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Babysitten für Fortgeschrittene

von

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Babysitter digitiert zu Adoptivvater

Das Training der nächsten Tage fand in ungewöhnlich guter Stimmung statt. Die Kinder waren gut drauf, sogar Takeshi war gehorsam und es machte sogar ein wenig Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Wir machten Fortschritte, die wegen der ständigen Reibereien vorher nicht möglich gewesen wären und ich war sogar ein bisschen stolz auf meine Schützlinge. Ich dachte schon, die erste gemeinsame Mission und unser kleiner Ausflug mit Naruto haben Wunder gewirkt, als Takeshi in der nächsten Woche schon wieder zu spät auftauchte – Und das mit offensichtlichen blauen Flecken und seiner üblichen schlechten Laune. Ich fragte gar nicht erst, was er angestellt hatte – Er würde es mir ja sowieso nicht sagen – Und schickte ihn als Strafe joggen. Natürlich passte ihm das nicht, weshalb er im weiteren Verlauf des Vormittags patzig auf meine Anweisungen reagierte.

Nach der Mittagspause waren alle müde, nervös und lustlos, trotzdem hielt ich an meinem Plan fest, ihnen eine komplizierte Technik beizubringen. Wenn sie erstmal auf sich gestellt wären, würde auch niemand Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten legen. Von Erfolg gekrönt waren meine Bemühungen allerdings bei keinem der Kinder, was mich immer unzufriedener werden ließ. Sakura hatte mir schon eine Million Mal gesagt, dass ich geduldiger werden musste, aber das war einfach keine meiner Stärken.

„Willst du die Bewegung nicht lernen?“, fragte ich ungeduldig, als Takeshi zum hundertsten Mal bei einer Übung versagte. Ich machte ihm die Bewegungsfolge nochmal vor. „So wird es gemacht.“

„Vielleicht erklären Sie es einfach scheiße!“, fuhr er mich mit glühenden Augen an. Mir fiel auf, dass er sein Gewicht möglichst oft auf das linke Bein verlagerte und mir seine rechte Seite zudrehte, als würde er eine Schwachstelle schützen wollen. Fast so, als erwarte er, ich würde ihn im nächsten Moment angreifen. „So ein Genie, wie Sie zu sein glauben, sind Sie nämlich gar nicht.“

„Es steht dir immer noch frei, zu gehen.“ Ich verschränkte die Arme, die Stimme kühl und hochnäsig. „Aber komm nicht nochmal angekrochen, wenn du es dir anders überlegst.“

„Ich…“ Takeshi stockte in einer sicherlich flammenden Rede. Unsere Blicke trafen sich wie Waffen, aber schließlich senkte er den Kopf, linste gleichzeitig immer noch wütend zu mir hoch. „Ich versuche es da drüben mal alleine, wenn das ok ist.“

Ich nickte und sah ihm hinterher, dann wandte ich mich kopfschüttelnd wieder den anderen beiden zu. Tsubaki und Nishiki sahen betrübt aus; Ihnen fehlte offensichtlich bereits die gute Atmosphäre der letzten Tage. Nun, das war nicht meine Schuld, dachte ich verstimmt, und pflaumte auch die beiden an, sie sollen endlich weiter machen.

Es war wirklich nicht meine Aufgabe, mich um den Hormonstau dieses grantigen Teenagers zu kümmern. Mit den verwirrenden Veränderungen seines Körpers konnte er sich anderswo auseinandersetzen, nicht in meinem Unterricht. Und wenn er dafür die Unterstützung eines Erwachsenen brauchte hatte er dafür immer noch seine Eltern. Mit denen würde ich auch noch ein ernstes Gespräch führen, nahm ich mir vor, noch heute Abend, wenn es sein musste. Dabei ging es schon lang nicht mehr darum, ob der Junge ein guter Schüler war, sondern darum, dass er kein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft sein konnte, so, wie er sich aufführte. Man konnte nicht immer nur seinen Stiefel durchziehen, das hatte auch ich irgendwann lernen müssen.

Die Kinder waren noch immer befangen als sie ein paar Stunden später ihre Sachen zusammenräumten. „Bis Morgen, Sensei.“, sagte Tsubaki und die Jungs wollten sich mit einem Nicken anschließen, doch ich hielt meinen ältesten Schüler zurück.

„Takeshi, auf ein Wort.“

Wiederwillig die Arme verschränkend blieb er stehen, die mitleidigen Blicke der anderen ignorierend. Tsubaki maßregelte ihren Teamkameraden regelmäßig, trotzdem mochte sie ihn wohl, und Nishiki brachte seinem Senpai sogar eine unterschwellige Verehrung entgegen. Zwar machte er ihn nicht nach, aber er bewunderte Takeshi ganz offensichtlich für seine Fähigkeiten. Ob dieser Ehrerbietung gerechtfertigt war, würde sich jedoch erst zeigen, wenn Nishiki etwas älter war; Im Moment hatte er ja noch den Körper eines Kindes.

Als die Jüngeren weg waren, fuhr ich an Takeshi gewandt fort: „Dein Verhalten ist nicht mehr tragbar. Du behinderst damit nicht nur deine eigene, sondern auch die Entwicklung der anderen beiden.“

„Die letzte Woche haben Sie auch nichts gesagt. Nur, weil es heute nicht so gut gelaufen ist…“

„Es ist davor schon lange genug ´Nicht so gut gelaufen` - Was eine Untertreibung ist, wie du sehr wohl weißt.“, fiel ich ihm ins Wort. “Ich habe dir schon gesagt, dass ich Integration erwarte.“

Er warf die Arme hoch und wandte sich ab. „Und was wollen Sie jetzt machen? Mich doch rausschmeißen? War ja klar, dass Sie genauso einknicken wie die anderen…“

„Das hättest du wohl gerne“, zischte ich, nur mit Mühe die Fassung bewahrend. Ich wusste wirklich nicht, warum es diesem Rotzlöffel so leicht fiel, mich auf die Palme zu bringen. „Ich werde mit deinen Eltern sprechen. Offenbar ist in deiner Erziehung grundlegend etwas schiefgelaufen.“

„Sie können es ja versuchen“, lachte er höhnisch.

