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El Caribe

Hiddlesworth
von

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Das eigenartige Gefühl, auf einem schwankenden Bett zu liegen, beförderte den blonden Australier aus dem Schlaf rasch zurück in die Welt der Lebenden. Die Decke seiner Kajüte war ungewohnt niedrig, und durch die Luke konnte er den vom frühen Morgen noch blassblauen Himmel sehen. Das Bett, auf dem er lag, war in seiner Breite so angelegt, dass es das schmale Ende des Raumes vollständig ausfüllte und er am Abend über die Fußseite darauf geklettert war; zu seiner Linken waren eine Lampe und eine Ablage angebracht, neben einem winzigen Fensterchen, kaum größer als seine gespreizte Hand, durch das die Wellen das Licht der Sonne reflektierten.

Chris hatte nun die Zeit, die Kajüte zu inspizieren; den Koffer hatte er am Abend zuvor schon unter das Bett geschoben, denn das Ding nahm hier drinnen erstaunlich viel Platz weg. Ganz zu schweigen von ihm selbst – er war nicht gerade zwergenhaft geraten. Das stellte sich spätestens dann als furchtbar unpraktisch heraus, als er herausfand, dass er seitwärts in das kleine Bad hineingehen und sich, damit die Tür zuging, in die Duschkabine stellen musste, um dann, sobald die Tür zu war, die Toilette zu erreichen.
 

Leben auf winzigstem Raum. Der Blonde war davon überzeugt, dass Kollisionen mit diversen Einrichtungsgegenständen vorprogrammiert waren – man addiere einen zu groß geratenen Australier mit breitem Kreuz zu einem winzigem Zimmer und noch etwas Überschwänglichkeit, vielleicht ausgelöst durch zu starke Cocktails – Chris zog eine Grimasse. Da zog er doch lieber Gedanken vor, die weniger von Pein geprägt waren.

Chris streifte sich ein T-Shirt zu seiner Boxershorts über und verließ seine Miniatur-Gemächer. Die Küche, Esszimmer, Wohnzimmer, was auch immer der Raum darstellen sollte, der ihre Zimmer verband, war leer und still, aber die Glastür zum kleinen Deck hinaus war offen.

Entweder hatte sie die ganze Nacht lang offengestanden oder der Brite war schon auf den Beinen.

Chris trat nach draußen. Die Luft roch frisch, war aber angenehm warm. Neben ihrem Wassergefährt schaukelten dessen Geschwister still im kleinen Hafen des Katamaran-Verleihs. Ein paar Leute liefen in der Nähe des Gebäudes, wo sie am vorigen Abend gegessen hatten, herum, ansonsten herrschte noch schläfrige Ruhe.

Chris wandte sich wieder um, ging nach drinnen, entdeckte sein Handy auf dem Tisch. Eine SMS von Elsa. Es war halb sechs. Chris öffnete die SMS, dann stutzte er.

Halb sechs?

Ungläubig starrte er die Ziffern an. Warum war er um diese Uhrzeit von allein aufgewacht und fühlte sich so verdammt ausgeschlafen...? Die für ihn fehlende Logik ließ Chris einen Moment lang gebannt dastehen, dann zweifelte er an der Richtigkeit seiner Handyuhr.

Seid ihr gut angekommen? Uns geht es gut, wir benehmen uns ;) Ich liebe dich, Elsa.

Er schmunzelte geistesabwesend, wählte „Antworten“, und schrieb: Wohlbehalten angekommen, schon erste Spezialitäten getestet, Painkiller. Alles prima hier. ILU, Chris.
 

„Post von Elsa?“

Chris fuhr zusammen. Tom war lautlos und plötzlich in der Glastür aufgetaucht, lehnte im Rahmen, ein wissendes Grinsen im Gesicht, die Sonnenbrille auf der Nase, ein verwaschenes, weißes The Cure-Shirt, dunkelgrüne Badeshorts darunter.

