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Die Wahrheit über Wölfe

[Stiles / Derek]
von

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Geschichten ohne Ende

Vorwort: OMG, das Ende naht. Nein, for real, das ist das vorletzte Kapitel. ENDLICH. XD
 

Warnungen: Blut, Gewalt und ich kann immer noch keine Kampfszenen schreiben. Außerdem Scallison, weil die total mein OTP sind.

Viel Spaß!
 

„Ich kann sie eine Weile in Schach halten. Lang genug, um Scott zu befreien. Aber ich bräuchte einen erhöhten Platz, damit ich sie im Visier behalten kann.“ Allison kaut angestrengt auf ihrer Unterlippe. Der Wind zerrt an ihren dunklen Haaren und ihre Augen sind groß und beinah schwarz in der beginnenden Dämmerung. „Vielleicht von einem der Bäume aus.“
 

„Sogar falls du es schaffst ein halbes Dutzend Alphas in Schach zu halten – und das ist ein großes ‚falls‘! - bleibt immer noch die Frage wie wir sie aus der Hütte raus locken“, gibt Lydia zu Bedenken. „Wir können ja schlecht an der Tür klopfen und sie fragen, ob sie nicht mal kurz rauskommen wollen, damit du auf sie schießen kannst.“
 

„Ich weiß nicht, ich dachte…“
 

„Wir fackeln sie ab“, flüstert Stiles. Sein Gesicht sieht weiß und gespenstisch aus in der Fensterscheibe von Lydias Wagen.
 

„Was?“
 

„Wir fackeln sie ab. Die Hütte. Wir fackeln sie ab.“ Er fährt sich mit der Zungenspitze über die trockene Unterlippe. „Dann werden sie rauskommen.“
 

„Wow“, sagt Lydia langsam. „Das ist von allen dämlichen Ideen, die wir bisher hatten mit Abstand die dämlichste und das heißt schon w-…“
 

„Brandpfeile“, unterbricht Allison. Ihr Blick ist direkt auf Stiles gerichtet, ihr Gesicht ruhig und unlesbar. „Trockenes Holz, gute Wetterbedingungen. Sie würde brennen. Innerhalb von Minuten.“
 

Stumm blickt Stiles zurück.
 

„Ernsthaft“, sagt Lydia und hebt aufgebracht die Arme. „Wir diskutieren das ernsthaft? Na gut. Okay. Dann lasst mich die wesentliche Frage stellen: Was ist mit Scott? Der steckt nämlich auch in der Hütte, falls das alle vergessen haben! Wir müssen davon ausgehen, dass er… gefesselt ist, schlimmstenfalls bewusstlos. Er wird nicht alleine da rauskommen!“
 

„Ich weiß.“ Stiles nickt. „Ich weiß. Einer muss rein und ihn befreien, wenn das Feuer ausbricht.“
 

„Einer?“ wiederholt Lydia.
 

„Ich“, korrigiert er. „Ich muss rein. Und ihn befreien wenn das Feuer ausbricht.“
 

Lydia schnappt nach Luft und starrt ihn an.
 

Sogar Allison gefriert mitten in der Bewegung. „Auf keinen Fall“, sagt sie scharf. „Nicht du. Mein Dad! Wir warten bis mein Dad hier ist und dann kann er… oder Derek. Du vertraust Derek, das hast du gesagt! Einer der beiden kann es tun. Jemanden, der wenigstens eine Chance hat sich zu verteidigen.“
 

„Nein. Nein! Das geht nicht“, widerspricht Stiles heftig.
 

Allison und Lydia starren ihn an. Lydias Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Allison schüttelt stumm den Kopf.
 

Stiles schluckt. Seine Kehle fühlt sich eng an, als ob er eine Schlinge um den Hals hat, die sich langsam um ihn herum zusammenzieht. „Das ist es ja. Versteht ihr nicht?“ sagt er. „Es DARF niemand sein, der auch nur die leiseste Chance hätte sich zu verteidigen. Sie würden jeden, der ihnen gefährlich werden könnte sofort töten! Sie würden Derek sofort töten und deinen Dad auch. Es muss… es kann nur jemand sein, der vollkommen harmlos ist. Ungefährlich. Beute.“ Er lacht. Es klingt hohl, sogar in seinen eigenen Ohren. „Ich bin… ich bin der einzige, der so harmlos ist, dass sie ihn rein lassen würden.“
 

„Shit“, sagt Allison leise. Stiles kann sehen wie es hinter ihrer Stirn arbeitet. „Shit. Er hat recht… Stiles hat recht.“
 

„Du kannst doch nicht wirklich dein Ernst sein… Stiles!“ Lydia packt nach seinem Handgelenk, so fest, dass ihre Fingernägel sich in seine Haut bohren. Ihre Augen sind geweitet, ihre Pupillen schwarz und riesengroß. „Es kann doch nicht ernsthaft dein Plan sein, dahin zu gehen und … WAS ? An die Tür zu klopfen und höflich fragen ob sie dich nicht mal eben zu Scott lassen?“
 

Stiles tauscht einen langen Blick mit Allison. „Das… das ist ziemlich genau mein Plan, ja.“
 

-
 

Der Flur steht in Flammen.

Stiles hat nicht erwartet dass es so schnell gehen wird.

Trockenes Holz. Innerhalb von Minuten. Allison hatte recht.
 

Ohne abzuwarten wirbelt er herum. Er wirft sich auf Scott und beginnt wild an seinen Ketten zu zerren. „Reiß dich los!“ befiehlt er atemlos. „Scott, reiß dich los! Wir müssen hier raus!“
 

Scott zögert nicht, er wirft sich mit voller Wucht gegen die Ketten. Die Decke knarzt und Holzstaub rieselt auf Stiles hinab.

Draußen ertönen Schüsse.
 

„Ist das…?“ keucht Scott.
 

„Allison“, Stiles nickt. „Und Mr. Argent, so wie es sich anhört.“
 

„Wie habt ihr mich gefunden?“
 

„Erzähl ich dir später! Mach schon, Scott!“ Stiles hängt sich mit seinem ganzen Gewicht an eine der Ketten. Dichter Qualm strömt bereits aus dem Flur in das Zimmer. „Du kannst das! Du bist ein Werwolf“ hustet er. „Du bist ein Werwolf!“
 

„Ich weiß“, gibt Scott mit zusammengepressten Zähnen zurück. „Ich bin ein Werwolf. Ich bin ein…“
 

Ein einzelnes langes Heulen zerschneidet die Luft.

Und Stiles ist nicht sicher wie oder wieso, aber er weiß, dass es Derek ist.

Es hallt durch die Luft lang und schneidend wie ein Signal, wie ein Ruf und Stiles spürt wie es in seiner Brust beginnt zu ziehen. Vielleicht ist das ein Rudel-Ding. Ein Alpha-Ding.