Ich runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

„Das geht Sie überhaupt nichts an, genauso, wie sie meine Erziehung nichts angeht! Vielleicht fassen Sie sich erstmal an die eigene Nase und denken über Ihre Lehrmethoden nach. Tsubaki und Nishiki haben sich bei dieser Lektion auch schwer getan, und die sind Ihnen in den Arsch gekrochen, oder?“

Überrumpelt von dieser flammenden Anklage verschränkte ich die Arme vor der Brust. Es war die Kritik eines kleinen Jungen, nichts weiter, und doch traf sie mich in meinem Stolz. „Niemand hat gesagt, dass das Training leicht wäre… Aber darum geht es nicht“, erwiderte ich ausweichend, Takeshis sarkastisches Schnauben ignorierend. Als würde ich mich von diesem Bengel belehren lassen! „Es geht darum, dass du mit deiner Eigenbrötlerei nicht weiter kommst. Wenn ich eine Übung für richtig halte, wirst du sie machen, Punkt. Vielleicht wirst du mal ein Teamführer sein, aber du kannst hier nicht deinen Kopf durchsetzen, solang du es dir nicht verdient hast, einen zu haben.“

„Ich war hier, ich habe versucht, diese beschissene Technik zu lernen – So wie Sie es wollten. Und ich hab niemanden verletzt, oder? Also haben Sie überhaupt keinen Grund, hier so auszurasten!“

Er hatte mich noch nie ausrasten gesehen und das wollte er mit Sicherheit auch nicht. Kurz davorstehen tat er jedenfalls schon mal. „Niemanden verletzt, ja? Und was ist mit dir selbst?“, fragte ich und nickte zu den Prellungen an seinen Armen, die er hastig mit den Händen bedeckte.

„Mischen Sie sich nicht immer in meine Privatangelegenheiten ein. Das sind nur Kratzer und sie stammen nicht aus dem Training, also sind sie nicht Ihr Problem.“

„Es ist aber das Problem deiner Eltern.“ Nicht mehr gewillt, noch weiter mit einem Kind zu diskutieren, holte ich meinen Rucksack und warf Takeshi seinen zu. „Mit denen werde ich mich jetzt auch unterhalten. Los, bring mich zu ihnen.“

„Das kann ich nicht“, wiedersprach er und warf bockig seine Tasche zu Boden.

Ich machte eine abschneidende Geste. „Genug jetzt. Du wirst tun, was ich sage.“

Takeshi lachte höhnisch, ein Geräusch, das er für einen so jungen Menschen viel zu oft von sich gab. „Wie war das mit ´Es kann nicht immer alles laufen, wie man will`?“

„ICH bin dein Vorgesetzter, entsprechend hast du zu laufen, wie ich will“, zischte ich und machte einen Schritt auf ihn zu, bevor ich bemerkte, dass das eine Drohgebärde war, die ich meinem Schüler gegenüber eigentlich nicht hätte zeigen dürfen. Zurückrudern tat ich allerdings auch nicht und weil er zu trotzig war, um auszuweichen, standen wir uns unangenehm nah. Die Spannung zwischen uns war fast greifbar. Mitten in diese geladene Atmosphäre stellte ich die persönliche Frage, die den Kern all unserer Auseinandersetzungen bildete: „Warum vertraust du mir nicht? Es hat dir nicht wehgetan, als du es versucht hast.“

Unbehaglich und mit angezogenen Schultern wandte er den Blick ab. „Sie kapieren gar nichts…“

„Dann erklär es mir.“

„Sie sind tot!“, schrie er mich an und plötzlich glitzerten seine wütenden Augen verdächtig. Er würde jetzt ja wohl nicht anfangen zu heulen, oder? „Meine Eltern sind tot, ok? Können Sie mit Geistern reden? Ich nämlich nicht, sonst würde ich sie Ihnen schon herholen, Sie… Arschloch!“

Mit diesem Abschlussstatement ließ er mich in meiner Verblüffung stehen, rannte einfach weg durch den Wald. Ich rieb mir über die Augen, fluchte ein leises „Fuck“ und hob den Kopf zum Himmel. Naruto hatte Recht; ich war ein Gefühlskrüppel. Wenn ich jetzt so nachdachte, hatte es genügend Zeichen dafür gegeben, dass Takeshi ein Waise war; Die oft dreckigen Kleider, die Ausdrucksweise, der verschlossene Gesichtsausdruck und diese ständige Wut… Letzteres hatte ich für pubertäre Rebellion gehalten, aber eigentlich hätte gerade ich es als Zeichen der Vereinsamung erkennen müssen. Außerdem hatte er nie über seine Eltern gesprochen, so wie die anderen. Wenn ich schon sonst blind wie ein Maulwurf war, hätte ich zumindest mal darauf kommen können, dass er häuslicher Gewalt ausgesetzt war, aber nicht mal auf diese Idee war ich gekommen.

Diese späte Erkenntnis half mir natürlich nicht dabei, zu entscheiden, was jetzt zu tun war. So einfach ziehen lassen konnte ich ihn nicht, aber ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Das Thema wäre schon diffizil genug, hätten Takeshi und ich ein gutes Verhältnis zueinander gehabt. So aber würde er alles, was ich sagte, als Heuchelei abtun – Und vielleicht war es das auch, immerhin wollte ich gar nichts sagen.

Nun, erstmal musste ich ihn finden, also lief ich ihm hinterher.

Ich holte ihn bis zum Dorfrand nicht mehr ein und so erschien es fast unmöglich, ihn noch ausfindig zu machen. Eine Weile lang lief ich durch die Straßen, dann ging ich zur Akademie und durchsuchte Takeshis Unterlagen, in denen ich aber keine Adresse fand. Irgendwie hatte er sich um diese Angabe gedrückt, was mir ein ungutes Gefühl verursachte. Der Junge war zu gut darin, Geheimnisse zu bewahren. Wir konnten uns nicht sicher sein, was wir noch so alles nicht von ihm wussten.

Es waren noch ein paar Kollegen im Gebäude, die ich auf meinen Schüler ansprach und von denen ich einhellig diskreditierende Antworten bekam. Niemand konnte den Jungen leiden, wo er wohnte wusste schon gleich zweimal keiner. Sonst hätte ich diese Aussagen mit einem Schulterzucken abgetan – Jeder durfte schließlich mögen oder nicht mögen, wen er wollte – Aber mit meinem neu erlangten Wissen über Takeshi machte mich die Ignoranz der anderen Ausbilder immer wütender. Hätten sie sich mit dem Problem befasst, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, hätten sie sehr wahrscheinlich dasselbe herausgefunden wie ich, allzu zurückhaltend war der Bursche ja nicht mit der Information gewesen. Vermutlich hatte er schon lange mit jemandem darüber sprechen wollen. Ironie des Schicksals, dass er mit diesem Wunsch ausgerechnet an mich geraten war, der ihn nur sehr unzureichend würde erfüllen können.

