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Göttlich verlassen

von

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Allein zurückgeblieben

Kapitel 5 – Allein zurückgeblieben
 

Helen bummelte durch die Straßen der Innenstadt von Wellesley. An einer Seite Claire und an der anderen Andy, die beide total aufgeregt von einem Schaufenster zum nächsten rannten und auf verschiedene Röcke, Hosen, Oberteile und Schuhe zeigten, jedoch noch in keinem dieser Geschäfte wirklich viel Zeit verbracht hatten. Sie führten sich echt auf wie zwei kleine Mädchen an Weihnachten, dachte Helen. Sie selbst hatte nicht so viel Lust auf Shoppen. Viel lieber hätte sie ihre Zeit mit Lucas auf irgendeiner weit entfernten tropischen Insel verbracht. Dann konnte sie zumindest sicher sein, dass er bei ihr war, denn schon seit heute Morgen hatte sie das Gefühl, dass sie Lucas nicht wiedersehen würde. Da sie das nicht wahr haben wollte, dachte sie den ganzen Tag lang nur an ihn und stellte sich vor, wie er auf Nantucket darauf wartete, dass sie wieder zurückkamen, damit er mit ihr zusammen sein konnte. Aber aus irgendeinem Grund schienen Claire und Andy total darauf erpicht zu sein, jeden Gedanken, den sie an Lucas verschwenden konnte, sofort zu erkennen und ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Wieso sie nicht wollten, dass sie an Lucas dachte, war ihr noch ein vollkommenes Rätsel.
 

Vor einem Dessous-Geschäft blieben beide so plötzlich stehen, sodass Helen beinahe in sie reingelaufen wäre. „Wieso bleiben wir stehen?“, fragte sie. „Wir gehen da jetzt rein.“, meinte Claire. „Was wollt ihr denn in einem Dessous-Geschäft?“ Also Helen würde nicht im Traum daran denken, so einen Laden zu betreten. Viel zu peinlich. „Ich warte hier draußen auf euch.“
 

„Nein, du kommst mit.“, beschloss Andy und die beiden Mädchen zogen Helen mit in das Geschäft, wo sie sofort damit begannen, alle möglichen Dessous herauszusuchen. „Was hälst du davon?“, fragte Claire sie und hielt ihr ein durchsichtiges weißes Nachthemdchen hin, wohingegen Ariandes Nachthemden wie Ganzkörperoveralls wirkten. „Was soll ich davon halten?“ „Na, glaubst du, dass Lucas das gefallen könnte?“, half Andy ihr auf die Sprünge. „Wieso Lucas…?“ „Weil du das für ihn anziehen sollest.“, erklärte ihr Claire. Helen musste kurz auflachen. „Nein.“
 

„Wieso nicht? Steht er nicht auf so was?“, fragte Andy. „Ich steh nicht auf so was.“, stritt Helen ab und hängte den Stofffetzen zurück. „Aber du hast doch schon mit ihm geschlafen, oder?“ Helen fuhr zu Claire herum und funkelte sie an. „Ich nehm das mal als ‚Ja‘.“ „Claire! … Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du schon mit Jason geschlafen?“, konterte Helen. „Meine Großmutter würde mich umbringen … also, ja.“ Andy wurde rot, als sie daran dachte, dass ihre Freundinnen bestimmt gleich sie fragen würden. „Anhand deiner Gesichtsfarbe entnehmen wir, dass zwischen dir und Hector auch schon so einiges passiert ist.“, erklärte Claire. Andy wurde noch roter und schaute zur Seite. „Wo wir das geklärt haben, könnt ihr euch gerne so was kaufen. Ich werde es nicht tun. Gegenüber ist ein kleines Café. Ich warte dort auf euch.“ Damit ging sie.
 

Währenddessen war Lucas schon mitten in seinem Kampf mit Zeus. Eigentlich hatte Lucas auch erwartet, dass Zeus stärker wäre, aber anscheinend waren sie gleich stark. Wenn es hierbei bloß um Stärke ging, konnte sich dieser Kampf noch über Stunden erstrecken, ohne, dass einer von beiden aufgab. Glücklicherweise ging es hierbei nicht bloß mit Stärke, sondern auch um Intelligenz und davon hatte Lucas mehr als genug. So kam es also, dass Lucas ihn mit einer geschickten Bewegung seines Schwertes kurz ablenkte. Nicht lange, aber lang genug, dass Lucas Zeit hatte, sich von hinten an Zeus anzuschleichen und ihm das Schwert in den Rücken zu rammen. Direkt ins Herz. Lucas wusste, dass er Zeus damit nicht töten konnte, aber es verletzte ihn trotzdem. Dann rief er nach Morpheus, der auch sofort erschien. Es waren zwar Helens Grenzen, aber sie kontrollierte sie zurzeit nur so, dass Zeus nicht raus kam.
 

