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Craving The Forbidden

von

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Contaminate Me

Als Rhys die Augen öffnete, fand er sich an einem Ort wieder, den er nur zu gut kannte. Es war wieder der Wald. Der, der ganz in der Nähe seiner alten Heimat Lothering lag. Und wie beim letzten Mal war die Luft zu rein, das Gras zu grün, der Fluss zu klar und die Tiere zu zahm. Ein Reh huschte an ihm vorbei, hielt sogar kurz inne, um den Neuling zu betrachten. Seine spitzen Ohren zuckten, das Tier lehnte den Kopf zur Seite. Im nächsten Moment aber schien es schon das Interesse an Rhys zu verlieren und lief weiter. Mit kleinen Sprüngen überwand das Reh die hohen Sträucher, bis es schließlich zwischen den Bäumen verschwand. Das Geräusch seiner Hufe auf dem Waldboden verschwand bald darauf.

Rhys seufzte, blickte gen Himmel. Die Sonne schien, keine einzige Wolke war am Himmel auszumachen. Das helle Tageslicht fühlte sich warm auf der Haut an.

Aber natürlich war das eine Illusion. So wie alles hier.
 

Für einen Moment hätte sich Rhys dafür ohrfeigen können, dass er so unachtsam gewesen und letztlich doch eingeschlafen war. Und das auch noch in irgendeiner Gasse der Dunkelstadt, kurz vor Sonnenuntergang. Eigentlich sollte es ihn nicht wundern, wenn er gar nicht mehr aufwachen würde, weil er im Schlaf erstochen worden war. Oder noch schlimmer, irgendein Verrückter hatte ihn verschleppt und hielt ihn jetzt gefangen. Wollte sich vielleicht für den Ärger revanchieren, den Rhys die vergangenen Tage in der Dunkelstadt veranstaltet hatte. Angeblich war er ja mit seiner Räumungsaktion der ein oder anderen Bande auf die Füße getreten. Nun ja, wenn er erwachte, würde sich schon zeigen, ob die ein oder andere Überraschung auf ihn wartete. Oder auch nicht.
 

Rhys hörte Schritte hinter sich. Er presste die Lippen aufeinander, wollte sich nicht umdrehen. Sicher, früher oder später wäre er immer hier gelandet. Irgendwann wäre er sicherlich eingeschlafen. Aber später wäre ihm deutlich lieber gewesen. Er wusste, was ihn erwartete und alles in ihm sträubte sich dagegen. Rhys wollte es nicht hören, wollte nicht daran erinnert werden.

Es war so viel einfacher, nicht daran zu denken und es zu verdrängen.

Die Schritte wurden lauter, ein leises Kichern war zu hören.

Rhys schluckte schwer. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seine Brust. Es war wohl nun so weit. Er würde sich stellen müssen. Im Grunde würde er sich sich selbst stellen müssen. Einer Wahrheit, wie sie grausamer nicht hätte sein können.

Wenn er könnte, würde er einfach weglaufen. Er würde seine Beine in die Hand nehmen und laufen, einfach nur laufen. Rhys würde dem Horizont entgegenstürmen, bis ihn all seine Kraft verließ. Und er würde nie wieder zurückschauen. Alles, was hinter ihm lag, würde er einfach zurücklassen. Aber das ging nicht. Sie würde ihn nicht lassen. Nicht jetzt, da er so dermaßen wertvoll für sie war.

Sie wusste jetzt, wonach er sich sehnte. Und das verlieh ihr ungeheure Macht. Es war sozusagen der erste Schritt zu ihrem Ziel.
 

Erst... folgte die Konfrontation. Danach würde sie ihn brechen. Sie würde nicht aufhören, bis sie bekam, wonach es sie verlangte.
 

Rhys nahm all seinen Mut zusammen, atmete ein letztes Mal tief ein und aus, ehe er sich umdrehte.

„Hallo, lange nicht gesehen.“

Selanna hob ihre Hand und winkte leicht mit den Fingern zur Begrüßung. Das Grinsen auf ihrem Gesicht wurde noch breiter. Es sah nahezu diabolisch aus. Sie wirkte, als glaubte sie sich bereits sicher in ihrem Sieg über den Magier. Sie seufzte lang und ausgiebig, tat einige Schritte auf Rhys zu. Kurz vor ihm blieb sie dann stehen, verschränkte die Arme und blickte zu ihm auf.

„Na, wie ist es Euch ergangen? Habt Ihr mich vermisst?“

Die Miene des Braunhaarigen verfinsterte sich. Er beantwortete ihre Fragen nicht, sondern schwieg lieber. Selanna aber ließ sich nicht beirren. Sie kicherte, setzte langsam und bedacht einen Fuß vor den anderen und begann, Rhys bedächtig zu umkreisen.

„Keine Sorge, ich weiß, wie es Euch ergangen ist. Immerhin habe ich Euch beobachtet. Wie findet Ihr das? Ich war die ganze Zeit bei Euch.“

Sie blieb kurz stehen, blickte über die Schulter zu ihrem Opfer, das sich nicht mehr von der Stelle rührte.