„In der Nähe des Industriegebietes hab ich ihn ein paar Mal rumlungern gesehen“, erfuhr ich schließlich von einem naserümpfenden Lehrer. „Aber ich würd mir mit dem keine Hoffnungen oder Extramühen machen, Uchiha. An dem ist Hopfen und Malz verloren.“

„Für dich vielleicht“, zischte ich und wandte mich ab. Wenn seine Lehrer ihm alle so gegenübergetreten waren, war es kein Wunder, dass der Junge so in sich gekehrt war.

Es dämmerte bereits, als ich im erwähnten Industriegebiet ankam. Die Straßen waren ausgestorben, die Arbeiter längst nach Hause gegangen und langsam fragte ich mich, was ich hier überhaupt tat. Am nächsten Tag würde er zum Unterricht kommen, dann könnte ich genauso mit Takeshi sprechen. Nur hatte ich das Gefühl, ich musste jetzt handeln. In der Angelegenheit war schon viel zu lange abgewartet worden. Also lief ich weiter durch die sich verdüsternden Straßen in der vagen Hoffnung, die Nadel im Heuhaufen zu finden.

Was ich zu Takeshi sagen sollte, wenn ich ihn fand, war mir ein Rätsel. Für meine Worte entschuldigen würde ich mich nicht, immerhin hatte ich nicht gewusst, dass er Waise war. Hätte er Mitleid gewollt, hätte er von vorneherein etwas sagen müssen. Außerdem ging ich davon aus, dass er das nicht wollte, so, wie ich ihn einschätzte. Jedweder Versuch, ihm Verständnis zu zeigen, kam mir allerdings sinnlos vor. Niemand konnte den ganz persönlichen Schmerz begreifen, den ein Mensch wegen eines Verlustes durchlebte, nicht mal jemand, dem ein ähnliches Schicksal wiederfahren war. Jeder trauerte auf seine Weise, vermisste, zürnte, verdrängte und wertschätzte anders. Es stand niemandem zu, sich in diesen Prozess mehr einzumischen, als der Betreffende erlaubte.

Ich lief schon eine Ewigkeit durch die Wege, als ich die Gegenwart eines anderen Menschen spürte und mich in die Richtung dieser Präsenz wandte. Sie führte mich in eine leere, stinkende Gasse, die ich nur zögernd betrat. Irgendwo hier war jemand, das spürte, aber wer immer es war verbarg sich vor mir. Ich hob dem Kopf und sah über einem Dachfirst aus Wellblech dreckige, zerbrochene Fenster, die wohl zu einer alten Lagerhalle führte. Eines davon stand offen. Es kam mir ziemlich albern vor, auf das Dach zu springen und vorsichtig an den rostigen Flecken vorbei zu balancieren, um zum Fenster zu gelangen. Selbst wenn jemand da drinnen war, war es wohl nur irgendein Arbeiter oder der Besitzer dieser Bruchbude.

Vorsichtig lehnte ich mich an die Wand und linste ins Innere des Gebäudes in dem eine Lampe für eine schwache Beleuchtung sorgte. Neben der Lichtquelle stand, verborgen hinter alten Regalen und Fässern, eine modrige Matratze, um die einige Dinge verteilt lagen, die nicht in eine Fabrik gehörten: Ein abgegriffenes Schmuddelheft, ein Paar Kleidungsstücke und Verpackungen von Fertiggerichten, außerdem dreckige Kleidung sowie diverse nicht näher identifizierbare Gegenstände.

Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, das Ganze sah nach der Karikatur eines Jugendzimmers aus.

Ein Geräusch am Rand meines Sichtfeldes ließ mich zusammenzucken und ich drückte mich mit klopfendem Herzen an die Wand. Im gleichen Moment kam ich mir schon albern vor. Ich tat hier ja nichts Illegales! Trotzdem war ich vorsichtig, als ich wieder um die Ecke linste. Bei dem Anblick, der sich mir bot, riss ich die Augen auf.

Da unten stand Takeshi in einer abgewetzten Jogginghose und einem weiten T-Shirt, ganz so, wie man sich in der häuslichen Gemütlichkeit eben anzog, und er aß Chips aus einer Tüte. Mit seinem Abendessen ließ er sich auf die alte Matratze plumpsen und schlug müßig die Zeitschrift auf. Aus einem nicht zu sehenden aber hörbar alten Radio krächzte wütende Musik.

Das Bild ergab für mich keinerlei Sinn. Der Junge war doch zu alt, um sich eine Räuberhöhle zu basteln! Und tat man sowas nicht normalerweise mit seinen Freunden? Noch dazu sah diese Lagerhalle aus, als würde sie in nächster Zeit abgerissen werden oder von der Natur zurückerobert, auf jeden Fall aber wirkte sie einsturzgefährdet. Unschlüssig, was ich jetzt tun sollte – Wenn es nur ein Spiel für ihn war, musste ich mich ja nicht einmischen – Blieb ich eine Weile auf meinem Aussichtsposten und beobachtete Takeshi. Als er aufgegessen hatte stand er von seiner Sitzgelegenheit auf und fing an, Liegestützten zu machen, erst auf beiden, dann abwechselnd auf nur einem Arm. Danach zögerte er kurz und fuhr, zu meiner übermäßigen Überraschung, mit der Übung fort, die ihm am frühen Nachmittag im Unterricht nicht hatte gelingen wollen. Seine Haltung stimmte noch nicht ganz, weshalb er es immer noch nicht schaffte, was Takeshi mehr und mehr zu frustrieren schien.

Ich schüttelte den Kopf als mir klar wurde, dass ich da gerade einen Minderjährigen beobachtete und das irgendwie falsch rüberkommen könnte. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, sprang ich durch das offene Fenster in die Lagerhalle. Takeshi wirbelte herum, offensichtlich bereit, sich seiner Haut zu erwehren, dann riss er den Mund auf wie ein Fisch, als er sah, wer da vor ihm stand. Sein Blick flog von mir zu dem Fenster und wieder zurück, aber er brachte kein Wort heraus.