Er ist nicht der einzige, auf den es Wirkung zeigt.

Scotts Augen beginnen zu glühen. Sie flackern zwischen Rot und Golden hin und her wie ein Sonnenuntergang der in Flammen steht.
 

Mit einem grollenden Aufschrei wirft er sich nach vorne und das Metallscharnier wird von seinem Schwung aus der Decke gerissen.

Eine gigantische Staubwolke ergießt sich über sie. Scott taumelt und sinkt Stiles entgegen.

„Woah, Vorsicht.“ Stiles packt nach ihm. Er braucht beide Hände um ihn aufrecht zu halten. „Alles okay?“ fragt er atemlos.
 

Scott nickt und stolpert neben ihm her zum Fenster. Sein Gesicht ist aschgrau unter dem getrockneten Blut. „Wir müssen hier raus“, drängt er heiser. „Der Rauch wird dich sonst schneller töten als das Feuer!“
 

Er hat recht. Dichte Rauchschwaden dringt durch die offene Zimmertür nach drinnen und der Flur ist inzwischen so dicht vernebelt, dass Stiles kaum noch etwas erkennen kann. Die Luft ist heiß und beißend und treibt ihm Tränen in die Augen.
 

Er packt das abgerissene Metallscharnier, das Scott hinter sich her schleift, und donnert es rücksichtlos gegen die Fensterscheibe, einmal, zweimal, dreimal.
 

„Lass mich das machen.“ Scott zerrt ihn weg aus dem Radius des splitternden Glases, bevor er ihm das Scharnier abnimmt und den Rest besorgt. Blutige Kratzer zieren seine Handrücken und Stiles kann sehen wie sie im Eiltempo wieder heilen.
 

Kalte frische Luft strömt durch die zerbrochene Scheibe nach drinnen und Stiles atmet gierig ein. Er macht Anstalten nach dem Rahmen zu greifen, als Scott den Kopf schüttelt und ihn um die Taille fasst, um ihn hochzuheben.
 

„Alter, du bist verletzt“, protestiert Stiles.
 

„Ich bin ein Werwolf“, erwidert Scott. Kompromisslos hebt er Stiles über das Fensterbrett hinweg, mit einer Handbreit Abstand zu den spitzen Kanten der zersplitterten Scheibe.
 

Stiles landet auf beiden Beinen mitten in weichem Gras und trockenem Laub. Scott folgt direkt hinter ihm. Die schweren Ketten, die er an seinen Handgelenken mit sich zieht, poltern rasselnd auf den Boden.
 

Stiles wirbelt herum und versucht sich in der Dunkelheit zu orientieren.

Sie sind auf der Rückseite der Hütte herausgekommen.

In einer Ecke seines Gehirns, die noch nicht von Adrenalin und Panik überwältigt ist, registriert er das Surren von Alisons Pfeilen, die Revolverschüsse ihres Vaters und das wütende Grollen der Alphas, die allesamt von der Vorderseite kommen.

Das ist gut. Das verschafft ihnen Zeit.

Das brennende Haus ist wie eine Barriere zwischen ihnen und den Alphas. Aber nur für den Moment. Nach wenigen Schritten werden sie für jeden gut sichtbar sein, wie auf dem Präsentierteller, im Schein der lodernden Flammen.

Bis zum Rand der Lichtung sind es wenigstens fünfzig Meter.

Fünfzig Meter. Das klingt nicht viel. Aber jetzt und hier sieht es nach sehr viel aus…
 

Er greift nach Scotts Arm. „Wir müssen es bis zu den Bäumen schaffen. Ich weiß nicht, wie lange Allison sie ablenken kann.“
 

„Stiles, warte“, keucht Scott und bleibt abrupt stehen.
 

„Was ist? Wir müssen…“ Stiles kommt nicht mehr dazu den Satz zu beenden, als Scott plötzlich die Arme um ihn schlingt und ihn festhält, Ketten und alles.

Überrascht bleibt er stehen.
 

„Es ist alles meine Schuld“, flüstert Scott. Er stößt es in einem einzigen atemlosen Schwall hervor, als ob er Angst hat, dass er sonst keine Zeit mehr hat es zu sagen. „Ich hab was Dummes gemacht. Peter… er hat… ich hätte ihm nicht glauben sollen. Es tut mir so leid, dass ich gesagt habe, dass du nicht zum Rudel gehörst… und du bist trotzdem gekommen und ich… du hättest nicht… Stiles, sie hätten dich umbringen können! Ich wollte nie… wenn dir was passiert wäre…“
 

„Ich hab dich doch auch lieb“, erwidert Stiles und fährt ihm mit beiden Händen über den schweißnassen Rücken. Er kann beinah spüren wie Scott ausatmet, als ob diese Worte die einzige Absolution darstellen, die er braucht. „Also sei kein Idiot. Ich werde immer kommen und dich retten. Das weißt du doch. Und jetzt komm schon.“ Stiles klopft ihm auf die Schulter. „Wir müssen uns beeilen, sonst war unsere ganze, waghalsige Rettungsaktion umsonst.“
 

Ohne abzuwarten zieht er Scott mit sich mit.

Er weiß nicht, ob irgendjemand schon mitbekommen haben, dass er und Scott das Feuer zur Flucht genutzt haben, aber er weiß, dass es immer ein Fehler ist sich umzudrehen während man wegrennt.

Er dreht sich nicht um.
 

Er stolpert immer weiter, Scotts Gewicht schwer auf seinen Schultern und starrt stur geradeaus auf den Ring aus Bäumen. Seine Augen tränen von dem beißenden Rauch, der in der Luft liegt. Die lodernden Flammen in seinem Rücken malen bedrohlich flackernde Schatten auf den Boden.
 

Je länger sie laufen desto trittsicherer wird Scott. Er heilt nicht so schnell wie sonst, aber er heilt schneller als er heilen dürfte nach Wunden, die ihm von Alphas zugefügt wurden. Bei Erica hat es Tage gedauert und nicht nur Minuten.

Irgendetwas passiert mit Scott. Irgendetwas verändert sich und Stiles kann beinah dabei zusehen. Es ist neu und beängstigend, und er weiß, sie müssen darüber reden.

Später.

Später, wenn sie mal länger als fünf Sekunden nicht akut vom Tode bedroht sind.

Guter Plan.
 

Der Rand der Lichtung ist schon zum Greifen nah, als ein einzelnes weiteres Heulen die Nachtluft zerreißt. Jemand springt mit einem Satz aus dem Schatten der Bäume und landet direkt vor ihnen.

Entsetzt schreit Stiles auf und schmeißt sich reflexartig vor Scott, mit rudernden Armen und weit aufgerissenen Augen, ein hilfloses, menschliches Schutzschild.
 

Es ist Derek.

Stiles stolpert und fällt ihm praktisch entgegen.

„D-Derek… Derek? Derek!“, haucht er.

