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Stille Sehnsucht

8059
von

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8059 One-Shot
 

Wie jeden Morgen stand ich auf und sprang als erstes unter die Dusche. Als ich wieder zurück in mein Zimmer kam, um mich anzuziehen, fiel mein Blick kurz auf die Uhr. Ich grinste breit. Früher wäre ich jetzt erst aufgestanden. Aber früher war ich auch allein zur Schule gegangen. Das war jedoch längst nicht mehr der Fall.

Ich schnappte mir meine Tasche und lief die Treppen hinab. Mein Vater reichte mir noch schnell mein Essen für die Schule, dann war ich auch schon draußen. Bester Laune trugen meine Füße mich zu der Kreuzung, an der er schon längst stand.

„Guten Morgen, Gokudera.“, begrüßte ich meinen Mitschüler.

„Morgen…“, grummelte er zurück.

Ich blieb neben ihm stehen, schaute zu ihm, während er an einer Zigarette zog. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu sagen, dass das ungesund war, doch ich ließ es. Ich hatte längst jeden Moment, den wir ohne Streit verbrachten, genießen gelernt. Längst hatte ich aufgehört, zu leugnen, dass ich wegen ihm so früh das Haus verließ.

Seit ich mit Tsuna befreundet war, teilte ich mir meinen Schulweg mit diesem und Gokudera. Doch mit der Zeit war ich immer etwas früher gekommen als Tsuna. Und irgendwann wartete ich einige Minuten mit jenem Sturmwächter zusammen, bis Tsuna auftauchte. Eines Tages hatte ich dann eines realisiert: Ich war wegen Gokudera so früh da. Diese wenigen Minuten, in denen Gokudera keinen Tsuna da hatte, dem er all seine Aufmerksamkeit schenken konnte, in denen er einfach er selbst war, fernab der ‚rechten Hand’. Und mit der Zeit hatte ich begonnen, mir vorzustellen, dass ich der Einzige war, der ihn so sehen konnte. Natürlich war das nicht der Fall, aber es war ein schöner Gedanke.

„Was grinst du so, Baseball-Idiot?“

Seine grimmigen Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Mein Lächeln erstarb allerdings nicht.

„Heute ist ein herrliches Wetter, nicht wahr?“, sagte ich munter.

Ein „Tche!“ war die Antwort.

Dann war mein heutiger Gokudera-Moment auch schon vorbei. Die Aufmerksamkeit des Anderen richtete sich ganz und gar auf Tsuna, welcher gerade bei uns ankam.

„Juudaime!“, rief Gokudera fröhlich.

„Gokudera-kun, Yamamoto, morgen.“, sagte der Braunhaarige.

„Guten Morgen, Tsuna.“, lächelte ich.

Wir gingen gemeinsam los und Gokudera widmete sich ganz und gar Tsuna. Ich versuchte, das dumpfe Gefühl in meiner Magengegend zu ignorieren, auch wenn es schwer war. Es wurde von Tag zu Tag schwerer. Ob Tsuna überhaupt wusste, wie glücklich er sich schätzen konnte, dass ihm Gokudera so viel Beachtung schenkte? Ich wäre schon überglücklich, wenn ich auch nur einen Bruchteil davon abhaben könnte. Ich verkniff mir ein Seufzen, lächelte weiter und beteiligte mich schließlich am Gespräch der Beiden.
 

Am Nachmittag stand ich – wie fast immer – auf dem Baseballfeld der Schule und trainierte. Bald war wieder ein Spiel und dafür wollte ich mein Team in Topform haben, nicht zuletzt auch mich. Fleißig übte ich Schlag für Schlag, war dabei ganz in meinem Element. Ja, Baseball war mein Leben. Auch wenn ich dank der ganzen Angelegenheit mit der Varia damals ebenso die Schwertkunst lieben gelernt hatte. Aber Baseball hatte immer noch Vorrang.

