Zum Inhalt der Seite

Ruby

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Haken schlagen, will gelernt sein

Kapitel 5 Haken schlagen, will gelernt sein
 

Der Zettel in meiner Hand knisterte. Darauf stand die Telefonnummer von Race, die er mir beim Rausgehen zugesteckt hatte. Ruby wollte den Zettel mit seinem Blick anscheinend verbrennen, aber das war mir egal. Er hatte mich in der Bäckerei völlig bloßgestellt und ich hatte keinen Bock auf diese Spielchen. Außerdem bestimmte ich selbst, wen ich kennen lernte und wen nicht. Er konnte mich nicht als sein Eigentum markieren. Er schubste mich doch sowieso die ganze Zeit nur herum.

„Warum bist du so still?“, wollte Ruby von mir wissen, doch ich antworte nicht. Er sollte schön selbst herausfinden, warum ich sauer war. Wie konnte er nur vor Race behaupten, dass ich sein Freund war? Wollte er ihn schocken? Wollte er ihm eins reinwürgen? Was hatte er gegen ihn? Er sah doch nett aus, er schien insgesamt auch sehr beliebt zu sein und es konnte sicherlich nichts schaden, ihn näher kennen zu lernen. Doch Rubys völlig übertriebene Reaktion irritierte mich. Und warum musste ich bei ihrem kleinen Schauspiel mitmachen? Und dann solch eine Behauptung aufzustellen! Warum eigentlich ich und nicht jemand anderes? Er hatte das doch mit Onkel Charles angefangen. Sollte die beiden das doch ausbaden. Freund. Das Wort hämmerte in meinem Kopf, allerdings erzeugte es unangenehme Kopfschmerzen. Ich musste das erst einmal verarbeiten und dann klarstellen, dass es zwischen uns nichts gab. Es würde nur Probleme schaffen und ich war niemandes Eigentum! Er hatte mich vor Race gebranntmarkt und das musste ich wieder klarstellen. Wenn ich einen Neuanfang wollte, konnte ich solche Gerüchte nicht gebrauchen.

„Gut, wenn du nicht reden willst, dann erzähl ich dir was. Heute Abend haben wir etwas vor. Ich denke, es wäre gut, wenn wir die andere Seite von dem Schacht im Keller finden.“ Er war also immer noch auf ein Abenteuer aus. Aber ehrlich gesagt, hatte ich überhaupt keine Lust, da heute mitzumachen. Ich war nicht dazu aufgelegt, Zeit mit Ruby zu verbringen. Allerdings sah er das natürlich anders. Diesmal würde ich jedoch hart bleiben. Er konnte bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Ich musste nicht bei jedem seiner kleinen Abenteuer dabei sein. Besonders nicht, wenn ich sowieso nur der Handlanger war.

„Ich komme heute nicht mit. Das musst du allein machen. Ich werde in meinem Zimmer bleiben und ein Buch aus der Bibliothek lesen.“ Er sah mich kurz so an, als ob er protestieren wollte, nickte aber. Das war einfacher, als ich gedacht hatte.
 

Von wegen lesen. In dieser Bibliothek gab es so viele Bücher, dass ich mich unmöglich entscheiden konnte. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Ruby so abgekanzelt hatte. Vielleicht hatte er es nicht so gemeint, möglicherweise war Race kein guter Kerl, obwohl er diesen Eindruck auf mich gemacht hatte. Ach, ich wusste es doch auch nicht. Sollte ich ihn einfach mal anrufen? Vielleicht war es besser, wenn ich mir mein eigenes Urteil bildete, auch wenn Ruby ihn abgrundtief zu hassen schien. Ruby war selbst manchmal ein Kotzbrocken. Obwohl er in der Bäckerei sehr schnell einen Rückzieher gemacht hatte, als er gemerkt hatte, dass er zu weit gegangen war. Aber das Grübeln brachte mich nicht weiter. Statt weiter darüber nachzudenken, suchte ich die Bibliothek nach hilfreichen Büchern für Rubys Schatzsuche. Und wurde mehr als fündig, wenn ich das alles lesen wollte, dann brauchte ich Jahre dafür. Die Bewohner dieses Hauses hatten leider die Angewohnheit gehabt, alle Tagebücher oder Briefe aufzubewahren und mein Stapel auf dem Tisch war immer größer geworden. Ich machte es mir auf einem der Lesesessel im sanften Lampenlicht gemütlich und fing an zu lesen.

