Patient da war. „Gut. Du kannst dann gehen. Danke, dass du so schnell zur Stelle warst!“ fast väterlich legt er mir seine Hand auf die linke Schulter, drückt leicht zu. Ich nicke ihm zu, bevor ich mir meine Jacke vom Garderobenhaken schnappe und überziehe. „Einen schönen Nikolaustag!“ ruft mir mein Chef noch zu, eh er sich an den Computer setzt um einige Daten zu bearbeiten. „Wünsche ich Ihnen auch!“ ob dieser Tag noch so schön werden wird, wird sich zeigen. Ich bin zwar nicht so optimistisch wie Seiya, aber wer weiß schon was mir heute noch über den Weg läuft.
 

[*]
 

„Nur ein kleines Mädchen, ein Hühnchen ohne Federn“
 

Mit angezogenen Beinen sitze ich auf der Couch vor meinem Lieblingsmärchen und träume von meinem persönlichen Prinzen. In meiner Schwärmerei bekomme ich nicht mit, dass von außerhalb meines Wohnzimmers komische Geräusche zu hören sind. Erst als ich meinen Blick auf das leere Katzenkörbchen auf dem Boden richte, kann ich es hören. Es klingt als würde jemand etwas hochwürgen, aber es nicht schaffen. Ich ziehe beide Augenbrauen hoch und plötzlich scheint bei mir der Groschen zufallen. Artemis! So schnell wie ich von meiner Couch aufspringe, so schnell bin ich auch an der Geräuschquelle. Meine weiße Schneeflocke sitzt in einer hinteren Ecke des Flures und scheint mit irgendetwas Probleme zu haben. Er würgt immer wieder vereinzelt und leichte Röchelgeräusche entweichen seinem Maul. Ich begebe mich in die Hocke, will ihn streicheln, aber er zuckt zusammen und weicht mir aus. „Hey… was ist den los?“ das er mir nicht antworten kann, ist mir in dem Moment nicht bewusst. Mir kommt eine Idee und ich eile zügig in die Küche. Ich fülle seinen Wassernapf mit frischem Wasser, bevor ich diesen im Flur vor ihm abstelle. Einen kurzen Blick, mehr ist er dann nicht mehr wert. „Was mache ich denn jetzt?“ mein Blick bleibt am Telefon hängen und mir fällt ein, dass ich beim letzten Tierarztbesuch mit Artemis eine Visitenkarte mitbekommen habe. Hoffentlich habe ich Glück und es ist jemand da!
 

Erleichtert vernehme ich das Freizeichen am anderen Ende und warte ungeduldig. Nun geh schon einer ran! „Tierarztpraxis Meyer, wie kann ich Ihnen helfen?“ ein älterer Mann ist am Apparat, seine Stimme hat einen angenehmen, beruhigenden Klang. Sofort entspanne ich mich, schildere ihm meine Sachlage. „Sie müssen ihm helfen!“ flehe ich in den Hörer, während ich auf meinen röchelnden Kater blicke. „Ich schicke Ihnen jemanden vorbei! Haben Sie noch etwas Geduld!“ es ist zwar in der momentanen Situation nicht einfach geduldig zu bleiben, aber ich versuche es. Besorgt ließ ich mich neben Artemis nieder, streichelte ihn sehr behutsam über den Rücken. „Bitte beeilt euch“ wimmerte ich leise und schon kullerten die ersten Tränen meine Wange hinab.
 

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„Dann hat sie mich eiskalt vorm Kino versetzt! Ist denn das zu glauben?“ Seiya erzählt mir gerade von einer seiner versuchten Eroberungen und wie sie ihn hat sitzen lassen. Tja, kann halt nicht jede auf dich stehen mein Lieber. Gespielt besorgt tätschle ich ihm seine rechte Schulter „Armer Seiya… magst du einen Lolli?“ ein Fausthieb auf die Schulter folgt als Antwort und ich grinse ihn dümmlich an. „Du schlägst wie ein Mädchen!“ provokant zieht er beide Augenbrauen hoch, bleibt plötzlich stehen. Ich mache es ihm nach, warte auf seine Reaktion. „Du kleiner Stinker!“ und eh ich mich versehe, hat mich der Gute im Schwitzkasten. „Au… Au… hör auf!“ jammere ich gespielt und versuche seinem Griff zu entkommen. Leider ist er sowohl größer als auch stärker und ich habe keine Chance. „Wenn du brav bitte sagst lasse ich dich vielleicht los“ Wow, das sind ja klasse Aussichten. „Wovon träumst du nachts?“ will ich da wirklich wissen? „Von nackten Frauen mit großen Brüsten!“ nein, will ich nicht. Erschöpft und keuchend gebe ich auf, hänge irgendwann wie ein nasser Sack in seinem Griff.
 