Einen Moment lang fühlt er sich unwirklich, wie in einem Traum.

Ein Teil von ihm hat nicht damit gerechnet, dass er Derek jemals wieder sehen wird.
 

Dereks Augen leuchten rot und er atmet schwer, so als sei er kilometerweit gerannt. Er macht eine reflexartige Bewegung in Stiles‘ Richtung, aber seine Hand prallt wenige Zentimeter von ihm entfernt an einer unsichtbaren Wand ab.

„Was…?“
 

„Eberesche“, japst Stiles. „Um die ganze Lichtung herum. Wo sind die anderen? Wo ist Lydia? Ich…“
 

„Mach den Kreis auf!“ befiehlt Derek aufgelöst. „Mach ihn auf!“
 

Stiles gehorcht. Er durchbricht den Kreis und schiebt Scott nach draußen zwischen die Bäume, bevor er den Kreis mit einer Handbewegung wieder schließt. Scott stolpert und hält sich schwer atmend an einem Baumstamm fest, bevor er erschöpft in die Knie sinkt.
 

„Sorry“, japst Stiles. „Ich musste doch… die Alphas…“
 

Derek packt nach seinem T-Shirt und vergräbt die Finger darin. Seine Augen leuchten rot. „DAS war dein Plan?!“ faucht er heiser. „Das verdammte Haus anzuzünden, während ihr noch drinsteckt?!“
 

„Was?“ Stiles starrt ihn an. „Ich hab dir doch gesagt ‚der Plan ist sie nach draußen zu locken‘! Was hätten wir denn machen sollen? Sie zum Tee einladen…?! Ich…“
 

Er schafft es nicht diesen Satz zu beenden. Was dann passiert ist gänzlich unerwartet. Schneller als er reagieren kann wird er gepackt und… dann hat Derek schon beide Arme um ihn geschlungen und drückt ihn an sich.

Er…

Oh.

Oh.

Okay.

Er versucht ausnahmsweise nicht Stiles umzubringen.
 

„Uff…?“ Stiles öffnet und schließt seinen Mund, sekundenlang vollkommen sprachlos. Sekundenlang wird ihm heiß und kalt, und sein Herz stolpert schmerzhaft, bevor es ruckartig beginnt wieder zu schlagen.
 

Es ist keine liebevolle Umarmung.

Sie ist hart und fest und verzweifelt, als ob Derek dabei ist unterzugehen in einem endlos tiefen, schwarzen Ozean, als sei Stiles der einzige Rettungsring, der ihn oben hält. Er ist erhitzt und sein Herz wummert in seinem Brustkorb, so hart und schnell, dass sogar Stiles es spüren kann.

Er muss wirklich sehr schnell gerannt sein, um hierher zu kommen…

Unendlich zögernd legt er eine Hand auf Dereks Rücken.
 

„Was …? Was hast du denn?“ fragt er leise.

Zu spät, viel zu spät, fällt ihm wieder ein, dass Dereks gesamte Familie bei einem Feuer ums Leben gekommen ist. Dann fühlt er sich wie ein Monster, weil er es vergessen hat. Reflexartig vergräbt er die Hände in Dereks T-Shirt.

„Tut mir leid“, flüstert er.
 

„Mach das nie wieder“, sagt Derek leise. Nachdrücklich packt er Stiles an den Armen und starrt ihn an, so lange bis Stiles seinem Blick ausweicht. „Mach das ja nie wieder, du Idiot! Ich dachte… ich hab das Feuer aus der Ferne gesehen, ich… ich dachte du bist tot!“ Er bricht ab und deutet in einer wortlosen Geste hinter Stiles.
 

Reflexartig dreht Stiles sich um. Er schluckt.

Oh, denkt er. Oh okay…

Inzwischen steht die Hütte komplett in Flammen, das morsche Holz brennt wie eine riesige Fackel in der Mitte der Lichtung. Alles wird in düsteres, orangefarbenes Licht getaucht. Die Alphas und die Argents sind schwarze Schattenfiguren, die sich außen herum bewegen. Ein Ballett des Todes.

Von hier aus kann er die zerborstene Fensterscheibe sehen aus der er und Scott entkommen sind. Gerade noch entkommen, so wie es aussieht. Flammen züngeln aus ihr heraus.
 

Er hat unterschätzt wie schnell das Feuer sich ausbreiten wird.

Eine Minute später und…
 

Ihm wird ein wenig flau zumute.
 

„Es tut mir leid“, wiederholt er leise. „Ich hatte doch keine Wahl. Ich mach es nicht noch mal.“
 

„Doch wirst du.“ Es klingt resigniert.
 

Stiles macht den Mund auf und gleich wieder zu. Er kann es nicht mal abstreiten. „Wieso…“, murmelt er. „Wieso kümmert dich das überhaupt. Du hast doch klar gemacht, dass… dass es dich nicht kümmert.“
 

„Großer Gott, Stiles.“ Derek klingt erstickt. „Das ist doch nicht…“
 

„Falsche Signale“, wiederholt Stiles bitter. „Das hast du gesagt. Falsche Signale. Du kannst nicht einfach… du darfst nicht… DU bist doch der Meister im ‚falsche Signale Senden‘.“
 

„Ähm, Leute…“, murmelt Scott leise von hinten. „Ich will das nicht unterbrechen, aber… Feuer? Alphas?“
 

Stiles nickt und rubbelt sich mit beiden Händen energisch über das Gesicht. Ierks. Scott hat Recht. Das ist wirklich der denkbar ungünstigste Augenblick um sowas auszudiskutieren. Tolles Timing, Stiles, wirklich.
 

Derek presst die Lippen zusammen und wendet sich ruckartig ab, so als ob er gerade nicht ertragen kann Stiles‘ Gesicht zu sehen.

Stattdessen geht er vor Scott in die Knie.

„Alles okay bei dir?“ fragt er und legt eine prüfende Hand auf seine Schulter. Es ist eine unerwartet besorgte, beinah brüderliche Geste. Stiles muss daran denken, was Scott ihm in der Schule erzählt hat.

Scheinbar haben er und Derek das Kriegsbeil wirklich begraben.
 

Scott nickt, immer noch ein wenig atemlos.
 

„Seine Ketten“, bringt Stiles hervor. „Ich krieg sie nicht ab, kannst du…“
 

Derek nickt und greift behutsam nach Scotts Händen. Wortlos fährt er die Krallen aus und macht eine ruckartige Handbewegung. Die Fesseln um Scotts Handgelenke klirren rasselnd zu Boden. Perplex blickt Scott zu ihm auf. „Danke…“
 

„… okay“, murmelt Stiles. Er fühlt sich immer noch seltsam aus dem Takt gebracht durch Dereks Umarmung. Als ob gerade ein Stück Weltbild aus der Fassung gerutscht ist.

Derek kann das nicht machen.

