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Labyrinth der Ängste

Sherlock Holmes/Tom Hiddleston, Loki/Tom Hiddleston?
von

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Im ersten Stock fand Sherlock einige Türen vor, die in verschiedene Räume führten. Der erste davon entpuppte sich als schmale Besenkammer. Nichts Wichtiges also. Dann ein Gästeschlafzimmer mit einem bequem erscheinenden Bett, einem kleinen Schrank und zwei Bücherregalen. Als Sherlock ihnen einen näheren Blick schenkte, erkannte er verschiedene Ausgaben von Shakespeares Werken. Was für ein Klischee. Aber irgendwie von einem Schauspieler zu erwarten. Neben Shakespeare standen Fitzgerald, Hornby, ein paar Biographien von historischen Persönlichkeiten und eine handvoll Comics. Zugegeben, das kam unerwartet. Er streckte die Finger nach einem der Comicbände aus, betrachtete das Cover. Thor. Ach ja, natürlich. Er hatte das Poster eines stilisierten Hammers im Flur hängen gesehen.
 

Die nächste Tür führte zu einem zweiten Badezimmer; größer als das, das er unten gesehen hatte. Es hatte eine Badewanne und einige Regale, in denen sich mehr persönliche Hygieneartikel befanden, als ein normaler Mensch in fünf Leben benutzen könnte. Außerdem fand er einen elektrischen Rasierer – den Hiddleston jetzt gerade wirklich brauchen könnte, er sah aus, als hätte er sich tagelang nicht rasiert – was er natürlich auch nicht getan hatte – und eine Schachtel mit grünen Kontaktlinsen darin. Hmm.
 

Und dann war da noch Hiddlestons Schlafzimmer. Der Inhalt der feuchten Träume weiblicher Teenager, falls ein Blick auf die IMBD-Seite des Mannes die Wahrheit sagte. Der Raum wirkte vollkommen gewöhnlich. Dennoch nahm Sherlock sich die Zeit, jede Schublade zu öffnen, einfach nur, weil a) er es konnte und b) er seinen Klienten so gut wie möglich kennenlernen musste, um sicherzugehen, dass er jede Lüge erkennen könnte, die Hiddleston ihm möglicherweise auftischen wollte. Nichts Außergewöhnliches in seinem Kleiderschrank (auch wenn normale Menschen sich möglicherweise wundern würden, warum zum Teufel ein Mensch vier verschiedene Lederjacken benötigte, aber Sherlock gehörte nicht gerade zu den normalen Menschen). Der Wecker war auf 6:30 Uhr morgens gestellt. Ein Frühaufsteher, auch am Wochenende. Hm. Der Inhalt einer Schublade brachte ihn dazu, die Augenbrauen zu heben und daran zu denken, wie enttäuscht die armen weiblichen Fans wären, wenn sie das hier herausfinden würden, aber Sherlock war niemand, der darüber urteilte. Er war auch niemand, den es interessierte.
 

Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Fenster und überlegte. Es konnte nur von innen geöffnet oder geschlossen werden. Könnte der Stalker die Wand hinaufgeklettert und durchs Fenster gekommen sein? Könnte er es geschlossen, den Brief geschrieben und auf das Fensterbrett gelegt haben und dann das Haus durch die Vordertür verlassen haben? Aber Hiddleston hätte ihnen gesagt, wenn die Vordertür nicht mehr verschlossen gewesen wäre.
 

Das war etwas, dem er später nachgehen sollte, aber im Moment griff er in seine Manteltaschen, holte ein Notizbuch hervor, genau wie einen winzigen Pinsel und ein kleines Glas, das Aluminiumpuder enthielt, welches er an den Stellen anbrachte, an denen er vermutete, dass der Stalker Fingerabdrücke hinterlassen haben könnte – dem Griff, dem unteren Teil des Rahmens, dem Fensterbrett und einem verdächtig wirkenden Fleck auf dem Fensterglas. Alles lief wie erwartet und das Puder sorgte dafür, dass einige wenige feine Abdrücke für das Auge sichtbar wurden. Sherlock lächelte, holte sein Handy hervor, um von jedem einzelnen Fingerabdruck Fotos zu schießen. Dann sah er sich um. Glücklicherweise fand er eine Rolle Tesafilm auf Hiddlestons Schreibtisch, den er benutzen konnte, um die Fingerabdrücke in sein Notizbuch zu übertragen. Das war zwar nur ein kleiner Erfolg, aber immerhin war es überhaupt einer.
 