„Der Prinz und dieser Ex-Sklave sind schon ein niedliches Pärchen, denkt Ihr nicht auch?“

Sie wollte ihm beweisen, dass sie die Wahrheit sprach. Der Magier sollte ruhig wissen, dass sie ihn die letzten Wochen gnadenlos verfolgt hatte. Und nicht nur ihn, auch seine engsten Vertrauten. Um ihr Ziel zu erreichen, hatte sie sich auch mit den langweiligen Problemen der Sterblichen befasst. Es war nicht angenehm gewesen, aber nun ja. Wissen ist Macht, vor allem in ihrem Metier. Sie hatte also die ein oder andere 'Tortour' in Kauf genommen. Sie war nun mal ein sehr fleißiger Dämon.

„Habt Ihr überhaupt mitbekommen, wie der Prinz den Elfen geküsst hat? Das war ja wirklich allerliebst.“

Rhys schnaubte, sagte aber nichts.

„Oh, aber das wisst Ihr ja noch gar nicht! Passt auf, der kleine Prinz befürchtet jetzt, dass der Elf ihn hasst. Unerwartete Wendung, nicht wahr?“

Sie legte den Zeigefinger an die Unterlippe und tat so, als würde sie ernsthaft überlegen müssen.

„Jemand sollte den beiden wirklich auf die Sprünge helfen.“

Sie kicherte.

„Oder lieber nicht. Soll ich Euch etwas verraten?“

Sie wartete darauf, dass der Magier ihr wenigstens jetzt antworten würde. Leider enttäuschte er sie und schwieg weiterhin.

„Nun, ich sag's Euch trotzdem.“

Selanna trat nahe an Rhys heran, um ihm ins Ohr zu flüstern.

„Fenris würde lieber sterben, als jemals wieder einen anderen Mann zu nahe an sich heran kommen zu lassen.“

Just in dem Moment, als der Atem des Dämons Rhys' Haut berührte, zuckte dieser zusammen und wich vor dem bösartigen Wesen zurück. Er fasste sich ans Ohr, verzog das Gesicht. Es fühlte sich an, als hätte ihr Atem seine Haut in Brand gesetzt. Die Hitze verging wieder, aber nur sehr langsam. Es war ein extrem unangenehmes Gefühl und der Magier wich noch weiter vor Selanna zurück.

Der Dämon aber grinste nur finster.

„Aber wer weiß“, meinte sie und fuhr in ihrer Geschichte fort, „vielleicht irre ich mich ja auch. Ich würde es den beiden von Herzen wünschen.“

Gerade als Rhys sich fragte, was Selanna mit 'jemals wieder einen anderen Mann' meinte, stockte diese und fing auch schon im nächsten Moment an laut zu lachen. Es war ein gar hysterisches Kichern. Allein der Klang schmerzte und der Magier hielt sich schnell die Ohren zu. Es war, als könnte sonst sein Trommelfell zerplatzen. Der Dämon konnte sich nur schwer wieder fangen und wischte sich über die Augen; ganz als ob sich dort Tränen gebildet hätten.

„Ich Dummerchen. Ich habe ja gar kein Herz.“

Rhys' Miene verfinsterte sich wieder. Er konnte nicht gerade von sich behaupten, dass er Selannas Humor teilen würde.

Dieses Miststück spielte mit ihm. Es war nahezu grotesk, wie viel Vergnügen es ihr bereitete, den Magier zu quälen. Sie hatte ihn in der Hand, das wussten sie beide. Rhys blieb nichts anderes übrig, als ihre Scharade über sich ergehen zu lassen. Immerhin schlief er und war somit erst einmal in ihrer Welt gefangen. Hier legte sie die Regeln fest. Von ein auf die andere Sekunde konnte sie ihre Umgebung zu ihren Bedingungen ändern. Alles hier lag in ihrer Hand. Nun ja, fast alles. Zu seinem Glück behielt Rhys ja immer noch seinen freien Willen. Doch dieser Umstand konnte sich auch schneller ändern, als ihm lieb war.

Er musste achtsam sein. Wie gesagt, Selanna spielte mit ihm, wollte ihn verwirren und in die Ecke drängen, ohne dass er es merkte. Im Moment gab sie sich noch vergleichsweise freundlich. Doch wer konnte schon sagen, wie es um die Geduld der knapp bekleideten Dämonin bestimmt war?

Rhys hoffte nur, dass sie in absehbarer Zeit endlich zum Punkt kommen würde. Dieses darum herum reden war ihm ein wenig zu blöd – wenngleich es ihn auch noch ein wenig verschonte. Vor dem, was ganz sicher kommen würde.

„Aber jetzt mal ganz unter uns.“

Der Magier zuckte zusammen, als Selanna plötzlich wieder direkt neben ihm erschien. Gerade war sie noch einige Meter vor ihm gestanden. Dass er vor ihr erschrocken war, hatte sie sicherlich mitbekommen, verkniff sich aber einen Kommentar darüber. Ein kleines Grinsen war aber dennoch auf ihren dick geschminkten Lippen auszumachen.

Dämonen waren sich wirklich für nichts zu schade, um den Geschmäckern der Sterblichen zu entsprechen. Rhys könnte auch schwören, dass ihre Brüste im Vergleich zum letzten Mal ein wenig größer geworden waren. Als ob ihn allein das zu einem Pakt mit ihr überreden könnte.

Sicher, er war am Boden, war der Dämonin vollkommen ausgeliefert... aber dennoch würde er sich nicht so leicht geschlagen geben. Egal, was sie sich noch einfallen lassen würde.

„Euer Kampf mit dieser Tarohne... das war schon ganz schön knapp, nicht wahr?“

Der Magier sah Selanna zum ersten Mal offen an. Natürlich erwiderte er ihre freundliche Mimik nicht. Vielmehr sah er sie voller Verachtung und Ekel an.