Derek kann nicht… er kann ihn nicht in einem Moment zurückweisen und sich im nächsten Moment an Stiles klammern, als ob er nicht ertragen kann ihn zu verlieren. Das geht nicht.
 

Derek öffnet den Mund, aber was immer er sagen will, wird unterbrochen, als Erica und Jackson durch das Gebüsch preschen. Blätter fliegen um sie herum und Isaac folgt direkt hinter ihnen. Sie sind alle drei ausgewolft, Klauen und Zähne ausgefahren, und ihre Augen leuchten.
 

„Stiles!“ Erica klingt atemlos. „Bist du…?“
 

„Wo ist Lydia?“ fragt Stiles gleichzeitig und wirbelt herum. „Wo ist sie?“
 

„Nicht bei uns“, erwidert Erica überrascht. „War sie nicht bei euch?“
 

Stiles spürt wie der Boden unter seinen Füßen beginnt zu schwanken. Derek ist mit einem Schritt bei ihm, und nur seine Hand auf seinem Arm hält ihn aufrecht. „Aber sie war im Wald“, stammelt er. „Sie hätte euch finden sollen… sie…?“
 

„Du Idiot, sie ist da drüben!“ faucht Jackson und wirft sich praktisch an ihm vorbei, in seiner Hast auf die Lichtung zu stürzen. Er prallt gegen die Begrenzung aus Eberesche und jault wütend. Stiles folgt seinem ausgestreckten Arm mit den Augen.
 

Er weiß nicht, wie sie ihm entgehen konnte.

Lydia steht auf der anderen Seite der Lichtung, neben Allison. Ihr wehendes Haar leuchtet rotgolden im Licht des brennenden Haus und ihr Blümchenkleid flattert im Wind.

In der Hand hält sie einen länglichen Gegenstand um dessen Spitze blaue Funken sprühen. Sie schwenkt ihn um sich und rammt ihn kompromisslos in jeden Werwolf, der es wagt sich ihr zu nähern. Ein Elektroschocker.

Eine Argent-Waffe.

Sie muss Chris Argent zuerst gefunden haben.
 

Ein seltsames Gefühl breitet sich in Stiles‘ Brust aus.

Er hat gewusst, dass sie nicht weglaufen wird. Nicht sie. Nicht Lydia.

Natürlich nicht.
 

„Lass mich durch!“ faucht Jackson, völlig außer sich. „Lass mich durch!“
 

„Was? Nein! Wenn ihr einmal drin seid, könnt ihr nicht so einfach wieder raus!“ gibt Stiles zurück. Sein Herz rast. Das war nicht der Plan.

Der Plan war, dass er Scott hinter die Linie bringt während Allison und ihr Dad die Alphas in Schach halten. Und sie sich auf die andere Seite der Barriere aus Eberesche zurück ziehen. Alles andere wäre völliger Wahns-…
 

Die Entscheidung wird ihm abgenommen als hinter ihm jemand aufschreit. Es ist Allison.

„DAD!“
 

Scotts Kopf schießt nach oben.

Es passiert langsam und schnell zu gleich. Stiles sieht gerade noch wie ein Baumstamm vorne über kippt und mit einem donnernden Krachen auf die Lichtung donnert. Mitten auf die Lichtung. Mitten hinein unter die Alphas.

Einem von ihnen muss es gelungen sein, den Baum aus dem Kreis heraus mit irgendetwas zu treffen und den Stamm in der Mitte zu durchtrennen.
 

Chris Argent ist am Boden.

Die Alphas stürzen sich auf den gefallenen Baum wie Hyänen.
 

„Shit“, haucht Stiles. „Shit.“
 

Allison!“ Das ist Scott, der sich taumelnd an dem Baumstamm nach oben schiebt.

Er kennt sie besser als jeder andere und natürlich hat er gewusst, was sie tun wird, noch bevor es passiert.

Stiles sieht gerade noch, wie sie leichtfüßig und ohne zu Zögern auf die Lichtung sprintet. Um ihren Dad zu retten.

Hinein in das sichere Verderben.

Lydia schreit ihren Namen. Es hallt wie ein Echo in der Dunkelheit.
 

„Lass uns rein“, befiehlt Derek. „Stiles, lass uns rein! Die Alphas werden sie umbringen.“
 

„Wie viele sind es?“ fragt Erica.
 

„Fünf“, sagt Stiles. „Vielleicht mehr.“
 

„Fünf“, bestätigt Scott mit heiserer Stimme. „Ihr dürft sie nicht alleine angreifen. Bleibt zusammen sonst habt ihr keine Chance.“
 

„Ja, ja. Lass uns rein!“ faucht Jackson. „Mach schon, Stilinski oder ich reiß dir den Kopf ab!“
 

„Ich kann auch…“, beginnt Scott.
 

„Nein“, befehlen Stiles und Derek gleichzeitig. Scott stockt.
 

„Du bleibst hier“, schiebt Derek hinterher. „Pass auf Stiles auf.“
 

Ich passe auf ihn auf“, korrigiert Stiles.
 

Derek rollt mit den Augen. „Wie auch immer. Ihr bleibt zusammen.“ Zu Stiles gewandt sagt er leise: „Die Polizei ist weniger als fünf Meilen hinter uns. Sie werden jeden Moment hier eintreffen. Haltet sie auf, wenn ihr könnt.“
 

Jetzt wo er sich darauf konzentriert, kann Stiles die Sirenen in der Ferne hören. Es ist ein dünner, schauerlicher Laut.

„Shit…“, flüstert er. Nicht auch noch sein Dad. Es darf nicht auch noch sein Dad hier sein.

Er nickt fieberhaft. „Versucht einfach nur Lydia und die Argents rauszuholen. Wenn ihr es schafft sie hinter die Linie zu bringen, kann ich den Kreis schließen. Und dann… dann… ich weiß nicht, was wir dann machen…“
 

Derek greift nach seiner Hand. „Uns wird schon was einfallen“, verspricht er. „Wir machen einen Plan. Eine Liste. Eine Power Point Präsentation.“
 

„Machst du dich lustig über mich?“ fragt Stiles atemlos und umklammert seine Finger.
 

„Ich würde nicht im Traum daran denken.“
 

„Klar.“ Stiles lächelt unwillkürlich.
 

Eine Sekunde lang sieht Derek ihn an, ganz still und reglos. Und eine Sekunde lang muss Stiles an den Kuss denken. Und an die Umarmung.
 

Er zieht seine Hand so ruckartig zurück, als hätte er sich verbrannt.
 

Er kann sehen wie Dereks Kehlkopf sich bewegt als er schluckt. „Später…“, sagt er rau. „Oder morgen. Lass uns reden. Ja? Ich kann… ich kann es erklären.“
 

Stiles nickt, schlagartig verstummt. ‚Es gibt nichts zu sagen‘, liegt auf seiner Zunge, aber das ist kleinlich und gemein, und vor allem ist es nicht wahr, und dass weiß er auch. „Okay.“
 

„Später“, sagt Derek. Es klingt wie ein Versprechen.
 