-
 

Als er die Treppe herunterstieg, hörte er, wie die beiden Männer sich unterhielten, während sie am Küchentisch saßen. Der Geruch von frisch aufgebrühtem Tee lag in der Luft, brachte Sherlock dazu, wider Willen zu lächeln.
 

„Also“, sagte John, „warum haben Sie ihren Briefkasten um halb sechs an einem Samstag geleert? Ist ein bisschen arg früh, finden Sie nicht?“
 

„Na ja … “ Das dumpfe Klirren einer Teetasse, die auf den Tisch gestellt wurde. „Ich war die Nacht zuvor gerade erst von einer Promotour zurückgekommen und war zu müde gewesen – und ganz ehrlich gesagt nicht mehr nüchtern genug –, um das noch am Abend zu tun.“
 

„Bedeutet, wir können uns nicht sicher sein, wann genau der erste Brief angekommen ist“, überlegte John laut und fasste damit Sherlocks Gedanken in Worte.
 

Und wir können es auch nicht herausfinden, weil Hiddleston ihn weggeworfen hat. Es sei denn … Sherlock betrat die Küche. „Ich nehme an, Sie haben Ihren Mülleimer seit Samstag nicht geleert, nicht wahr? Oh, hören Sie auf, mich so verwirrt anzusehen, das ist enervierend. Beantworten Sie einfach die Frage.“
 

Hiddleston warf John einen Blick zu. Der zuckte nur die Schultern, und Sherlock hätte sie am liebsten beide erwürgt, aber dann sah Hiddleston wieder zu ihm und sagte nein, hatte er nicht, und endlich kamen sie wenigstens ein bisschen voran. Er steckte die Hand in den Mülleimer, wühlte darin herum und – ha! – fand irgendwo zwischen den Überresten eines Apfels und einigen Karottenschalen zwei Fetzen Papier, die zu dem Brief gehört hatten.
 

„Wofür brauchen Sie die?“
 

„Dank der Wissenschaft und dem gesunden Menschenverstand kann ich herausfinden, wann der Brief geschrieben wurde. Wenn Sie so freundlich wären und mir ein dutzend oder mehr der Liebesbriefe Ihres Stalkers zu bringen, kann ich die Handschrift und die Tinte vergleichen. Dann wissen wir, ob wir es mit einer einzelnen Person oder eine Gruppe zu tun haben.“
 

Hiddleston verzog das Gesicht und hob die Brauen verunsichert. „Sie meinen … es könnte mehr als eine Person hinter der Sache stecken?“
 

„Das habe ich doch gerade gesagt!“, fauchte Sherlock ihn an. Die Ungeduld war in seiner Stimme hörbar. „Also würden Sie bitte tun, was ich Ihnen sage?“ Er wartete, bis der Mann aufgestanden war und den Raum verlassen hatte, murmelte dann ein leises „Na endlich!“ und nahm schnell die Fingerabdrücke von der Teetasse.
 

„Du hättest ihn auch einfach fragen können,weißt du?“, sagte John mit einem Seufzen.
 

„Das hier geht schneller und ich muss mich nicht mit seinen dummen Fragen aufhalten.“
 

„Sherlock, sei nicht so streng mit ihm! Er ist halb verrückt vor Angst!“
 

„Das ist kein Grund für – oh, das ging schnell“, sagte er mit einem falschen Lächeln auf den Lippen, während er sich wegdrehte und sein Notizbuch und den Pinsel hinter seinem Rücken versteckte, innerlich erleichtert aufseufzte, als er spürte, dass John beide Objekte nahm und einsteckte. „Nun, danke.“ Er nahm die Briefe mit einer einen Hand und klopfte mit der anderen auf Hiddlestons Schulter. „Sie hören bald von uns.“
 

„Was?“ Der Mann wirkte niedergeschlagen. „Aber was soll ich in der Zwischenzeit machen?“
 