„Was glaubt Ihr, wie die Auseinandersetzung verlaufen wäre, wenn Ihr mich an Eurer Seite gehabt hättet?“

Rhys schnaubte, brach den Blickkontakt ab.

„Wirklich, Hawke, Ihr seid ein mächtiger Magier, aber mit mir...“

Sie stellte sich vor ihn, fuhr spielerisch mit ihrem Zeigefinger über seine Brust.

„... wärt Ihr unaufhaltsam.“

Rhys schlug grob ihre Hand weg, trat einen Schritt zurück. Selannas Grinsen wurde breiter.

„Ihr könntet Euch nehmen, was auch immer Ihr wollt. Es gäbe niemanden, der sich Euch in den Weg stellen könnte.“

Sie kicherte, tat einen Schritt auf den Magier zu, dann einen zur Seite und ging dann wieder dazu über, ihn zu umkreisen und dabei ab und an über seine Schulterblätter oder muskulösen Arme zu streichen.

„Mit meiner Hilfe wärt Ihr eine Armee. Ihr könntet Städte, nein, ganze Länder unterwerfen.“

Sie leckte sich über die Lippen, blieb vor ihm stehen.

„Ihr könntet wirklich alles haben, Hawke. Ferelden, Antiva, Tevinter, … wie auch immer die Länder der Sterblichen heißen mögen. Sie könnten Euch gehören.“

Rhys hob eine Augenbraue und sah Selanna ungläubig an. Das hier war das Standardangebot der Dämonen. Einem Magier mehr Macht anzubieten war nun wirklich nichts neues. Auch für ihn nicht. Dieses Angebot hatte er das eine ums andere Mal schon ausgeschlagen. Aber diese Dämonin hier machte sich schon ein wenig lächerlich. Rhys war nicht unbedingt bescheiden in dieser Hinsicht, er wusste ganz genau, dass er recht gut mit seiner Magie umgehen konnte. Seine Fähigkeiten hatten ihm ja schon unzählige Male das Leben gerettet. Aber zu behaupten, er könnte Thedas unterwerfen... Das machte Selanna schon ein wenig ungläubig, was ihrer Sache ja nicht gerade dienlich war.

Er blickte die Dämonin an und da wusste er, dass sie es nicht ernst meinte. Ihr Grinsen nahm gar finstere Züge an.

„Das würde ich Euch normalerweise anbieten, aber...“

Sie biss sich auf die Lippen.

„es ist nicht Macht, nach dem Ihr Euch sehnt.“

Selanna hob ihre Hände, legte sie auf Rhys' Brust und lehnte sich etwas gegen ihn, während sie zu ihm aufsah.

„Nicht wahr?“

Ihr Blickt war durchdringend. Ganz als ob sie in sein Innerstes sehen könnte.

„Euch verlangt es nach etwas ganz anderem.“

Rhys schluckte schwer. Er merkte gar nicht, wie er den Atem anhielt.

„Nach etwas... recht viel einfacherem.“

Selanna stellte sich auf die Zehenspitzen, damit ihr Gesicht dem des Magiers näher war.

„Um ehrlich zu sein ist es schon beinahe etwas banales, würde ich sagen.“

Ihr Lächeln wurde breiter. Sie war Rhys so nahe, dass sich beinahe schon ihre Nasen berührten.

„Es ist etwas, das für Euch zum Greifen nahe ist...“

Selannas Atem stank ganz furchtbar. Der Geruch war mit dem von verwesten Fleisch vergleichbar.

„... Und doch ist es so weit entfernt. Ist es nicht so, Hawke?“

Alles ihn ihm wollte vor diesem Dämon zurückweichen. Er wollte ihre widerlichen Hände von sich stoßen und einfach nur noch weglaufen. Aber das konnte er nicht. Sie ließ ihn nicht. Sie hatte ihn jetzt beinahe da, wo sie ihn haben wollte.

„Und tut nicht so unschuldig. Ihr wisst ganz genau, wovon ich rede.“

Ihre Hand schnellte nach oben, ihre Finger legten sich um Rhys' Kinn und umklammerten den Kieferknochen ganz fest. Es war, als könne sie den Knochen zum Zerbersten bringen, wenn sie nur noch ein wenig arger zudrücken würde. Sie drückte seinen Kopf zur Seite, damit sie in sein Ohr flüstern konnte.

„Ihr hasst Euch selbst dafür, nicht wahr? Ihr habt Schuldgefühle, wollt Euch die Wahrheit nicht eingestehen. Oh, für Euch Sterbliche ist es immer so viel einfacher, die Augen zu verschließen und einfach wegzuschauen. Aber wisst Ihr was? Das lasse ich nicht länger zu. Ich sorge dafür, dass Ihr die Augen weit öffnet und der Wahrheit entgegenschaut. Ihr habt vielleicht vor ihrer widerlichen Fratze Angst, aber das müsst Ihr nicht. Ich stehe Euch bei, ich helfe Euch, Hawke. Glaubt mir, alles wird danach so viel einfacher sein. Und sehr viel klarer.“

Rhys griff nach ihren Händen, doch war zu schwach, um sie zu bewegen. Selanna würde nicht von ihm ablassen, ehe sie mit ihm fertig war. Und sie hatte gerade erst angefangen. Das hier war quasi erst die Aufwärmphase. Der wirklich ekelhafte Teil lag noch vor dem Magier.

