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Hey Mr. Postman

von

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Ein Unwetter zieht auf

Sie hatten eine Unwetterwarnung angesagt. Ich hasste Unwetter und noch mehr hasste ich Regen und Gewitter, welche aber leider nicht ausblieben, bei solchen Voraussagen. So musste ich wohl notgedrungen dabei zusehen, wie sich mein Wohnzimmer langsam immer mehr verdunkelte und ich bereits das erste grollen in der Ferne hören konnte. Dann setzte der Regen ein. Erst langsam und leise klopfte er an meine Fensterscheiben, wurde jedoch augenblicklich stärker, bis er trommelnd dagegen prasselte. Bei dem Geräusch versteckte ich mich in der tiefsten Ecke meiner Couch und zog mir die Decke bis zur Nase hoch. Nun hieß es abwarten bis diese gruselige Prozedur vorbei war und ich nicht bei jedem viel zu lautem Donner zusammen schreckte.
 

Ich zählte den Abstand in dem ein Blitz kam und ein weiterer Donner folgte. Zum einen um mich abzulenken, zum anderen, um einschätzen zu können, wie nah das Gewitter war. Zur Sicherheit hatte ich zuvor jedes elektronische Gerät aus gesteckt – man weiß ja nie. So erschrak ich fast tödlich, als mit einem erneuten Blitz, ein Geräusch dazu kam, das ich erst beim zweiten Mal als das Klingeln an der Tür identifizieren konnte. Wie erstarrt saß ich da, schaute zu, wie sich das Zimmer kurz erhellte und mir so die Sicht auf dem Flur gab, in dem ich bereits Schatten sah, die nicht sonderlich vertrauensvoll aussahen. Ich wollte nicht aufmachen, kam mir der Weg doch so elendig weit vor. Doch das Geräusch wollte einfach nicht aufhören und nervte mich. So wagte ich es doch noch mich zu bewegen und vorsichtig auf den dunklen Flur zu laufen. Nun fand ich meine Idee doch nicht mehr so gut, alle Sicherungen raus zumachen, konnte ich doch nur dann noch was sehen, wenn wieder ein Blitz meine Wohnung erhellte.
 

Mutig legte ich meine Hand auf die Klinke und drückte sie hinunter. Als sie leise aufsprang, gab sie die Sicht auf einen äußerst finster drein blickenden Postmann frei, der außerdem noch triefend nass war. Erstaunt starrte ich ihn für einen Augenblick an, hatte ich mit ihm doch so gar nicht gerechnet.

„Sie kennen den Text“, knurrte dieser leise und zeigte auf das kleine Paket in seinem Arm. „Machen wir es schnell, okay? Hier ist ihr Paket, also geben sie mir schnell eine Unterschrift.“
 

Er hatte bereits sein dummes Gerät gezückt, als ich endlich schaltete und die neue Situation richtig erfasste. So schüttelte ich nur entrüstet den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist ganz nass“, warf ich ihm zusätzlich vor.

Ungläubig schaute mein Gegenüber mich an und zog eine seiner feinen Augenbrauen nach oben. „Ja“, gab er leicht gereizt zurück. Das könnte daran liegen, dass es draußen heftig regnet und ich es selbst bei dem kurzen Weg nicht geschafft habe, es trocken hier her zu bekommen.“
 

Vermutlich lag es nur an dem dummen Unwetter und den scheußlichen Geräuschen da draußen, dass ich diesmal vernünftig mit ihm reden konnte. Vielleicht auch einfach nur an der Tatsache, dass ich nicht mehr allein war und mich so ablenken konnte, in dem ich mit ihm ein wenig diskutierte. Es würde zwar nicht anhalten bis das Gewitter endlich aufhörte, doch ich nutzte die Gunst der Stunde, um ein wenig Zeit zu schinden und mit ihm zu reden. Was so eine Angst doch alles bewirken konnte.
 

„Dem Inhalt ist ganz sicher nichts passiert, so halten sie mich nicht auf und nehmen sie endlich dieses Paket an!“

„Das ist kein guter Kundendienst“, gab ich ungewohnt ruhig zurück. Ich war so verdammt stolz auf mich, dass ich so souverän mit ihm reden konnte! Ohne Verhaspeln oder seltsamen starren.

Mein Postmann sah es jedoch nicht so und schaute mich abschätzig an. „Es ist das freundlichste, was ich in diesem Moment aufbringen kann“, gab er durch zusammengepressten Zähne zurück.
 

