Sternenfeier

Friends...?

„Danke, Lucy.“

Lokis Lächeln wurde von der Stellarmagierin erwidert, als er ihr die Hand reichte, und der warme Ausdruck in ihren Augen war das Letzte, was er sah, ehe Lucy zusammen mit der Welt verblasste und einem leuchtenden Sternenhimmel Platz machte, den er seit nunmehr drei Jahren nicht mehr erblickt hatte.

Er sah sich um, sog den Anblick der Sterne, Planeten und Kristallformationen förmlich in sich ein, wie ein Verdurstender, der nach einer langen Reise durch die Wüste endlich eine Oase findet. Und in der Tat war er dem Verdurstenden nicht ganz unähnlich, war er doch auch lange umhergeirrt, während die Kraft ihn langsam verlassen hatte. Nur hatte er die Hoffnung längst aufgegeben, seine persönliche Oase zu erreichen, hatte sein Schicksal, seine Schuld akzeptiert.

Das allerdings machte seine Rettung nur noch süßer, und das Gefühl seiner nun endlich wieder zunehmenden Kraft war genauso erfrischend, so wundervoll, wie der erste Schluck Wasser es für den Durstigen war.

Eine ganze Weile stand er so da, fühlte, wie er stärker wurde und sah sich an dem ihm so lange verwehrten Anblick satt, bis dieser ihm nicht mehr ausreichte und ihn ein unwiderstehlicher Drang erfüllte, der ihn aus seinem Heim trieb und ihn durch die Stellarwelt wandern ließ, auf der Suche nach dem Grund seiner plötzlichen Unruhe.

„Loki?“

Der Klang seines Namens riss ihn aus seinen Gedanken und er blieb überrascht stehen, hatte er sein Gegenüber jetzt erst bemerkt. „Scorpio. Schön dich zu sehen“, begrüßte er den Skorpion, welcher ihn mit offen stehendem Mund anstarrte und heftig blinzelte, als ob er seinen Augen nicht trauen könnte.

Loki konnte es ihm nicht übel nehmen, war er sich selbst der Realität seiner Rettung noch nicht ganz bewusst.

Scorpio allerdings überwand seine anfängliche Überraschung recht schnell, und bevor Loki auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, trat der Skorpion mit drei riesigen Schritten an ihn heran und zog ihn in eine kurze, aber herzliche Umarmung.

„Es ist lange her“, sagte er, sobald er sich wieder von Loki gelöst hatte, „wir dachten, zu lange, auch wenn es hier natürlich nur knapp zwei Wochen waren. Lange zwei Wochen.“

Loki nickte wortlos. Zu lange, in der Tat. Aber so langsam wurde ihm klar, dass er tatsächlich zurückgekehrt war, wie ihm der freudige Ausdruck seines Gegenübers bestätigte, als dieser ihm einen Arm um die Schultern legte und ihn energisch in die Richtung ihres Treff- und Feierplatzes bugsierte.

Auf dem Weg dorthin begegneten sie Gemi und Mini, denen Scorpio sogleich den Auftrag erteilte, alle Stellargeister für eine Feier zu Ehren seiner Rückkehr zusammen zu trommeln, und sofort erfasste Loki wieder diese innere Unruhe, die er mit der Begegnung Scorpios kurz vergessen hatte, und die er nach wie vor nicht zuordnen konnte. Was gab es noch, das ihn beunruhigen sollte? Vor allem hier, in seiner Heimat?

Seine Überlegungen wurden allerdings wieder unterbrochen, als sie auf mehr und mehr Stellargeister trafen, die dem Aufruf zur Feier gefolgt waren, und sich nun förmlich überschlugen, Loki zu begrüßen und sich davon zu überzeugen, dass es ihm auch wirklich gut ging.

Scorpio stahl sich indes davon, und das Aufblitzen blauen Haars in seinen Augenwinkeln verriet dem Löwen auch den Grund dafür, aber der Platz an seiner Seite wurde sogleich wieder eingenommen.

„Moshi Moshi, sei gegrüßt, Leo. Man hört, du stehest jetzt auch unter Vertrag bei Lucy-sama?“ Sagittarius war die Freude über seine Rückkehr selbst durch seine förmliche Rede anzuhören, wenn man ihn schon so lange kannte, wie Loki es tat.

Dieser legte nun fragend den Kopf schief. „Man hört? Von wem, wenn ich fragen darf?“ Immerhin war er gerade erst zurückgekehrt und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, seine Geschichte zu erzählen.

Sie betraten die Halle, die gerade eilig hergerichtet wurde und in die immer mehr Stellargeister strömten, und der Schütze deutete in eine Ecke des Saal, wo Crux vor sich hindöste, umgeben von einer Schar ungeduldiger Zuhörer. Natürlich. Abgesehen von dem Stellarkönig selbst, der seine Verbannung gerade erst eigenhändig aufgehoben hatte, war wohl nur Crux in der Lage, so schnell die Fakten in Erfahrung zu bringen und sie weiter zu erzählen.

Dann fiel sein Blick auf Virgo, die gerade in ihrer Gorillaform die Halle betrat, zwei riesige Tabletts mit köstlich aussehendem Essen balancierend, und diese gekonnt auf den in der Mitte stehenden Tisch absetzte, bevor sie diesen eilig zu decken begann.