„Äh, ja. Ist das so auffällig?“

„Du hast nicht oft so ein....- “, Tom zögerte in seiner Wortwahl, brach ab; seine Lippen kräuselten sich in einem verlegenen Lächeln. Chris sah auf, grinste, legte das Hand auf den Tisch, verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich höre.“

Tom ließ ein Lachen hören, schüttelte den Kopf. „Ich – mir lag 'belämmert' auf der Zunge, um ehrlich zu sein.“

„Danke auch.“ Chris schüttelte grinsend ebenfalls den Kopf, konnte es nicht lassen, Toms Ehrlichkeit mit Sarkasmus zu begegnen. Er trat wieder nach draußen zum Heck des Katamarans, blickte über den Pier. „Ich bekomme so langsam Hunger“, stellte er fest. „Die Lebensmittellieferung sollte sich mal so langsam hierherbequemen.“

„Immer mit der Ruhe, du Scheunendrescher. Es kommt sicherlich bald was – ich meine, die werden damit ja ihre Routine haben...“, vermutete Tom. Er hockte sich an den kleinen Tisch des Außendecks, lehnte sich an die gepolsterte Lehne der kleinen Bank. Die Hand hatte er auf dem Buch liegen, das er wohl zuvor zu lesen begonnen hatte.

Einen Moment lang herrschte Stille, nur unterbrochen von den Wellen, die leise gegen die Haut des Katamarans schwappten, die knarrenden Taue, ein paar Möwenschreie.

„Und, wie war die Nacht?“

Chris riss den Blick von den grünen Hängen der Insel, in die kleckerchenweise ein paar Häuser – jedes in einer anderen Farbe – gestreut waren, wandte sich wieder dem Briten zu, der die Sonnenbrille auf die Stirn geschoben hatte und ihn nun mit freundlichen Interesse musterte. In Chris stieg wieder das eigenartige Gefühl auf, dass Tom, obwohl er fragte, die Antwort schon im Voraus wusste. Manchmal hatte der Australier den Eindruck, dass der Brite in ihm lesen konnte wie in einem offenen Buch, aber das war natürlich Quatsch. Oder?

„Ganz angenehm. Geschlafen wie ein Stein.“ Chris grinste.

„Ging mir genauso. Ich kann mich nicht mal dran erinnern, wie ich ins Bett kam, aber vermutlich lag das eher an diesem Painkiller.“ Tom lächelte schief, dann lachte er, den Blick über das Wasser streifen lassend. „Was auch immer in dem Gesöff drin ist, aber es ist verdammt gut.“

„Ist jedenfalls naheliegend.“ Eine Gestalt, die einen Wagen vor sich herschob, fing Chris' Augenmerk. „Sag mal, könnte das nicht...?“

„Er steuert uns an, glaub ich.“

Sie erhoben sich, als der Einheimische mit dem Wagen dort stehenblieb, wo der Katamaran festgemacht war. Es war tatsächlich ihr Lebensmittellieferant. Sie bezahlten die Lieferung und bedachten den Mann mit Trinkgeld, dann fingen sie an, mehrere Packungen Dr.Pepper-Dosen, eingeschweißtes Fleisch, Nudeln, Dosentomaten, Cambell's Dosensuppen, Salatköpfe, Tomaten, Brot, Müsli, Graham Crackers, Fig Rolls, Bagels, Frischkäse, Bacon, Beefscheiben und unzählige Dinge mehr im Kühlschrank, unter den Sitzbänken und in den Schränken der Wohnküche (so nannte Chris den Raum der Einfachheit halber) zu verstauen. Es war nicht immer ganz einfach; zwar war besagte Wohnküche etwa doppelt so groß wie die Schlafzimmer, aber das hieß noch immer nicht, dass hier viel mehr Platz war, vor allem nicht, wenn zwei erwachsene Männer darin mit Kisten, Tüten und Flaschen darin herumscharwenzelten. Mehrere Male musste der eine über den anderen hinwegreichen und an einem Punkt trug die Tatsache des schwankenden Bootes unglücklich dazu bei, dass Tom, der etwas weiter hinten unter der Bank etwas zurechtrücken wollte, aufgrund des Tisches nicht an Chris vorbeikam, schlichtweg über den anderen hinüberfiel. Der Australier war damit beschäftigt gewesen, einen weiteren Karton aufzusteißen, als sein Schädel gegen Toms Knie stieß, und im nächsten Moment dessen Hüfte im Nacken war. Die Sonnenbrille fiel klappernde auf den Boden, der Brite fing sich halb zwischen Tisch und Bank ab, bewahrte Chris davor, vollends zwischen dem Karton und seinen langen Beinen begraben zu werden.

