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Die Zauberin und das nostrische Komplott

Die Abenteuer der Zauberin Freya, zweite Staffel
von

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Freya in: (13) Der Waigel ohne Wiederkehr

„… und lachen Sie nicht…“

„Meine Damen und Herren, liebe Scholaren, werte Kollegen, geehrte Gäste. Ich heiße Sie alle ganz herzlich hier im Autitorium Maximum der Akademien der Erscheinungen zu Grangor willkommen, wo wir uns alle versammelten, um feierlich das 88. Lehrjahr unseres zwar verhältnismäßig jungen, aber doch an Geschichten und Leistungen umso reicheren Instituts zu eröffnen. Große Träume warten auf uns, auf Magier wie auf die Schüler, und sie wollen nicht verwirklicht, sondern gelebt werden, wie sie sind: Farbenfrohe Bilder, Lichter, die mit den Sternen glänzen und der reine Fluss von Tsas Regenbogen. Sie alle wollen geformt und sichtbar gemacht werden, auf das Magie zur Schönheit, Schönheit zur Freude und Freude zur Magie führt, und auch wenn das Alter unseres Hauses langsam das der ältesten Bürger in unserer Stadt überschreitet, so wollen wir doch nicht müde werden, uns der Herausforderungen der Magie selbst auch in diesem Jahr neu zu stellen. Unser Lehrkörper blieb nun im dritten Jahr unverändert und wenn auch die unvorhergesehenen Tode unter den Scholaren im Rahmen bleiben, so kann uns eigentlich gar nichts geschehen. (…)

Ich möchte Ihnen allen auch einen Gast vorstellen, der zumindest für ein Teil des Jahres an unserer Seite weilen wird, meine bezaubernde junge Kollegin Freya aus Andergast. Als Adepta seit nunmehr zwei Jahren wird sie ihren ersten Gildendienst hier in unseren Hallen ableisten, also seid nett zu ihr – außer, wenn ihr zeigt, was ihr könnt. Zu meinem Bedauern möchte ich allerdings mitteilen, dass es uns nicht gelang, einen neuen Akademiekoch mit realistischen Lohnvorstellungen zu finden, doch auch wenn wir die Suche nicht aufgeben, so würden wir es doch begrüßen, ließen die Therbûniten Frau Travine möglichst bald zu uns zurückkehren…“
 

Ich hörte Stimmen und floh. Kaum fiel hinter mir die Tür zum Gästequartier ins Schloss, da hatte ich auch schon die Kristallkugel in der Hand und blickte betont böse auf sie herab. „Ja, Takea, was gibt es?“ Vor versammelter Menge geflohen, mitten während dieser ewig langen Eröffnungsrede… was für ein Beginn meines Pflichtdienstes hier. Hoffentlich würden sie annehmen, dass es mich bloß zur Latrine zog. Das fehlte mir jetzt echt.

„Alles in Ordnung?“, hallt Takeas Stimme aus dem Nichts, kraftlos und fern. „Nein“, sage ich zu schnell und zu laut, was hoffentlich niemand draußen hört. „Ich musste gerade einen vollen Saal verlassen, mitten während einer Rede. Die haben alle geglotzt und getuschelt.“ – „Wo bist du denn?“ – „Grangor, jetzt endlich. Ich werde die nächsten zwei Monate an der Akademie beschäftigt sein.“ – „Und dein Krieger?“ – „Ließ sich nicht blicken. Scheißkerl.“

Ich wirbele die Kugel umher, renne durch den kalten, nur von Hängematte und einem kleinen Tisch ausgefüllten Raum und lasse mich unter dem Fenster auf den Boden sinken. Dann erlischt mein Bewegungsdrang so schnell, wie er begann. „Ich habe nach ihm gefragt, doch die Stadtgarde meinte, er sei noch nicht wieder da, und bei seiner Mutter wollte ich nicht nachfragen. Vielleicht liegt ja Schnee im Bornland oder er ist krank…“ – „… oder er hat sich ein schönes blondes Kind geangelt, das nicht so schwierig und magisch ist.“ Ihre beißende Kälte könnte den Hafen zufrieren, doch ich lache. Sie denkt, was ich denke, und du wirst jetzt nicht weinen, Freya. Du bist doch eine wunderschöne, wie aus dem Ei gepellte Kampfmagierin. Das Bild wollen wir doch bewahren.

