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Okiya

Delinquent trifft Maiko
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und es ist geschafft. Der Prolog meiner neuen Geschichte, „Okiya“. Die gesamte Idee stammt aus einem RPG, in dem ich die Rolle Jiros spiele. Noch immer ist es am Laufen und noch kein Ende ist absehbar. Also könnt ihr euch schon auf einige Kapitel gefasst machen.
Ich hoffe ihr findet Gefallen an der Idee und der Umsetzung.
Viel Spaß nun mit dem Prolog „Wenn die Kirschblüten fallen“. Komplett anzeigen

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"Wenn die Kirschblüten fallen"

Nach einem Niesen wischte sich Jiro mit dem Hemdärmel die Nase ab, ehe er diesen nach oben rollte. Die schwarze Jacke seiner Uniform hatte er sich über die eine Schulter geworfen. Die Ledertasche mit dem Logo der Kyotoer Privatschule darauf, hing mit einem Träger auf seiner anderen Schulter. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, die Blätter der Kirschblüten wehten umher, es war angenehm warm und der Schulbeginn lag eigentlich bereits eine Woche zurück. Doch das interessierte ihn nicht allzu sehr. Ebenso interessierte es ihn auch nicht, dass er mit achtzehn noch einmal die Schulbank in einer Mittelschule drücken sollte. Eigentlich würde er bald neunzehn werden und war somit allemal viel zu alt. Doch wegen vieler ungünstigen Umstände, die zusammengekommen waren, hatte sein Vater beschlossen, ihn wieder auf die Mittelschule zu schicken. Denn von dieser hatte er schon vor ein paar Jahren nicht wirklich was mitbekommen. Ein Jahr hatte er sogar ganz gefehlt und aufholen, das hatte er nie können. Die teure Privatschule nahm den Jungen ohne Zögern auf. Immerhin zahlte sein Vater neben den Schulgebühren auch einige andere Dinge, die der Einrichtung Probleme bereiteten. Somit sah sich das Rektorat ohnehin gezwungen den Jungen aufzunehmen. Wer hatte auch nichts gegen einen kleinen Nebenverdienst?
 

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass der Unterricht schon angefangen haben musste und das bereits seit zwei Stunden. Natürlich war dem entsprechend auch das Schultor* geschlossen. Doch es war nicht Jiros Art sofort aufzugeben. Er sollte hier zur Schule, also würde er auch gehen. Ein wenig lief er an der hohen Mauer entlang, bis er einige Bäume sah, die nicht ganz so schwer zu erklimmen waren, wie die Mauer selbst. Er kletterte auf ein Auto, das unter dem Baum geparkt war und zog sich von da an einem Ast nach oben. Von einem anderen Ast aus konnte er dann bequem auf die Mauer steigen. Keine Minute später stand er dann auch schon vor dem Schulgebäude, das er kurzerhand betrat. Nun zog er sich auch wieder seine Jacke an, knöpfte sie, wenn auch schräg, mit ein paar Knöpfen zu und ließ so den Blick auf ein paar Flecken zu, die auf seinem Hemd zu sehen waren und wohl vom Frühstück stammen mussten. Seine rotblonden, schulterlangen Haare, die sich farblich nicht sehr von seiner Hautfarbe unterschieden, waren offen und nur sein Pony zu einem kleinen Pälmchen nach hinten gebunden. Bei den Schuhfächern** stieg er aus seinen herunter getretenen Loafer und zog ein paar Schlappen an. Dann lief er die Treppen hoch zu den Räumen der Drittklässler. 3-B stand an dem Schild über der Tür. Das war dann wohl sein Klassenzimmer.
 

"Das ist der Grund, aus dem sich X zu Y so verhält als ob-", sagte der Lehrer gerade, wurde jedoch von der Tür unterbrochen. Er wandte sich um und riss für einen Moment die Augen auf. Wie sah dieser Junge aus? Er wusste, sie würden einen neuen Schüler bekommen und er wusste auch, aus welchem Haus er war... doch dieser Anblick schockierte ihn. Trotzdem durfte er nichts dagegen sagen. Die Schule hatte den Eltern dieses Jungen einiges zu verdanken. Er presste die Lippen zusammen, ehe er dann endlich seine Stimme erhob. „Kommen Sie bitte her und stellen sich vor“, sagte er. „Yo, mach' ich glatt“ Jiro grinste breit, kritzelte seinen Namen an die Tafel. Einige Schüler begannen zu tuscheln. Minamoto... Sora konnte kaum glauben, was da eben geschehen war. Dieser Junge war wohl der unordentlichste, den er je gesehen hatte. Flecken auf dem Hemd, dieses auch nur schlampig in die Hose gesteckt. Ein Bügeleisen hatte es wohl auch noch nie gesehen. Und das sollte ein Angehöriger der Familie Minamoto sein? Doch sein Name verriet noch mehr als das... Er war nicht nur ein Sohn, sondern auch der Träger des Familienerbes***.
 