„Später“, wiederholt Stiles.
 

Abrupt kniet er sich hin und durchbricht die schwarzglitzernde Linie aus Eberesche. Seine Finger zittern, aber vielleicht ist es nur der Boden der vibriert als vier Werwölfe auf einen Satz an ihm vorbeistürzen.

Aus den Augenwinkeln sieht er wie Scott ihm die Hand entgegenstreckt. Stiles ergreift sie und lässt sich wortlos nach oben ziehen.
 

„Alter, was war das?“ fragt Scott. „Ich habe Derek noch nie so gesehen. So… aufgewühlt.“
 

Stiles zuckt mit den Schultern.
 

„Was geht ab mit euch beiden?“
 

„Nichts“, flüstert Stiles. „Gar nichts.“
 

Scott legt einen Arm um seine Schultern. „Das ist eine ganze Menge Nichts“, sagt er leise.
 

Stiles seufzt. „Ich erzähl es dir morgen, okay?“ sagt er leise. „Nicht hier. Nicht wenn… nicht jetzt.“
 

„Okay.“ Scott nickt und wuschelt ihm durch die Haare. Und Stiles schluckt heftig und versucht nicht in Tränen auszubrechen.

Das ist nur das ganze Adrenalin. Das ist alles.

„Kannst du sehen, ob Mr. Argent wieder auf den Beinen ist?“ fragt Scott in einem offensichtlichen Versuch ihn abzulenken.
 

Stiles fährt sich über die Augen und versucht sich einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Es ist nicht einfach. Das flackernde Licht der brennenden Hütte verwandelt alle in scharfe, schwarze Schattengestalten.

Erica, Isaac und Jackson haben Scotts Rat befolgt und sich zu dritt auf einen der Alphas gestürzt. Derek beschäftigt einen Riesen, der aus der Entfernung verdächtig nach Brutus aussieht. Und Mr. Argent scheint die Deckung des umgestürzten Baumes zu nutzen, um auf zwei weitere Alphas zu schießen.
 

„Hey“, sagt Stiles abrupt und zerrt an Scotts Hand. „Sind es nicht fünf Alphas? Scott?! Ich sehe nur vier?!“
 

„Was? Einer ist gerade am Boden“, sagt Scott atemlos. „Die anderen kämpfen. Ich sehe… zwei… drei, vier… shit.“ Er klingt panisch. „Wo ist der Fünfte? Wo ist…?“
 

Ein Schatten springt ihnen in den Weg.
 

Es ist Kyle. Ausgerechnet. Seine Augen leuchten rot und er hat die Zähne ausgefahren.

Er muss den Moment genutzt haben als Stiles den Kreis geöffnet hat.
 

Scott und Stiles schreien gleichzeitig auf. Sie stolpern zurück, hilflos aneinander geklammert.
 

„Ich hab gewusst, dass wir uns nochmal wiedersehen, Rotkäppchen“, knurrt Kyle. Sein Gesicht ist beinah bis zur Unkenntlichkeit verzerrt vor lauter Wut. Sein linker Arm hängt nutzlos an seiner Seite und Blut tropft über sein Gesicht. Zu Scott gewandt faucht er: „Du bist kein Alpha. Und schon gar kein wahrer Alpha. Du bist ein Nichts!“
 

Er macht Anstalten nach Scott zu greifen. In einer einzigen Bewegung weicht Scott zurück und schiebt Stiles beschützend hinter sich.

„Lauf“, haucht er tonlos, die Augen starr geradeaus gerichtet. „Stiles, lauf.“
 

Sekundenlang ist Stiles starr vor Schreck. Sein Puls rast so schnell, dass ihm ganz schwindelig wird.
 

Scott hat sich vor ihm aufgebaut und die Arme ausgebreitet, und er gibt ein leises, tiefes Knurren von sich. Kyle macht Anstalten auf ihn zu stürzen, als ein plötzliches, scharfes Surren die Luft zerschneidet.
 

Kyle jault auf. Ein Pfeil ragt aus seiner Schulter.

Allison.

Es ist Allison.

„Fass ihn nicht an.“ Sie sieht bleich und zornig aus und in ihren Augen lodert es, als sie sich von hinten auf ihn stürzt wie eine Furie.
 

Mit einem zornigen Grollen geht Kyle auf sie los. In einer einzigen fließenden Bewegung wirbelt Allison unter seinen Klauen hinweg und weicht blitzschnell zur Seite aus. Metall blitzt auf in der Dunkelheit.

Schneller als Stiles es mit den Augen verfolgen kann, rammt sie Kyle die Messer in die Seite. Ruckartig dreht sie sich um, grazil wie eine tödliche Ballerina und reißt sie wieder heraus. Blut spritzt und Kyle geht mit einem Aufschrei zu Boden. Sie zerrt ihren Bogen hervor und schießt aus nächster Nähe einen Pfeil auf ihn. Und noch einen. Noch einen. Es ist schnell und brutal, so wie sie Peter erledigt hat.
 

„Allison…“, haucht Stiles.
 

Ihr dunkles Haar weht im Wind als sie über Kyles sich windenden Körper hinweg steigt, als sei er nicht mehr als Abfall auf ihrem Weg. Blutige Streifen zieren ihren Arm.

Ihre Augen weit aufgerissen und dunkel, und sie sind einzig und allein auf Scott gerichtet, als ob er alles ist, was sie sieht.
 

„Scott“, stößt sie hervor.
 

„Allison…“
 

Es passiert langsam wie in Zeitlupe. Er sieht Allison die mit beiden Armen nach Scott greift und Scott, der ihr praktisch entgegen fällt und das Gesicht an ihrem Hals vergräbt. Eine Sekunde ist sie unaufmerksam und ihr Bogen fällt klappernd zu Boden als sie beide Arme um ihn schlingt. Sie gibt ein schluchzendes Geräusch von sich. „Mach das nie wieder…“

„Ich liebe dich“, flüstert Scott. „Ich liebe dich.“
 

Allison klammert sich an ihn, und Stiles…

Stiles hat eine seltsame Art von Déjà vu.

Es fühlt sich an wie ein Faustschlag in seiner Magengegend. Denn genauso wie er jetzt Scott und Allison ansieht, müssen er und Derek vorhin für Scott ausgesehen haben… als Derek ihn umarmt hat als ob es kein Morgen mehr gäbe.
 

Allison wirft ihm über Scotts Schulter einen Blick zu. Sie lächelt unter Tränen, während sie sich an Scott klammert, als ob sie wirklich geglaubt hat, dass sie ihn niemals wieder sieht.
 

Stiles lächelt zurück.

Wenigstens das, denkt er. Wenigstens eine Sache ist wieder gut.