Erst als mein Handy erneut mehrmals vibriert, horche ich auf. Seiya lässt mich sofort los, holt tief Luft. Ich fummle es aus meiner Gesäßtasche, blicke auf das leuchtende Display. Der Name der Tierarztpraxis springt mir entgegen und ich seufze einmal kellertief. Ernsthaft? „Yaten am Apparat!“ ein winziges Murren kann ich leider nicht unterdrücken und ich hoffe, dass mein Chef es mir nachsieht. „Tut mir leid, dass ich dich in deinem Feierabend störe, aber ich brauche dich nochmal“ das wollte ich hören... nicht! „Um was geht’s?“ er schildert mir die Sachlage, bittet mich um Eile. Zum Glück ist die Straße der Frau nicht weit entfernt und in 5 Minuten sollte ich dort sein. „Ich kümmere mich drum“ und schon habe ich aufgelegt und das Handy wieder in der Tasche verstaut. „Tut mir leid Kumpel, ein Einsatz ruft“ seinem Blick nach zu urteilen ist er mir nicht böse, viel eher klopft er mir aufmunternd auf die Schulter. „Meld dich wenn du fertig bist“ ich komme nicht umhin ihn kurz dankbar zu umarmen, bevor ich mich auf den Weg zum Notfall mache.
 

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Es dauert gefühlt 15 Minuten als endlich meine Türklingel ertönt und ich den Knopf zum Öffnen drücke. Artemis hat sich währenddessen in eine andere Ecke verzogen. Dem Armen scheinen die Kräfte verlassen zu haben, denn er liegt röchelnd auf der Seite. Als Schritte im Hausflur ertönen, eile ich zur Tür, ziehe sie fast schon zu energisch auf. Ein junger Mann, ich schätze ihn auf mein Alter, steht vor mir. Die Augen überrascht geweitet, starrt er auf mein Klingelschild. Scheinbar will er sich vergewissern, dass er wirklich richtig ist. „Aino. Ich habe angerufen“ ohne ihn zu Wort kommen zu lassen umfasse ich sein rechtes Handgelenk und ziehe ihn in meinen Flur. Was ich gerade für ein jämmerliches Bild abgeben muss, ist mir relativ egal. Er muss Schneeflocke helfen! „Yaten Kou, Assistenzarzt“ stellt er sich kurz räuspernd vor, bevor er auf sein Handgelenk blickt. Ich halte es noch immer fest umschlossen, das weiß meiner Fingerknöchel sticht hervor. „Bitte helfen Sie Artemis!“ flehe ich jämmerlich und deute auf die Ecke in der er liegt. Rasch wendet er sich um, schaut auf meinen weißen Kater. „Miss…“ er will loslaufen doch ich halte ihn noch immer fest. „Verzeihung“ rasch ziehe ich meine Hand zurück, lasse ihn seine Arbeit machen. Was ist denn nur mit mir los?
 

Herr Kou benötigt keine 5 Minuten um mir zu sagen, dass sich eventuell ein Fremdkörper in Artemis befindet, welcher wohlmöglich feststeckt und ihn deshalb röcheln lässt. Um dies aber gänzlich auszuschließen, sollte ich sofort mit ihm zur Praxis gehen. „Natürlich“ sofort eile ich in meine kleine Abstellkammer, hole die Transportbox heraus. Diese statte ich zugleich mit einem Handtuch aus dem Bad aus, bevor ich damit in den Flur zurückeile. Der Assistenzarzt legt ihn vorsichtig in die Box, streichelt noch einmal behutsam über sein Fell. Ich komme nicht umhin ihn zu bewundern und mein Herz macht einen verräterischen Satz. „Können wir?“ seine Augen richten sich auf mich und ich muss unwillkürlich schlucken. Grüne Katzenaugen. Mechanisch nicke ich ihm zu, schlüpfe in Jacke und Schuhe.
 