Ich war völlig vertieft in die Lektüre eines ehemaligen Schmugglers, als es draußen zu donnern anfing und ich zusammenzuckte. Das Gewitter selbst machte mir nichts aus, aber oben hatte es derartig gekracht, dass irgendwas passiert sein musste. Ich lief mit dem Buch in der Hand zu den Schlafzimmern und hörte es nur lautstark fluchen.

„Scheiße verdammte. Dieses Kackdach hätte ruhig noch eine Woche länger halten können.“ Er stürmte an mir vorbei, fuchsteufelswild mit den Armen voller Klamotten und anderen Habseligkeiten.

„Aus dem Weg Winzling. Hab keinen Bock, dass das alles durchnässt wird. Das Dach hat es erwischt.“

„Brauchst du Hilfe?“ Er nickte und zeigte in sein Zimmer.

Ich war neugierig, wie es wohl aussah, aber dann entsetzt, weil der Regen durch ein Riesenloch im Dach auf die teuren alten Möbel tropfte. Schnell legte ich das Buch auf eine Kommode und schob einen Schrank und einen Stuhl in die trockene Ecke des Zimmers. Doch das Bett konnten wir vergessen. Der Bettbezug hatte sich bereits vollgesogen und tropfte auf das Parkett.

„Ich muss rauf. Du bleibst hier und hältst die Stellung, damit ich weiß. Ob es funktioniert.“ Schon wieder kommandierte er mich rum. Aber diesmal ließ ich ihm das durchgehen, immerhin war es sein Zimmer, das gerade unterging. Das Gewitter nahm an Stärke zu und es regnete immer heftiger rein. Und Ruby wollte bei diesem Sauwetter auf das Dach?! In dem Moment ging mir erst auf, wie wahnwitzig diese Idee war und stand stumm vor Fassungslosigkeit im Raum. Mein Blick klebte an einem Poster von einem mehr schlecht als recht angezogenen Kerl, der sich lasziv auf einem Holzteil in einer Scheune rekelte. Ich verzog das Gesicht. So etwas gefiel Ruby?

Sein kahler Kopf wurde in gleichen Moment, als ich gerade an ihn dachte, durch die Öffnung gesteckt.

„Ist nur provisorisch. Wenn das Scheißwetter aufgehört hat, muss ich das richtig reparieren. Es wird nicht ganz dicht halten.“ Er schrie gegen den Wind an, der an seinen Kleidern zog. Das Shirt klebte an seiner muskulösen Brust und sorgte in meinem Kopf für ganz andere Gedanken, als das Unwetter. Wie eine zweite Haut drängte es sich an ihn und wurde von Sekunde zu Sekunde durchsichtiger. Er richtete seinen Oberkörper auf und griff nach einem Brett, dass er über dem Loch anbrachte. Ich befreite mich aus meiner starren Haltung und lief los, um einen Eimer zu suchen. Oder eine Badewanne, bei den Massen, die da durchkamen. Glücklicherweise wurde ich sogar fündig, obwohl ich mich fragte, was ein Kinderplanschbecken im Bad zu suchen hatte, immerhin war hier kein kleines Kind. Wer wusste es schon? Vielleicht gehörte es Onkel Charles Freunden. Eine kleine Pumpe vervollständigte das Ensemble und in Rubys Zimmer pumpte ich so schnell ich konnte. Das Bett würde verdammt schwer werden. Es schien aus massivem Holz zu bestehen und war eindeutig zu groß für eine Person. Mein Bett war auch groß, aber dieses King-Size-Bett war definitiv übertrieben. Ich drückte mich mit meinem kompletten Gewicht dagegen und schob und schob. Es rührte sich nicht. Meine Knie waren feucht und ich schaute unter dem Bett nach. Die Füße waren angeschraubt, da konnte es nichts werden. In einer der Schubladen fand ich Werkzeug. Ich hatte mit meiner Vermutung richtig gelegen, dass Ruby, der Hobbybastler, eine eigene Werkstatt in seinem Zimmer hatte. Deshalb war der eine Schrank auch so schwer gewesen. Ich machte mich flink ans Werk. Das bisschen Schrauberei hatte ich auch noch drauf. Danach war das Bett immer noch sauschwer, aber es bewegte sich von der Stelle. Ich stellte mein improvisiertes Auffangbecken unter das Loch, aber es tröpfelte nur noch durch. Vom Dach hörte ich nur gedämpftes Klopfen, als Ruby die Nägel in das Holz schlug. Ich war trotzdem nass, denn ich hatte ordentlich was abbekommen, als ich das Bett weg geschoben hatte. Jetzt zog ich den nassen Bezug ab und räumte alles in die Wäsche. Die Matratze zog ich hinter mir her in das Wohnzimmer. Dort stellte ich es in die Nähe des Kamins zum trocknen. Ich wollte soeben nach dem Rechten sehen, da kam Ruby rein und schüttelte sich wie ein Hund. Die Tropfen flogen durch das ganze Zimmer und ein Geruch nach Regen und Ruby verbreitete sich. Es war betörend und ich musste mich zusammenreißen, nicht noch einmal tief einzuatmen, um mehr davon aufzuschnappen.