„W-Was… Was machen Sie denn hier?!“, fuhr er mich an, als er seine Sprache wiedergefunden hatte.

„Dasselbe könnte ich dich fragen“, erwiderte ich gelassen und sah mich um. In einem der wackeligen Regale, zwischen zerknautschen Kleidungshaufen, stand etwas, das verdächtig nach einem ausrangierten Heizstrahler aussah. „Was ist das hier? Eine Art… Baumhaus für Große?“

Takeshi fühlte sich merklich unwohl. „Verarschen kann ich mich auch selbst…“

Seufzend lenkte ich ein: „Schon gut, deswegen bin ich nicht hier. Es geht um vorhin.“

„Ihre geheuchelten Mitleidsbekundungen können Sie sich schenken“, fauchte er merklich selbstsicherer. Hass fiel ihm wohl leichter als Unbehagen. „Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?“

„Nein.“ Allerdings wusste ich auch nicht, was ich sagen sollte. Ich verstand Takeshi, viel besser, als er wahrhaben wollte, aber es würde ihm nichts bringen, wenn ich ihm das sagte oder ihm irgendwelche Ratschläge gab (Darin war ich sowieso ganz schlecht). Er musste das mit sich selbst und der Welt ausmachen. Und entschuldigen würde ich mich genauso wenig; er hatte gerade klar gemacht, dass er das nicht hören wollte, außerdem hatte ich nichts von seinen Problemen wissen können.

„Wir sind aneinander gebunden, bis deine Ausbildung beendet ist und so lange erwarte ich, dass du dein Bestes tust. Dabei ist es mir egal, was du privat für Probleme hast, denn weißt du was? Da bist du nicht der einzige. Und es wird dich nicht weiter bringen, dich in deinem Selbstmitleid zu suhlen. Glaubst du, deine Eltern wären stolz auf das, was du tust?“

Mit dem letzten Satz hatte ich wohl eine falsche Richtung eingeschlagen, denn er fuhr mich wieder an: „Es ist mir egal, was die von mir gedacht hätten.“

„Wenn du meinst“, erwiderte ich, nicht wirklich überzeugt. „Du wirst so oder so ohne sie auskommen müssen. Das kannst du entweder gut machen oder so, wie du es im Moment tust. Deine Entscheidung.“

"Und trotzdem sind Sie hier und mischen sich in meine Entscheidung ein."

Damit hatte er Recht und ich wäre liebendgerne einfach gegangen, aber es wäre einfach falsch gewesen. "Manche Entscheidungen kann man eben nicht alleine treffen. Vor allem nicht in deinem Alter."

„Was wissen Sie denn davon, was es heißt, alleine zu sein?“, knurrte er wie ein verletztes Tier und ließ sich auf seine Couch fallen.

„Eine ganze Menge. Und siehst du mich jammern?“, gab ich kühl zurück. Erneut hatte ich das unbestimmte Gefühl, es hätte etwas gebracht, wenn ich ihm ein wenig von meiner Vergangenheit eröffnet hätte, aber das konnte ich nicht. Das war meine Sache und hatte nichts mit Takeshis Zukunft zu tun. „Hier kannst du dich nicht ewig verkriechen. Komm, ich bring dich nach Hause.“

Erneut bekam ich dieses höhnische Lachen als Antwort, diesmal untermauert von: „Da sind wir schon.“

Was ich schon eine Weile lang vermutet hatte bestätigte sich jetzt. Ich schloss für einen Moment die Augen und dachte nach, Takeshis genörgelte Kommentare ignorierend. Hier bleiben konnte er natürlich auf gar keinen Fall – Auf meine gemurmelte Frage, wie lang er denn schon in dem Lagerhaus hauste, antwortete er mit einem ungenauen: „Eine Weile.“ – Aber was sollte ich stattdessen mit ihm anfangen? Irgendwie war der Junge durch das Netzt der Stadt gefallen und jetzt wäre es schwer, ihn da wieder reinzustecken. Es würde ewig dauern, bis alle Anträge unterschrieben, alle Untersuchungen gemach und alle Fragen gestellt worden waren, und selbst dann war es nicht sicher, dass Takeshi sich überhaupt wieder ins System einfügen lassen wollte. Die Leute hatten ihn bereits zu lange abgestempelt und er hatte offensichtlich beschlossen, ihnen genau das zu geben, was sie in ihm sehen wollten; ein schwer erziehbares Problemkind.

Ich beschloss, dass heute nichts mehr von alldem geschehen würde, als ich die Augen öffnete und in sein unsicheres Gesicht blickte. Mit einem kühlen „Komm“, wandte ich mich ab und kletterte die Wand hoch zu dem Fenster, durch das ich gekommen war.

Er blieb unten stehen. „Wohin?“, fragte er misstrauisch, als erwarte er, jeden Moment die Polizei vor der Tür zu haben.

Ich sah zu ihm runter, wie er da in der düsteren, dreckigen, kalten Halle stand und so verloren wirkte, dass er aussah wie ein Kind. Schlagartig und vielleicht zum ersten Mal seit unserer gemeinsamen Zeit wurde mir bewusst, dass Takeshi genau das war: Ein Kind. Ein Anflug von Mitleid schwappte in mir auf, den ich jedoch mit einem mürrischen Knurren unterdrückte. Er hätte Hilfe bekommen können, wenn er darum gebeten hätte.

Dass es nicht immer so leicht war, sich mit der Bitte um Unterstützung die eigene Schwäche einzugestehen, wusste ich nur zu gut.

„Fürs Erste mit zu mir“, erklärte ich und verzog das Gesicht. „Du brauchst dringend eine Dusche.“
 

Die Stille am Tisch war erdrückend, aber noch ermüdender war das kontinuierliche Starren meines Gegenübers. „Wenn du…“, fing ich an, betont gelassen die Kaffeetasse zum Mund führend. „Nicht endlich sagst, was dein Problem ist, hast du noch ein neues.“

Rasch senkte Takeshi den Blick auf die muffigen Cornflakes vor sich, die Naruto vermutlich irgendwann mal hier eingeschleust hatte. Ich rührte so einen Fraß nicht an und aß zum Frühstück im Allgemeinen selten etwas. „Ich frage mich nur… Was Ihnen das hier bringt. Sie sind mir außerhalb des Trainings nichts schuldig.“

Dieser kleine Satz machte mich traurig. Wusste er denn nicht, dass ihm gerade als Kind, aber auch als Mensch im Allgemeinen, jeder Hilfe und Respekt schuldig war? Ich ließ mir meine Gefühlslage natürlich nicht anmerken, als ich antwortete: „Du bist ein Kind, das auf der Straße gewohnt hat.“ Mehr Erklärung brauchte es meiner Meinung nach nicht für mein Handeln; es hatte keine andere Option gegeben, als ihn vorerst bei mir aufzunehmen. Ich stand auf, spülte meine leere Kaffeetasse und räumte sie gleich in den Schrank, weil ich es nicht mochte, wenn Geschirr herumstand.