„Wie alt ist Ihr Artemis?“ während wir uns auf dem Weg zur Praxis befinden, fragt mich Herr Kou einige Sachen über meinen Liebling. „Er hat vor genau 2 Jahren vor meiner Tür gesessen“ überrascht blicken mich seine grünen Augen an und ich verkneife mir ihn anzusehen. Mein verräterisches Herz schlägt schnell und ich versuche diesen Zustand auf meinen schnellen Gang zu schieben. „Ich weiß nicht ob er ausgesetzt wurde oder irgendwo ausgebüxt ist, aber er saß eines Tages mauzend vor meiner Tür. Ich konnte ihn in seinem Zustand nicht dem Schicksal überlassen, also habe ich ihn aufgenommen“ matt lächelnd drücke ich die Transportbox näher an meine Brust, als ich plötzlich eine warme Hand auf meiner Schulter spüre. Mein Kopf ruckt zur Seite und direkt in das Gesicht des Übeltäters. Ein aufmunterndes Lächeln gefolgt von „Es wird alles gut, glauben Sie mir“ schlägt mir entgegen. Meine Augen haften an seinen Lippen und hätte er mich nicht so geistesgegenwärtig zu sich gezogen, wäre ich samt Transportbox in einen Laternenpfahl gelaufen. „Verzeihung…“ murmle ich beschämt, doch der Silberhaarige nickt nur wortlos. Was mag er wohl von mir denken?
 

[*]
 

Verdammt! So hatte ich mir meinen Einsatz nicht vorgestellt. Anstatt einer alten schrumpeligen Frau, steht eine wahre Schönheit vor meiner Nase und zu allem Überfluss entspricht sie genau meinem Geschmack. Dass sie tierlieb ist erkenne ich sofort an ihrer Art wie sie über Artemis spricht. Ihre Augen glänzen dabei verräterisch und ich muss mich zusammenreißen, um sie nicht sofort auf ein Date einzuladen. Immerhin bin ich hier um ihren Kater zu helfen und nicht um der Besitzerin schöne Augen zu machen. Somit mache ich mich an die Arbeit, taste den kleinen Kerl vorsichtig ab. Irgendetwas muss in ihm stecken was ihn röcheln lässt. Ich beschließe die Sache meinem Chef zu übergeben. Noch bin ich nur Assistenzarzt. Zügig machen wir uns auf den Weg und ich frage sie einige Sachen über ihren Kater. Erstaunt darüber, dass er ihr zugelaufen zu seinen scheint, blicke ich sie an. Sie hat ein wirklich schönes Gesicht, mit einer kleinen runden Stupsnase. Das blonde Haar fällt wie in Wellen über ihren Rücken, endet unterhalb ihres Pos. Soweit ich es erkennen konnte, hat sie blau-grüne Augen. Wenn sie jetzt noch Single ist vergesse ich mich!
 

Kurz vor unserem Ziel muntere ich sie etwas auf und als ihr Blick auf meinen Lippen zu haften scheint, man macht mich diese Frau an, bemerke ich den näherkommenden Laternenpfahl. Geistesgegenwärtig umschließe ich mit meiner linken Hand ihre Hüfte und ziehe sie in einer Leichtigkeit zu mir. Unsere Schultern stoßen kurz zusammen, bevor sie in meinem Arm zum Stehen kommt. Ein Duft aus Lavendel und Orchideen dringt in meine Nase und ich schaffe es gerade so ihr nicht zu verfallen. Zu meinem Glück befindet sich keine drei Meter weiter die Praxis und ich räuspere mich kurz. „Da vorne ist die Praxis!“ ich deute provisorisch mit dem Finger auf ein größeres Haus, aus dem noch Licht scheint. Zügig setzt sie sich in Gang, entschwindet meiner Nähe.
 

Reiß dich zusammen Yaten! Es geht hier immerhin um ihr Tier. Rasch laufe ich ihr hinterher, öffne die Tür der Praxis damit sie vorausgehen kann. Mein Chef blickt sofort von seinem Computer auf, eilt zu uns. „Miss Aino, nehme ich an?“ sie nickt mehrmals mechanisch, wirft mir unsichere Blicke zu. „Ich vermute, dass der kleine Kerl etwas Fremdes in seinem Körper hat und es nicht mehr rausbekommt“ schildere ich meinen Eindruck und der ältere Mann nickt wissentlich. „Du weißt was jetzt zu tun ist“ ich nehme Miss Aino die Transportbox behutsam aus dem Arm, streife dabei ihre Hand mit meiner. „Keine Angst, ich passe auf ihn auf. Setzen Sie sich solange auf einen der Stühle. Ich bin bald wieder da“ am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen, aber es ist Eile geboten.
 