Loki nickte Sagittarius zu, welcher daraufhin salutierte, und begab sich zu dem Tisch, um einen lecker aussehenden Keks von einem der zahlreichen Tellern zu nehmen und genüsslich hineinbiss. „Wirklich hervorragend“, sagte er mit vollem Mund, „hast du die selbst gemacht?“

Virgo, die soeben den letzten Teller platziert hatte, nahm wieder ihre elegantere Form an, ehe sie sich zu ihm wandte und sich verbeugte. „Das habe ich, danke, Bruder. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das Backen von Lucy-himes Lieblingskeksen zu perfektionieren. Soll ich bestraft werden?“

Loki schüttelte heftig den Kopf, wurde aber von Taurus unterbrochen, der mit Herzchen in den Augen laut verkündete, dass doch Libra die Bestrafung übernehmen solle. Die Waage aber ignorierte ihn und unterhielt sich ruhig weiter mit Mutter Pisces, während der Sohn der Fischkonstellation sich auf das eben eröffnete Büffet stürzte, welches beim Anblick der zwei hübschen Frauen plötzlich völlig uninteressant für Loki geworden war.

Sogleich gesellte er sich zu den beiden Schönheiten und legte ihnen jeweils einen Arm um die Schultern. Libra rollte die Augen und befreite sich sogleich von dem Playboy, während Pisces gutmütig lachte und sich von dem aufdringlichen Löwen nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Stattdessen kniff sie ihm verspielt in die Seite. „Gut, dich wiederzusehen. Wir haben uns alle Sorgen gemacht.“

Libra nickte bestätigend und trotz des Tuches, welches die untere Hälfte ihres Gesichtes bedeckte, konnte Loki ein Lächeln erahnen.

„Ich bin auch froh, endlich zurück zu sein.“ Er zwinkerte den beiden zu. „Menschen sind nicht halb so hübsch wie ihr strahlenden Sternchen.“

Pisce lachte daraufhin hell auf. „Ich sehe schon, wie du deine Zeit in der Menschenwelt verbracht hast, nicht wahr, Libra?“

Diese verschränkte ihre Arme vor der Brust und musterte ihn aus unergründlichen Augen. „In der Tat“, bestätigte sie in ihrer dunklen, ruhigen Stimme, welche dem Löwen einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ. Wie attraktiv die beiden Frauen waren hatte er zuvor nie zu schätzen gewusst.

In dem Augenblick gesellte sich eine weitere Schönheit zu ihrer Runde, welche aber leider Tabu für ihn war, denn es handelte sich hierbei um Aquarius. Selbst als Stärkster der Tierkreiszeichen würde Loki es nie riskieren, es sich gleichzeitig mit der launischen Wasserfrau und deren Freund zu verscherzen, welcher sich gerade mit Cancer am Büffet unterhielt und in seinem Essen herumstocherte, aber immer wieder Blicke zu seiner Freundin warf.

„Wird langsam Zeit, dass du zurückkommst. Es sind keine Manieren, seine Freundin warten zu lassen. Scorpio ist eindeutig der bessere Freund.“

Loki blinzelte. „Freundin?“

Daraufhin funkelte die Wasserfrau ihn entrüstet an, und er trat hastig einen Schritt zurück. Als ob ihn das von deren Zorn retten könnte. Aquarius deutete hinter sich, zum Eingang der Halle. „Wenn du die arme Aries vergessen hast, ertränke ich dich.“

Aber Loki hörte die Worte kaum noch, denn sein Blick war längst in die von Aquarius gedeutete Richtung gewandert und auf der rosahaarigen, jungen Frau gelandet, die schüchtern neben der Tür stehen geblieben war und sich bei scheinbar jedem entschuldigte, der sich auf dem langsam eng gewordenen Platz an ihr vorbeidrücken musste.

Und endlich wusste er, woher seine innere Unruhe kam, und ohne den anderen Frauen auch nur noch eines Blickes zu würdigen, bahnte er sich einen Weg zu seinem allerliebsten Widder. Es war in den letzten drei Jahren kein Tag vergangen, an dem er nicht an sie gedacht und sich gefragt hatte, wie es ihr wohl erging. Nur an diesem Abend nicht, auch wenn sein Unterbewusstsein sich hart gegen sein episodisches Vergessen gewehrt und schließlich, wenn auch nur mit der Unterstützung von Aquarius, den Sieg errungen hatte.

Endlich war er bei ihr angekommen und blickte in ihre warmen, braunen Augen, bevor sie den Blick schüchtern wieder senkte.

„Aries.“ Seine übliche Wordgewandtheit schien sich verabschiedet zu haben, denn viel mehr wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen, auch wenn sie sich nach drei Jahren mehr als genug zu erzählen hätten. Vor allem nach ihrem letzten, verhängnisvollen Treffen.

„L-loki.“ Wieder huschte ihr Blick kurz zu seinen von seiner Sonnenbrille verdeckten Augen und ein kleines, glückliches Lächeln zierte ihr feines Gesicht, bevor sie wiederum den Boden aufmerksam betrachtete.

Aber ihr Lächeln hatte Bände gesprochen, und war alles, was Loki gebraucht hatte, und mit einem erleichterten Lachen zog er sein völlig überrumpeltes Lämmchen in eine warme Umarmung.

In diesem Augenblick fielen ihm die Worte des Stellarkönigs wieder ein „Wenn du nach wie vor für deine Sünden büßen willst, dann unterstütze deine Freunde und lebe weiter“ und Loki konnte diesen nur voll und ganz zustimmen, als Aries schließlich seine Umarmung schüchtern erwiderte.

Nach dem Motto hatte er bisher immer gelebt und das würde sich nach seiner unerwarteten Rückkehr sicher nicht ändern, das schwor er sich.