„Ich bin Minamoto Jiro. Kommt mir nich' dumm, dann komm' ich euch nich' dumm“, sagte er mit grobem Dialekt und grinste noch immer, ging dann zu einem freien Platz, um sich dort zu setzen. Im Vorbeigehen musterte er einige Jungen und Mädchen. Alles an ihnen saß so perfekt. Die Haare der Jungen kurz geschoren, die der Mädchen lang. Hier und da waren die langen Haare zu straffen Pferdeschwänzen, Knoten oder Flechtzöpfen gebunden.

Jiro verdrehte die Augen und lehnte sich zurück. „Dann machen wir nun weiter mit dem Unterricht“, verkündete der Lehrer und führte die Stunde fort. Zumindest versuchte er das, doch durch Jiros Störung kam nun keiner mehr wirklich dazu. Schüler tauschten Blicke, sahen immer wieder zu Jiro. So auch Sora, dem es einfach unmöglich erschien, dass dieser Junge aus einer Adelsfamilie stammte.

Doch nicht nur die anderen Schüler waren es, die Jiro beobachteten. Er machte es ebenso, musterte jeden einzelnen der Schüler eingehend und prägte sich ihre Gesichter und die dazugehörigen Namen ein, die auf den kleinen Schildern an ihren Jacken hingen.
 

Als die Stunde endlich zu Ende war, rief er ein paar Mädchen zu sich und begann sie auszufragen. Immerhin wollte er ein wenig über die Klasse und seine Mitschüler erfahren. „Alle sind sehr ordentlich und brav. Jemanden wie dich, wirst du hier sicherlich nicht finden. Aber außer dir gibt es noch einen Neuen“, erklärte eines der Mädchen und deutete zu Sora. „Das ist Kobayashi Sora. Er ist letztes Jahr im Sommer zu uns gekommen. Hat mitten im Jahr einfach gewechselt. Spricht seltsam... interessiert sich für nichts und niemanden. Na ja, umgekehrt ist es auch nicht anders.“ Jiro hob eine Augenbraue, blickte zu dem Jungen. Kobayashi Sora...? Er war blass, wie die meisten hier, hatte ebenso kurze Haare, wie all die anderen Jungen und auch sonst war eigentlich nichts an ihm... Deshalb lächelte er das Mädchen nur an, strich ihm über die Wange, worauf es rot wurde und ließ sich alle Mädchen vorstellen.
 

Kurz bevor es zur nächsten Stunde klingelte, erhob sich Jiro von seinem Platz, ging zu Sora rüber und setzte sich auf seinen Tisch. „Yo, du bist Sora?“, fragte er. Sora runzelte die Stirn etwas. Wie kam er dazu ihn einfach mit dem Vornamen anzusprechen? „Kobayashi Sora“, antwortete er deshalb nur. Warum sprach er ihn überhaupt an? Vielleicht einfach nur, weil er auch neu war? „Kennste auch niemanden hier? Lass uns später in die Mensa gehen“, schlug Jiro vor, doch einer der Jungen kam heran. „Bleib weg von dem. Der ist komisch. Der gehört nicht zu uns. Schlechter Umgang. Der hat an einer Privatschule nichts verloren.“ „Hm...? Achso?“ Jiro nickte, rutschte von dem Tisch und wandte sich ab. Vorerst würde er sich von ihm fernhalten. Immerhin wollte er die Klasse im Rücken und beliebt sein. Und wenn sie Sora nicht leiden konnten, dann durfte er sich auch nicht mit ihm abgeben.

Sora war auf Grund dieser Reaktion doch ein wenig geknickt. Dennoch sagte er nichts, blickte nach draußen auf den Schulhof, der von einem Teppich aus rosa Blütenblättern bedeckt war. Wenn sie alle nur wüssten... Er würde alles tun, um seinen Traum zu erfüllen. Und wenn es hieß, keine Freunde zu haben, dann wäre das auch in Ordnung. Es war immerhin nur noch ein Jahr, bis er mit der Mittelschule fertig war.
 