Ich lachte kurz, wenn auch leise auf, während ich mir meine Sachen schnappte. Wenn Gokudera meine Gedanken hören könnte. Er würde sich direkt bestätigt fühlen, in seinen Behauptungen, ich hätte nichts als Baseball im Kopf. Dabei stimmte das noch nicht einmal. Ich hatte durchaus auch andere Gedanken. Insbesondere von jenem Silberhaarigen. Leise seufzte ich, während ich vom Platz schritt. Ja, ich leugnete schon gar nicht mehr, dass ich, Takeshi Yamamoto, heillos in Hayato Gokudera verliebt war. Wie lange? Das konnte ich gar nicht sagen. Aber bewusst war es mir schon seit einer Weile. Einer endlos lang erscheinenden Weile. Und bei der Vorstellung, dass diese Gefühle vermutlich ewig unerkannt und unerwidert blieben, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Gab es denn gar nichts, was man dagegen tun konnte? Nein, natürlich nicht. Gegen Liebe hatte es noch nie ein Mittel gegeben. Und im Grunde wollte ich auch gar nichts dagegen tun. Es war schmerzhaft, aber auch süß. Sein bloßer Anblick fesselte mich und ließ mich meist im Unterricht den Lehrer und den Stoff völlig vergessen. Seine Stimme hallte in meinen Ohren wieder und ich hätte ihr ewig lauschen können. Seine Augen, die immer so ernst schauten, es sei denn Tsuna war da. Dann hatten sie dieses besondere Funkeln… Wieder seufzte ich leise, diesmal aber schwärmerisch. Ja, es war einfach wunderbar, Gokudera zu lieben. Allein der Gedanke an ihn ließ mein Herz höher schlagen und ein wohliges Kribbeln in mir aufsteigen. Aber dabei würde es wohl ewig bleiben. Leider.

Ich stockte. Mein Blick fiel auf das Schultor, durch das jemand gerade die Schule verließ. Und diesen Jemand hätte ich überall erkannt. Schnell schulterte ich meine Tasche richtig und lief los.

„Oi, Gokudera!“, rief ich fröhlich. Er ignorierte mich geflissentlich, wie immer. Ich ließ mich nicht beirren und holte den Vorsprung ein, blieb auf seiner Höhe stehen und ging mit ihm gleichauf.

„Du musstest nachsitzen, oder? Lass uns zusammen nach Hause gehen.“, lächelte ich breit. Ich hatte schon gedacht, dass ich heute mal wieder allein nach Hause gehen musste, aber das war wohl doch nicht der Fall. Ich hatte das unglaubliche Vergnügen, meinen Heimweg mit Gokudera verbringen zu können. Das Glück liebte mich heute wohl.

Gokudera grummelte nur, schaute zu mir.

„Seh ich aus, als wollte ich mit dir Baseball-Idioten nach Hause laufen?“, maulte er, während er sich eine Zigarette anzündete.

Ich lächelte weiter. „Ach komm schon. Wir haben fast denselben Weg. Warum sollten wir nicht zusammen gehen?“, fragte ich.

Er grummelte nur wieder. Irgendwo war das schade, denn so konnte ich seine Stimme nicht hören, aber andererseits stritten wir so auch nicht. Es hatte seine Vor- und Nachteile. Lediglich der Gedanke, dass damit auch mein vom Glück gegebener zweiter Gokudera-Moment spätestens an der Kreuzung enden würde, ließ mein Lächeln minimal abschwächen. Am liebsten wäre ich immer weiter mit Gokudera unterwegs gewesen.