„Nun, da es bisher eine ganz erfolgreiche Strategie war, sich unter der Bettdecke zu verstecken und zu hoffen, dass man Sie nicht sieht, solange Sie niemanden sehen, sollten Sie das beibehalten. Bis bald, Mr. Hiddleston.“
 

-
 

Als sie zurück zur 221B kamen („Guten Abend, Mrs. Hudson. Wie geht es der Hüfte heute, Mrs. Hudson? Oh, das klingt wunderbar, Mrs. Hudson.“), ging Sherlock seiner Lieblingsbeschäftigung nach: John herumzuscheuchen. „Informier' dich über ihn. Geh auf Google, auf Youtube, mir ganz egal. Sieh dir seine Interviews an, lies seine Tweets. Ich will wissen, was er denkt, was seine Hobbies sind, sein Lieblingsessen, mit wem er vögelt, mit wem er befreundet ist, einfach alles!“ Und während Sherlock selbst die nächste Stunde damit verbrachte, am Küchentisch zu sitzen und die Tinte und die Handschrift und die Fingerabdrücke zu analysieren (mithilfe seiner bewährten Kombination aus einem Mikroskop, drei verschiedenen Arten von Chemikalien, einer Spritze, einem Glas Wasser und natürlich seinem überaus brillanten Verstand), bekam John die schlimmste Migräne seines Lebens. Was einiges zu sagen hatte, wenn man bedachte, dass er mit Sherlock Holmes zusammenlebte.
 

„Ich verstehe diesen Typen nicht“, sagte er und rieb sich die Schläfen, als Sherlock zu ihm kam und ihm über die Schulter schaute. „Im einen Moment ist er kultiviert und redet über Shakespeare und die Schauspielerei, im nächsten Moment wirft er mit Bandenzeichen um sich und rennt herum und schreit 'LOKI'D' und versucht jeden davon zu überzeugen, dass er nicht nur ein Witzbold, sondern auch der echte und einzige Gott des Schabernacks ist.“
 

"Hm."
 

„Was? Was ist? Ich kenne diesen Laut und es ist kein glücklicher Laut."
 

Sherlock setzte sich und lehnte sich nach vorne, wobei eine schmale Falte zwischen seinen Augenbrauen erschien. „Möglicherweise wird hier wirklich jemandem ein Streich gespielt. Aber nicht Hiddleston.“ Als John ihn fragend ansah, 'hm'te er noch einmal und sagte: „Keine Fingerabdrücke außer seinen eigenen. Natürlich kann der Stalker Handschuhe getragen haben, aber das erklärt nicht, wie Hiddlestons Fingerabdrücke auf die Briefe kommen, die er angeblich nicht geöffnet hat.“
 

„Aber … aber warum sollte er lügen? Er sah wirklich so aus, als hätte er Angst, als fürchte er um sein Leben.“ John hatte gesehen, wie seine Finger gezittert hatten, wie sein Blick unstet von links nach rechts gehuscht war. Das … konnte natürlich alles nur gespielt gewesen sein, ja. Aber warum? „Was ist mit der Tinte?“
 

„Jetzt wird es spannend: Alle Briefe müssen zwischen Freitag und Samstag geschrieben worden sein. Gleiche Handschrift, gleiche Tintensorte. Es scheint sich um eine Designermarke zu handeln. Hoher Eisengehalt. Sogar ein bisschen Schwefel. Wir müssen später nachsehen, welche Hersteller Schwefel in ihrer Tinte benutzen, ob sie ihr Produkt in London verkaufen und ob irgendjemand Hiddleston als Kunden wiedererkennt.“ Er schwieg einen Moment lang. „Du erinnerst dich, dass er sagte, er sei aufgewacht und hätte einen Brief auf seinem Fensterbrett gefunden?“ John nickte und Sherlock seufzte. „Er will uns glauben machen, ein Stalker ist die Bäume vor seinem Haus hochklettert, ohne dabei ein Geräusch zu verursachen, kommt durchs Fenster, schließt es und steht dann neben Hiddleston, nur um einen Brief darüber zu schreiben, was bedeutet, dass er Papier, Füller, Briefumschlag und Tinte bei sich haben müsste. Und dann verschwindet unser Stalker einfach so? Wie denn? Durch die Vordertür? Das ist … das ist einfach unmöglich.“
 