„Oh, sorrysorrysorrysorry!“, sprudelte Tom eine Litanei an Entschuldigungen, während dessen Arme allmählich in der überaus ungewohnten und eigentlich gefühlt unmöglichen Haltung nachzugeben begannen. Chris griff nach Tom, irgendwo bei Taille und Hüfte, beförderte ihn wieder einigermaßen dahin, wo er sich zuvor noch befunden hatte. Der Brite lachte, schlug sich vor die Stirn. „Himmel, ich bin echt unmöglich. Tut mir leid, ich hätte einfach warten sollen, bis du fer-“

- „Kein Ding, Kumpel. Ist ja nix kaputtgegangen.“ Chris winkte sorglos grinsend ab, fischte nach der Sonnenbrille, die er Tom in die Hand drückte. „Wir könnten jetzt aber wirklich mal langsam was essen, oder?“ Der Australier musste wirklich Hunger haben, denn die kobaltblauen Augen hatten etwas von denen eines bettelnden Hundes, wie Tom schmunzelnd feststellen musste.
 

Dann frühstückten sie. Es gab Spiegelei, frisch gebratener Bacon, getoastete Bagelscheiben, karibisches, mit Kräutern angereichertes Salz, Kaffee. Obwohl sie sich nicht in einem Fünfsternehotel aufhielten, war es ein gefühltes Festmahl, nach dem sich Chris schon weitaus besser fühlte.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis ein Angestellter des Bootsverleihs Chris mit der Steuerung des Katamarans vertraut machte, ihnen zeigte, wie man warmes Wasser in die Duschen bekam, wo welche Scheinwerfer einzuschalten waren, wie man das Beiboot ins Wasser setzte. Dann verabschiedete sich der Mensch, half ihnen freundlicherweise, die Taue zu lösen, dann 'parkte' Chris ihr Wassergefährt vorsichtig aus. Der Katamaran war einige Nummern größer als die flotten, kleinen Sportboote, die er in Australien gefahren war, weswegen es ein Weilchen dauerte, bis sie die letzten Mauern des kleinen Hafens endlich passierten und ins Meer hinausdrifteten.

Die Brücke mit dem Steuerpult befand sich über der 'Wohnküche'. Dort war genug Platz, dass sich Tom hoch über dem Wasser auf der weiß gepolsterten Bank lang machen konnte, während der Australier am Steuer stand, die Sonnenbrille auf der Nase, eine zufriedene Miene im Gesicht, das helle Haar im Nacken zusammengebunden.

Der Fahrtwind brüllte in Toms Ohren, zerrte an seinen Locken, ließ sein Shirt flattern. An ihnen driftete majestätisch und mächtig die Insel vorbei, die sich grün aus dem Wasser erhob. Es blieben stets Inseln in Sichtweite; am Horizont wuchsen immer wieder ein, zwei grüne Berge aus der Wasseroberfläche. Eine Weile lang rauschte der Katamaran durch die gischtsprühenden, kleinen Wellen, bis Chris das Tempo drosselte.

„Tom, wir sollten nachsehen, wohin wir überhaupt wollen. Tust du mir eben den Gefallen und holst du mir die Seekarte? Sie sollte unten in der Küche auf dem Tisch liegen.“
 

Sie entschieden sich für eine kleine, weniger spektakuläre Bucht, um dort an einer Boje für die folgende Nacht anzulegen und verschoben die Attraktionen auf die nächsten Tage. Tom brannte darauf, in der karibischen See baden zu gehen. Sobald der Katamaran sicher an der Boje verankert war, ließen sie die kleine Leiter am Heck ins Wasser.

Der Brite streifte das T-Shirt über den Kopf, legte es auf eine der weißen Sitzflächen, wollte eben an Chris vorbei, die Leiter hinab, als der Blick des anderen auf die blasse Haut fiel.