„Ich bin kein Kind“, schmollte mein Gast.

Ich wandte mich mit verschränkten Armen zu ihm um. „Das zu sagen ist meines Wissens typisch für Kinder.“

„Ich hab schon genug durchgestanden, dass es bei mir auch stimmt“, brüstete er sich mit geschürzten Lippen, worüber ich nur schmal lächelte.

„Wir können gerne Lebensgeschichten vergleichen.“

„Was ist mit Ihren Eltern passiert?“, bohrte Takeshi so indiskret nach, dass ich meine Andeutung bereute. Die meisten Leute waren abgeschreckt von derart persönlichen Fragen – Obwohl sie vielleicht neugierig waren – Aber weil ich ihn direkt darauf angesprochen hatte und es ihn irgendwie betraf, fühlte der Junge sich wohl von dieser Zurückhaltungspflicht ausgenommen. „In den Berichten, die ich über Sie gelesen habe, stand nur, dass sie tot sind. Dann stand erst wieder etwas darüber drinnen, dass Sie das Dorf verlassen haben. Wieso haben Sie das getan?“

Naruto hatte anscheinend ganze Arbeit geleistet, was die Unterlagen über mich anging. Eine vollständige Ausgabe meiner Lebensgeschichte dürfte wohl nur noch in den geheimen Archiven der Stadt vorhanden sein. Mein Leben als Abtrünniger war praktisch aus den Annalen des Feuerreichs gelöscht. Unser Hokage wollte das nicht öffentlich sehen, und er war sehr gut darin, seinen Kopf durchzusetzen.

„Bist du fertig?“, überging ich Takeshis Frage. „Der Hokage dürfte nicht viel Zeit haben.“

Der Junge stopfte sich die Pampe in den Mund – Ich unterdrückte ein Würgen – Und schmiss die Schüssel in die Spüle. Unter meinem mahnenden Blick wusch er sie aus, aber ich sah genau, wie er das Gesicht verzog, als er sie abtrocknete und wegräumte. Als wir uns auf den Weg machten, musterte ich Takeshi nachdenklich. Aus den Untiefen meines Schranks hatte ich eine Hose gegraben, die mir etwas zu klein war (Ich hatte den unterschwelligen Verdacht, dass sie Naruto gehören könnte, zog es aber vor, nicht zu genau darüber nachzudenken) und meinem Gast außerdem ein sauberes Shirt gegeben. Er war geduscht, hatte geschlafen und gegessen und war bisher trotz seines leichten Unbehagens wegen meiner Nähe recht gut gelaunt gewesen. Jetzt schwand diese Laune langsam und machte offener Beunruhigung Platz. Er rieb sich die Hände und sah sich immer wieder verstohlen um als wolle er durch die nächste Seitengasse davonstürzen.

„Was?“, fragte ich gereizt als er auch noch anfing, an seinen Nägeln zu kauen, was ich absolut widerlich fand.

Einen Moment sah Takeshi mich nur abwägend an, dann fragte er vorsichtig: „Was werden Sie dem Hokage denn erzählen?“

Ich zog die Brauen hoch, dann schmunzelte ich. Meine Güte, der Junge hatte tatsächlich Angst vor Naruto! Dass ich das noch erleben durfte. „Du wirst ihm von deiner Unterkunft erzählen und von deinen Eltern. Dann wird er entscheiden, was zu tun ist.“

„Ich soll das machen?“

„Natürlich“, antwortete ich, amüsiert über Takeshis Entsetzen, aber dann beschloss ich, ihn doch zu beruhigen. „Du hast noch nie mit dem Hokage gesprochen, oder?“ Als er zögerlich nickte versprach ich: „Er wird dir nicht den Kopf abreißen. Immerhin kannst du nichts für deine Situation und hast nichts Verbotenes getan. Wobei…“, fiel mir ein und ich warf ihm einen Seitenblick zu. „Weiß der Besitzer der Lagerhalle, dass er einen Untermieter hat?“

Als Takeshi nur das Gesicht verzog, seufzte ich leise. Das war zu erwarten gewesen, änderte aber nichts an der Reaktion, die bei Naruto abzusehen war. Im Hokage-Turm fing ich einen jungen Chu-nin ab und schickte sie los, um nach Sakura zu suchen, dann ging ich zum Büro unseres Staatsoberhaupts. Ich klopfte an, wurde aber mit einem „Moment!“, abgewimmelt, der sich dann doch fast zwanzig Minuten hinzog.

Takeshi wanderte über den Flur, während wir warteten. „Der Hokage ist wohl beschäftigt… Sollen wir nicht lieber wann anders wiederkommen?“

„Nein. Und jetzt halt endlich still“, befahl ich, woraufhin er an der anderen Seite des Flurs stehen blieb, wo er jedoch anfing, von der Ferse auf den Fußballen zu wippen. Genervt verdrehte ich die Augen und sah wo anders hin.

Eine ganze Weile später öffnete sich die Tür und drei ANBU verließen das Büro. Einer drehte mir das maskierte Gesicht zu und ließ mich nicht aus den Augen, während er vorbei lief, eine klare Provokation, vor allem, weil ich glaubte, den Typ aus meiner Zeit bei der Eliteeinheit zu kennen. Dann schnaubte er leise und folgte seinen Kollegen den Flur runter. Takeshi hatte das ganze neugierig beobachtet, doch bevor er etwas fragen konnte, schob ich ihn an der Schulter ins Büro, in dem uns ein sichtlich abgespannter Naruto empfing.

Seine Züge hellten sich auf, als er mich sah. „Sasuke…!“

Mit einem strengen Blick und einem Nicken zu meinem Begleiter gebot ich ihm Schweigen. „Hokage-sama“, begrüßte ich ihn mit einer förmlichen Verbeugung.