„Oi, was starrst du wieder so? Kannst du nicht woanders hinschauen?“

Ich blinzelte kurz, strich mir dann aber verlegen durch mein Haar. „Haha, sorry, Gokudera.“, lachte ich, blickte dann nach vorne. Er hatte also mal wieder bemerkt, dass ich ihn angeschaut hatte. Schade, eigentlich. Würde ich noch mehr solcher Blicke wagen, würde er sicher ausflippen. Das wollte ich nicht unbedingt riskieren. Dafür mochte ich den Frieden zwischen uns zu sehr. Er war für mich der stumme Beweis, dass Gokudera mich bestimmt nicht so sehr hassen konnte, wie er es mir mit seinen groben Worten weiszumachen versuchte. Immerhin duldete er mich an seiner Seite. Das war schon Glück genug. Und doch wollte ich diese Chance, mit ihm allein zu sein, nicht einfach verspielen. Gab es denn nichts, dass ihn dazu verleiten konnte, einen Nachmittag mit mir zu verbringen? Ohne Tsuna? Wahrscheinlich nicht. Gokudera würde vermutlich den Rest des Tages zuhause sitzen und für die Tests der kommenden Tage lernen, vielleicht sogar Tsuna Nachhilfe geben.

Meine Gedanken stockten einen Moment. Nachhilfe, das war es!

„Sag mal, Gokudera…“, fing ich an. Er schaute leicht finster zu mir. Ich lächelte standhaft. „Wir schreiben in zwei Tagen Mathe und ich versteh das Thema nicht. Kannst du mir Nachhilfe geben?“

Einen Moment lang bekam ich keine Antwort, dann wandte sich der Andere von mir ab. „Warum sollte ich meine Zeit darauf verschwenden, dir Baseball-Idiot Mathe beizubringen? Lies dir die Regeln im Buch durch.“

Ich lachte leicht verlegen auf. „So wie es im Buch steht, versteh ich es überhaupt nicht.“ Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Komm schon. Tsuna hilfst du doch auch immer.“

Er schob meine Hand wieder von sich. „Natürlich helf ich Juudaime. Ich bin ja auch seine rechte Hand. Ich würde ihm immer helfen.“

Seine Worte versetzten mir einen kleinen Stich. Tsuna. Immer nur Tsuna. Wenn das so weiterging, zweifelte ich noch an der Möglichkeit, mit Tsuna befreundet sein zu können. Schließlich nahm er mir ja meine Liebe weg, wenn auch nicht bewusst. Mein Lächeln schwächte nun doch etwas ab und ein wenig traurig wandte ich den Blick von Gokudera ab. „Schade, dann eben nicht…“, sagte ich resignierend. Ich blickte nach vorn auf die Straße und bemerkte so nicht den Blick, mit dem mich Gokudera ansah. Hätte ich ihn bemerkt, hätte ich so etwas wie Verwunderung oder ein schlechtes Gewissen darin erkennen können.

Wir kamen an der Kreuzung an, an der sich unsere Wege trennten.

„Also dann, Gokudera-kun. Bis morgen.“, sagte ich, wieder mit meinem Sonnenschein-Lächeln. Dann drehte ich mich um, wollte weiter nach Hause gehen. Doch seine Stimme ließ mich inne halten.

„Von mir aus.“

Ich schaute verwundert zu ihm. Er blickte leicht zur Seite, mied meinen Anblick. In seinen Augen lag etwas Unwollen.

„Von mir aus geb ich dir Nachhilfe. Komm morgen nach der Schule einfach mit zu mir.“, sagte er, drehte sich dann um. Ich strahlte über das ganze Gesicht. „Aber bild dir bloß nichts darauf ein, Baseball-Idiot. Das mach ich nur, weil Juudaime das bestimmt auch machen würde.“

Ich lachte. „Natürlich.“

Und dann ging auch ich weiter. Meine Laune war auf ihrem Höhepunkt. Morgen würde es keinen Tsuna für Gokudera geben. Morgen hätte ich meinen persönlichen Gokudera-Tag.
 