„Es ist in Ordnung. Ihr glaubt vielleicht, dass Eure Gefühle widerwärtig und falsch sind, aber ich sehe sie als das, was sie wirklich sind. Lasst mich Euch helfen, damit ihr auch die Schönheit in ihnen sehen könnt.“

Er musste sie aufhalten. Egal wie. Das hier hielt er nicht mehr recht viel länger aus. Rhys griff nach Selannas Hand, krallte seine Fingernägel in ihre Haut.

„Hört auf...“

Seine Stimme klang sehr viel schwächer, als er das eigentlich vorgehabt hätte. Seine Worte waren als Befehl gedacht, standen aber nun als Betteln da. Er wirkte gar jämmerlich und schwach.

„Das hier ist erst der Anfang, Hawke. Aber keine Sorge, ich stehe Euch bei. Doch lasst uns jetzt endlich mit den Spielchen aufhören.“

Ihr Halt um sein Kinn löste sich, nur um im nächsten Moment seinen Hals zu umklammern. Sie drückte nur kurz zu, ehe sie Rhys zurückstieß. Er stürzte nach hinten, überschlug sich sogar, ehe er zum Liegen kam. Er hustete, betastete seinen wunden Hals und als er aufblickte, stand Selanna bereits über ihm.

„Ich weiß, meine Methoden sind recht unkonventionell, aber Ihr lasst mir auch keine andere Wahl, so stur wie ihr seid.“

Erst seufzte sie, dann lächelte sie wieder.

„Also los“, meinte sie beinahe nebenbei, „sagt es. Sprecht es laut aus. Ich verspreche Euch, danach geht es Euch gleich viel besser.“

Rhys schnaubte. Er dachte gar nicht daran, der Dämonin diese Genugtuung zu geben. Er wollte sich aufrichten, brach aber zunächst wieder zusammen. Er war schwächer als gedacht. Entzog sie ihm etwa irgendwie seine Kraft?

„Falls Ihr befürchtet, ich könnte über Euch urteilen, so kann ich Euch beruhigen. Das werde ich nicht tun.“

Die Lippen aufeinander pressend riss sich Rhys zusammen und versuchte es erneut. Diesmal konnte er sich zumindest schon auf ein Knie abstützen.

„Ihr Sterblichen macht es Euch aber schon ganz schön schwer. Hawke, Eure Gefühle sind nichts, für das Ihr Euch schämen müsstet.“

„Halt den Mund“, fauchte Rhys, keuchte und richtete sich endlich auf.

Er stand noch ein wenig wackelig auf den Beinen, aber zumindest stand er.

„Du weißt rein gar nichts, Dämon.“

„Oh, ich weiß so einiges“, behauptete Selanna, „Ich weiß zum Beispiel, dass Ihr mir am liebsten gerade mit bloßen Händen den ein oder anderen Knochen brechen würdet.“

Rhys lachte. Es klang hohl.

„Das ist nicht sonderlich schwer zu erraten, Dämon.“

Selanna grinste breit.

„Ihr seid also zu feige, es laut auszusprechen? Soll ich das für Euch übernehmen?“

Der Magier blickte auf. Sein falsches Lachen erstarb sofort. Seine Lippen zitterten, fast schon panisch überlegend, was er tun oder sagen konnte, damit dieses Miststück den Mund hielt und ihn sofort und für immer in Ruhe ließ.

„Ihr, mein Lieber, Ihr seid...“

Sie kicherte.
 

Rhys schluckte schwer. Er schloss die Augen.
 

„... Ihr seid in Euren süßen, kleinen Bruder verliebt.“

Sie wartete auf eine Reaktion ihres Gegenübers, doch der Magier tat und sagte nichts. Rein gar nichts. Ein wenig war Selanna da schon enttäuscht. Sie machte einen Schmollmund, verschränkte die Arme. Ein Opfer mit seinen Ängsten zu konfrontieren war offen gestanden nur halb so lustig, wenn dieses daraufhin nicht verzweifelte, weinte, kreischte, lachte, etwas oder jemanden kaputt machte. Oder sonst etwas. Irgendwas. Für gewöhnlich brachen die Magier, die sie sich für ihre Spiele aussuchte, erst einmal zusammen. Oder begannen zu heulen. Wenn ein Sterblicher nicht so einfach gestrickt war, dass er nach Macht strebte, musste man sein Innerstes erforschen und ihm mit etwaigen ekeligen Wahrheiten konfrontieren. Die meisten empfanden das eher als unangenehm. Vorsichtig und recht untertrieben ausgedrückt. Aber nichts desto trotz änderte das nichts an Selannas jetziger Lage. Sie kannte die Sterblichen gut genug um zu wissen, dass Liebe unter Geschwistern ehe etwas war, das als 'krank' oder 'abartig' bezeichnet würde. Demzufolge hätte sie sich eigentlich auf eine starke Reaktion von Hawke gefreut.

Nun ja, zu früh gefreut.

Die Dämonin war stark enttäuscht. Beinahe wäre sie diejenige gewesen, die jetzt zum heulen angefangen hätte. Aber sie konnte sich zusammenreißen. Noch war ja nicht aller Tage Abend.
 

Endlich öffnete der Magier die Augen, wirkte dabei unerwartet gefasst. Er seufzte, atmete tief ein und aus. Ganz als ob er sich auf das nachfolgende erst einmal mental vorbereiten musste. Und in gewisser Weise war dem auch so.