„Oh, hallo, Takeshi“, begrüßte Naruto den Jungen viel zu vertraut. Er hatte wohl vergessen, dass Takeshi nur seine weibliche Form kannte und deshalb jetzt irritiert die Stirn runzelte, bevor er sich hastig verbeugte. „Was kann ich für euch tun?“

„Ich habe ihn gestern in einer Lagerhalle in der Unterstadt gefunden – Scheinbar seinem Wohnsitz“, fügte ich als Einstieg hinzu. Den Rest durfte Takeshi selbst erklären.

„Wie, Wohnsitz?“, hakte der sichtlich irritierte Naruto nach.

„Ich wohne in einer leerstehenden Fabrikhalle im Gewerbegebiet“, antwortete Takeshi unsicher.

Der Hokage richtete sich in seinem Stuhl auf, Unglauben und Entsetzen in seinen Augen. Er sah mich an und ich nickte bestätigend, dann fragte er an Takeshi gewandt: „Wie ist das zustande gekommen?“

Der jüngste Anwesende warf mir einen Blick zu, dann straffte er die Schultern und begann zu erzählen: „Ich bin mit Sasuke-Sensei hergekommen, um Sie um Hilfe zu bitten, Hokage-sama. Meine Mutter starb bei meiner Geburt, also wuchs ich bei meinem Vater auf. Er… Wollte nie ein Kind und hat mich deswegen oft alleine gelassen, aber das war gut so, denn als er verschwunden ist, konnte ich weitestgehend für mich selbst sorgen.“

„Wann war das?“, hakte Naruto nach, der sich keine Mühe gab, sein Mitgefühl zu verbergen. Takeshis Anfangsplädoyer war schnell herunterjgehaspelt und ihm fehlte es etwas an Zusammenhang, aber Narutos Aufmerksamkeit hatte er schon mal.

„Vor sechs Jahren, also als ich zehn war, Hokage-sama“, erklärte Takeshi bereitwillig. „Danach habe ich eine Weile bei Pflegefamilien gelebt, aber ich bin immer wieder abgehauen und irgendwann hab ich einfach eine falsche Familie als Unterkunft angegeben. Es kam nie jemand, um das zu überprüfen.“

Vermutlich waren die Behörden froh gewesen, den rebellischen Jungen los zu sein. Stellvertretend für diese Institutionen bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte Takeshi zwar nie aufgegeben, aber ohne Sakuras Denkanstoß und meinen eigenen unbedachten Kommentar über seine Eltern hätte ich mich wahrscheinlich nie so eingehend mit ihm beschäftigt, dass ich seine Wohnsituation bemerkt hätte.

„Wolltest du keine Hilfe?“, fragte der Hokage nach.

Takeshi zuckte unter der ungewohnt strengen Stimme leicht zusammen. „Ich habe nicht mehr mit Hilfe gerechnet, Sir.“

„Mhm… Und was erwartest du jetzt von mir?“

„Ich… Ich weiß nicht, Hokage-sama“, gestand der Junge mit einem neuerlichen Seitenblick auf mich. Als könnte ich ihm da helfen. Ich wusste ja noch nicht mal so recht, worauf Naruto mit seinem Machtgehabe hinauswollte. Sollte er dem Burschen doch einfach irgendeine Unterkunft zuschustern und alle wären glücklich. „Sasuke-Sensei hat mich hierher gebracht, nachdem er mich gestern bei sich übernachten gelassen hat.“

„Ach, er durfte bei dir schlafen?“, schmollte Naruto an mich gewandt, was mich genervt die Augen verdrehen ließ. Dafür war jetzt wirklich keine Zeit.

„Hätte ich ihn in der Lagerhalle lassen sollen?“

„Natürlich nicht“, gab unser Staatsoberhaupt mürrisch zu. Begeistert wirkte er trotzdem nicht.

In dem Moment klopfte es an der Tür und Sakura trat herein. Ihr Blick glitt skeptisch zwischen allen Anwesenden hin und her und blieb kurz an Takeshi hängen, der sie ein wenig zu strahlend anlächelte. Fast so wie Naruto es getan hatte, als wir noch Kinder waren. Den hatte Takeshi ja in seinem Sexy Jutsu auch schon so angehimmelt und langsam fragte ich mich, ob mein kleiner Problemschüler zusätzlich nicht ein ganz schöner Schwerenöter war. Das wurde ja immer besser.

„Ihr wolltet mich sprechen?“, kam die Iryonin gleich auf den Punkt.

„Ich hab dich rufen lassen, ja“, erklärte ich, weil Naruto sie anglotzte wie ein Ufo. „Du bist wohl besser mit der Logistik des Dorfes vertraut als Naruto… Was die Unterbringung von Waisen angeht“, fügte ich als kleine Spitze hinzu, weil er einfach insgesamt völlig planlos wäre ohne seine Beraterin. Als Sakura verwirrt nickte, deutete ich auf Takeshi: „Wir brauchen einen Platz für den Jungen.“

Dann erzählten wir nochmal die ganze tragische Geschichte, an deren Ende Sakura meinen Schüler in den Arm nahm. „Du Ärmster“, sagte sie und strich ihm eine Strähne aus den Augen. Sie behielt ihren Arm um ihn gelegt, als sie sich wieder an mich wandte. „Nur leider wird es schwierig sein, auf die Schnelle einen Platz für ihn zu finden, gerade, weil er schon älter ist und einen gewissen Ruf hat“, fügte sie mit einem missbilligenden Blick auf Takeshi hinzu. Der grinste nur unschuldig. „Wir haben sowieso schon sehr wenige Plätze in Kinderheimen und mit Pflegefamilien sieht es noch schlechter aus.“

Das hatten wir noch dem Krieg zu verdanken, den mein letzter lebender Verwandter angezettelt hatte; viele Waisen, wenig Platz. Yai, Uchiha...

„Es wäre ja nur für zwei Jahre“, wiedersprach ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Nur zwei Jahre ist gut. Das heißt immerhin, einen völlig Fremden in die Familie zu integrieren. Das ist eine Aufgabe!“

„Vielleicht wäre es auch besser, wenn es jemand wäre, den du schon kennst, oder, Takeshi?“, warf jetzt auch Naruto mit einem freundlichen Lächeln ein. Das verschlagene Glitzern, das dabei in seine Augen trat, wollte mir so gar nicht gefallen.