Am nächsten Tag konnte mir nichts, aber auch rein gar nichts meine gute Laune nehmen. Mit einem breiteren Lächeln als sonst traf ich mich morgens mit Gokudera und Tsuna. Dem Silberhaarigen schien kein allzu großer Unterschied an mir aufzufallen, dafür aber Tsuna.

„Irgendwie wirkst du fröhlicher als sonst, Yamamoto-kun.“, sagte dieser.

Ich strich durch mein Haar. „Ach, ich hab heute einfach nur besonders gute Laune.“, winkte ich ab.

„Du Baseball-Idiot hast doch immer gute Laune.“, grummelte Gokudera.

Ich lachte. „Kann sein…“

Der Schultag verlief ohne besondere Vorkommnisse und beinahe schon hibbelig wartete ich das Ende des Unterrichtes ab. Und dann klingelte es endlich.

Den Rückweg verbrachten wir wieder zu dritt, aber das machte mir diesmal nicht viel aus. Tsuna hatte zwar jetzt gerade Gokuderas gesamte Aufmerksamkeit, aber dafür würde ich den Sturmwächter nachher ganz für mich allein haben. Tatsächlich trennten sich unsere und Tsunas Wege an der typischen Kreuzung und ich begleitete Gokudera zu ihm nach Hause. Ich musste zugeben, dass mir einfach gar nichts einfiel, um ein Gespräch anzufangen, weswegen wir den Weg schweigend einhergingen. Mir fiel dabei auf, dass ich zum ersten Mal sehen würde, wie Gokudera eigentlich lebte. Ich dachte angestrengt nach, aber ich war tatsächlich noch nie bei ihm zuhause gewesen. Noch mehr Vorfreude als sowieso schon kam in mir auf. Ich würde zum ersten Mal Gokuderas Wohnung sehen. Ein aufregender Gedanke.

Wir kamen bei ihm an und als ich in der Wohnung stand, musste ich zugeben, dass es nett eingerichtet und geräumig war. Kurz fragte ich mich, ob es so ordentlich war, weil Gokudera ständig aufräumte oder weil er die meiste Zeit eh nicht hier war. Zu meinem Missdauern war er ja schließlich nahezu immer bei Tsuna.

„Baseball-Idiot, hör auf zu starren und setz dich. Ich will dir den Stoff heute noch beigebracht kriegen.“

Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Lächelnd ging ich zu ihm und setzte mich auch an den Tisch. Wir holten unsere Sachen heraus und die Nachhilfe begann.

Es musste Gokudera wahrscheinlich jeden einzelnen Nerv rauben, mir die ganzen Formeln zu erklären, denn auch wenn ich es wirklich versuchte, ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Seine Stimme, sein Blick, die Art, mit der er versuchte, mir das alles zu erklären. Es verzauberte mich einfach. Ja, ich war wohl vollkommen hoffnungslos verliebt.

„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

Ich blinzelte und blickte ihm in die Augen. Was hatte er zuletzt gesagt? Bevor ich mich aber entschuldigen konnte, knurrte mein Magen laut. Ich lachte etwas verlegen auf. „Sorry, ich hab seit heute Morgen nichts mehr gegessen.“ Gott, war das peinlich!

Gokudera grummelte leise, stand aber auf. „Machen wir Pause und essen was.“, sagte er.

Ich lächelte – wie immer. „Okay. Soll ich uns was kochen?“

Er nickte nur und zeigte mir dann in der Küche, wo ich alles Nötige fand. Fröhlich fing ich an zu kochen. Für einen Moment stellte ich mir vor, als sein fester Freund hier zu stehen und nur für ihn zu kochen. Etwas Seliges schlich sich auf mein Gesicht. Das war ein schöner Gedanke. Ich wünschte mir so sehr, dass er wahr werden würde.

Plötzlich durchzog ein Schmerz meinen Finger und riss mich aus meinem Traum heraus.