Er atmet aus, nur einen einzigen Moment lang nicht auf der Hut.
 

Dann passiert es. Alles auf einmal.

Er sieht noch wie Allisons Gesicht sich verändert und sie sich abrupt aus Scotts Armen losreißt, aber ihr warnender Aufschrei kommt zu spät.
 

Stiles wird von hinten gepackt und zu Boden geschleudert. Der dunkelblaue Nachthimmel wirbelt über ihm als er verzweifelt nach Luft japst und der Aufprall raubt ihm den Atem.
 

Wie aus weiter Entfernung hört er panische Stimmen, die seinen Namen rufen.
 

Joanna kniet über ihm, schnell wie ein Blitz. Ein Pfeil ragt aus ihrer Seite und ihr Mund ist blutverschmiert. Ihr Gewicht drückt auf seine Brust und Stiles bekommt keine Luft mehr. „Du kleiner, mieser Bastard“, zischt sie. „Ich hätte dich umbringen sollen als ich dich das erste Mal gesehen habe.“
 

Stiles öffnet den Mund zu einer reflexartigen sarkastischen Bemerkung, aber sie lässt ihm keine Gelegenheit.

Er hat mit einem Bösewicht-Monolog gerechnet.

In allen Filmen, die er je gesehen hat, halten die Bösewichte Monologe, die den Helden Gelegenheit geben sich einen Plan zur Rettung auszudenken. In allen Filmen darf er jetzt Zeit schinden, damit Scott und Allison zu seiner Rettung eilen können.
 

Hollywood hat gelogen.

Die Filme haben ihn angelogen.
 

Ihre Hand saust nach unten, schneller als er der Bewegung mit den Augen folgen kann, und dann rammt sie ihre Krallen mitten in seine Brust.
 

Alles in Stiles erstarrt. Er gefriert mitten in der Bewegung.

Er starrt sie an, ungläubig, entsetzt.

Er schluckt.
 

Nein.

Nein…
 

„Bitte…“, formen seine Lippen, aber er bringt keinen einzigen Ton heraus. „Bitte nicht…“

Eine eisige Kälte breitet sich in ihm aus.
 

Mit einem grausamen Lächeln reißt sie die Klauen aus seiner Brust heraus.
 

„STILES! NEIN!“
 

Die ganze Welt hört auf sich zu drehen.

Es ist nicht einmal der Schmerz, der zuerst kommt. Er ist bewegungslos, wie gelähmt. Stimmen brüllen seinen Namen, aber Stiles hört es gedämpft wie es durch Watte.
 

Warme, klebrige Flüssigkeit breitet sich auf seiner Brust aus.

Es ist nicht genug Luft da. Verzweifelt versucht er einzuatmen, aber seine Lunge verweigert sich.
 

Wie in Zeitlupe kann er sehen, wie sie erneut mit der Hand ausholt. Ihre langen Krallen sind getränkt von Blut.

Sein Blut.

Jemand brüllt. Es ist Löwengebrüll, Wolfsgeheul, so laut und schmerzhaft und so wütend als ob ein wildes Tier in eine Falle getreten ist.

„Scott!“ Das ist Allisons Stimme. Sie schreit. „SCOTT!“

Ein Schatten saust über ihn hinweg und dann wird Joanna von ihm herunter gezerrt und verschwindet aus seinem Blickwinkel.
 

Stiles blinzelt. Der schwarzblaue Sternenhimmel taumelt um ihn herum. Unendlich schwerfällig senkt er den Blick nach unten.

Eine Sekunde später wünscht er sich, er hätte es nicht getan.
 

Blut sprudelt aus der klaffenden Wunde in seinem Brustkorb.

Oh Gott. Oh Gott. Sie hat ihn aufgerissen wie eine Weihnachtsgans.
 

Der Schmerz, der ihn mit einem Male rammt wie ein Fünftonner raubt ihm den Atem.
 

Er bäumt sich auf und hustet, und er spürte wie warme Flüssigkeit an seinen Lippen klebt.

Blut, denkt er benebelt. Er spuckt Blut.

Das ist nicht gut, denkt er beinah hysterisch. Das kann nicht gut sein.
 

„Stiles… Stiles…“ Jemand sinkt neben ihm auf die Knie. „Oh Gott… nein… nein…“

Große, behutsame Hände greifen nach ihm.
 

Einen Augenblick lang hat Stiles das Gefühl, vor lauter Schmerzen gleich das Bewusstsein zu verlieren, als der Schmerz plötzlich nachlässt.
 

Er stöhnt und blinzelt.
 

„Stiles…“ Es ist Derek. Er kniet neben ihm auf dem Waldboden. Seine Augen sind weit aufgerissen und fassungslos und er sieht mit einem Mal sehr, sehr jung aus. „Stiles… sieh mich an… Stiles…“
 

„…hey…“, bringt Stiles hervor. Es ist tonlos, nichts als ein leises Röcheln.

Sie hat seine Lunge durchbohrt, realisiert er mit einer distanzierten Gewissheit. Er muss kein Mediziner sein, um das zu wissen. Ihre Krallen haben seine Lunge durchbohrt.
 

„Ruf einen Krankenwagen!“ brüllt Derek. „LYDIA!“ Zu Stiles gewandt, versichert er: „Alles wird gut. Stiles, halt durch, alles wird gut…“ Aber seine Stimme bricht in der Hälfte des Satzes.
 

Ein mattes Lächeln zerrt an Stiles‘ Lippen. „Lügner…“, flüstert er tonlos.
 

Unendlich behutsam zieht Derek ihn hoch in seinen Schoß. Seine eine Hand ruht auf Stiles‘ Brust, oder eher die blutige Masse, die davon übrig geblieben ist. Schwarze Wellen wandern seinen Arm entlang.
 

„Scott…?“ bringt Stiles hervor. Seine Stimme klingt hohl und rasselnd.
 

Derek wendet den Kopf und Stiles folgt seinem Blick.

„Oh…“, haucht er atemlos.
 

Scott ist komplett ausgewolft. Er muss derjenige gewesen sein, der Joanna von ihm weggezerrt hat. Seine Augen leuchten rot in der Dunkelheit und sein Gesicht ist beinah bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Allison kämpft an seiner Seite und sie gehen zu zweit auf Joanna los, entfesselt wie Beserker.
 

„Halt ihn …auf…“, wispert er. „Er ist … verletzt… er…“
 

„Stiles.“ Dereks Stimme klingt wackelig. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand Scott gerade aufhalten kann. Sie hat dir wehgetan.“
 

Mühsam wendet Stiles den Kopf zu ihm zurück.

Dereks Hände sind blutgetränkt. Er presst sie so verzweifelt auf Stiles Brustkorb als ob er damit den sprudelnden Blutfluss aufhalten und ihn zurück in das Innere drücken kann, wo es hingehört.