Als es nach dem Unterricht zur Mittagspause klingelte, ging er mit den anderen in die Mensa. Doch wirklich einfinden konnte er sich dort nicht. Außer Schule, Arbeit und Lernen gab es wohl nichts. Deshalb packte er seine Sachen zusammen und ging aufs Dach. Früher waren dort die „coolen“ Jungs gewesen. Hier musste es doch auch jemanden geben, oder? Er öffnete die Tür und sah... nichts. Nichts und niemand war hier. //Wo bin ich hier nur gelandet?//, fragte er sich seufzend, als er plötzlich doch jemanden bemerkte. Unscheinbar und im Schatten versteckt saß dort Sora gegen die Wand des Treppenaufgangs gelehnt. Doch eben dieser schien nichts von Jiros Anwesenheit zu bemerken. Noch immer war er ins Essen, das aus einem selbstgemachten Bento bestand, vertieft.
 

Langsam ging der Ältere auf ihn zu. „Hey, Sora! 'n Bento? Machst's dir allein? Oder machts dir deine Ma?“, fragte er grinsend nach, ließ sich neben ihn sinken. Er musterte den Jungen kurz, sah die kalkweißen Hände. Kein Wunder, wenn er hier im Schatten saß. Er selbst war dagegen fast schon dunkelbraun. Sora zuckte zusammen, als er die Stimme hörte, nickte nur leicht zur Antwort. Irgendwie war es ja seine Mutter, die ihm das Bento machte. Aber dann wiederum... auch nicht. Er spürte den Blick auf seinen Händen, schob die etwas hochgezogenen Ärmel wieder weiter herunter. Gerne hätte der andere dazu etwas gesagt, aber er beließ es dabei. „Haste keine Freunde? Die anderen mögen dich nich' gut leiden, oder?“, fragte er stattdessen nach. „Nein, sie mögen mich nicht besonders“, antwortete Sora leise. „Ich weiß nicht, wieso... ich habe ihnen nie etwas getan. Aber ich mache mir deswegen keine Gedanken. Es ist das letzte Jahr und dann sehe ich sie sowieso nie wieder.“ Er lächelte ihn etwas an und aß wieder weiter. Jiro fiel auf, dass Sora anders sprach. Irgendwie... altmodischer? Konnte man das so nennen? Auf jeden Fall war es nicht der übliche Dialekt, den man in dieser Gegend kannte. Es klang förmlicher, etwas traditioneller...

"Aber auf der Oberschule wirste vielleicht auf ein paar Leute treffen. Meinste nich'? Dann biste die noch nich' los...", ging Jiro weiter darauf ein. "Sie meinten du würdest nich herpassen... aber ich seh' kein Problem mit dir. Siehst genauso langweilig aus wie die andren." Er schmunzelte leicht. "Hier hat man eben keine andre Wahl..." Ein Seufzen entwich ihm. „Solange sie mich in Ruhe lassen, ist es mir egal. Und... sie lassen mich hier momentan auch in Ruhe. Mehr möchte ich nicht“, sagte Sora nur und hob die Schultern. „Langweilig? Hm... vielleicht. Aber wie du schon sagst, hier hat man eben keine andere Wahl.“ Wenn er nur wüsste, wenn er auch nur eine Ahnung davon hatte, welchen Weg Sora für die Zukunft eingeschlagen hatte. Er würde ihn mit Sicherheit nicht mehr für langweilig halten. Oder... vielleicht gerade dann? Er war sich sicher, dass es viele Jugendliche gab, die sich seine Zukunft sehr langweilig vorstellten. Dabei war es das mit Sicherheit nicht. Er würde noch so viele interessante Dinge lernen und auf so viele verschiedene Menschen treffen. Konnte man das etwa wirklich als langweilig bezeichnen?
 

Doch Jiro riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Dann haste Glück. Andere werden nich' in Ruhe gelassen...“, meinte er nachdenklich. „Solche Schulen wie hier... da werden ständig welche fertig gemacht. Auch von den Lehrern.“ Erneut musterte er den Kleineren. „Werd' mal rein gehen...“ Damit wandte er sich ab, ging wieder in das Gebäude Bisher war hier ja alles ganz gut gelaufen. Und irgendwie... wollte er Sora näher kennenlernen. Denn so oberflächlich wie Jiro auf den ersten Blick vielleicht schien, ihm waren diese Kleinigkeiten, die Sora von den anderen unterschieden, nicht entgangen und er wollte herausfinden, was noch so an diesem Jungen dran war.
 