„Warum? Sollten sie nicht in allen Situationen freundlich sein?“

„Ich bin durchnässt, sehr gereizt und mein letzter Kunde hält mich davon ab, endlich nach Hause gehen zu können. Wie können sie da von freundlichkeit sprechen?“

„Oh, ich -“ Ein tiefes Donnern ließ mich unweigerlich zusammen zucken. Es war so nah, dass ich ein bisschen sprang. Natürlich in die falsche Richtung, so trat ich unabsichtlich näher zu ihm heran und konnte bereits die Nässe von seiner Jacke auf meiner Haut fühlen.
 

Meine Wangen wurden ein bisschen warm, als ich bemerkte, wie dicht ich ihm war. Nur ein paar Zentimeter von seiner Brust entfernt und eine Mischung aus bitteren Regen und seinem Aftershave riechen könnend. Es benebelte ein bisschen meinen Kopf und ließ mich meine Gelassenheit verlieren. Verdammt.

„Sie haben Angst vor Gewitter?“, hörte ich seine tiefe Stimme viel zu nah an meinem Ohr. Ich antwortete ihm nicht, ließ seine Stimme einfach auf mich wirken. Ein Schauer, der über meine Wirbelsäule rann, als ich sie hörte.

„Nein, natürlich nicht“, schaffte ich es zu sagen, nur um ein weiteres Mal zusammenzucken, als ein Blitz den kleinen Flur erhellte und mir die Sicht auf ein kleines Namensschild offenbarte, die an seiner Brust prangte. Wieso fällt es mir erst jetzt auf?
 

Riku also. Ein schöner Name und irgendwie passend, fand ich. Ich mochte ihn jedenfalls.

„Gut, wenn sie also keine Angst vor Gewitter haben, warum haben sie sich dann an meiner Jacke fest gekrallt?“ Augenblicklich löste ich meine Finger von dem nassen Stoff und trat ein paar Schritte zurück. Oops, wie waren die denn dahin gekommen?

Während meine Wangen noch ein bisschen wärmer wurden, lachte er leise und zückte wieder sein Gerät, um es mir erneut hinzuhalten. Zuerst wusste ich damit nichts anzufangen, bis Riku endlich ein einsehen mit mir hatte und betont deutlich sagte: „Da müssen sie unterschreiben, Sora. So würden sie sich und mir einen großen Gefallen mit tun. Besonders mir, da es in den nassen Klamotten nicht sonderlich gemütlich ist.“
 

Leider bewirkte sein grantiger Ton nicht das, was er von mir verlangte und sorgte eher dafür, dass in mir eine spontane Idee aufkeimte. Sie könnte schief gehen (vermutlich tat sie das auch), aber ich wollte es wenigstens Versuchen. „Sie sollten nicht mehr fahren. Das ist gefährlich und ich kann einfach nicht zu lassen, dass sie in diesem kleinen Auto sitzen und ihnen was passiert. Mit dieser Schuld könnte ich einfach nicht leben und das wollen sie doch nicht, oder?“ So unschuldig wie nur möglich, schaute ich in sein misstrauisches Gesicht und klimperte mit den Wimpern. Eine Geste, die ihn zwar nicht überzeugte, aber doch überraschte. „Es ist nicht weit und ich bin schon öfter in solchen Unwettern gefahren.“
 

„Umso schlimmer!“, rief ich entrüstet aus. „Diese Menschen haben wohl kein Gewissen, wenn sie sie einfach so losfahren lassen, ohne an die Konsequenzen zu denken!“

„Sie wollen nur nicht allein sein.“

Dieser Vorwurf traf mich, doch fasste ich mich schnell wieder und legte betroffen eine Hand über mein Herz. „Ich bin nur ein besorgter Kunde!“, meinte ich unschuldig. „Was ist, wenn sie sich erkälten?“
 

„Dann kriegen sie von jemand anderem ihre merkwürdigen Päckchen“, brummte er unnachsichtig. Es sollte hart klingen, doch seine Mundwinkel zuckten ein bisschen, als würde sich jeden Moment ein Lächeln auf seinen Lippen zeigen.

„Sie sind nicht merkwürdig und ich will sie nicht von jemand anderem bekommen!“

Meine kleine Beichte brachte ihn dann doch zum schmunzeln und nachgebend steckte er sein Gerät zurück in die Tasche. „Gut, sie haben gewonnen, Sora, ich bleibe. Aber dafür möchte ich was warmes zum trinken und vielleicht noch was zu essen; Ich habe Hunger.“
 

„Oh, alles was sie wollen“, rief ich höchst erfreut aus und hielt in meiner Bewegung inne, als ich seinen wölfischen Blick sah. Etwas darin, löste ein Kribbeln in mir aus und eine seltsame Vorfreude machte sich in mir breit.