Morpheus öffnete ein Portal in den Tartaros und schickte Zeus ohne jede Anstrengung dorthin, da Zeus von seinem Kampf mit Lucas schon geschwächt war. Nachdem das vollbracht war, sank Lucas auf seine Knie. Das Adrenalin hatte seinen Körper verlassen und er merkte erst jetzt, dass Zeus ihm auch einige Verletzungen hinzugefügt hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte Hector und half ihm auf. „Natürlich nicht, Doofmann.“, meinte Jason und begann sofort, seinen Cousin zu untersuchen. Eine Rippe war gebrochen und er hatte eine Menge Blut verloren, aber das war nichts, mit dem Jason nicht mit Leichtigkeit fertig wurde. Kurz darauf war er wieder topfit.
 

„Du hast es geschafft. Lucas, du hast Zeus besiegt.“, staunte Orion. „Das habe ich.“ Lucas konnte es selbst kaum glauben. „Jederland gehört wieder Helen und das ist die Hauptsache.“ Lucas wandte sich Morpheus zu. „Vielen Dank für deine Hilfe. Ohne dich wären all unsere Bemühungen umsonst gewesen. Ich schulde dir etwas.“, bedankte er sich. „Ich habe das nicht für dich, sondern für Helen getan. Du schuldest mir also nichts. Möchtest du jetzt Zeus‘ Macht über diese Welt oder soll ich sie direkt Helen geben?“
 

Lucas machte ein fragendes Gesicht. „Du hast Zeus zwar besiegt, aber ich habe ihn in den Tartaros verbannt. Deshalb ist seine Macht auf mich übergegangen. Ich habe jetzt die Kraft, Jederland zu verändern. Natürlich werde ich sie nicht behalten. Soll ich sie also Helen geben oder dir?“, erklärte der Gott der Träume. „Ich möchte nicht, dass Helen hierher kommt und ihre Welt so heruntergekommen vorfindet. Gib sie mir. Ich werde sie ihr dann zurückgeben.“, bat der Junge. Morpheus nickte und sobald die Macht von ihm auf Lucas übergegangen war, begann, Jederland sich wieder aufzubauen. Die Stadt setzte sich von selbst wieder zusammen. Überall sprossen Wildblumen aus der Erde. Der Himmel klärte sich auf und schließlich sah Helens Welt wieder bis ins Detail so aus, wie zu der Zeit, als sie es zum letzten Mal betreten hatte. Morpheus verabschiedete sich daraufhin und ließ die Jungs allein zurück. „Wie machst du das?“, fragte Jason. „Ich weiß nicht. Helen hat diese Welt erschaffen. Ich habe sie nur in ihren Ursprungszustand zurückversetzt. Es war wie ein Bild in meinem Kopf.“, erzählte Lucas lächelnd.
 

„Sehr gut gemacht, Sohn.“, hörten sie eine Stimme. Lucas drehte sich um und erblickte das genaue Ebenbild Orions. Hades. Lucas hatte gewusst, dass es soweit kommen würde. Immerhin hatte der Gott der Unterwelt ihn noch gewarnt. Er nickte Hades zu, um ihm zu zeigen, dass er verstanden hatte. „Danke.“ Er drehte sich zu seiner Familie um. „Orion, bitte pass gut auf meine Schwester auf.“, bat er seinen Blutsbruder und gab ihm eine freundschaftliche Umarmung. „Lucas, was ist los?“ „Versprich es mir!“, verlangte Lucas. „Ich verspreche es.“ Lucas verabschiedete sich auch noch von seinen Cousins und machte eine Bemerkung darüber, dass Hector ja niemals auf die Idee kommen sollte, Andy zu betrügen und dass Jason, auf ihn aufpassen sollte.
 

Dann ging er auf Hades zu. „Lucas, warte.“ Lucas blieb stehen, hielt seinen Blick aber starr geradeaus und sah sie nicht an. „Du kommst doch zurück, oder?“, fragte Jason. Lucas schüttelte traurig den Kopf und setzte seinen Weg fort. „Wir können gehen.“, sagte er zu Hades. „Ich bin bereit.“ Nein, das war er nicht. Ihm war schon in der letzten Nacht klar gewesen, dass es jetzt soweit sein würde, aber er hätte sich schon gerne von Helen verabschiedet. Er wollte ja nicht, dass sie mit ihm kam. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass sie ihr Leben auf der Erde mit ihrer Familie und ihren Freunden wegwarf. Er musste irgendwie einen Weg finden, Helen aus der Unterwelt fernzuhalten, damit sie ihr Leben weiterlebte. Aber wie gerne hätte er ihr noch ein letztes Mal gesagt, wie sehr er sie liebte und was hätte er dafür gegeben, Helens Gesicht zu sehen, wenn er sie nach Jederland führte. Er wusste seine Familie würde ihr immer wieder sagen, wie sehr er sie geliebt hat, dass er für sie so ein Risiko eingegangen ist und Helen würde Jederland wiedersehen. Nur würde er nicht dabei sein.
 

