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Sarus Sastre und der Krüstal der Ehwigkeyt

von

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Das dunkle Buch

Das war wirklich typisch Chrysler, sich verrückt zu machen wegen einer Sache von der er nicht mal wußte, wofür sie gut war. Ayden konnte da nur den Kopf schütteln.

Sarus fand, dass er sich jetzt langsam verziehen sollte. Kam ja wohl nichts interessantes mehr heraus.

Leyanne dachte inzwischen laut nacht.

"Wenn ich morgen keinen Unterricht hätte, dann könnte ich selbst in der Bibliothek nachforschen." Die beiden Männer wandten sich ihr zu.

"Und du meinst, du könntest mehr herauszukommen als ich," fragte Chrysler spitz.

"Das ist eine gute Idee," fand dagegen Ayden. "Das muss dann halt bis zum Wochenende warten."
 

"Äh," Sarus hob vorsichtig einen Finger. Drei Augenpaare richteten sich auf ihn.

"Heute abend ist doch die Feier zu Ehren des letzten Herbstmondes," bemerkte er schüchtern. "Und da haben wir doch morgen frei und dann ist schon Samstag."

"Aber natürlich," rief Ayden erfreut. "Bei diesen ganzen Vorfällen hab ich das schlicht und einfach vergessen. Und dabei finden heute abend überall Feiern statt. Du könntest rechtzeitig Zuhause sein, um bei der Zeremonie dabei zu sein." Ayden schaute Sarus wohlwollend an.

"Gut gemacht, Wolfie!" Komisch, jetzt machte es ihm gar nichts mehr aus, Wolfie genannt zu werden.

"Sag mal Sarus," fragte Leyanne. "Hast du Lust auf einen Ausflug?"
 

Wie schon einmal erwähnt, befindet sich die Bibliothek auf der Insel in einem wunderschönen Gebäude. Die Sonne zeichnete farbige Lichtkringel durch die bunten Glasfenster auf den Boden, durch die elegant geschwungenen, geöffneten Bogentüren wehte milde Herbstluft herein, Vogelgezwitscher ertönte. Sarus seufzte leise. Draußen war so schönes Wetter und er mußte hier drinnen seine Zeit absitzen und dabei hatte er doch heute frei. Leyanne schaute ihn über ihren Kneifer hinweg fragend an. Sarus seufzte noch einmal abgrundtief und schaute sehnsüchtig durch eines der Fenster hinaus ins Freie. Am liebsten würde er aufspringen um durch die Wälder draußen zu stromen. Durch die Wälder dieser merkwürdigen Insel. Die Blätter der Bäume hatten sich zwar herbstlich verfärbt, aber ansonsten war es hier irgendwie jahreszeitenlos. Sarus beschlich so ein Gefühl, als ob er schon mal hiergewesen war. Aber das war ja nicht der Fall, oder?
 

Sarus konnte nicht wissen, dass es vor ihrer Reise eine heftige Diskussion gegeben hatte, auf welchem Weg sie zur Insel reisen sollten. Chrysler und Ayden hatten den Standpunkt vertreten, "je schneller desto besser", also den kurzen Weg durch eine sich spiegelnde Oberfläche. Aber Leyanne war dagegen gewesen, denn das hätte bedeutet, Sarus Gedächtnis nach der Reise wieder zu manipulieren, ihm also die Erinnerung daran zu nehmen, dass er auf Avalon gewesen war. Leyanne setzte sich durch und so waren sie auf normalen Weg angereist. Wenn man den Flug auf einem fliegenden Drachen und eine Fahrt in einem führerlosen Boot durch Nebelschwaden als normal bezeichnen kann. Sarus hatte also keine Ahnung, dass er sich auf Avalon befand. Für ihn war es einfach "die Insel" auf der Leyannes Familie lebte und so wollen wir sie ab jetzt sicherheitshalber einfach nur "die Insel" nennen. Und dass ihm Talana, die Mutter von Ayden und Leyanne so bekannt vorkam, lag wahrscheinlich nur daran, weil Ayden seiner Mutter so furchtbar ähnlich sah. Auf alle Fälle hatte sie ihn herzlich willkommen geheißen und ihn eingeladen, an der Feier zu Ehren des letzten Herbstvollmondes teilzunehmen. Sarus hatte eine graue Kutte bekommen, wie alle männlichen Festteilnehmer sie trugen (die Frauen und Mädchen waren in silberweiße Umhänge gehüllt) und hatte sich an Leyannes Seite unter die Inselbevölkerung gemischt. Es war eine ruhige Feier gewesen. Besinnlich, beinahe wehmütig hatte Talana den letzten Vollmond des Herbstes verabschiedet. Zuerst hatten sie alle um ein großes Feuer herum gesessen (und keiner sprang darüber) und sie hatten sich leckeres Gemüse, saftige Fische und zartes Fleisch schmecken lassen und Sarus wurde wieder mal den Verdacht nicht los, dass er so, genauso schon mal dagesessen hatte.
 