„Scheiße ist das kalt. Ich hüpf unter die Dusche. Willste mitkommen? Siehst ja aus wie ein begossener Pudel.“ Ich schüttelte verneinend den Kopf. Ich würde mir einfach etwas Trockenes anziehen, dann ging das schon. Ich verschwand in meinem Zimmer und holte noch das Buch aus Rubys Zimmer. Es gab zum Glück genügend andere Schlafzimmer, sodass er nicht auf dem nassen Boden schlafen musste. Und die Couch im Wohnzimmer, aber die war ihm bestimmt zu klein. Ich kramte in meinem Zimmer und fand im Schrank noch zweites Bettzeug. Es war zwar für Sommertemperaturen gedacht, aber immer noch besser als gar nichts. Ich fischte zudem noch nach einem Bettbezug und Kopfkissen und bezog das Bett. Mit meinem Akt der Nächstenliebe lief ich auf den Flur, als ich gerade ein Ersatzzimmer für Ruby suchte. Der kam mir mit einem Handtuch um die Hüften entgegen und starrte mich fassungslos an und ich ihn (aber aus anderen Gründen).

„Tustn da? Was solln das werden?“ Warum war er wütend? Ich hatte es doch nur nett gemeint, aber er riss mir die Wäsche aus der Hand.

„Danke heißt das!, undankbarer Mistkerl.“, zischte ich ihn an und verschwand wieder in meinem Zimmer. Sollte er doch sehen, wo er blieb. Was kümmerte es mich überhaupt. Diese Fürsorge hatte der Sack überhaupt nicht verdient und ich würde keinen Finger mehr für ihn krumm machen.

Vielleicht sollte ich Race doch mal eine SMS schreiben. Immerhin lebte ich hier mit zwei Verrückten und er schien ganz vernünftig zu sein. Möglicherweise konnte er mich auch über Rubys seltsames Verhalten aufklären.

Ich zückte mal nagelneues Telefon, das mit mir den Neuanfang machte. Ich hatte lange darauf gespart und das metallicblau war auch eine kleine Extravaganz, die mich einiges gekostet hatte. Schnell hatte ich die Nummer eingespeichert und einen kurzen unverbindlichen Text geschrieben. Ob er sich mal einfach so mit mir treffen wollte.

Natürlich kam nicht sofort eine Antwort, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet. Race sollte sich einfach melden, wenn nicht war es auch nicht weiter schlimm. Obwohl diese grünen Augen wirklich faszinierend gewesen waren. Ob sie echt waren? Oder half er mit Kontaktlinsen nach? Egal, ich würde mich wieder meinem Schmuggler zuwenden, denn seine Aktivitäten waren wirklich abenteuerlich gewesen. Der Schmuggler in meiner Vorstellung hatte dunkelblaue Augen und einen verwegenen Degen. Ich musste eingeschlafen sein, denn in meinem Traum hatte er plötzlich eine Glatze und das hatten die Menschen aus der Oberschicht nur gemacht, weil unter ihren Perücken die Läuse das ideale Nest gefunden hatten. Die Hygienevorstellungen dieser Zeit und meine lagen meilenweit auseinander. Aber selbst jeder noch so feine Herr wäre niemals ohne seine Perücke herausgegangen, deshalb musste es ein Traum sein. Der kahle Kopf ähnelte jemandem, den ich im ersten Moment nicht zuordnen konnte. Und seit wann war es in England dermaßen warm. Ich versuchte Halbschlaf die Decke von mir zu schieben, aber sie hing an etwas fest. An etwas Warmen, Heißen, das sich unter meinen Bewegungen regte.