„Ich hasse es einfach.“, plappere ich drauflos, denn ich brauche jetzt eine Stimme, auch wenn es meine eigene ist. „Wenn er mir wenigstens etwas geschrieben hätte. Er wusste doch von Brig-Lo, er weiß doch von Grangor, da kann er doch etwas schreiben, und wäre es nur ein Nein. Wenn er denkt, dass es nichts wird, dann kann er es mir doch sagen, oder wenn er nichts Festes will oder nur was zum Angeben oder was weiß ich, aber stattdessen fehlt er und tut so, als gäbe es mich gar nicht. Es ist fast so, als wiche er mir aus. Ach, ich ertrage das einfach nicht mehr länger.“ Blöde, blöde Stille. „Denkst du, ich habe ihn vertrieben? He, Takea? Bin ich ansehnlich? Ich meine, natürlich gibt es schönere Enten auf dem Teich, aber es gibt doch wirklich auch Schlimmere. Und ich bin doch auch nicht zu anstrengend. Immerhin hat es auch Jannis über ein Jahr mit mir ausgehalten. Und ich habe doch Geld und keine Schulden mehr… oder ist es das?“ Takea? Jetzt schweige du mich nicht auch noch an. „Takea? Elfe?“

„Ich bin nicht allein.“, sagt sie mit gedrückter Stimme, „Corsaia ist hier. Ich soll grüßen.“ – „Ach, das… ist ja peinlich.“ – „Nicht sehr. Hast du schon von dem Dämon gehört?“ Ja, davon sprach San auch schon. „Was ist mit ihm?“ – „Es gab einen. Corsaia konnte ihn vernichten… mit drei Hieben, sagt er.“ – „Und was war es für einer?“ – „Groß und feuerrot, eine Art Vogel. Mehr weiß er nicht.“ – „Und meine Mutter?“ – „Ist noch in Andergast. Der große Held hat es ganz vergessen.“

Bewege dich nicht, Freya. Du magst dich zwar bewegen, aber sonst nichts. „Freya, da ist noch etwas. Das ist ein Abschied.“ – „Was?“ – „Corsaia ist hier und wir brechen gleich auf. Delion ruft und spricht vom Meister der Macht… und die Spur führt fort von Dere.“ – „Sehen wir uns denn wieder?“ – „Das kann ich nicht sagen, doch wenn wir es nicht tun: Lebe wohl…“

Ich bleibe noch lange vor dem Fenster liegen, denn es traf mich wie ein Schock. In den letzten Monaten fühlte es sich gut an, jemanden zu haben, mit dem ich reden konnte, und nun war ich allein. Takea zieht weiter und ich wünsche ihr nur das Beste, während es an mir liegt, mich um mich selbst zu sorgen. Hier in Grangor werde ich sicher jemanden finden, mit dem ich reden kann.
 

„… den Anspruch zu erfüllen…“

Kalter Wind, schneidend von See kommend, empfängt mich, als ich den säulengeschmückten einstigen Stadtpalast nur meinen Rücken betrachten lasse. Gestern erreichte ich Grangor erst in der Dämmerung und auch heute bestand mein Handeln nur aus einem ausgiebigen Besuch im Badehaus und einem langen Blick in den Spiegel. Ich freute mich so lange schon auf eine Stadt, in der ich nicht gleich stechende Blicke auf meiner Magierrobe spürte, und hatte doch noch nichts getan. Das Schiff hatte erst verspätet ablegen können, da die See bisweilen tobte, Rufus war noch nicht da… nein, es hätte alles besser anfangen können. Nun lautet mein nächstes Ziel, mir im Bürgerhaus einen Bürgerbrief ausstellen zu lassen, wodurch ich zur Grangorerin werde – in wirklich keiner anderen Stadt stehen die Tore so weit offen wie hier. Es wird mir die nächsten beiden Monate sicher vereinfachen und wenn die Sache mit Rufus gut geht, dann kehre ich sicher noch häufiger hierher zurück. Ach, schlechtes Thema…