„Also glaubst du, man spielt mit uns?“
 

„Ich glaube es nicht, ich weiß es. Wir müssen nur herausfinden, warum.“
 

„Ein PR-Stunt?“
 

„Dann wäre er sofort an die Presse gegangen, anstatt sich in seinem Haus zu verbarrikadieren. Nein, es muss noch einen anderen Grund geben … einen, den ich herausfinden werde.“ Er erhob sich wieder, ging mit schnellen Schritten zur Tür und schnappte sich seinen Mantel. „Lass uns gehen, John.“
 

„Was? Wohin?“
 

„Zu Hiddlestons Haus, natürlich. Heute Nacht finden wir heraus, ob es wirklich einen Stalker gibt, der nachts seine Post zustellt.“
 

-
 

Vier Augen sahen mehr als zwei, das war klar. Das verstand John sehr, sehr gut. Er verstand auch, dass es Sinn ergab, sich zu trennen, damit sie beide jeweils andere Teile des Hauses beobachten konnten. Was er nicht verstand, war allerdings, warum er es sein musste, der sich in den Büschen hinter Hiddlestons Haus versteckte, während Sherlock einen warmen, netten Sitzplatz in einem Café auf der anderen Straßenseite in Beschlag genommen hatte. Nicht, dass John neidisch wäre. Absolut nicht. Er vermutete, dass es seine Vorteile hatte, Sherlock Holmes zu sein; und die Möglichkeit zu haben, jemand anderem – also John – die beschissenen Aufgaben zu erteilen, war ein sehr guter Vorteil.
 

Also nein … er war nicht neidisch.
 

Überhaupt nicht.
 

Vielleicht ein bisschen.
 

Aber das auch nur, weil es nach kurzer Zeit anfing zu schneien.
 

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Die Nacht stellte sich als vollkommen ereignislos heraus. Sherlock rief ihn alle knappe Stunde auf seinem Handy an, um zu fragen, ob irgendetwas passiert war, was sie natürlich beide verneinen mussten. Nichts war geschehen. Nichts geschah Und im Morgengrauen rief Sherlock wieder an, um ihm zu sagen, dass höchstwahrscheinlich auch überhaupt nichts geschehen würde.
 

Seine Muskeln schmerzten und er fror und hatte Hunger und war vielleicht ein kleines bisschen unglücklich darüber, die Nacht damit verschwendet zu haben, ein Haus zu beobachten (vor allem, weil er in Kürze zur Arbeit gehen musste), aber er musste zugeben, dass Sherlock Holmes ein wirklich guter Freund war. Wenn auch nur, weil Sherlock ihm befahl, sich hinzusetzen, sich einen Kaffee zu bestellen und irgendetwas Warmes zu frühstücken.
 

Zu dumm nur, dass er nie die Chance hatte, auch nur eines dieser Dinge zu tun und zu genießen, denn direkt nachdem er die Speisekarte weggelegt und etwas bestellt hatte, klingelte Sherlocks Handy.
 

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Am vierten Tag vom Ende der Welt erwachte Tom Hiddleston durch ein seltsames und unbekanntes Geräusch. Er stöhnte auf, drehte sich auf die andere Seite und kuschelte sich tiefer unter seine Decke, legte im Halbschlaf die Stirn in Falten, als das Geräusch – und der Geruch – nicht verschwand, sondern an Intensität zunahm. Es war ein knisternder, zischender Lärm und es roch nicht unähnlich einem Lagerfeuer, das über Holz und Papier und Asche züngelte.
 

… Moment. Das sollte nicht möglich sein. Er hatte nicht einmal einen Kamin. Langsam öffnete Tom die Augen und blinzelte. Seine Augen weiteten sich vor Unglauben und er schreckte hoch. Mit zitternden Fingern umklammerte er sein Handy, wählte einmal mehr eine bestimmte Nummer. „Mr. Holmes?“, sagte er, wobei seine Stimme brach und zitterte. „Könnten Sie vorbeikommen? Ich … “ Die Worte verließen ihn und der einzige Laut, der ihm über die Lippen kam, war er ein ersticktes Schluchzen, als sein Blick noch immer zwanghaft auf die Wand gerichtet war.
 

Ein Wort, ein einzelnes Wort hatte sich in den Beton gebrannt.
 

Heute.



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