„Am liebsten wäre es mir eigentlich, wenn ich alleine wohnen könnte, Hokage-sama. Ich meine, ich möchte niemandem auf die Nerven gehen oder so…“, fügte er hinzu, als wir ihn alle streng ansahen.

Der Hokage runzelte die Stirn. „Nun, das wäre ziemlich teuer…“

„Und du bist noch minderjährig – Kommt überhaupt nicht in Frage!“, lehnte Sakura rigoros ab. „Da können wir dich genauso gut in deiner Fabrikhalle lassen.“

„Das wäre auch nicht schlimm“, meinte Takeshi schulterzuckend, wofür er einen sehr bösen Blick von der Henne im Korb zugeworfen bekam.

Ich verstand ihre Ablehnung nicht so ganz. „Warum sollte er nicht alleine wohnen? Die meiste Zeit ist er sowieso in seiner Ausbildung und die paar Stunden danach… Was macht ein Teenager schon so? Filme sehen?“

Sakura und Naruto warfen sich Blicke zu, die deutlich sagten, dass ihnen noch ganz andere Sachen einfielen, die man mit sechzehn in seiner eigenen Wohnung so treiben konnte. Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich vermutete, dass die beiden etwas miteinander gehabt hatten, während ich auf meinem Selbstfindungstrip gewesen war – Diesen Blick wertete ich als weiteres Indiz für meine Annahme. Aber sie erzählten mir nicht davon und ich wollte es nicht wirklich wissen, also ließ ich ihnen dieses Geheimnis.

„Nicht jeder ist so… Verantwortungsbewusst, wie du in dem Alter schon warst, Sasuke-kun“, erklärte Sakura vorsichtig.

„Was soll das denn heißen?“

„Dass du einen Stock im Arsch hattest“, brachte Naruto es auf den Punkt, womit er dem jüngsten Anwesenden ein Kichern entlockte. Ich warf Takeshi einen bösen Blick zu, aber ein Grinsen konnte er nicht unterdrücken. „Und ich glaub, der steckt da immer noch drinnen. Mal ehrlich, du hast Takeshi doch mitgebracht. Wie kannst du ihn jetzt einfach wieder abschieben wollen?“

„Ich will ihn nicht abschieben“, wiedersprach ich unbehaglich. „Aber Sakura sagt selbst, dass es keinen Platz in einer Pflegefamilie oder einem Kinderheim für Takeshi gibt und er möchte in keines von beidem. Was sollen wir stattdessen tun? Willst du ihn bei dir aufnehmen, Sakura?“

„Da-Das…“, stammelte die Iryonin verlegen, bevor sie sich mit einem Räuspern sammelte. „Ich habe kein freies Zimmer, sonst würde ich das schon machen“, verkündete sie dann nobel.

„Außerdem würde sich das nicht schicken“, stimmte Naruto ihr zu, als wäre er ihr Vater.

Dann verschränkte er die Finger und sah mich über deren Kuppen so intensiv an, dass ich unbehaglich mein Körpergewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich sehr gut kannte, obwohl er ihn seinen Freunden gegenüber selten zeigte. Den Ausdruck, der ihn trotz seiner kindischen Ader zu einem Souverän machte. Die unterschwellige Aura von Macht, die seit Generationen verfeindete Nationen einen Krieg um ihn hatte führen lassen. Das Leuchten, zu dem ich mich hingezogen fühlte wie eine Motte zum Licht. Eigentlich wusste ich schon, worauf das hinauslaufen würde, aber alles in mir bäumte sich gegen die Fremdbestimmung auf, die von Naruto ausging. Er legte die Fingerkuppen aneinander und erinnerte mich stark an Tsunade, bei der er sich die Geste wohl auch abgeschaut hatte, sagte aber nichts.

Ich machte einen halben Schritt rückwärts. „Nein.“

„Was denn?“, fragte Takeshi verwirrt, als habe er etwas überhört.

„Nun, ich denke, uns wird vorerst nichts anderes übrig bleiben, als deine Wohnsituation so zu belassen, wie sie in der letzten Nacht war. Du wirst bei Sasuke einziehen. Er hat ja ein Büro, in das wir ein Bett stellen können. So kann er auch deine Ausbildung besser überwachen und dich vor… Unfug bewahren“, endete Naruto mit hochgezogenen Brauen.

Takeshi schien erstaunt darüber, dass der Hokage über seine Eskapaden im Bilde war, senkte aber nur schweigend den Blick. Er musste wirklich Respekt vor Naruto haben, denn so unterwürfig hatte ich ihn noch nie erlebt. Fast war ich ein bisschen neidisch auf meinen Liebhaber.

Größer noch war allerdings meine Verärgerung. „Und ich habe dazu nichts zu sagen? Immerhin ist es mein Privatleben, über das wir hier sprechen.“

„Hast du einen anderen Vorschlag?“, erkundigte Naruto sich scheiße-freundlich, wofür ich ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte.

Er erwiderte meinen Killerblick mit einem immer breiter werdenden Lächeln, weil er genau wusste, dass ich tun würde, was getan werden musste. Sonst hätte ich Takeshi ja gleich in der Lagerhalle zurücklassen können; niemand hätte je herausgefunden, dass ich von seiner Wohnsituation wusste. Das wäre von Anfang an die bequemste Lösung gewesen. Vor allem hätte es aber gegen mein Pflichtbewusstsein, meine Moralvorstellungen und jede Erkenntnis, die ich aus eigenen Erfahrungen gezogen hatte, verstoßen. Vielleicht hätte ich mich früher aus reinem, egoistischem Kalkül dagegen entschieden, dem Jungen zu helfen, aber genau, wie ich Takeshi zu erklären versucht hatte, hatte ich gelernt, dass man sich nicht vor seiner Verantwortung für die Welt drücken konnte. Wir waren alle ein Teil davon und somit miteinander verbunden. Klar riss ich mich nicht um jede Wohltätigkeitsarbeit, aber wenn es jetzt eben sein musste, würde ich mich wohl oder übel mit einem Mitbewohner arrangieren.

Gefallen tat mir diese Notwendigkeit natürlich trotzdem nicht.