Der markanteste Teil Grangors stellt sicher das Wasser dar, wurde die Stadt doch auf einer Insel inmitten einer Bucht errichtet und als wenn dies nicht genügen würde, schneiden sich breite Kanäle mitten durch das Land und bieten fast mehr Schiffs- als Fußweg. Während ich die feinen Bürgerhäuser, die sich im Wasser des Schinderwaats spiegeln, auf mich wirken lasse und mir klar wird, dass von mir aus meine Schritte zum Bürgerhaus auch etwas kleiner sein könnten, denke ich mir: Ja, klar, kein Wunder, dass sie so offen sind, denn leicht kann man nicht von hier fliehen. Trotzdem erfasste auch diese Stadt der Wachstumsschub und ich bilde mir ein, dass sie vor einem Jahr, als ich schon einmal hier überwinterte und mich mit Hilfe der Schule zum Sternengefäß formte, noch nicht so voll war… und laut.

Ein Gardist mit langen braunen Haaren winkt mir zu und während ich ihm nachsehe, erinnere ich mich daran, ihn nach dem Weg zu der Akademie gefragt zu haben. Er gehört zu der Zweililiengarde, die hier für Ordnung sorgt und dabei Stäbe trägt, von denen jedes Ende bewehrt ist, weil ihnen seinerzeit ein Gebieter das Tragen von Waffen mit _einer_ Klinge untersagte. Ein blonder Junge in teuren Gewändern spricht mit lauter Stimme gegen den Menschenstrom an, der sich jedoch nicht auf ihn einlässt und seine Anweisungen, Grangors Zukunft in der Vergangenheit und in einem Geschlecht aus dem Güldenland zu suchen, während ein nicht ganz so gut gekleideter Barde vom Ende einer Liebe singt. Ich bin nicht unglücklich, mich schnell dem freistehenden, großen Bürgerhaus genähert zu haben. Hoffentlich erwartet mich hier kein Abenteuer wie in Nostria.

„Hallo, meine Dame? Sie sehen aus, als hätten Sie… hohe Ziele und möchten nicht so töricht sein, sie alleine anzugehen? Dabei vermag ich Sie zu unterstützen. Kaiser von der Kuslik-Grangorer mein Name.“ Die ausgestreckte Hand in meinem Weg lässt mich erst erahnen, dass er mit mir spricht, und ich schüttele sie, um nicht unhöflich zu sein. „Wissen Sie denn schon, was die Kuslik-Grangorer Ihnen bieten kann? Wir haben ein Sortiment an Heldenversicherungen nun im Angebot, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, Gutes zu tun und sich gleichzeitig nicht allein zu fühlen. Wären Sie interessiert?“

Meint der das ernst? „Hmm?“

„Da haben wir zum einen unsere Prothesenversicherung. Wissen Sie: Es kann so schnell geschehen, da war der Drache hungrig oder der Artillerist betrunken und schon wünschten Sie sich…“ – „Nein.“ – „Wie nein?“ – „Mein Schicksal schützt mich vor Verstümmelungen.“ Da bin ich mir sicher. In meinen Träumen verliere ich zwar mein Leben und meine Seele – und beides mit einer gravierenden Häufigkeit –, doch keine Gliedmaßen.

Der Herr Kaiser bleibt einen Augenblick irritiert. „Nun“, sagt er, um die Zeit zu überspielen, die er mit dem Ordnen seiner Blätter verbringt, „Dann bieten wir von der Kuslik-Grangorer auch die HeldInnen-Lebensversicherung an. Zeichnen Sie diese und wir werden sowohl für Ihre Begräbnis- wie Überführungskosten aufkommen und einem Begünstigten eine an unsere Tarife angepasste Summe auszahlen. Sollten Sie allerdings das 55. Lebensjahr erreichen – was wir beide nicht hoffen, kleiner Scherz –, zahlt Ihnen die Kuslik-Grangorer ein monatliches Altersruhegeld. Kommt das Ihnen näher?“

Der Schlag trifft. Ich weiß nicht, wie es kommt, doch auch Herr Kaiser spürt es – ihm rutschen seine Papiere aus der Hand, damit er sie aufheben kann. Was soll ich tun? Das Schicksal sagt mir und ich weiß es, ich weiß es mit einiger Gewissheit, dass ich nicht alt werde. Ich kann tun, als wüsste ich es nicht, oder ich kann mich darauf einstellen. „Lassen Sie mich später entscheiden“, sage ich, „und geben Sie mir die Papiere. Ich komme auf Sie zurück, wenn ich den Kopf frei habe.“
 

Nun heißt es, mich dem Bürgerhaus zuzuwenden. Bei einem kleinen Fisch-Imbiss namens Ui-Cob kaufe ich mir einen in Praiosblumenöl gekochten Ui Fisch mit einer weißen Soße, den ich verspeise, während ich schnell die Anschläge mustere. Eine Nachricht dringt in meinen Verstand und lässt mich Schlimmes ahnen.