„Solltest du nicht noch – ähm, Sonnencreme?“

Tom stutzte. „Oh, gute Idee.“ Dass er daran überhaupt nicht gedacht hätte, stand dem Briten ins Gesicht geschrieben. Manchmal hatte Chris das Gefühl, dass der andere vor lauter Begeisterung vergaß, auf sich selbst Acht zu geben. Wie oft hatte er ihn schon sachte vorwärts geschoben, als er vor Premieren am Absperrzaun gestanden und versucht hatte, möglichst viele Autogramme zu verteilen, dabei vergaß, dass die Premiere in wenigen Minuten anfing?

Tom ging wieder rein. Chris stand am Heck, sah in das Wasser, das so klar war, dass er bis hin zum Grund sehen konnte, der sicher noch acht, neun, zehn Meter unter ihnen lag. Es sah wirklich einladend aus, aber mit Bedauern stellte er fest, dass er noch immer seine Schlafklamotten trug. Kleidung, so vermutete er, würde in den nächsten Tagen kaum eine Rolle spielen – vielleicht ein Shirt gegen den Sonnenbrand, Badeshorts, fertig.

Auch er suchte seine Kajüte auf, um sich rasch umzuziehen. Als er wieder draußen war, konnte er Toms rötlichen Schopf schon im azurblauen Wasser erkennen. Der Brite strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Das ist klasse, sag' ich dir! Einfach spitze! Von hier aus sieht das Boot so riesig aus!“

Chris grinste. Er ignorierte die Leiter, und segelte über sie hinweg mit einem Köpfer in die salzigen Fluten. Angenehm kühl umgab ihn das Wasser, und als er wieder auftauchte, war die Hitze der Sonne schon lange vergessen.

„Schwimmen wir an den Strand?“

„Können wir. Auf geht’s!“ Chris kraulte Tom ein Stück voraus, doch der Brite hielt erstaunlich gut mit. Dafür, dass er neben dem Australier, dem Schrank, beinahe etwas Zierliches an sich hatte, war er selbst eigentlich recht kräftig, er – Chris schmunzelte bei dem Gedanken etwas selbstgefällig vor sich hin – verblasste neben ihm bloß nun mal ein wenig.

Sie waren nicht die Einzigen, die in der Bucht angelegt hatten. Teure Segelboote, Motorboote, Katamarane wie ihres, Segelkatamarane schaukelten auf dem Wasser. Manche ihrer Besitzer oder Mieter waren wie sie am Baden, andere sonnten sich faul an Deck. Ihr Weg führte geradewegs zwischen den Wassergefährten hindurch in die Richtung des postkartenartig anmutenden Strandes. Der Sand war weiß, darüber die schmale Linie der Palmenstämme und Hecken, darüber opulent und riesig die Palmwedel. Hier und da lagerten größere Felsen im Sand; alles wirkte unberührt, beinahe paradiesisch. Der Sand fühlte sich unter Chris' Füßen angenehm und vertraut an, wie er im Wasser unter jedem seiner Schritte wegschmolz. Tom hatte seine helle Freude an den Muscheln, die er zwischen rundgeschliffenen Steinen fand, und rasch füllten sich die Hosentaschen der Badeshorts.
 

Sie blieben nicht allzulang am Strand. Dieses Mal dachte Tom selbst daran, dass er eine sonnenempfindliche Haut hatte und es trotz Sonnencreme nicht risikieren wollte, schon am ersten Abend auszusehen wie ein gekochter Krebs. Es gab genug Leute, die vor den Gefahren eines Sonnenbrands warnten, zumal ein solcher auch sehr unangenehm werden konnte.

Zurück auf dem Boot spülten sie das Salzwasser mit einem am Heck integrierten Duschkopf ab, rieben sich trocken. Auf das Mittagessen beschlossen sie zu verzichten, denn das Frühstück war zwar ein Weilchen her, aber reichlich gewesen und sie waren noch immer satt.

Der Tag füllte sich mit angenehmen, faulem Nichtstun. Tom steckte seine (doch etwas rötliche) Nase in eines der Bücher, die Chris seit seiner Schulzeit gut zu vermeiden wusste, während er selbst träge in einem Magazin blätterte, gelegentlich mit den Gedanken abschweifte und den Blick über das intensiv blaue Wasser und den hellen Strand wandern ließ. Gelegentlich wechselten sie ein paar Worte; die Gespräche plätscherten träge dahin.