Schwarze Haarsträhnen kleben feucht in seiner Stirn.
 

„…tut mir leid…“, sagt Stiles leise, weil er mit plötzlicher Klarheit weiß wie das enden wird.

Er muss kein Genie sein, um sich auszurechnen, dass seine Chancen, dass zu überleben dramatisch schlecht sind. Er muss kein Genie sein, um zu wissen, dass er und Derek nicht mehr dazu kommen werden irgendwann darüber zu reden. Es wird kein ‚später‘ mehr geben, nicht für ihn.

Es wird für immer eine Geschichte ohne Ende bleiben… und davon hat Derek schon so viele.

„…ich… wollte nicht…“
 

„Hör auf.“ Derek schüttelt den Kopf. Es glitzert in seinen Augen. „Es wird alles gut, okay? Also, hör auf dich zu entschuldigen.“

Er hebt seine freie Hand und legt sie an Stiles‘ Wange. Seine Finger sind warm und feucht und blutverschmiert.
 

„… mein Dad…“, flüstert Stiles.
 

„Nein!“ Derek schüttelt den Kopf. „Stiles. Nein…“
 

„Bitte. Sag… dass es schnell ging… lüg wenn du… musst…“
 

„Sie schicken einen Hubschrauber! Sie sind gleich da! Derek!“ Jemand fällt an Stiles‘ Seite auf die Knie. Aus den Augenwinkeln sieht er rote Haare und das Blumenmuster eines Seidenkleids.

Lydia.

Kleine, eiskalte Finger schlingen sich um seine Hand. Er versucht zurück zu drücken, aber seine Gliedmaßen verweigern den Gehorsam.
 

Er hört wie sie sich anschreien und ihre Stimmen vermischen sich mit dem Kampfgetümmel um ihn herum. Müsste Derek nicht mitkämpfen? Sollte nicht jemand Lydia in Sicherheit bringen? Seine Gedanken zerfasern und der Lärm um ihn herum schwillt an und ab wie ein schlecht eingestellter Lautsprecher. Aus den Augenwinkeln bekommt er mit wie Chris Argent über die Lichtung in ihre Richtung humpelt.
 

„…beißen! Bitte, Derek, bitte!“ Lydia klingt hysterisch. „Du musst…!“
 

„…zu spät… er wird es nicht überleben… zu viel Blut…“
 

Ihre Stimmen verschmelzen zu einem sachten Rauschen. Meeresrauschen, denkt Stiles.

Er hat Scott gerettet. Und vielleicht stirbt er hier auf dem Waldboden, in Dereks Armen.

Er ist okay damit.

Zumindest versucht er sich das zu sagen.

Er ist okay damit.
 

Um sie herum tobt die Schlacht. Stiles hört das Jaulen der Wölfe und die Schüsse aus Chris Argents Gewehr.
 

Jemand brüllt ihn an und Stiles registriert beinah beiläufig, dass seine Augenlider dabei sind nach unten zu gleiten. Er fühlt sich benebelt.
 

„…Stiles! STILES!“
 

Mühsam klappt er die Augen auf.
 

Scotts bleiches Gesicht schwimmt über ihn in den Fokus. Er sinkt neben ihm in die Knie, so kraftlos, als ob ihm jemand den Stecker gezogen hätte.
 

„…hey… Scotty…“, formt Stiles tonlos. Es rasselt in seiner Lunge. Er hustet und warme Flüssigkeit läuft über seine Lippen. Er kann nicht mehr atmen.
 

„Stiles…!“ Scott verkrallt seine Finger in Stiles T-Shirt, als ob er nie wieder loslassen will. Blut klebt in seinem Gesicht und ist quer über seinem Oberkörper und seinen Armen verschmiert. Vielleicht ist es Joannas Blut. Ein Teil von Stiles fragt sich, ob das bedeutet dass der Kampf vorbei ist. Haben sie gewonnen? Er versucht zu fragen, aber er bringt keinen Ton hervor, nur das schreckliche Rasseln und Pfeifen in seiner Lunge wird immer lauter.

Er hustet.
 

„Nein… nein…“ Das Rot in Scotts Augen erlischt wie eine Flamme im Wind. Und dann passiert etwas das Stiles sogar in seinem halbbewusstlosen Zustand bis ins Mark erschüttert. Scott bricht in Tränen aus. „Derek bitte…!“, schluchzt er. „Mach was. Bitte!“
 

„Der Hubschrauber ist gleich da“, wiederholt Lydia. „Sie werden gleich da sein…“ Ihr Gesicht ist bleich und verzweifelt. Allison geht neben ihr in die Knie und legt ihr die Hände auf die Schultern. Auch ihr Kleid ist getränkt von Blut.
 

„Das ist zu spät“ sagt Derek tonlos. „Das ist zu spät…“
 

„Bitte!“ schluchzt Scott. „Bitte Derek… tu was … bitte…!“
 

Es tut nicht einmal weh.

Sterben tut nicht einmal weh, denkt Stiles, auf distanzierte Weise überrascht davon.

Lydia hält seine Hand. Derek und Scott haben ihre Hände auf seinen Oberkörper gepresst und schwarze Wellenlinien wandern ihre Arme entlang. Allison streichelt ihm mit der freien Hand über das Haar.

Wenn sein Dad nur hier wäre…
 

Stiles hört die Sirenen am Horizont, aber er weiß, dass sein Vater zu spät sein wird.

Er wird es nicht schaffen.

Wenn er da ist… dann wird Stiles nicht mehr da sein…

Seine Wimpern flattern unbarmherzig nach unten.
 

Und dann wird seine Hand plötzlich aus Lydias Fingern gelöst und ein Ruck geht durch seinen Körper, als er behutsam bewegt wird.

Müde blinzelt er gegen die Schwärze an, die sich in ihm ausbreitet.
 

„Halt ihn fest“, befiehlt Derek. Und Stiles begreift dass er in Scotts Armen liegt.
 

„Es ist nur ein Versuch. Ich kann das nur einmal tun…“ Dereks Stimme bricht. „Und ich weiß nicht, ob es funktioniert… ich habe noch nie“
 

„Bitte…“, flüstert Scott. „Ich tu alles… bitte…“
 

Derek greift nach Stiles Hand und nimmt sie zwischen beide Hände. Stiles blinzelt zu ihm hoch. Sekundenlang ist Derek alles was er sieht, sein Gesicht so nah dass es sogar den Nachthimmel und jeden einzelnen Stern über ihm ausblendet.
 

„Es wird alles gut“, sagt Derek leise. Seine Stimme ist belegt. „Ich verspreche es, Stiles. Es wird alles gut…“
 

„…w-s…?“ haucht Stiles tonlos und ein wenig beunruhigt. Was passiert gerade?
 

„Es ist okay“, sagt Derek sanft und streichelt ihm über die Haare.
 