Im Sekretariat meldete er sich für den Fußballclub an. Er liebte Fußball, hatte wirklich ein Talent darin. Außerdem sah er es als große Chance, um aus seiner Familie auszubrechen. Irgendwann würden vielleicht Talentscouts auf ihn aufmerksam werden. Und dann... würde er in der Profiliga spielen. Zumindest war das sein Traum. Raus aus dieser Familie. Also würde er ab morgen den Fußballclub besuchen.
 

Doch dieser nächste Tag fing ebenfalls nicht ganz pünktlich an. Wieder platzte er mitten in der Stunde rein, bekam dieses Mal jedoch einen Eintrag ins Klassenbuch dafür. Nicht, dass es ihn wirklich kümmerte. Deshalb sah er auch keinen Grund darin irgendwas an seinem Verhalten zu ändern.

Kopfschüttelnd sah Sora zu Jiro, als dieser sich setzte und so völlig sorglos seine Beine hochlegte. Warum kam er immer zu spät? Er verstand es nicht wirklich. Ob er bei allem was er machte so unzuverlässig war? Er fragte sich auch, in welchen Club er sich hatte eintragen lassen. Er selbst besuchte den Tee-Club, um dort die Teezeremonie besser zu erlernen und auch mehr über die einzelnen Sorten Tee und die Keramiken zu erfahren.
 

„Füße runter, Minamoto!“, war plötzlich die Stimme des Lehrers zu hören. „Und wenn nich'?“, gab Jiro zur Antwort. Sora konnte kaum glaube, dass dieser Junge es auch noch herausforderte... „Dann wartest du vor der Tür!“ „Alles klar!“ Jiro lachte auf, schnappte seine Sachen und ging vor die Tür, lehnte sich dagegen. Die ganze Stunde lang beschäftigte er sich nur mit seinem Handy, schrieb ein paar Nachrichten oder war im Internet.
 

Zur nächsten Stunde kam Jiro wieder, redete mit den Mädchen und versuchte sie ein wenig zu umflirten, obwohl er kein Interesse an ihnen hatte. Aber so konnte man sich immerhin beliebt machen. Tatsächlich benahm er sich auch den Rest des Tages, bis zur Mittagspause, wirklich gut. Wie auch schon den Tag davor, zog es ihn auf das Dach, wo er erneut Sora antraf. „Yo, Sora, wieder alleine hier?", fragte er, musterte ihn und setzte sich neben ihn, zündete sich eine Zigarette an. "Muss mir mal 'nen besseren Namen überlegen. Hm... Sky. Das find ich gut" Er nickte, schmunzelte etwas. "Is' nu' mein Spitzname für dich: Sky" Er tätschelte ihm kurz auf dem Kopf herum, sah ihn dann an. „Ich... bevorzuge Sora, wenn es möglich ist“, sagte dieser jedoch leise und wich seiner Hand ein wenig aus, ehe er sich wieder seinem Bento zu wandte. „Es ist schön hier, wenn es ruhig ist. Ich mag den Lärm in der Mensa nicht. Deshalb bin ich alleine hier“, beantwortete er noch die Frage Jiros. „Sorry, dann werd' ich wieder reingehen. Im Weg sein wollte er nicht. Wenn Sora gerne seine Ruhe hatte, dann ließ er sie ihm. „Nein, du kannst-“, wollte Sora gerade widersprechen, doch der Ältere war schon gegangen. So hatte er es doch gar nicht gemeint... Er seufzte etwas, senkte den Blick.
 

Jiro machte sich nach der Pause auf den Weg zum Fußballclub. Auch wenn die anderen nicht wirklich gut waren, machte es ihm Spaß und er fühlte sich etwas ausgelasteter, sodass er, obwohl die anderen schon duschen gingen, noch immer auf dem Feld war und ein wenig spielte. Er war so vollkommen in seinem Element, dass er Sora gar nicht bemerkte, der im Schatten eines Kirschbaumes stand und ihn beobachtete. Erst als er aufhörte, zu einer Bank ging und sich den Schweiß abwischte, sah er den Jungen, lächelte ihm leicht zu. Verwirrt bemerkte Sora das Lächeln, sah sich kurz um, ob da noch jemand außer ihm war, konnte aber niemanden entdecken und lächelte deshalb fast schon schüchtern zurück. Jiro trank ein paar Schluck, winkte Sora dann zum Zaun heran, der das Spielfeld umgab. „Ich geh' schnell duschen. Warteste?“, frage er nach, „Oder musste schnell gehen? Sonst würd' ich dich zur Station begleiten.“ „Ich warte bei den Bäumen“, erklärte der Jüngere und verzog sich sofort wieder in den Schatten. Kopfschüttelnd sah Jiro ihm nach, schmunzelte jedoch etwas und ging dann duschen.
 