„Der Heldensteuerjahresausgleich: Um der allgegenwärtigen Dukatenverknappung Herr zu werden, entschloss sich der allaventurische Städtekonvent (mit Ausnahme Al’Anfas), das Heldensteuergesetzbuch (HSG) mit sofortiger Wirkung als verbindlich einzuführen. Danach werden fahrende Recken verpflichtet, den fälligen Steuerbetrag bis spätestens Rondra zu entrichten, der im Praios festgesetzt wird und der in folgender Höhe ausfällt: Ein Prozent der Abenteuerpunkte plus Stufe in Dukaten. Für das Ausstellen der Urkunden wurde überall wie auch hier ein Stadtwaigel eingesetzt, der auch Anträge auf Minderung bearbeitet. Die Stadt.“

Ich verstehe die Zahl nicht, doch bin ich mir sicher: Das kann teuer werden.
 

Ich betrete das Bürgerhaus, halte mich links, auch wenn die Erfahrung mit Lytis schreckt, und stehe wenig später inmitten einer Traube bunt gekleideter Recken. Da sind Hexen, die über ihre Flughartholzharnische diskutieren, da stehen Praioten und Schwarzmagier schön in einer Reihe und da klagt ein Schelm darüber, schon wieder verhauen worden zu sein. Nur Rufus fehlt… nein, er ist auch nicht dieser niedergeschlagen dreinblickende Meuchler, der eben das Büro verlässt. Ich bin an der Reihe und eine nicht aus dem Ei gepellte Zauberin tritt ein.

Ich trete in eine Art verstaubtes und verlassenes Studierzimmer, welches von einem schweren Schreibtisch im Herzen und von Regalen voll mit Büchern an den Wänden gut ausgefüllt wird und der grimmigen Gestalt, dem Mann wie ein Ork, in einem Sessel keinen Raum zu geben scheint. Sein Blick greift mich wie der des Kopfes des Tigerfells auf dem Boden, weshalb ich nur beiläufig das Namensschild auf dem Tisch wahrnehme. Der Mann scheint keinen Namen zu besitzen, denn dort steht nur: „Der Waigel“.

„Sie wünschen?“ Ja, was will ich denn? Ich denke an die wohlige Schwere meines Geldkätzchens und spreche den Weg aus, sie zu bewahren: „Ich möchte einen Bürgerbrief und ich möchte weniger Steuern zahlen.“ Funkelnde Augen mustern mich und lassen mich an eine Zwergenbinge denken. „Ach, und warum?“ – „Gemäß der Tatsache, dass ich seit 1028 BF als Heldin arbeite und dementsprechend einen Vierer-Vertrag besitze, der mit dem alten, wohl in der Hal-Zeit gültigen Dreier-Vertrag nur scheinbar übereinstimmt, beantrage ich eine Kürzung um 30% nach HSG.“ Der Mann blickt mich an und erbebt, bis ich verstehe, dass er lacht. „Sie haben recht“, sagt er, „Wer sich für die Allgemeinheit einsetzt, der soll belohnt werden. Der Antrag auf Bürgerrecht wurde verstanden und wird bewilligt, sollte innerhalb einer Wochenfrist niemand aus der Bürgerschaft Einwände dagegen erheben, was die Steuer angeht, so schreibe ich Ihnen eine Urkunde, die sie im Nachbarbüro angeben können. Bezahlen Sie bis zum letzten Werktag im Rondra, oder Sie werden für ein Jahr aus der Stadt verbannt. Der Nächste bitte.“
 

Als ich das Bürgerhaus verlasse, verdunkelte sich die Stadt vor der herannahenden Nacht und ein Wind fährt mir durch das Haar. Das ist Grangor, meine Wirkungsstätte für die nächsten zwei Monate… und meine nächste Heimat.



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