„Aua…“, sagte ich, während ich auf die blutende Wunde schaute. Ich hatte mich doch tatsächlich geschnitten. „Gokudera, hast du vielleicht ein Pflaster da?“

Ich drehte mich um und sah mich auf einmal ganz nahe vor Gokudera. Er musste sich dicht hinter mich gestellt haben und nun trennte unsere Gesichter nur ein kleiner Abstand. Ich konnte seinen Duft riechen. Er war mir so nahe. Es fiel mir mehr als schwer, jetzt nicht die Arme um ihn zu schlingen und ihn zu küssen. Ich schaute in seine grünen Augen. Man hätte in ihnen ertrinken können.

„Gokudera…“, murmelte ich leise.

Er griff meine Hand, wandte seinen Blick von meinem Gesicht ab. „Ich dachte, du wärst Schwertkämpfer. Wie zum Teufel kriegst du es dann hin, dich zu schneiden?“, grummelte er, während er ein Pflaster um meinen Finger klebte. Wo hatte er das her? Wann hatte er es geholt? Ich blinzelte verwirrt und betrachtete das Pflaster.

„Danke…“, nuschelte ich. Dann drehte ich mich hastig um und kochte weiter. Ob mein Gesicht rot war? Mir war so heiß, dass es sicher knallrot sein musste. Ob er mich noch anschaute? Ich wollte mich nicht zu ihm umdrehen. Was, wenn er wirklich noch hierher sah und dann erst recht die Röte bemerken würde? Das konnte ich einfach nicht riskieren.

Irgendwie herrschte eine unangenehme Stille.

„So, einmal eine Ladung Reisbällchen und Sushi.“, sagte ich dann nach einigen Minuten lächelnd, während ich den Teller mit dem Gericht auf den Tisch stellte. Gokudera saß schon da. Ich setzte mich ihm gegenüber und wir fingen an, zu essen. Wieder herrschte Stille. Gab es denn nichts zu erzählen?

Ich stellte fest, dass es da anscheinend wirklich nichts gab. Ich mochte Baseball und ihn. Er mochte seinen Job als rechte Hand. Und als Wächter waren wir immer gemeinsam mit denselben Herausforderungen konfrontiert. Worüber hätte man also reden können?

„Hey, Baseball-Idiot.“

Ich schaute auf. Er taxierte mich mit seinem Blick.

„Eben noch hat dein Magen geknurrt und jetzt isst du kaum was.“, sagte er leicht gereizt. „Was stimmt mit dir nicht?“

Ich lächelte entschuldigend. Konnte ich eigentlich auch noch was anderes als Lächeln?

„Sorry, Gokudera. Ich war in Gedanken.“ Dann fokussierte ich mich auf das Essen.
 

Etwas später saßen wir wieder in seinem Zimmer und versuchten uns an Mathe. Ich weiß nicht genau, wie, aber ich schaffte es sogar, mich darauf zu konzentrieren und es teilweise sogar zu verstehen.

Ein lautes Donnergrollen riss uns irgendwann von unserer Arbeit los. Wir schauten aus dem Fenster. Es regnete in Strömen und es donnerte nach wie vor.

„Ach herrje, der Sturm sieht ja übel aus…“, murmelte ich.

Gokudera grummelte. Seinem finsteren Blick nach war er auf denselben Gedanken gekommen wie ich: Bei so einem Wetter sollte man besser nicht vor die Tür gehen. Tatsächlich war es sogar der Silberhaarige, der diese Erkenntnis aussprach und mir anbot, bei ihm zu übernachten – wenn auch scheinbar widerwillig. Ich strahlte über das ganze Gesicht.

„Vielen Dank, Gokudera! Das ist echt nett von dir.“

Er schnaubte, ehe er sich daran machte, einen Futon hervorzukramen. Ich blieb sitzen, wo ich war. Es war schwer, jetzt nicht aufzuspringen und einen Freudentanz hinzulegen. Heute schien ein perfekter Tag zu sein.
 