Er hatte wirklich gut gespielt, ging es Sora durch den Kopf. Er sah irgendwie... gut dabei aus. Aber so genau hatte er sich noch nie Sportler angesehen... Doch zu ihm passte es. Vermutlich war er deshalb auch so braun gebrannt, weil er oft spielte. Kein Wunder. Wenn er selbst im Hochsommer auf dem Feld stand, konnte man das ja auch nicht verhindern.

Geduldig wartete er nun, bis der Ältere zu ihm kam. Mit noch etwas feuchten Haaren lief Jiro auf ihn zu, lächelte etwas. „Danke fürs Warten...“ Er hob seine Hand, nahm vorsichtig ein Kirschblütenblatt von Soras Schulter. „Wenn die Kirschblüten fallen, ist's ein Zeichen, dass er Sommer kommt“, meinte er und Sora nickte nur etwas. So etwas aus seinem Mund zu hören, klang irgendwie... falsch. Doch er hatte nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn Jiro stellte ihm eine Frage: „Wo wohnste eigentlich?“ „Gion“, antwortete Sora. „Is' bestimmt toll da. Bin da auch öfters unterwegs. Also in Kawaramachi... gibt da ja viel“, plauderte Jiro drauf los. „Wo wohnste da?“ „Eher Zentral... so... beim Hanami-dori****“ Das überraschte Jiro nun doch. So unscheinbar der Junge auch aussah, seine Eltern mussten wahnsinnig viel Geld haben. Immerhin konnte sich nicht jeder eben Mal was in dieser Gegend leisten. „Und, lebste schon immer da?“, fragte Jiro weiter nach. „Nein, wir sind hergezogen. Es... ist sehr schön bei Nacht“ „Wo haste vorher gewohnt? Deinem Dialekt nach zu urteilen auch schon in Kyoto, oder?“ Sora war nun wirklich beeindruckt. Ihm war sein Dialekt aufgefallen? Jiro wirkte gar nicht so, als würde er auf so etwas achten. „In... Kagoshima“, antwortete Sora lächelnd. „Aber so wie du sprichst... nie und nimmer kommste aus Kagoshima! Da sprechen die anders. Du klingst altmodisch. Wie'n alter Dialekt aus Kyoto... Na ja. Und was machste so? Kommst ja nicht oft raus, oder? Sport sicher nicht...“ Sora schmunzelte nun doch etwas. „Sport mache ich nicht, nein. Aber eigentlich mache ich schon sehr viel. Nur eben nichts, was draußen stattfindet“.
 

Jiro entging es nicht, dass er von seinem Dialekt ablenkte und auch sonst nichts weiter von sich preisgab. Doch er beließ es dabei, trennte sich an der Station von Sora und stieg in eine Limousine, die dort für ihn wartete. „Bis morgen!“, rief er ihm noch zu. Sora war ein wenig verwundert, dass Jiro nicht mit dem Bus oder der Bahn fuhr... aber vielleicht war es ja einfach normal so, wenn man viel Geld hatte. Und als Minamoto... hatte er das sicher. Aber er machte sich nicht mehr allzu viele Gedanken darum. In Gion stieg er aus dem Bus, lief zur Hanami-dori und betrat wenig später eine Okiya. „Tadaima“ „Okaerinasaimase*****, Sorakun“, antwortete die Okaasan****** und lächelte sanft.


Nachwort zu diesem Kapitel:
*In Japan werden an vielen Schulen die Tore geschlossen, sobald der Unterricht beginnt. Wer also zu spät kommt, kann nicht mehr rein.
**An japanischen Schulen zieht man die Schuhe aus, stellt sie in ein dafür vorgesehenes Fach und läuft dann mit Pantoffeln durch das Gebäude.
***Der Name Jiro lässt sich mit den Schriftzeichen 治und 郎 schreiben, was „regierender Sohn“ bedeutet.
****Hanami-dori ist die wohl berühmteste „Geisha-Straße“ Japans. Dort gibt es etliche Okiyas (Geisha-Häuser)
*****Tadaima = „Ich bin wieder zu Hause“, Okaerinasaimase = höflichste Form für „Willkommen zurück“
******Die Besitzerin einer Okiya (Geisha-Haus) wird Okaasan, also Mutter, genannt. Komplett anzeigen

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