Eine geschlagene halbe Stunde später haben wir den Übeltäter der ganzen Misere ausfindig machen und entfernen können. Sowohl mein Chef als auch ich beäugen das kleine Stück Käse, welches auf einer der Papierhandtücher liegt. Artemis liegt noch unter einer leichten Narkose, aber es scheint ihm langsam besser zu gehen. „Geh du es ihr sagen, ich warte solange hier“ der alte Mann drückt mir das Papierhandtuch in die Hand und ich beeile mich zu ihr zu gelangen.
 

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Nervös kauere ich auf einen der weißen Wartestühle und wippe leicht vor und zurück. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes! Bitte lass es nur etwas harmloses sein. Ich flehe und bete zu Gott, bitte ihn mir meinen Schatz nicht zu nehmen. Außer ihm habe ich doch niemanden. Nach einer geschlagenen halben Stunde öffnet sich das Zimmer zum Behandlungsraum und Herr Kou tritt heraus. Seine Stirn glänzt und weist vereinzelte Schweißperlen auf. Rasch erhebe ich mich und steuere auf ihn zu, bleibe direkt vor ihm stehen. „Was ist mit ihm? Geht es ihm gut? Kann ich zu ihm?“ statt mir sofort meine unzähligen Fragen zu beantworten, hält er mir eines der Papierhandtücher vor die Nase, auf welchem ein Stück Käse liegt. Ich werde sofort blass, gehe einen Schritt zurück. Das kann doch nicht sein.
 

„Miss Aino?“ besorgt tritt der hübsche Silberhaarige auf mich zu, legt behutsam seine Hand auf meine Schulter. „Ich bin daran schuld… ich…“ tiefe Schuldgefühle breiten sich in meinem Körper aus und der Gedanke, dass er wegen mir leiden musste, übermannt mich. Ich sinke auf die Knie, beginne jämmerlich zu weinen. Herr Kou bleibt trotz meines Nervenzusammenbruchs ruhig, begibt sich zu mir auf Augenhöhe. „Sie sind nicht daran schuld. Ihr kleiner Schatz war wohl so gierig, dass er einfach vergessen hat das Stück zu kauen“ ich blicke zu ihm, sehe seine verschwommenen Umrisse. „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf…“ zaghaft wischt er mir mit dem rechten Handrücken einige Tränen von der Wange, hinterlässt ein angenehmes Gefühl von Wärme „…würde ich das nächste Mal auf Fleisch umsteigen. Käse ist im Allgemeinen nicht gut für die kleinen Schnurrer. Wenn er aus der Narkose wieder aufgewacht ist, können Sie ihn wieder mit nach Hause nehmen“ lächelnd wischt er ein weiteres Mal über meine nassen Wangen, doch dieses Mal fange ich seine Hand mit meiner auf. Vergessen ist die Angst um Artemis und die Schuldgefühle. Dafür umschließt ein ganz anderes Gefühl mein Herz und der Grund dafür hockt direkt vor mir. Ich kann es wohl nicht leugnen. Ich habe mich hoffnungslos verliebt.
 

„Miss Aino?“ der Chef von Herr Kou steht plötzlich hinter ihm, sein Blick liegt erst einmal verwundert auf unseren Händen, welche auf meiner Wange ruhen. Danach umspielt ein wissendes Lächeln seine Züge und ich komme nicht umhin etwas zu erröten. „Artemis ist wieder aufgewacht und ich glaube, er möchte jetzt zu Ihnen. Yaten ich empfehle dir Sie heil nach Hause zu bringen“ uns kurz zuzwinkert verschwindet der alte Mann wieder und der Silberhaarige hilft mir auf. Er scheint genauso verlegen zu sein wie ich, denn sein Blick liegt starr auf dem Boden der Praxis. „Würden Sie denn mitkommen wollen?“ frage ich vorsichtig, komme nicht umhin etwas Hoffnung zu hegen. Er nickt wortlos und als er mir sein Gesicht zudreht, erkenne ich eine leichte Röte in diesem.
 