„Tu es“, flüstert Lydia. „Derek. Tu es.“
 

„Bitte.“ Allison. „Tu es.“
 

„Halt durch.“ Das ist Scott. „Halt durch, Stiles. Es wird alles gut. Ich hab dich.“ Und dann, leise, entschlossen: „Tu es.“
 

Derek nickt ohne seinen Blick von Stiles Gesicht zu nehmen. „Mach die Augen zu“, sagt er leise und nimmt Stiles‘ Hände in seine.
 

Stiles gehorcht. Einen Moment lang fragt er sich ob Derek sich doch dazu entschlossen hat ihn zu beißen und ob das überhaupt noch funktionieren würde, als plötzlich ein gewaltiger Ruck durch seinen Körper geht.

Derek gibt ein Geräusch von sich, das halb schmerzhaft und halb hoffnungsvoll klingt.
 

Es ist wie ein Sog, der sich in ihm ausbreitet und Stiles reißt die Augen auf.
 

Derek atmet schwer und sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Er hält Stiles‘ Hände umklammert und schwarze Wellen wandern seine Arme hoch, wie vorhin als er ihm die Schmerzen ausgesaugt hat. Aber dieses Mal ist es anders, es fühlt sich anders an.

„Wa-…?“ haucht Stiles.
 

Dereks Augen leuchten auf, rote Lichter in der Dunkelheit. Seine Zähne und Klauen schnellen hervor und dann legt er den Kopf in den Nacken und brüllt.

Es ist ein lautes, tiefes Wolfsheulen, das klingt als ob ihm jemand das Herz in der Brust zerquetscht, als ob aus ihm etwas herausgesaugt wird… und Stiles möchte dass es aufhört, Stiles möchte irgendetwas tun, er will…
 

Ein Ruck geht durch seinen Körper. Er bäumt sich auf und er schreit und schreit und schreit, bevor gnädige Bewusstlosigkeit ihn umfängt.
 


 

Fortsetzung folgt
 

Fakten & Fiktion:

Okay, wer das Ende von Staffel 3a gesehen hat, kann sich vielleicht noch daran erinnern wie Derek in 3x11 Cora geheilt hat. Das habe ich hier eiskalt geklaut und übernommen. ;)

Für alle, die das nicht wissen: Cora lag im Sterben und um sie zu retten hat Derek irgendeinen magic mumbo jumbo gemacht, wo er basically ihre Krankheit rausgesaugt hat und dafür seine Alpha-ness geopfert hat, damit sie durchkommt.

Und bitte erinnert mich daran nie wieder Szenen mit so vielen Personen zu schreiben. Es ist ja so schwer den Überblick zu behalten ... ugh....



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Yaoigirl
2016-01-01T19:49:10+00:00 01.01.2016 20:49
Alter, wo bleibt das letzte Kapitel? Ich warte sehnsüchtig auf das Ende. Auf das schnulzige Ich - liebe - Derek - und - alles - ist - Friede - Freude - Eierkuchen, Ende.
Bitte bitte bitte. In voller Hoffnung und strahlend grün: Yaoigirl
Von:  Hatschepueh
2015-10-09T14:28:48+00:00 09.10.2015 16:28
Neeeeeiiiiinn!!! Das war das letzte fertige Kapitel. Ich habe über 7 Stunden am Stück diese FF heute gelesen und was mach ich jetzt? An so einer Stelle einfach aufzuhören kann doch nicht dein Ernst sein. Ich hoffe ernsthaft das das nächste (letzte) Kapitel schon mindestens zu 90% fertig ist.
Aber das Kapitel war wie gewohnt einsame spitze. Die komplette FF hätte genausogut in der Serie selber so funktioniert einschliesslich der Actionszenen und das ist wirklich das größte Lob das ich aussprechen kann.
Von:  Trollibaer
2015-09-04T11:19:54+00:00 04.09.2015 13:19
Hi,
Monate später, und immer noch kein letztes Kapitel.
Du bleibst dir treu.

Schade, es ist wirklich eine gute Geschichte....ohne Ende.
Trollibaer
Von:  Rottweiler
2015-07-29T09:30:11+00:00 29.07.2015 11:30
Was schon vorbei? Ich bin so vertieft das ich nicht bemerk habe das es schon fürs erste das letzte kapi war. Oh man, ich brauch mehr davon. Bitte. Du musst... Musst weiter machen. Ich flehe dich an. Ich vergöttere dich und diese Story.
Ich brauche es. Ich liebe es. Ich schlafe sogar nur ein wenn ich sie lese. Wahrscheinlich habe ich deshalb nur 17 Stunden gebraucht von Kapitel 1- jetzt. Aber trotzdem.
Ich brauch mehr von der Sterek Droge.
Mit erfürchtiger Verbeugung
ROTTWEILER
Von:  Kaylee
2015-07-13T07:59:19+00:00 13.07.2015 09:59
Hallo,
Nun ich denke, es wird Zeit, dass ich auch mal ein Kommentar zu dieser Geschichte von dir schreibe, vor allem da ich sie auch schon seit einiger Zeit verfolge und immer verzweifelt auf das nächste Kapitel warte (Die Bürde des Lesers 😃).
Diese Mal ist es anders. Einerseits freue ich mich auf das nächste Kapitel, andererseits werde ich traurig sein, dass die Geschichte jetzt vorbei ist.
So nun zu diesem Kapitel: Wie immer ich liebe deinen Schreibstil, Charakterdarstellung und nicht nur Stiles ♡ ist das Herz mehr als einmal stehen geblieben ;-)
Auch wenn ich gern noch mehr über den Kampf zwischen Allison und Mr. Argent mit den Alphapack gelesen hätte, ist es auf jeden Fall ein spannungsgeladenes Finale :-D
LG
Von:  Talo-kun
2015-06-11T10:47:04+00:00 11.06.2015 12:47
ich freue mich schon auf die nächsten kapitel

deine schreibe is fesselnd
Von:  SilverClock
2015-05-19T18:06:33+00:00 19.05.2015 20:06
Heyho :)
Das ist mein erstes Kommentar für diese Geschichte und ich muss sagen, dass ich ziemlich traurig bin, dass sie bereits auf ihr Ende zu geht ;( Die Handlung ist echt super und wie du die Charaktere darstellst finde wirklich großartig.
Sogar deinem Alphapack hast du ziemlichen Charme verliehen, wie ich finde.
--Ich mag Kyle ziemlich gern-- :D

Ich hoffe ja, dass es hier nach noch eine Fortsetzung geben wird, falls einer des Packs verschwinden konnte, aber das wird wohl eher unwahrscheinlich sein, oder? ^^"
Ich freue mich auf das neue Kapitel und will dir noch ein großes Lob für deine Formatierung lassen. Es macht das Lesen wirklich angenehm und lässt einen selbst im letzten kapitel, wo so viele Charaktere auftreten, einen guten Durchblick behalten.
Bis dann :)




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