Kurz darauf saß Gokudera auf seinem Bett und kramte eine Zigarette und ein Feuerzeug hervor. Ich ging zu ihm, setzte mich auch auf das Bett und nahm ihm die Zigarette weg.

„Das ist ungesund.“, sagte ich ruhig. Ich drehte die Zigarette zwischen meinen Fingern.

Er sah mich an und legte das Feuerzeug weg. „Was ist mit dir los?“

Ich sah zu ihm. Gokuderas Blick schien ernst zu sein.

„Was soll mit mir los sein?“, fragte ich nach.

Gokudera machte eine ausschweifende Handbewegung.

„Seit Wochen starrst du mich ständig an und lächselst so bescheuert. Du schaust immer so traurig, obwohl du grinst und heute war ja wohl die Krönung an merkwürdigen Verhalten!“

Als er geendet hatte, war mein Kopf leer. Oder übervoll? Auf jeden Fall wusste ich nichts zu sagen. Gokudera war das alles also aufgefallen. Was sollte ich nun antworten?

„Das… bildest du dir nur ein.“, sagte ich. Irgendwie war mir das gerade alles ein bischen zu viel. „Ich geh kurz ins Bad.“

Ich sprang auf und wollte in besagten Raum gehen, doch Gokudera packte mit einem „Warte mal!“ meinen Arm und wollte mich zurückziehen. Der plötzliche Ruck nach hinten ließ mich mein Gleichgewicht verlieren. Ich verlor die Orientierung. Als ich sie wieder hatte, fand ich mich auf Gokudera liegend wieder. Verwirrt blickte ich in grüne Augen. Ich spürte, wie die Röte wieder in meine Wangen stieg.

„Sorry…“, nuschelte ich und machte Anstalten, wieder aufzustehen. Ich hatte Angst, sämtliche Beherrschung zu verlieren. Doch Gokudera machte mir einen Strich durch die Rechnung. Er hielt mich an den Schultern fest. Flucht unmöglich.

„Ich bilde mir das nicht nur ein. Ich will endlich wissen, was los ist. Juudaime macht sich auch Gedanken.“

Mein Blick verdunkelte sich. „Tsuna…“, sagte ich etwas abfällig. „Immer nur Tsuna. Denkst du auch mal an etwas Anderes?“ Ich blickte ihm in die Augen. „Ich denke immer nur an Baseball? Du denkst dafür immer nur an Tsuna! Was daran ist besser?“ Ich machte eine kurze Pause, in der ich mich einem verwirrten Blick gegenüber sah. „Ich denke nicht nur an Baseball, weißt du?“, sagte ich dann langsam. „Es gibt noch etwas, das meinen Verstand einnimmt.“ Ich spürte es. Ich spürte förmlich, wie mein Verstand sich verabschiedete. „Seit Wochen schon… sehe ich nur noch dich…“

Ich beugte mich hinab. Mir war im Moment alles egal. Meine Augen schlossen sich und meine Lippen trafen die seinen. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Ob er überrascht war? Bestimmt. Und bestimmt wollte er jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben. Doch er überraschte mich, denn ich spürte auf einmal seine Arme um meinem Nacken. Er erwiderte meinen Kuss. Das war unglaublich! Ich verlagerte mein Gewicht etwas, damit wir beide gemütlich lagen, doch den Kuss lösten wir nicht. Im Gegenteil, er wurde sogar noch inniger. Ich verlangte nach mehr und so fuhr meine Zunge sanft über seine Lippen, bekam sogar Einlass. Ich erkundete mit Freuden die andere Mundhöhle. Gokudera schmeckte gut. Meine Zunge stupste die seinige an, verwickelte sie in einen kleinen Kampf.

Eine ganze Weile hielt sich der Kuss, ehe wir ihn lösen mussten, weil uns die Luft ausgegangen war. Ich sah ihm in die Augen. Sein Gesicht war ebenfalls gerötet.