„Was werden Sie heute noch tun?“ etwas entspannter laufen wir gemeinsam den Weg zurück zu meiner Wohnung. Es hat fast 5 Minuten gedauert, bis wir uns in Bewegung gesetzt und losgelaufen sind. Yaten, so hat er sich vorhin nochmal vorgestellt, trägt die Transportbox mit Artemis behutsam in seinen Armen. Der kleine Kerl ist mittlerweile wieder putzmunter und er mauzt den Silberhaarigen mehrmals an. „Eigentlich wollte ich mit meinem besten Freund noch um die Häuser ziehen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher“ seine Worte haben einen unsicheren Klang und ich werfe ihm einen Blick zu. Seine Augen haften fest auf dem weißen Wollknäuel und er beginnt mit ihm zu erzählen. Lächelnd verfolge ich die Szenerie, komme nicht umhin mir den Silberhaarigen gemeinsam mit Artemis in meiner Wohnung vorzustellen. Kopfschüttelnd verweise ich dieses Wunschdenken in die hinterste Ecke meines Gehirns, stelle ernüchternd fest, dass wir schon an meiner Wohnung angelangt sind.
 

„Da wären wir“ eine leichte Enttäuschung ist aus meinen Worten zu hören, bevor ich Yaten die Box aus dem Arm nehmen will. „Nein, warten Sie!“ er hält sie fest umklammert, weicht zurück. Was ist denn nun los? „Wäre es nicht besser ich trage ihn hoch?“ ich blinzle mehrere Male und als ich verstehe was er damit bezwecken will, umspielt ein Lächeln meine Züge. „Ja, da hast du recht. Artemis ist viel zu schwer für mich, soviel wie er frisst“ ein anklagendes Mauzen meines Lieblings lässt uns beide schmunzeln. Vielleicht, aber nur vielleicht, muss ich Nikolaus ja doch nicht alleine verbringen.
 

[*]
 

Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich getan habe! Seiya würde mich jetzt bestimmt für diesen genialen Einfall loben. So kann ich noch ein paar Minuten mit ihr verbringen. Extra langsam, eigentlich müsste es ihr ja auffallen, gehe ich Stufe für Stufe durch das Treppenhaus. Wenn das so weitergeht gehe ich noch rückwärts. Ich versuche lässig zu wirken, aber mein Herzrasen verrät etwas ganz anderes. Ich möchte bei ihr bleiben, sie besser kennenlernen. Vergessen sind die restlichen Gefühle für Lynia. „Los Yaten! Nur noch ein paar Stufen!“ ich schaue verwundert zum Ansatz der Treppenstufen und sehe dort Miss Aino stehen. „Bin gleich da!“ verspreche ich ihr und ich kann den anklagenden Blick von ihrem Kater auf mir spüren. „Schau mich nicht so an“ flüstere ich leise zu ihm „Das mache ich nicht zum Spaß. Was hast du auch so eine hübsche Besitzerin!“ hoffentlich hat sie das jetzt nicht gehört. „Bin da!“ die letzte Stufe nehmend stehe ich nun vor und ein amüsiertes Grinsen liegt auf ihren Lippen. Ich frage mich, ob sie mich gerade aus oder anlacht. Wohl eher aus.
 

„Wie kann ich dir für all deine Hilfe danken?“ fragt sie mich, als wir an ihrer Tür angelangt sind. Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen. „Mir würde dein Namen für den Anfang genügen“ bricht es aus mir heraus und ich spüre mein Gesicht glühen. Prima Yaten, mach ihr die Tomate! „Minako“ flüstert sie mir leise aber hörbar zu. „Ein schöner Name“ ich blicke verlegen auf die Transportbox, welche mir zugleich aus dem Arm genommen werden soll. „Ist es nicht besser wenn ich sie noch in die Wohnung trage?“ bitte sag ja, bitte sag ja. „Ja“ das ich nicht gerade vor Freude heule ist alles.
 

„Da wären wir!“ erleichtert lasse ich die Box behutsam auf dem Flurboden nieder, öffne die Klappe. Mit einem geschmeidigen Sprung entschwindet Artemis dieser, verschwindet sofort im angrenzenden Zimmer. „Was wirst du jetzt noch tun?“ komme ich nicht umhin sie zu fragen. Ihr entspannter Gesichtsausdruck ändert sich bei meiner Frage und sie blickt betreten zur Seite. Habe ich was Falsches gefragt? Scheinbar, denn Minako geht an mir vorbei und verschwindet im selben Zimmer wie Artemis. Ohne lange zu überlegen folge ich ihr leichtfüßig, finde sie auf einer weißen Couch wieder. Das ist wohl das Wohnzimmer. Ich staune Bäume, als ich die verschiedenen Lichter und Dekorationen erblicke. Wahnsinn.
 