„Na und?“, waren dann die ersten Worte, die der Braunhaarige von sich gab.

Selanna war überrascht. Damit hatte sie wohl am wenigsten gerechnet. Die Sache wurde immer interessanter. Sie mochte Hawke schon jetzt. Dabei war er noch nicht mal eine ihrer Marionetten.

„Nun“, begann sie, „Ihr Sterblichen seht da eher ein Tabu, nicht wahr?“

„Es ist widerlich...“

„Und falsch?“

„Ja.“

Die Dämonin grinste.

„Wer sagt das? Hawke, lasst Euch doch nicht von irgendwelchen Regeln zurückhalten. Nehmt Euch, was Ihr wollt.“

Rhys schenkte ihr einen widerstrebenden Blick.

„Haltet Euch an mich und Carver wird ganz der Eure sein.“

Der Magier wich vor ihr zurück, wollte eine gewisse Distanz zwischen den Dämon und sich bringen.

„Carver würde sich lieber die Augen auskratzen als-“

„Ganz genau.“
 

Ihr Blick wurde intensiver, düsterer. Rhys schluckte. Es war soweit. Jetzt würde sie ihm ihr eigentliches Angebot unterbreiten. Die Umgebung und das Wetter passte sich den finster leuchtenden Augen des Dämons an. Die Sonne verschwand, wurde von dichten, grauen Gewitterwolken verschlungen. Der Wind wehte wild durch die Baumwipfel, brachte mit seiner Kraft sogar den ein oder anderen Ast zu Fall, sodass dieser auf dem Waldboden zu liegen kam, dessen Gras längst nicht mehr so grün wie vorher aussah; es hatte vielmehr eine leicht bräunliche Farbe angenommen. Das Geräusch von Tieren, wie etwa Vogelgezwitscher, erstarb ebenfalls. Rhys blickte nach oben gen Himmel, nahm das Grollen eines herannahenden Gewitters wahr. Erst jetzt sah er wieder zu Selanna und rief sich in Erinnerung, dass sie mit diesem Theater hier nur ihre Macht demonstrieren wollte. Ihr musste es wohl einzig und allein darum gehen, dem Sterblichen ein wenig Angst zu machen. Ganz als ob er einen Pakt mit ihr eingehen würde, nur weil er sie fürchtete. Wenn sie darauf hoffte, dann war sie wirklich dämlicher, als sie aussah.
 

Rhys redete sich mit so viel Nachdruck wie möglich ein, dass er standhaft bleiben musste und sich unter keinen Umständen von ihr in die Irre führen lassen durfte. Aber vermutlich ahnte die Dämonin es schon: Am meisten machte ihm zu schaffen, dass sie ihm die Wahrheit vor Augen geführt hatte. Als hätte sie ihn geknebelt und gefesselt und in eiskaltes Wasser gestoßen, das ihn wie durch dämonische Kraft immer weiter nach unten zog, bis er den Grund erreichen sollte. Diese kleine Zaubereinlage hier war viel mehr lediglich ein Bonus, den sich Selanna gönnte.

Sie war nun mal sehr theatralisch und hatte eine Vorliebe für Dramatik.

Sicher, oft genug ließen sich ihre Opfer von ein wenig Gewitter einschüchtern oder von etwaigen Monstern, die die Dämonin heraufbeschwörte, damit sie die Sterblichen ein wenig durch ihr Reich scheuchten. Aber dieser Hawke ließ sich nicht so leicht beirren, was die ganze Angelegenheit nur umso spaßiger machte. Doch auch er war sicherlich leicht zu Fall zu bringen, Selanna musste nur die richtigen Hebel betätigen. Was sie ihm als nächstes zeigen würde, würde ihm bestimmt zu Denken geben. Sie rechnete freilich nicht damit, dass Hawke ihr gleich hörig werden würde – dafür war er viel zu stur – aber in geraumer Zeit würde auch er sich ihr ergeben. So, wie sie es eben alle taten.

Sterbliche waren so einfache Dinge, so einfach zu manipulieren.
 

Die Wind wurde heftiger, riss nun immer mehr Äste weg von ihren Bäumen, schleuderte sie durch die Luft. Mittlerweile war es richtig düster geworden, die dichte, graue Wolkendecke ließ kaum einen Sonnenstrahl hindurch, behielt das Licht so gut es ging draußen. Donnergrollen und Blitze, die in der Ferne auszumachen waren, gesellten sich dem Schauspiel hinzu. Rhys ließ sich nicht allzu sehr von dem magisch herbeigeführten Wetterumschwung beeindrucken, strich sich aber im Sekundentakt eine Haarsträhne aus der Stirn, die ihm die Sicht ein wenig verdeckte.

Selanna grinste ihn allwissend an, zufrieden mit ihrer eigenen Inszenierung.

„Was meint Ihr? Sollen wir den Ort wechseln?“

Sie tat einen Schritt auf den Sterblichen zu, der sie argwöhnisch und mit nicht zu geringen Maß an Missachtung betrachtete. Jeden ihrer kleinsten Bewegungen fing er aufmerksam ein, damit ihm nichts entging. Er war erpicht darauf, sich nicht von der Dämonin an der Nase herumführen zu lassen. Aber mit dem folgenden hatte er nicht gerechnet, deswegen zuckte er auch kurz vor Schreck zusammen. Selannas Körper verschwamm kurz, als würde er verschwinden, nur um im nächsten Moment wieder direkt vor Rhys zu erscheinen; ihr Gesicht war somit von dem seinen nur wenige Zentimeter entfernt. Der Magier tat einen kleinen Schritt zurück. Er schnaubte leise, verärgert über ihr dummes Spielchen, das sie mit ihm trieb.