„Gokudera… ich liebe dich…“, sagte ich leise. Es gab jetzt eh kein Zurück mehr.

Er sah mich nur an und einige Momente lang herrschte Schweigen. Nur am Rande nahm ich wahr, dass seine Arme noch in meinem Nacken lagen. Sein Blick war undeutbar. Was nur hätte ich gegeben, um in diesem Moment zu wissen, was er dachte?

In mir kam der Gedanke auf, dass er sich nur von der Situation hatte verleiten lassen. Ich wandte den Blick etwas ab, machte wieder Anstalten aufzustehen, doch Gokudera hielt mich fest. Eine seiner Hände grub sich in mein Haar und zog mein Gesicht wieder zu sich. Erneut trafen unsere Lippen aufeinander. Mein Verstand blendete sich wieder aus und ich erwiderte den Kuss. Irrte ich mich oder war er diesmal sogar noch leidenschaftlicher? Es fühlte sich so gut an. Nein, nochmal würde ich wohl keine Anstalten machen, aufzustehen. Ich verlor mich gänzlich in diesem Kuss. Es existierte nichts mehr als Gokudera und ich. Was sollte es sonst auch geben?

KRAWUMM!

Mit einem Schlag war sämtliches Licht aus. Wir waren zusammengezuckt. Ich hatte mich unbewusst ganz fest an Gokudera geklammert.

„Ein Stromausfall. In der Nähe muss wohl ein Blitz eingeschlagen haben.“, stellte Gokudera fest.

Ich nickte leicht. „Anscheinend…“

Mein Herz schlug mir bis zum Hals hoch. War das wegen dem Küssen oder dem Blitz? Ich war mir nicht sicher. Wollte ich die Antwort überhaupt wissen? Wieder einmal wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Gokuderas Hände meine Schultern umfassten und er mit einem Ruck eine Drehung machte. Nun fand ich mich unter Gokudera wieder, schaute verwirrt zu ihm hoch. Es war dunkel und nur im manchmal aufleuchtenden Blitzen sah ich sein Lächeln. Es hatte etwas verwegenes an sich und Gokudera beugte sich hinab und biss mir leicht in den Hals. Dann fing er an, daran zu saugen. Mein Körper erschauderte und eine Gänsehaut bildete sich. Ich keuchte leise auf. Gokudera fuhr einfach fort. Seine Lippen wanderten meinen Hals entlang und schließlich hinab zu meiner Brust. Kurz blinzelte ich verwundert auf. Wann hatte Gokudera die Knöpfe meines Hemdes gelöst? Ich hatte es gar nicht bemerkt. Er umspielte meine Brustwarzen und abermals keuchte ich auf.

Ich schickte meine Hände selbst auf Reisen. Es ging ja schlecht, dass er der einzige Tätige hier war. Ich strich über seinen Oberkörper, schlüpfte mit den Fingern unter den Stoff.

Er keuchte selbst leise auf – ein schöner Laut – ehe er sich wieder hochbeugte und mich in einen leidenschaftlichen Kuss zog…
 

Am nächsten Morgen erwachte ich früher als sonst. Verwirrt und müde blinzelte ich. Das, was ich sah, war definitiv nicht mein Zimmer. Und als ich mich zur Seite drehte, sah ich einen ganz bestimmten Silberschopf neben mir liegen. Ich erinnerte mich wieder an den vergangenen Abend und mit einem Mal war ich hellwach.

Ich hatte mit Gokudera Hayato geschlafen.

Diese Erkenntnisse hallte in meinem Kopf immer und immer wieder. Es war kein Traum gewesen. Das bewies allein die Tatsache, dass keiner von uns irgendwelche Kleidung trug und wir nunmal zusammen in diesem Bett lagen. Aber was bedeutete das nun? Ich hatte ihm meine Liebe gestanden, ja, aber er hatte nicht darauf geantwortet. Erwiderte er meine Gefühle dann überhaupt? Oder hatte es sich einfach ergeben, was letzte Nacht passiert war?