Nach dem Essen hatten sie gesungen und dann waren die meisten älteren Männer verschwunden und Sarus hatte nicht mitgedurft. Er konnte ja nicht ahnen, dass die Druiden irgendein mühüsteriöses, geheimnisvolles Ritual durchführen mußten. Aber später waren alle an den See gegangen, um den Mond zu verabschieden. Der volle silberne Mond hatte sich im See gespiegelt und Talana hatte Blütenblätter und bunt gefärbtes Herbstlaub über das Spiegelbild im Wasser gestreut. Dazu murmelte sie leise Worte, die Sarus nicht verstand. Auf ihr Zeichen hin wateten 2 der Frauen in den silberweißen Umhängen in den See hinein, hoben die silberne Scheibe des Mondes heraus und trugen sie an Land. Sie schimmerte milchig silbern und schien gar nicht schwer zu sein. Die Menge am See bildete ein Spalier und sah schweigend und ehrfürchtig zu, wie die silberne Scheibe an ihnen vorbei getragen wurde.
 

"Sie wird den Winter über gut verwahrt," erklärte Leyanne dem Halbwolf. "Und im Frühling, wenn der erste Vollmond am Himmel steht, wird sie wieder in den See gebracht. Dabei geht es dann ein bißchen fröhlicher zu als heute Abend." Leyanne zwinkerte Sarus verschwörerisch zu. Sie gingen hinter den anderen zurück ins Dorf und Sarus drehte sich nochmals zum See um. Und dann riss er erstaunt die Augen auf. Und den Mund! Denn obwohl der Mond noch hoch am Himmel stand, war sein Spiegelbild im Wasser verschwunden!
 

Sarus hatte gut geschlafen. Talana hatte ihn in einer der kleinen runden Gästehäuser untergebracht, die sonst Pilgern und Reisenden vorbehalten war. Aber da selbst im sonst so gut informierten MarcoPolo-Reiseführer nichts über die Insel vermerkt war, fanden nur wahre "Insider" den Weg hierher und so war immer genügend Platz vorhanden. Die Häuser waren praktisch und gemütlich eingerichtet, aber Sarus mußte sich sein Frühstück deshalb nicht selber machen. Talana hatte ihn eingeladen mit ihr zu frühstücken und das Angebot nahm er gerne an. Ein wenig besorgt war er schon, was, wenn es etwas gab, das er gar nicht mochte? Aber seine Sorgen sollten unbegründet sein. Selbstverständlich kamen bei Talana nur wohlschmeckende Speisen auf den Frühstückstisch.
 

Schon als er in die große Küche kam, duftete es so intensiv nach frischem Brot, dass er fast schon vom Duft alleine satt wurde. Sarus ließ einen genießerischen Kennerblick über den schön gedeckten Tisch gleiten. Kühle Milch stand bereit, Butter und sahniger Käse. Verschiedene Fruchtmuse ebenso wie Honig und etwas, dass aussah wie cremige Schokolade. Auch an den herzhaften Gaumen war gedacht. Da gab es Wurst und getrocknete Fleischstreifen und gerade stellte Leyanne eine große Pfanne mit kroß gebratenen Würstchen und Spiegeleiern auf den Tisch. Sarus schnupperte andächtig. Und er hatte Angst gehabt, die würden sich hier nur ganz gesund ernähren, von Tee und Kräutern und Sprossen und Blütenblattnektar und Tautropfen und so nem Zeugs. Erleichtert langte er herzhaft zu und dermaßen gestärkt ging es dann zur Bibliothek und zu Kenia.
 