„Passt gut auf, ich zeige Euch die Zukunft.“

Rhys runzelte die Stirn, sichtlich kritisch über die Ankündigung der Dämonin. So eine Macht besaß sie mit Sicherheit nicht. Das war lediglich eine Scharade.
 

So dunkel es jetzt wegen der Wolken war, so hell wurde es dann plötzlich mit einem Mal. Rhys bedeckte die Augen kurz mit einer Hand. Er fragte sich, was die Dämonin ihm zu zeigen gedachte. Nun, das würde er erst herausfinden, wenn er die Augen wieder öffnete. Offen gestanden grauste ihm ein wenig davor; eigentlich wollte er gar nicht wissen, was dieses ekelhafte Monster für ihn vorbereitet hatte. Doch es half ja ohnehin nichts, denn vorerst war er hier gefangen und Selanna ausgeliefert. Er musste wohl oder übel ihr Spiel erst einmal mitspielen. Darum kam er leider nicht herum.
 

Rhys seufte, atmete ausgiebig ein und aus, zählte in Gedanken bis 10, ehe er sich endlich zusammennahm und die Augen öffnete.

Es war helllichter Tag, die Sonne schien, nur wenige Wolken wanderten durch den blauen Himmel. Rhys sah sich um. Er befand sich auf einer Straße, mitten auf einem Marktplatz. Mehrere Stände waren hier aufgebaut, hinter jeden befand sich ein Verkäufer, der laut rufend auf seine Waren aufmerksam machen wollte. Welche Stadt war das? Rhys war sich recht sicher, dass es nicht Kirkwall sein konnte. Aber das hier sollte die Zukunft darstellen, richtig? Wer konnte also schon wissen, welche Veränderungen sich die Dämonin für seine jetzige Heimatstadt ausgedacht hatte?

Der Magier blickte sich noch einen Moment länger um, konnte aber nichts außergewöhnliches entdecken. Dann aber trat plötzlich Selanna neben ihn und auf ihren Lippen lag das altbekannte, diabolische Grinsen. Sie nickte in eine Richtung.

„Seht nur.“

Sie betrachtete Rhys' als dieser erblickte, was sie ihm zeigen wollte.
 

Dort, mehrere Meter von ihnen entfernt stand ein schwarzhaariger Mann auf der Straße. Die vernarbten Arme hatte er verschränkt, seine blauen Augen blickten aufmerksam in eine bestimmte Richtung; als würde er auf etwas – oder jemanden – warten.

„Carver“, flüsterte Rhys leise.

Sein jüngerer Bruder war deutlich älter, als er eigentlich zu diesem Zeitpunkt war. Seine linke Gesichtshälfte war vernarbt, doch wurde dieses kleine Andenken an ihre Auseinandersetzung mit Tarohne von einem dichten schwarzen Bart ein wenig verdeckt. Selanna konnte sich ein kleines Kichern nicht verkneifen.

„Was soll das?“, verlangte Rhys zu wissen.

Er verstand nicht, was die Dämonin ihm zeigen wollte.

„Lasst Euch Zeit. Ah, seht, da kommt sie schon.“

Widerwillig schaute der Magier wieder zu Carver und just in diesem Moment trat eine Frau an diesen heran. Der Schwarzhaarige küsste die kleinere Elfe mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, ehe er seine Hand sanft auf ihren dicken Bauch legte und leicht darüber strich. Es war Merrill. Ihre grünen Augen leuchteten glücklich, als sie zu Carver aufblickte. Auch sie war älter, ihre Haare hatte sie wohl wachsen lassen; sie reichten ihr jetzt beinahe bis zum Gürtel.

… Und sie war schwanger.
 

Rhys hatte es erst gar nicht bemerkt, aber bei diesem Anblick hatte er das Gesicht verzogen – zu einem beinahe schon angewiderten Ausdruck.

„Das soll die Zukunft sein?“, fragte er dann leicht verärgert, „Merrill ist in den Knight-Captain verliebt. Für Carver hat sie sich noch nie interessiert.“

Selanna kicherte.

„Das stimmt schon. Aber Euer kleiner Bruder hat ein Auge auf die süße Elfe geworfen. Außerdem, was glaubt Ihr in wie vielen Jahren das hier sein wird?“

Die Dämonin seufzte, verschränkte die Arme.

„Die kleine Merrill hat nicht die geringste Chance bei dem Templer. Er wird herausfinden, dass sie eine Blutmagierin ist und sie hassen. Und wer glaubt Ihr, kommt dann um die Elfe zu trösten?“

Sie musste lachen, hielt sich aber die Hand vor den Mund.

Rhys blickte indes wieder zu dem Carver und der Merrill aus dieser vermeidlichen Zukunft. Er hatte die eine Hand um den Rücken seiner schwangeren Frau gelegt, mit der anderen hielt er die ihre. Sie gingen langsam über die Straße, während die Elfe unaufhaltsam vor sich hin plapperte. Rhys kleiner Bruder hörte ihr aufmerksam zu und lächelte. Sie sahen unerträglich glücklich und zufrieden aus.