Ich seufzte leise. Was für ein wundervoller Start in den Morgen.

Langsam stand ich auf, darauf bedacht, dass ich Gokudera nicht weckte. Dann ging ich zum Bad und duschte mich.

Etwa zwanzig Minuten später stand ich angezogen in der Küche und bereitete eine Kleinigkeit zum Frühstück vor. Ein Geräusch lenkte mich kurz ab. Gokudera war mittlerweile auch wach und kam nun an. Ich lächelte ihn an.

„Guten Morgen, Gokudera.“

„Morgen…“, sagte er im gewöhnlichen Ton.

Ich blickte wieder auf das Essen, stellte es auf den Tisch. „Bis wir zur Schule müssen, haben wir noch etwas Zeit.“

Er nickte. „Wir müssen früh genug da sein, um Juudaime abzuholen.“, sagte er.

Ich verzog kurz das Gesicht. Tsuna. Schon wieder. Warum musste er immer an Tsuna denken? Selbst jetzt, wo wir hier zusammen frühstückten, nach einer Nacht, die wir gemeinsam verbracht hatten? Ich musste zugeben, das tat weh. So sehr, dass ich mein Lächeln gerade nicht aufsetzen konnte und den Blick auf den Teller gerichtet hielt.

Wir hatten fertig aufgegessen und Gokudera stand auf, um seine Schultasche zu packen, als ich meine Stimme erhob.

„Ich hab noch keine Antwort bekommen.“

Gokudera blieb stehen, schaute mich an. Langsam schaute ich zu ihm hoch, blickte ernst drein.

„Ich habe mit dir geschlafen.“, sagte er schließlich.

„Das muss nichts heißen. Ich will es in Worten hören.“ Ich stand auf und ging auf ihn zu, schaute ihm direkt in die Augen. „Ich liebe dich.“

Er sah mich mit einer Mischung aus Misswillen und – war das Verlegenheit? – an.

„Idiot!“, rief er dann aus, gab mir eine Kopfnuss. „Ich würde nicht mit dir schlafen, wenn ich nicht auch so fühlen würde.“

Mein Herz klopfte höher. „Wirklich?“ Ich lachte und zog ihn dann in eine Umarmung. „Aber damit hast du es immer noch nicht direkt gesagt.“

Er grummelte. „Du weißt es doch jetzt.“

„Ich will es aber hören.“

Ein Murren war die Antwort, während er versuchte, sich aus der Umarmung zu lösen.

Ich blieb hartnäckig.

„Es sind nur drei kleine Worte. Komm schon…“, bettelte ich, auch wenn ich schon längst breiter strahlte, als jemals zuvor.

Er verdrehte die Augen, schaute mich an. „Vergiss es.“, sagte er.

Ich lachte. Nun, ich würde ihn schon noch dazu bekommen, es zu sagen, aber wenigstens hatte ich auch so die Gewissheit. Und sie machte mich glücklich. Wer hätte gedacht, dass ich jemals mit ihm zusammen kommen würde? Fröhlich beugte ich mich vor und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss, wenn auch nur kurz. Dann schob er mich weg.

„Idiot, wir kommen noch zu spät, um Juudaime abzuholen.“

Dann entfloh er doch noch meiner Umarmung und lief in sein Zimmer. Ich folgte grinsend. Tsuna. Wir waren jetzt zusammen und immer noch stellte er Tsuna vor alles. Deprimierend. Aber wenigstens hatte ich eine Sache, die Tsuna niemals haben würde und damit konnte ich mich zufrieden geben. Und das war Gokuderas Herz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wisteria
2016-09-19T15:48:44+00:00 19.09.2016 17:48
Och wie süß! Die beiden sind wirklich wie Feuer und Wasser. :)


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