Die Sonne ging in einer Flut aus prachtvollen Farben unter, die Wellen schluckten den glühenden Feuerball binnen weniger Minuten. Tom und Chris beschlossen, dass es Zeit sein, zu Abend zu essen, entschieden sich dabei für einfache Spaghetti mit Tomatensoße.

Wieder ging das Abenteuer in der kleinen Küche los. Inzwischen waren die Lichter drinnen und draußen eingeschaltet, während die Umgebung langsam im Dunkel verschwand. Tom setzte Nudelwasser auf, streute Salz hinein. Chris stand dicht daneben, rührte in der Tomatensoße. Obwohl Tom Sonnencreme benutzt hatte, glühte seine Haut regelrecht vor Hitze.

„Woah“, sagte Chris, als Tom mit dem Arm gegen seinen stieß. „Du strahlst, als ob du irgendwas Nukleares gegessen hättest.“

„So fühl ich mich auch. Himmel, dabei hab ich mindestens Lichtfaktor Tausend gekauft. Ich kann mich echt keine zehn Minuten in die Sonne setzen...“

Der Blonde drückte einen Finger kurz auf Toms Arm, um ihn dann wegzunehmen und den weißen Fleck zu begutachten, der auf der erst leicht rötlichen Haut langsam verblasste und wieder verschwand.

„Viel Spaß.“ Er grinste schadenfroh.

„Gott, manchmal könnte ich auch ein wenig Aufmunterung brauchen“, gab Tom schnippisch zurück, dann aber lachte er. Das Nudelwasser schäumte unter dem Deckel auf und lenkte sie ab. Es schmeckte ganz gut, obwohl sie unterschiedliche Auffassungen davon hatten, wie Nudeln mit Tomatensoße zuzubereiten waren; der Kompromiss jedenfalls war genießbar.
 

Das war das Muster der folgenden Tage. Am Morgen veranstalteten sie ein üppiges Frühstück, dann machte man den Katamaran von der Boje los, schipperte ein wenig rum, steuerte sehenswerte Orte an, gingen am Mittag, Nachmittag auf die Suche nach einer Bucht, in der das Anlegen über Nacht erlaubt war. Sobald eine solche gefunden war, wurde in der Regel ausgiebig im Meer gebadet, an den Strand geschwommen, manchmal sogar die Trampelpfade im angrenzenden Wald entdeckt. Abends wurde aus den Lebensmitteln ein Abendessen zusammengebraut, hinterher gab es oft Caipirinha – oder sie steuerten eine Strandbar an. Es war eine träge, faule Zeit. In der alles so viel Zeit hatte, dass man es schier endlos aufschieben konnte. Oft genug saßen sie an Deck, auf der Brücke, beobachteten von dort aus die anderen Boote (und deren Passagiere), diskutierten ein wenig über diese, beobachteten die Pelikane und die Möwen, manchmal auch die großen Fische, die zehn Meter unter ihrem Boot nahezu regungslos unter dem Wasser hingen, knipsten ganze Speicherkarten voll, in dem Versuch verwickelt, eine schöne Sturzflugszene der großen, fischfressenden Vögel zu erwischen.

Tom war eine entspannende Persönlichkeit, obwohl er nicht gerade die Ruhe in Person war. Eigentlich neigte er zu oft zu Hektik und plapperte nicht allzu selten wie ein Wasserfall daher, aber er war unkompliziert und einfach; ihm gegenüber hatte Chris nicht das Gefühl, völlig mit Verantwortung beladen zu sein.
 

Es kam so schleichend, das Chris es erst nicht bemerkte. Als er es bemerkte, war es einen Tick zu spät, um es wieder rückgängig zu machen. Es war etwas, von dem er von Anfang an ahnte, dass er es nie wieder wirklich loswerden würde. Es würde von jener Zeit an stets gut verborgen in seinem Hinterkopf schlummern, verstaubt, halb vergessen, aber jederzeit bereit zu erwachen und mit aller Macht zurückzukehren.
 

Es war etwas, das Chris quälte, denn er würde es niemals, niemals haben dürfen.

Dabei fing es so banal an, so unbedeutend, das es fast beschämend war.



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