Sarus war schwer begeistert von der großen, dunkelhäutigen Bibliothekarin. Er konnte gar nicht verstehen, warum Leyanne jedes Buch, das Kenia ihr brachte, misstrauisch beäugte. Er jedenfalls las alles was Kenia ihm vorlegte. Und so machten sie sich auf die langwierige Suche nach dem KdE, dem Krüstal der Ehwigkeyt. Es war eine interessante Tätigkeit, Sarus lernte viel in dieser Zeit. Aber einige Stunden und noch mehr Bücher später war seine Begeisterung merklich geschwunden. Die für die Bücher wohlgemerkt, nicht für Kenia. Das war ja fast so schlimm wie in der Universität und genaugenommen hatte er heute ja einen Ferientag! Sarus startete seine Seufzerarie. Leyanne folgte seinen Blick und schaute ebenfalls eine Zeit lang gedankenverloren hinaus in die Natur. Dann seufzte auch sie und wandte sich dem nächsten Buch zu. Sie hatte Sarus vorgewarnt, er wußte warum sie hier waren.
 

Sie machten eine wohlverdiente Pause. Sarus und Leyanne tranken dankbar den heißen Kakao, den Kenia ihnen angeboten hatte. Leyanne hatte es sich in ihrem Stuhl bequem gemacht und ließ die Beine lässig über die Armlehne baumeln. Sarus hielt, in Ermangelung eines Lesezeichens, einen Finger zwischen den Seiten eines Buches. Unter den letzten Wälzern, die ihm Kenia gebracht hatte, war ein interessantes Werk über Wolflinge dabei gewesen. Mit hochgezogenen Augenbrauen las Sarus, dass seine Vorfahren wohl doch nicht die einfachen Fischer und Wirtsleute waren, für die er sie immer gehalten hatte. Das mußte er unbedingt weiterverfolgen. Mit dem Finger auf der Geschichte der Halbwölfe wollte Sarus wissen, warum sie nicht endlich aufgaben.

"Wir suchen nach etwas und wissen nicht mal, ob es überhaupt existiert, geschweige denn, ob wir hier überhaupt Informationen finden." Sarus deutete mit der freien Hand in einem weiten Bogen durch die Bibliothek. Der Gedanke, all die Bücher in der großen Halle durchlesen zu müssen, konnte einen wirklich erschlagen. Leyanne spielte nachdenklich mit ihrem Kneifer, den sie ja nur zum Lesen benötigte.

"Chrysler hat hier schon einen Text gefunden, der vom KdE gehandelt hat. In dieser Schrift heißt es, dass sich der Krüstal in der Salurischen Universität befinden soll. Und in der Universität haben wir 2 Lehrer, die sich in einem komaartigen Schlaf befinden und wir wissen nicht, warum. Was, wenn das mit dem Krüstal zusammenhängt? Deshalb möchte ich wissen, zu welchem Zweck der Krüstal der Ehwigkeyt geschaffen wurde."
 

"Vielleicht verleiht einem der Krüstal ja das ewige Leben," schlug Sarus vor. Leyanne und Kenia schauten sich an. "Möchtest du denn ewig leben?" wollte Kenia wissen.

"Warum denn nicht," meinte Sarus. "Das wäre doch toll, stellt euch das vor!" Kenia schüttelte den Kopf. "Ewig? Das wäre nicht mein Wunsch. Das würde Einsamkeit bedeuten. Ewige Einsamkeit. Denn all deine Freunde würden irgendwann sterben und dich verlassen" Sie stand auf um frischen Kakao zu holen. Leyanne nippte an ihrem Kakao.

"Weißt du, wie lang die Ewigkeit ist?" wollte sie wissen. Sarus bewegte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen. Leyanne stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab und lehnte sich zurück.
 

"Im Land der Unendlichkeit steht ein großer diamantener Berg. Alle 1.000 Jahre kommt ein Vogel zu dem Berg und wetzt seinen silbernen Schnabel daran. Wenn nun der ganze diamantene Berg von dem Vögelchen mit dem silbernen Schnäbelchen abgewetzt ist, dann ist eine Sekunde der Ewigkeit vorbei." Für einen Moment herrschte Stille, dann schwang Leyanne beide Beine energisch auf den Boden.