„Erwartest du Besuch?“ überrascht blickt die Blondine auf, hat sie wohl damit gerechnet das ich gegangen bin. Pech gehabt, mich wirst du jetzt nicht mehr los. „Nein…“ haucht sie mit verbittertem Tonfall, bevor sie mir anstandshalber den Teller mit den Plätzchen anbietet. Ich liebe Süßes! „Danke“ beherzt greife ich zu, beginne genüsslich zu kauen. „Weißt du was hier fehlt?“ verwundert zucken ihre Augenbrauen hoch, bevor sie schulterzuckend den Kopf schüttelt. Ich weiß nicht woher ich den Mut nehme, als ich ihre Hände mit meinen umschließe und sie überraschend in den Stand ziehe. „Es fehlt jemand der mit dir Nikolaus verbringt“ ihre Augen weiten sich, als ich ihr näher komme und meine Stirn gegen ihre lehne. Ich weiß nicht warum, aber das Bedürfnis ihr noch näher sein zu wollen übermannt mich.
 

[*]
 

Den Atem anhaltend starre ich auf die Gesichtszüge Yatens. Er ist mir so nahe und würde ich nur einen falschen Schritt machen, wären unsere Lippen vereint. Ich weiß in diesem Moment nicht was mir mehr Sorgen bereiten sollte, mein zu hoher Puls oder das Bedürfnis ihn an mich pressen und wund zu küssen. „Würdest….“ ich schlucke bei den nächsten Worten und umklammere haltsuchend seine Hüfte. „Würdest du mit mir Nikolaus verbringen?“ jetzt ist es raus! Bitte sag ja, bitte sag ja. „Liebend gerne“ vor lauter Glück weiß ich nicht wohin mit meinen Gefühlen, als ich ihn unerwartet an mich ziehe und ihm einen Kuss auf die Lippen drücke. Seine grünen Katzenaugen fallen zu, eh er sich dem Kuss vollends hingibt. So stehen wir noch lange Zeit da, genießen die Berührungen und die Nähe des jeweils anderen. Als Artemis um unserer beiden Beine streift, trennen sich unsere Lippen nur widerwillig. Lächelnd schauen wir herab, bevor ich ihn liebevoll hochhebe und streichle. „Ohne ihn hätten wir uns wohl niemals kennengelernt“ hauche ich ihm leise zu und der Silberhaarige nickt zustimmend, bevor er sich vorbeugt und mir einen erneuten Kuss stiehlt. Ich bin glücklich und drücke sowohl Artemis als auch Yaten an mich.
 

Meine kleine Welt ist nicht mehr so einsam wie zuvor und das verdanke ich nur einem…. meiner Schneeflocke.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  somo
2015-12-12T21:11:58+00:00 12.12.2015 22:11
Eine wirkliich schöne und süße FF :) ich fand nur das der Kuss etwas schnell ging sie kannten sich ja noch gar nicht aber sonst hat es mir wirklich gut gefallen :) Vielleicht kannst du noch eine FF über die zwei schreiben :)
Antwort von:  Kleinakira90
17.12.2015 18:05
Huhu Somo :D

Danke für das liebe Kommi ;) hat mich sehr gefreut!
Ja, ich wollte unbedingt den Kuss zum Abschluss >___<

Eine weitere FF? Kann ich mir überlegen :) auszuschließen ist es schon einmal nicht ^__^

GLG :)
Von:  Mika_Sweet
2015-12-07T16:43:43+00:00 07.12.2015 17:43
Eine sehr schöne und einfühlsame Geschichte! :)
Hat mir sehr gut gefallen! Mich hätte es nur interessiert warum ihre Eltern keinen Kontakt mit ihr hatten?!

Ansonsten Daumen hoch und die Geschichte kommt gleich zu meinen Favoriten :)

Glg
Antwort von:  Kleinakira90
17.12.2015 18:04
Huhu :D

Vielen lieben Dank für das liebe Kommi ^___^.

Minakos Eltern sind einfach zu beschäftigt mich sich selbst, dass ist das Problem =/. Da besteht keinerlei großes Interesse an dem Kind.

Vielen Dank für das liebe Kommi und den Eintrag :3 ♥ hat mich gefreut zu lesen :)

GLG <3


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