Die perfekte Schwester
Mit hängenden Schultern stand Lucy vorm Spiegel im Schlafsaal und betrachtete sich aus trüben Augen. Das Gesicht, welches ihr entgegen starrte, kannte sie nur zu gut. Es war nicht auffallend, sehr gewöhnlich - nicht einmal besonders hübsch.
Genieß es doch einfach unsichtbar zu sein, halten die unbedachten Worte in ihrem Kopf wieder und ließen sie bitter Schlucken.
Unsichtbar. Dies beschrieb Lucy Weasley in einem Wort perfekt. Dies hatte sie inzwischen zu akzeptieren gelernt und auch den Umstand, dass sie nie mit ihrer großen Schwester konkurrieren würde können.
Wie auch?
Was Molly Weasley auch anpackte, gelang. Sie war organisiert, fleißig und ehrgeizig. Für jeden ihrer Mitschüler stand sie ein, wenn ihm eine Ungerechtigkeit widerfuhr und mit ihrem außerordentlichen Rechtsempfinden setzte sie ihre Pflichten als Schulsprecherin um. Doch über all dies verlor Molly nie ihre Herzlichkeit und ihr Strahlen, wodurch jeder sie mochte.
Dem hatte Lucy nichts entgegenzusetzen. Ihre Leistungen waren Mittelmäßig, zudem plagte sie eine Schusseligkeit, die selbst unfallfreies essen verhinderte.
Wurde sie gesehen, belächelte man die junge Weasley. Die wenigsten kannten ihren Namen, eigentlich war sie nur ‚die kleine Schwester der Schulsprecherin‘ und sonst niemand. Der einzige Mensch, der es schaffte in Lucy etwas anderes zu sehen, war Molly.
„Du bist unglaublich stark, Lucy“, hatte sie der Jüngeren oft gesagt, doch in ihrer Bitterkeit war es für sie der reinste Hohn.
Molly war verpflichtet so über sie zu denken, sie war ihre Schwester und sie musste ihr Image des perfekten Menschen wahren. Egal, wie liebevoll sich die Ältere gab und welche kleinen Wunder sie auch an ihrer Schwester entdeckte, für Lucy waren es leere Worte.
Die Bitterkeit und der Neid auf das Strahlen, das ihr fehlte, ließen Lucy die Wahrheit hinter den Worten nicht erkennen und so versuchte sie die gelb-schwarze Krawatte mühselig zu richten und begab sich zum Unterricht.