"Es gibt ein Buch, in dem wir noch nicht nachgeschaut haben," sagte sie zu Kenia und schaute sie fest an. Für einen Moment verlor die Bibliothekarin ihre gewohnte Unbekümmertheit. "Du willst im Dunklen Buch nachschauen," fragte sie unsicher. Leyanne sah zwar nicht glücklich aus, aber sie nickte. Kenia sah zu einer silbernen Schale, die, mit einem feinen Tuch abgedeckt auf einem hochbeinigen Tischchen in ein Nische stand.

"Du hast erst den dritten Grad," erklärte sie. "Ich muß um Erlaubnis fragen, ob ich es dir aushändigen darf." Mit diesen Worten stand sie auf, ging zu der Nische mit der Schale und nahm das Tuch ab. Sarus stand neugierig auf und sah, das sich in der Schale einfaches Wasser befand. Kenia sah konzentriert hinein. Sie sagte leise etwas, was Sarus nicht verstehen konnte, dann schien sie zu lauschen. Schließlich nickte sie, straffte die Schultern, deckte die Schale wieder ab und verschwand in der Dunkelheit zwischen den Regalen.
 

Sarus sah Leyanne fragend an.
 

"Auf diese Weise "telefonieren" wir miteinander," erklärte sie ihm. "Wir lernen es in der Schule, es ist ganz einfach und natürlich überaus praktisch." Sie zwinkerte ihm zu. Kurze Zeit später war Kenia mit einem Buch zurück. Neugierig betrachtete es Sarus. Und dafür die ganze Show? Es war ein schlichtes Buch, nicht sehr dick, gebunden in einfaches schwarzes Leinen. Kenia sah sehr ernst aus, als sie es Leyanne überreichte. Diese legte es vor sich auf den Tisch und betrachtete es unschlüssig. Aber dann gab sie sich einen Ruck, klemmte sich den Kneifer auf die Nase und öffnete es. Sarus riskierte einen Blick. Er konnte die Schrift kaum entziffern, unsichere, wackelige Buchstaben und Ziffern in einer Sprache, die er nicht kannte. Aber die ersten Seiten waren vollgeschrieben mit Namen, soviel war sicher. Leyanne bemerkte seinen Blick.

"Das ist das Dunkle Buch, auch das Buch der dunklen Zeit genannt," beantwortete sie seine ungestellte Frage.

"Am Anfang der Zeit lebten magische und nichtmagische Wesen friedlich zusammen. Aber dann kam die Zeit, in der die nichtmagischen Menschen Angst hatten. Sie hatten Angst vor allem, was ihnen fremd war und auch Angst vor den Fähigkeiten und dem Können der magischen Wesen. Auch suchten sie einen Sündenbock für die Fehler und Sünden, die sie sich selbst nicht eingestehen wollten. Sie waren offen für Anschuldigungen gewisser Institutionen und die Angst schlug in Hass um. Keiner weiß, wie viele von uns in dieser Zeit auf grausamste Art und Weise ums Leben kamen. Die magischen Wesen zogen sich zurück. Hierher auf diese Insel, in die Wälder von Ahraqhuay, Ansedom und Llewellyen und an viele versteckte Orte. Hätten sie die Grausamkeiten gerächt, wären sie gegen die Angreifer vorgegangen, dann gäbe es heute wohl kein einziges Lebewesen mehr auf diesem Planeten. Heute glauben die Nichtmagischen nicht mehr an Magie. Aber Angst und Ablehnung dem Fremden gegenüber existiert auch heute noch. Dieses Buch hier handelt von der dunklen Zeit und diese Namen hier," vorsichtig strich sie über die Seiten, "das sind die Namen einiger derer, die in diesem "Krieg", den wir nicht wollten, umgekommen sind, gerade weil sie sich weigerten, ihre Kräfte einzusetzen, um sich selbst zu schützen." Leyanne atmete noch einmal tief durch, dann blätterte sie weiter, bis sie das Ende der Namensliste erreicht hatte.
 

Sarus wandte sich wieder seiner eigenen Lektüre zu. "Zwischen Rudel, Riten und Räude" war ein interessantes Werk über das Leben und Wirken der Wolflinge, er las sich fest und so bekam er nicht mit, wie Leyanne mit einem leisen Laut erschrocken aufblickte. Schutzsuchend griff sie nach einem der Amulette, die an ihrem Hals hingen und war dabei weiß wie die Wand hinter ihr.



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