Der Magier verengte die Augen. Er würde das nicht laut aussprechen, aber er war offengestanden froh, dass Selanna ihm nicht einen anderen Mann an Carvers Seite gezeigt hatte. Aber eine solche Zukunft war sehr viel unwahrscheinlicher als diese hier.
 

Die einzige Aussage, die diese Szenerie hier hatte war doch diese: Rhys wird Carver niemals bekommen, außer...
 

„Nun gut, das hier wird langsam langweilig, meint ihr nicht auch?“, sagte Selanna und gähnte gespielt, „Lasst mich Euch die Zukunft zeigen, die ich Euch ermöglichen kann.“

Rhys hatte ein ungutes Gefühl bei dem, was jetzt wohl kommen mag. Doch es war ja nicht so, als hätte er die Wahl, sich der Dämonin zu verweigern.
 

Das erste, was der Magier erblickte, als er die Augen öffnete, war ein Kamin, in dem ein wild tanzendes Feuer loderte. Das Holz war bereits ganz schwarz und verkohlt – es war wohl einige Zeit her, dass jemand die Scheiten nachgelegt hatte. Das Zimmer, in dem er sich befand war groß, aber kaum erleuchtet. Die schweren Vorhänge waren zugezogen worden, aber durch die Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die kleinen Schlitze bahnten, war zu erahnen, dass es Tag war. Rhys gegenüber stand ein großes Himmelbett, an dessen Seiten weinrote Seidentücher hingen. Die Bettwäsche hatte dieselbe edle Farbe und erst beim zweiten Mal hinsehen wurde ihm klar, dass sich jemand unter der Decke befand. Der Stoff bewegte sich wild und unaufhörlich. Der Magier vermutete, dass sich mehr als eine Person darunter verstecken musste. Im nächsten Moment war ein leises Kichern zu hören und dann ein Seufzen.
 

Als er sich umsah, konnte Rhys die Dämonin noch nicht entdecken. Sie hielt sich wohl noch versteckt, wartete. Ihr Hang zur Theatralik war langsam ganz schön nervig, aber er hatte ja keine Wahl außer sich auf ihr dummes Spiel einzulassen und ihre Regeln zu befolgen. Er konnte sich vorstellen, dass sie von ihm wollte, dass er sich dem Bett näherte. Die Bewegungen unter der Decke ließen einen zu der Annahme kommen, dass sich darunter zwei Personen hin und her wälzen mussten. Offen gestanden war der Magier nicht erpicht darauf, dem Rätsel auf die Spur zu kommen und so stand er da im Halbdunkel, wie erstarrt. Seine Beine wollten nicht so richtig funktionieren und alles in ihm gab ihm genau die selbe Botschaft. Nämlich dass es eindeutig weniger unangenehm werden würde, wenn er einfach hier wartete. Vielleicht verlor Selanna ja die Geduld und beendete diese Scharade? Rhys musste den Kopf schütteln, genervt von seiner eigenen, naiven Hoffnung, die innerhalb einer Sekunde auch schon wieder verpuffte. Quasi wie eine Rauchwolke, die im blauen Himmel verschwand.

Er seufzte.

Es würde ja doch alles nichts helfen. Die Dämonin wollte ihm unbedingt zeigen, was sie ihm in Austausch für seine Seele versprechen konnte? Gut, er würde es sich ansehen. Je schneller er es hinter sich brachte, desto schneller würde dieser Albtraum hier vorbei sein.
 

Der Magier setzte langsam einen Fuß vor den anderen, ganz als ob der die beiden Leute auf dem Bett stören könnte, wenn er zu viel Lärm veranstaltete. Auf halbem Weg hielt er dann inne, wartete ab. Nichts passierte, also ging er weiter. Das Herz schlug ihm fest und rasch die Brust und erst als er beinahe direkt vor dem Bett stand, wurde die Decke gegen zurückgeworfen und er zuckte zusammen, wich etwas zurück. Es war Carver, den er dort erblickte, natürlich. Der junge Hawke war nur in weißer Unterkleidung bekleidet und saß auf einer anderen Person. Auf einem Mann. Lächelnd blickte er auf seinen Liebhaber hinab, strich mit beiden Händen über dessen leicht behaarte Brust. Der andere Mann sprang dann plötzlich auf, packte Carver und riss ihn von sich. Anschließend warf er ihn zurück auf das Bett, sodass nun er die Oberhand hatte.

Der Jüngere lachte, schien keinerlei Probleme damit zu haben, dem Älteren seinen Willen zu lassen.

„Worauf wartest du, Bruder?“

Rhys wurde schlecht, er hielt sich die Hand vor den Mund. Er selbst war es, der auf Carver lag und dabei voller Gier auf ihn herabblickte.

„Ich warte darauf, dass du mich anflehst, dich zu nehmen“, raunte sein Spiegelbild.

Rasch drehte sich der Magier weg, als sein vermeidliches Ich sich zu seinem jüngeren Bruder hinabbeugte. Einen Augenblick später war das Geräusch von Küssen zu hören und anschließend ein Stöhnen. Er wollte nur noch weglaufen, aber dann sah er Selanna vor sich, die ihn zufrieden angrinste.