„Stückchen weiter nach oben und Jackpot.“ Wie? Was? Diese Stimme, die in meinem Traum sprach, gehörte doch Ruby. Was hatte er an meinem Schmugglerstrand zu suchen? Sollte er nach Frankreich als Geisel verschifft werden? Meine Gedanken waren durch den Halbschlaf absolut wirr und nur langsam registrierte ich, dass ich den Teil, in dem Ruby vorkam gar nicht träumte.

„Winzling, du machst mich fertig.“ Er griff nach meiner Hand und legte sie sich auf den Schritt. Ich zog sie weg, als hätte ich mich verbrannt. Meine fünf Sinne waren noch nicht wieder da, aber das, was ich gespürt hatte, erkannte ich eindeutig.

„Was hast du hier zu suchen?“ Ich dämpfte meine Stimme um Onkel Charles nicht zu wecken.

„Ich penn hier, is doch klar. In meinem Zimmer ist Land unter.“ Er strich mit seiner freien Hand über meine nackte Haut. Ich schlief immer nur in Boxer und kam mir viel zu entblößt vor.

„Es gibt doch genug andere Zimmer, such dir doch davon eins aus! Du hast doch schon dein eigenes Bettzeug. Ist ganz einfach: Rauf aufs Bett und ab unter die Decke.“ Er grinste mich süffisant an.

„Hab ich doch gemacht. Rein in dein Bett und ab unter deine Decke. Den Lappen von vorhin, benutze ich gerade als Kopfkissen. Alles viel zu tief hier. Und so weich.“

„Dann verschwinde doch, wenn es dir zu weich ist! Unten steht auch eine Couch.“ Ich war beleidigt, weil er meine Mühe nicht zu würdigen wusste.

„Hm, etwas Hartes gibt es hier schon. Willst du nicht da weitermachen, wo du aufgehört hast?“ Seine Augenbrauen wippten auf diese nervtötende Art auf und ab und ich boxte ihn hart in die Schulter.

„Ach und übrigens sind die anderen Zimmer unbewohnbar. Deins ist das letzte, was wir noch sauber gemacht haben. Ich hab dir doch erzählt, dass das Instandhalten sehr teuer ist. Da haben wir als erstes die ungenutzten Schlafzimmer geschlossen. Du musst also damit leben, dass ich bei dir übernachte. Und das Sofa kannste knicken. Da passt ja gerade mal meine halbe Arschbacke drauf.“ Er zog mich näher zu sich und ich rutschte wieder ab.

„Hey, komm her. Mir ist schweinekalt, weil ich mir vorhin da oben den Schwanz abgefroren habe. Und du mir nur diesen Lappen als Decke gönnst. Also wärmst du mich jetzt mit deinem Körper.“ Wieder zog er mich zu sich. Ich lag mit dem Rücken an seiner harten Brust und spürte leicht seinen Herzschlag. Er würde mich nicht loslassen, also konnte ich mich auch gleich damit abfinden.

„Wehe, du machst irgendwas Komisches.“, ermahnte ich ihn misstrauisch. Er hob kurz abwehrend die Hände.

„Wenn du mich im Traum befummelst, halte ich dich bestimmt nicht davon ab.“ Ich rammte ihm meinen Ellenbogen in die Seite, doch er lachte nur rau. Uff, der schaffte mich. Dieses kratzige Lachen war fast mehr, als ich ertragen konnte. Aber ich würde durchhalten und versuchen, ein wenig Schlaf zu bekommen.

„Schlaf gut und lass deine Hände bei dir.“ Ich gähnte herzhaft. Der Tag war aufregend gewesen und ich war hundemüde. Auch wenn ich bezweifelte, dass ich ein Auge zutat. Doch ich dämmerte schon weg, als ich Rubys leise Antwort hört.

„Du darfst deine gern nicht bei dir behalten. Gute Nacht.“ Er kuschelte sich eng an mich und ich hatte das Gefühl, dass ich neben einem Ofen lag. Von wegen kalt. Der wollte sich nur fest an mich pressen, um mir zu zeigen, dass er einen Steifen hatte. Idiot, wer sollte denn so schlafen?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  tenshi_90
2013-08-07T16:19:48+00:00 07.08.2013 18:19
Die beiden sind echt wie Pech und Schwefel... Ob das mal noch was wird zwischen den beiden? Ich hab da so meine kleinen Zweifel..

Aber wie immer toll geschrieben :) Mach weiter so:)
Antwort von:  Papierkriegerin
07.08.2013 19:14
Hi ^^ danke mal wieder für deine Motivation. Nunja es kommt noch einiges auf die beiden zu xD


Zurück