Seine Familie sah ihm nach, bis er und Hades in ihren Schatten verschwunden waren. „Wieso hat er uns das nicht gesagt?“, fragte Orion schließlich leise. „Vielleicht weil er dachte, wir würden ihm dann nicht mehr helfen wollen.“, vermutete Jason. „Vielleicht dachte er, er hätte noch mehr Zeit auf der Erde. Es immerhin noch nicht mal ein Jahr her. Ein Jahr im Vergleich zu einer Ewigkeit ist nicht besonders viel.“, sagte Hector. „Lasst uns gehen. Hier zu stehen und zu warten, dass irgendwas passiert, bringt uns nicht weiter. Außerdem muss es irgendjemand von uns Helen sagen.“, schlug Orion vor. Jason und Hector nickten stumm und ließen sich von Orion zurück auf die Erde bringen.
 

„Hey, da seid ihr ja wieder.“, begrüßte Cassandra die drei als sie das Delos-Anwesen betraten. Doch dann fiel ihr auf, dass ihr großer Bruder fehlte. „Wo ist Lucas?“, fragte sie. Die Jungs senkten ihre Köpfe. Keiner traute sich, etwas zu sagen, bis Orion sich ein Herz fasste und die traurige Wahrheit aussprach. „Lucas ist in die Unterwelt gerufen worden.“
 

„In die Unterwelt? A-aber Lucas muss doch erst in die Unterwelt, wenn er Mitgefühl bewiesen hat. Das hat er mir selbst gesagt.“, rief Cassandra. „Kitty, Lucas hat sein Mitgefühl unter Beweis gestellt, als er sich in Helens Situation versetzt und beschlossen hat, alles zu riskieren, um ihr Jederland zurückzugeben.“, erklärte Orion ihr. Er wusste es nicht genau, aber er vermutete, dass es so war. „Warum hat er uns nicht gesagt, dass er dann gehen muss?“, fragte Cassie leise. „Wir vermuten, er dachte, wir würden ihm dann nicht mehr helfen.“, sagte Jason.
 

„Was, wenn er es selbst nicht wusste?“, fragte das Mädchen. „Er wusste es die ganze Zeit, Cass. Hades hat nicht ein Wort gesagt, dass darauf hätte schließen lassen, dass er mit ihm gehen sollte und Lucas hat sofort gewusst, was Sache war. Er hat sich verabschiedet und ist ohne ein weiteres Wort gegangen.“, sagte Hector kopfschüttelnd. „Ich kann nicht glauben, dass wir ihn nie wieder sehen.“
 

„Versetz dich doch mal in seine Lage. Er wusste schon die ganze Zeit, dass er, wenn er geht, niemals zurückkehren wird. Es muss schlimm für ihn gewesen sein, einfach zu gehen, ohne sich irgendwas anmerken zu lassen.“, meinte Orion. Cassandra nickte stumm und ließ sich auf das Sofa hinter ihr fallen. „Ich vermisse ihn jetzt schon.“, wisperte sie. „Wir auch.“
 

„Hey, Leute. Wir sind wieder da.“, rief Claire freudig und kam mit 3 verschiedenen Einkaufstaschen ins Wohnzimmer gestürmt. Ihr folgten Andy und Helen, die beide jeweils nur eine Tüte dabei hatten. „Warum ist hier so eine schlechte Laune?“, fragte Andy, gesellte sich zu Hector und gab ihm ein Begrüßungsküsschen auf den Mund. Normalerweise hätte Hector sie jetzt kurz angegrinst und sie dann noch mal richtig lange und leidenschaftlich geküsst, aber heute war er irgendwie nicht in der Stimmung dafür. „Was ist los?“, fragte sie ihn.
 

„Hey, wo ist denn Lucas?“, fragte Helen und schaute sich suchend nach ihm um. „Ist er nicht hier?“ Die Jungs tauschten betroffene Blicke. Irgendjemand musste es Helen so schonend wie möglich beibringen, aber sie alle wussten auch, dass Helen es ganz sicher nicht positiv aufnehmen würde.
 

„Helen, setz dich erstmal.“, bat Hector sie und deute auf den freien Platz rechts von ihm. „Wo ist Lucas?“, fragte das Mädchen jetzt etwas beunruhigt. „Lucas ist in der Unterwelt.“, meinte Jason schließlich. Er sprach ziemlich schnell. Einfach, um es hier sich zu bringen. Helen brauchte einen Moment, um sich Jasons Worte durch den Kopf gehen zu lassen. „Nein.“, sagte sie schließlich kopfschüttelnd. „Das darf nicht wahr sein.“
 

„Es tut uns leid. Wir hätten ihn nicht gehen lassen dürfen.“, entschuldigte sich Orion. Helen ging nicht darauf ein. Sie stand auf und versuchte sofort ein Portal in die Unterwelt zu öffnen. Doch nichts passierte. Es bildete sich nicht einmal Eis im Wohnzimmer. „Es geht nicht. Ich kann die Unterwelt nicht betreten.“, sagte sie leise.



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