„Was habt Ihr? Warum schaut Ihr weg? Davon habt Ihr doch schon lange geträumt, Hawke.“

Rhys fletschte die Zähne, schenkte der Dämonin einen vernichtenden Blick, ehe er an ihr vorbeistürmte und die große Doppeltür aufstieß, um aus dem Schlafzimmer zu flüchten. Er fand sich in einem Korridor wieder. Was war das für ein Haus? Es handelte sich ganz klar nicht um Gamlens heruntergekommene Hütte, nein, das hier glich mehr einer pompösen Villa. Die Fenster waren groß und frisch geputzt; in den oberen Dritteln war buntes Glas eingesetzt – wie das in den Kirchen. Die Treppe war breit, aus hellem Stein. Hawke vermutete Marmor, konnte es aber nicht mit Sicherheit sagen. Auf den Stufen war ein roter Teppich ausgelegt, dessen Seiten mit goldenen Stickereien verziert war. In einer sündhaft teuer aussehenden Vase war ein Blumengesteck eingearbeitet. Die Pflanzen wirkten exotisch; sie waren ganz klar nicht in den Freien Marschen heimisch und vermutlich auch nicht in den Nachbarländern. Wenn Hawke nach oben blickte, konnte er ein gigantisches Gemälde sehen, das in die Decke eingearbeitet war.
 

Schnellen Schrittes lief der Magier die Treppe hinab, übersprang dabei immer eine oder sogar zwei Stufen. Unten angekommen hielt er sich an dem mit Figuren verzierten Geländer fest, beugte sich über und hustete. Ihm war schlecht, er wollte sich übergeben. Sein Mageninhalt blieb aber an seinem gewohnten Platz, weigerte sich den Weg nach draußen zu suchen. Als er wieder aufblickte, stand ihm Selanna gegenüber. Ihr Blick wirkte beinahe schon besorgt.

„Ihr seht gar nicht gut aus“, meinte sie, „Ihr schwitzt... Hm, Sterbliche können wirklich ekelhaft sein.“

Hawke erwiderte nichts auf ihre harschen Worte, stellte sich aber vor, ihr den ein oder anderen Knochen zu brechen. Vor allem wollte er ihr aber dieses falsche Grinsen aus ihrer Visage schlagen. Er sah sie an und dachte daran, wie es sich anhören würde, ihr das Genick zu brechen.

Die Dämonin erwiderte seinen Blick und ihr Lächeln wurde breiter, ganz als ob sie seinen Gedankengang mitverfolgen könnte. Dann trat sie näher an ihn heran.

„Hawke“, flüsterte sie, „wollt Ihr mein Angebot hören?“

„Habe ich eine Wahl?“

Sie kicherte, wich etwas von ihm zurück.

„Ich will eine sterbliche Seele, egal welche. Und dann, irgendwann, will ich Euch haben.“

Widerstrebend blickte Hawke ihr entgegen, schwieg aber.

„Und im Gegenzug bekommt Ihr Carver.“

Sie biss sich auf die Lippen.

„Was sagt Ihr?“

Der Magier blickte ihr aus müden, erschöpften Augen entgegen. Sie konnte nicht genau sagen, was sich in seinen Zügen verbarg. Wut? Angst? Panik? … Sehnsucht?

„Ich sage Nein. Ich gehe keinen Handel mit Euch ein, Dämonin.“

Selanna wirkte nicht unbedingt überrascht, aber glücklich schien sie auch nicht. Ihr Kiefer versteifte sich, als würde sie die Zähne zusammenbeißen. Und einen Augenblick später war schon ein Knirschen zu hören.

„Überlegt es Euch“, sagte sie dann, „Ich gebe Euch noch etwas Zeit, über mein Angebot nachzudenken.“
 

Dann kicherte sie.

Und es wurde schwarz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  BODYROCKER
2016-09-03T08:45:14+00:00 03.09.2016 10:45
Hallöchen:)
Ich bin auf deine ff gestoßen und muss sagen. interessant:D ich kann garnicht alles zusammenfassen ...aber ich finde es wirklich gelungen. Du schreibst gut und man kann mit den jeweiligen Charackter richtig mitfiebern. Vorallem gehst du auch auf jeden ein was ich super finde. nur seh ich grad das die ff schon eine Tage alt ist XD also wird es wahrscheinlich keine Fortsetzung geben oder? Zu schaden...bin so gespannt was mit den beiden Brüdern passiert oder aber auch wie Fenris und Sebastian zueinander finden .. :(
Von:  Legoory
2015-08-13T22:48:31+00:00 14.08.2015 00:48
Oh je, dass nenn ich mal einen Traum. Der Ärmste.
Da bekommt er nen Eindruck wie es sein könnte, dass er Carver haben kann. Und ihm wird schlecht. Wobei ich gestehen muss, mit der Aussage "Worauf wartest du Bruder" ist mir auch schlecht geworden..
Ich bin wirklich gespannt, wie das alles noch weitergeht. Vorallem Fenris und welcher Mann? Denarius?
Zu viele Fragen, zu wenig Antworten und vieeel zu spät xD
Antwort von:  LeBlanc
18.08.2015 14:11
Haha, das ist genau die Reaktion, die ich haben wollte... also das mit dem schlecht werden. Natürlich nur im Bezug auf die Szene und das drum herum, nicht wegen der Geschichte an sich. XDD
Wie immer freue ich mich, von dir einen Kommi zu lesen, meine Liebe. <3
Und ja, ich weiß, dieses Mal hat es wirklich unglaublich lange gedauert. Aber keine Sorge, ich habe noch viele Ideen und die will ich auf jeden Fall unterbringen!


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