„Fangen wir lieber erst mal langsam an und belassen es bei den Dingen“, sagte er gelassen und schob mich sanft in die Wohnung. Ich selbst hätte es wohl nicht geschafft, war ich doch viel zu perplex über seine Wortwahl. So fand ich mich schon bald in meiner Küche wieder und schmierte eine paar Brote, während der Wasserkocher neben mir bereits brodelte. Riku war im Bad und duschte sich um seinen durchgefrorenen Körper ein bisschen zu wärmen. Er war rechtzeitig fertig geworden, als auch ich meine Tätigkeiten beendet hatte und schlürfte leise in die Küche.

Als ich seine Schritte hörte, drehte ich mich zu ihm um und verschluckte mich fast, als ich ihn nur mit zwei Handtüchern bekleidet vor mir stehen sah. Eins hatte er sich um seine Hüften geschlungen, das andere lag locker um seine Schultern.
 

„Ich hab ihnen doch ein paar Sachen von mir raus gelegt“, würgte ich entsetzt hervor.

Riku zuckte nur gleichgültig die Schultern und strubbelte sich durch das Silberhaar. Ich wusste nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Auf sein Haar, das ich zum ersten Mal richtig sehen konnte und ihm in weichen Wellen über die Schultern fielen, oder seinen blassen Oberkörper, der sich nun so verlockend vor mir offenbarte. Ich war vollkommen überfordert. Riku selbst schien es locker zu sehen und lief gelassen zu mir, nur um seine Hand neben mir auszustrecken und sofort nach einem der belegten Broten zu greifen, die ich für ihn gemacht hatte. Fassungslos starrte ich in sein zufrieden kauendes Gesicht, fixierte es regelrecht, um nicht woanders hinzuschauen.
 

„Sie sind zu klein, Sora“, gab er schlicht zurück und musterte mich von oben bis unten, um seinen Satz noch bedeutender zu machen.

„Ich habe aber nichts anderes.“ Bedauernd schaute ich in seine hellen Augen, in dem ein amüsierter Glanz zu finden war.

„Nicht schlimm.“ Er machte eine weitläufige Geste über seinen Körper. „Für die kurze Zeit werden mir ein paar Handtücher auch reichen.“
 

„Kurze Zeit?“, fragte ich und konnte meine Enttäuschung kaum verbergen. Er dachte schon ans gehen? Dabei war er doch gerade mal ein paar Minuten hier.

„Ich vermute, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich das Gewitter ganz verzieht. Hörst du? Das Donnern ist schon leiser geworden und die Blitze weniger.“ Er zeigte zum Fenster und als ich seinem Hinweis folgte, konnte ich tatsächlich sehen, wie es am Himmel heller wurde. Auch das Zimmer war nicht mehr so dunkel und man konnte wieder was sehen. Ihn sehen. In seiner ganzen, fast nackten Pracht, die bald vorbei sein könnte, wenn er Recht behielt.
 

Trotz meiner Nervosität wollte ich nicht, dass er ging. Er sollte bleiben und mich weiterhin so schön mit seiner Anwesenheit verwirren. Vielleicht konnte ich ja so lernen mit ihm zu reden, ohne gleich ins Stottern zu geraten und ihn so von mir überzeugen. Ein Mann, der klar und flüssig sprechen konnte, machte doch Eindruck, oder? „Was ist das nur mit dir?“, schreckte mich nun seine Stimme auf. Blinzelnd schaute ich ihn an, als mein Blick wieder klar wurde und ich seinen belustigten Ausdruck wahr nahm.
 

„Was genau?“, fragte ich verwirrt.

Lässig stützte er sich mit dem Ellenbogen an der Arbeitsfläche ab, um auf meine Höhe zu kommen und mir so in die Augen sehen zu können. Viel zu nah war er mir dabei.

„Deine Art. Du wirkst so Geistesabwesend, als wärst du andauernd mit deinen Gedanken ganz woanders.“
 

Ich fand mich ganz normal. Nur in seiner Anwesenheit, mutierte ich zu einem kleinen Neandertaler. Vielleicht sollte ich ja meine Keule rausholen und ihn damit auf den Kopf schlagen. So hatte ich ihn immer bei mir und er sagte nicht mehr solche scheußlichen Dinge wie, dass er gehen wollte.