„Natürlich, Hokage-sama“, sagte ich distanziert und mit einer angedeuteten Verbeugung. „Sakura, du kümmerst dich darum, eine geeignetere Bleibe für ihn zu finden?“

Sie bemerkte natürlich meine miese Stimmung – Trotz oder gerade wegen meiner teilnahmslosen Stimme – Und zuckte etwas zurück, als sie „J-Ja, sicher, Sasuke-kun…“, stammelte.

„Gut.“

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr, die ich Naruto bei unserer nächsten Begegnung an den Kopf pfeffern würde, und bedeutete Takeshi, sich zu verabschieden, was er sehr höflich tat. Er lächelte Sakura an, als er mir nach draußen folgte, sah mich aber ziemlich skeptisch an, sobald wir auf dem Flur waren.

„Sie haben keine Lust, das zu tun.“

Sarkastisch zog ich die Brauen hoch. „Wie kommst du denn darauf?“

„Ts, ich dräng mich Ihnen sicher nicht auf. Hab Sie ja auch nicht darum gebeten, mich von zu Hause weg zu holen“, brummte der Junge.

Ein wenig verwirrt sah ich ihn an, bis mir aufging, dass meine Worte ihn wohl verletzt hatten. Das überraschte mich, denn ich hätte nicht gedacht, dass er Wert auf meine Meinung oder Akzeptanz legte. Entschuldigen würde ich mich aber sicher nicht, daran konnte er sich schonmal gewöhnen, wenn er bei mir einziehen wollte. Seufzend kramte ich in der Tasche meiner Weste und zog die Zigarettenschachtel heraus. Unter dem missbilligenden Blick meines Schülers zündete ich mir einen Glimmstängel an und blies den Rauch in die Luft.

„Es geht dabei nicht um dich“, gestand ich dann mürrisch. „Ich bin es nur gewöhnt, alleine zu wohnen. Also… Mach dir nichts draus, wenn ich mich erst an dich gewöhnen muss. Du bist willkommen.“

Verblüfft sah er zu mir hoch, dann drehte er das Gesicht so, dass ich es nicht mehr sehen konnte, aber ich glaubte, zu erkennen, dass er ein wenig rot um die Nase geworden war. „Ihre grantige Art bin ich ja schon gewohnt…“

„Übertreib nicht“, mahnte ich und blies den Rauch aus den Mundwinkel von Takeshi weg.

Er nuschelte etwas Unverständliches und kurz herrschte Schweigen zwischen uns, dann murmelte er etwas, das verdächtig nach „Danke…“, klang.

Ich brummte etwas, das verdächtig nach „Gern geschehen“, klang.

Sicher war ich mir da aber nicht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :D
Vielen Dank für die Kommentare und Favoriten, ich freue mich wirklich über jeden <3

Das Kapitel war so eigentlich nicht geplant, aber da die Thematik mir dann doch zu wichtig erschien, um sie irgendwo reinzuquetschen, habe ich umdisponiert. Immerhin ist Sasukes und Takeshis Beziehung eigentlich die wichtigste der ganzen Story, obwohl ihr wahrscheinlich alle eher wegen Naruto lest xD°
Apropos: Und diesem Kapitel gab es jetzt ja keinen Lemon (ist bisher das einzige ohne, aber ich werde sehen, wie ich Lust darauf habe :) Geplant ist eigentlich einer pro Kapitel ). Lest ihr lieber mit oder ohne sexy Time? Oder lest ihr überhaupt nur wegen dem Porno? xD° Wäre auch ok, ich bin nur sehr neugierig, weil ich noch nie so viele Sexszenen in eine Story gepackt hab und das auch ein Teil des Experiments dieser FF ist. Im weiteren Verlauf wird es Sex und Gewalt geben, ich komm mir vor als würd ich nen Männerfilm schreiben… Nun für Männer die auf Schwule stehen xD°
Ok, genug geredet! Ich hoffe ihr hattet Spaß

Im nächsten erfahren wir mehr über das nicht ganz unkomplizierte WG-Leben der Jungs und die Vergangenheit der beiden.

Bis dann! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  solty004
2015-04-20T10:57:29+00:00 20.04.2015 12:57
Hey,
Spät aber doch ein Kommentar. Hatte leider sehr viel die letzten Wochen oder besser Monate um die Ohren. Das ich nicht richtig zum lesen oder gar zu schreiben bin gekommen und das wird leider noch eine Weile anhalten. Bis ich wider regelmäßig zu Kommentare schreiben kommen.

Es waren echt spitzen Kapiteln!
Leider sehr kurz doch ehrlich gemeint. Das nächste mall versuche ich wie viel es gewohnt sind von mir ein ausführlicherer mein Kommentar zu schreiben.

Bis dahin, bin schon gespannt wie es weiter geht, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty

Von:  Shanti
2015-04-18T20:31:03+00:00 18.04.2015 22:31
Abend

oha der arme junge mal sehen wie sasuke damit klar kommt haha

lg shanti
Antwort von:  RedRidingHoodie
19.04.2015 12:26
Danke für den Kommentar. ^^
Von:  ultraFlowerbeard
2015-04-18T17:21:19+00:00 18.04.2015 19:21
Ein wirklich schönes Kapitel. Aber wäre es für Natur nicht auch ein bisschen unpraktisch wenn bei Sauce Zuhause nun ein Minderjähriger wohnt?
Und ich mag die Sex Tim auf jeden fall. Aber hin und wider so ein Kapitel wie das ist ja auch nicht verkehrt ^.^
Antwort von:  RedRidingHoodie
18.04.2015 19:49
Natur und Sauce? Autokorrekt oder Spitznamen? xD

Natürlich ist das unpraktisch, aber wenn jemand Hilfe braucht denkt Naruto doch nicht an sowas. Es wird ihn auch nicht soooo sehr betreffen, weil er nicht allzu oft bei Sasuke rumhängt (Wie schon mehrmals angedeutet; Der ist nicht so der Gastgeber ;P ) und außerdem weiß er ja, dass es nur temporär ist.
Haha, ok, vielen Dank für die Antwort, das interessiert mich wirklich sehr :)

Auch weiterhin viel Spaß und Danke für den Kommentar!
lG
Antwort von:  ultraFlowerbeard
18.04.2015 20:55
Sorry. 😓
Hab echt nicht gemerkt das er aus Naruto und Sasuke, Natur und Sauce gemacht hat.
Irgendwie peinlich...
Antwort von:  RedRidingHoodie
19.04.2015 12:25
Haha, nein überhaupt nicht, ich find es sehr witzig xDD


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