„Siehst du, du tust es schon wieder.“ Er lachte leise und griff nach dem Teller mit den Brot, um es leichthin an mir vorbei zu tragen. Benommen folgte ich ihm wenige Sekunden später ins Wohnzimmer, wo er sich bereits auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Auf seinen Schoß lag der Teller mit den Broten, wovon er sich erneut eines genommen hatte und nun genüsslich kaute. Scheu setzte ich mich neben ihn, darauf achtend, genügend Platz zwischen mir und ihm zu lassen.
 

Eine Weile saßen wir nur schweigend nebeneinander, die Stille, die mich mehr nervös machte, als das dumpfe Poltern außerhalb dieser Wände. Das Gewitter zog sich tatsächlich zurück, doch war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das auch wirklich wollte. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn, schielte so unauffällig wie möglich über seinen Körper. Bewunderte die straffe Haut und seine Muskelösen Arme, wenn er sie bewegte, um einen weiteren Biss von seinem Brot zu nehmen. Scheinbar wusste er nicht mal, was er mir damit antat. Aber vermutlich war es auch besser so, da ich mich so auch nicht vor ihm blamieren konnte.
 

„Du starrst, Sora“, meinte er nach einer Weile.

Mist, erwischt! Schnell wandte ich meinen Blick ab und starrte stattdessen auf meine Hände. „Nein, tue ich nicht!“

Meine patzige Antwort brachte ihn zu einem leisen Lachen. „Doch, tust du! Warum machst du das?“
 

Diese direkte Frage ließ mich wanken, wusste ich doch einfach keine gute Antwort darauf. So hielt ich lieber meinen Mund und versuchte nachzudenken, was ich am besten sagen konnte.

So lange, dass Riku erneut was sagte: „Also? Meinst du nicht, dass du mir einiges zu erklären hast?“

„Es gibt keinen Grund dazu“, meinte ich kleinlaut.
 

Er machte einen missmutigen Laut und entsetzt musste ich mit ansehen, wie seine Hand kurz vor meinem Sichtfeld auftauchte und sich unter meinem Kinn legte, um es etwas anzuheben. So musste ich wieder aufsehen, unmittelbar in sein Gesicht. Ich schluckte, löste seine Berührung doch ein eigenartiges Kribbeln in mir aus. So konnte man doch einfach nicht denken! „Also gab es für diese ganzen Bestellungen keinen speziellen Grund?“, hakte er nach. Ich konnte nur mechanisch meinen Kopf schütteln, senkte schnell meine Lider, da ich seinen intensiven Blick nicht länger stand halten konnte. Er seufzte. Klang es irgendwie enttäuscht? Vermutlich nur Einbildung. Seine Finger lagen noch immer auf meinem Kinn, als er meinen Kopf sacht drehte, sodass ich mich mit den Anblick der vielen Pakte konfrontiert sah, die noch immer in meinem Wohnzimmer herum standen. Meine Freunde hatten sie noch immer nicht abgeholt, so hatte ich sie erst mal hier gelagert. Natürlich hatte ich Dummkopf sie vergessen, als ich Riku in meine Wohnung einlud.
 

„All die Pakte waren also nur für dich?“, erkundigte er sich erneut. Diesmal klang seine Stimme nachdrücklicher, als würde er sicher gehen wollen, dass er richtig gehört hatte.

Als würde mich jemand lenken, nickte ich benommen. Für etwas anders war ich einfach nicht fähig. So saß ich nur stumm und mit gesenkten Kopf da, als er seine Hand von mir nahm und seufzte. Ich hörte und spürte, wie er aufstand, sich von mir weg bewegte und in einem anderen Raum verschwand. In meinem Kopf schrie alles danach ihn zu folgen, doch war ich zu gelähmt, um irgendwas zu machen.
 

Mein Herz schlug wild in meiner Brust, als ich endlose Minuten später wieder Geräusche hörte. Es waren Schritte und sie kamen eindeutig aus dem Flur. Er ging, das wusste ich und wahrscheinlich sollte ich aufspringen und ihn davon abhalten. Doch ich tat es nicht, blieb wie versteinert sitzen und ließ es einfach zu, dass die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Das Geräusch löste mich aus meiner Erstarrung und so ließ ich traurig meinen Kopf hängen. Ich war so ein Idiot.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lyneth
2014-09-04T11:38:05+00:00 04.09.2014 13:38
Ohhh Sora, das war die gelegenheit. Was für ein kleiner dussel. Aber ich hoff mal das er noch eine weitere Chance bekommt. ;-)


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