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Voll erwischt

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Ja, hier hat mich die Schreibwut gepackt ^^' ich hoffe, es gefällt euch.
 

Kapitel 7
 

Die Hälfte der Woche war vorbei und es war immer noch ein unwirkliches Gefühl, jetzt in dem Haus zu wohnen. Diese Villa, die zuerst einschüchternd auf den Betrachter wirkte und doch so majestätisch war. Ich hatte Bedenken, dass sie vielleicht so groß war, dass man sich nie über den Weg lief. Aber die Brüder waren ausgesprochen gesellig. Philipp belebte jede noch so trübe Stimmung und Konstantin holte ihn wieder runter, wenn er es übertrieb. Damit glichen sie sich gut aus und ich hatte immer den Eindruck von einem Plus- und Minuspol. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel, auch wenn es ab und zu Zankereien gab, wie sie zwischen Geschwistern üblich sind.

Leider waren meine Schlafphasen immer noch nicht länger geworden. Nur, dass ich jetzt grübelte, warum Konstantin immer noch sauer auf mich war. Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Immer wenn ich gerade nicht hinsah, schaute er mich böse an. Nicht feindselig, nur als ob er nicht mit mir zufrieden war. Hatte er sich seinen Mitbewohner anders vorgestellt? War ich ihm nicht gesprächig genug? Das konnte ich mir nicht vorstellen, immerhin redete er selbst nicht viel. Hatte er ein Problem damit, dass ich mich mit seinem Bruder so gut verstand? Aber das war doch gut.

Das Zusammenleben war ansonsten sehr angenehm mit den beiden.

Wir hatten innerhalb der kurzen Zeit schon kleine Rituale entwickelt, damit alle rechtzeitig fertig wurden. Ich versuchte, mich an alle Regeln zu halten, die es beim Zusammenleben mit anderen Menschen gab und war selbst erstaunt, wie leicht mir das fiel. Da Konstantin immer als Erster wach und fertig war, sorgte er dafür, dass wir nicht mit knurrendem Magen in die Uni und Schule mussten. Ein wenig kam ich mir verwöhnt vor, wenn ich mich nicht mehr selbst um mein Frühstück kümmern musste. Und an den bereit stehenden Kaffee konnte man sich auch schnell gewöhnen. Hört sich perfekt an, oder? Aber diese unterdrückte Stimmung, die zwischen Konstantin und mir herrschte, machte mich langsam aber sicher verrückt. Ich hatte ihm doch nichts getan! Und wenn doch, dann sollte er mit der Sprache rausrücken und mich nicht immer so komisch anstarren. Ich kam mir schon wie eine Laborratte vor, die auf dem Seziertisch lag.

Mittwochnachmittag, nachdem ich mir gerade ein Brot geschmiert hatte, klingelte mein Handy. Ich angelte mit der freien Hand danach, nur um unwillig aufzustöhnen. Schon wieder meine Mutter. Jetzt sollte ich aber wirklich dran gehen, auch wenn ich keinen Bock auf dieses Gespräch hatte. „Hallo.“

„Ach, bekommt man dich auch mal ans Telefon?! Du scheinst es ja nicht mehr für nötig zuhalten, mich zurückzurufen!“ Und schon ging das Gemecker los.

„Willst du was Bestimmtes oder willst du mich nur wieder anfahren?“, fragte ich ruhig.

„Werd nicht pampig. Ich kann schließlich nichts dafür, wenn du seit Tagen nicht mit mir reden willst! Ich wollte dir auch nur sagen, dass du nicht vergessen sollst, dass Sandrine in zwei Wochen Geburtstag hat und du am Samstag pünktlich! um 15 Uhr da sein sollst.“ Ihre Stimme war immer noch einen Tick zu hoch und zu schnell, sie hatte sich also noch nicht beruhigt.

„Ich hatte keine Zeit.“

„Musstest du etwa für dieses Studium - was war es noch gleich? - auch noch lernen? Kann ja nicht so schwer sein. BWL wäre wirklich anspruchsvoll gewesen, aber du musstest unbedingt deinen eigenen Kopf durchsetzen.“ Ging die Leier wieder los.

„Gelernt habe ich auch, unglaublich, aber wahr. Für Vorderasiatische Archäologie muss man das nämlich, wenn man nicht völlig durch die Prüfung rauschen möchte. Eigentlich war ich mehr mit dem Umzug beschäftigt. Die Wohnung war mir zu teuer und ich wohne jetzt in einer WG.“ Irgendwann musste ich mit der Sprache rausrücken, auch wenn mir die Reaktion ganz sicher nicht gefallen würde.

„Du bist umgezogen, ohne uns was davon zu erzählen?! In eine WG?! Na super, da wirst du dann endgültig verkommen. In Studenten-WGs wird doch nur gesoffen und gekifft.“ Die Missbilligung in ihrer Stimme und dass sie mir ein solches Verhalten wirklich zutraute, gab mir einen Stich.

„Du wirst dich nicht von diesen Asozialen auf ihr Niveau ziehen lassen! Schlimm genug, dass du nie auf uns hörst, aber so eine eigenmächtige Entscheidung zu treffen, ohne uns zu fragen!“ Jetzt reichte es aber wirklich.

„Ich bin euch überhaupt keine Rechenschaft schuldig! Ihr habt mich doch rausgeworfen und euch danach einen Dreck um mich geschert!“, meine Stimme war hart geworden und ich merkte wie eine Ader an meiner Schläfe pochte. Das Brot hatte ich wieder auf das Brett gepackt, mir war der Appetit vergangen.

„Wie redest du eigentlich mit mir?! Ich bin immer noch deine Mutter!“, nun war sie wirklich eine Oktave höher angelangt und ich musste ein hysterisches Lachen unterdrücken, was mir aber nicht ganz gelang.

„Ja, tolle Eltern seid ihr gewesen! Da hätte ich mich genauso gut gleich selbst großziehen können. Immer, wenn ich euch gebraucht habe, dann ward ihr nicht da! Nie habt ihr zugehört, wenn ich Probleme hatte! Und meinst du wirklich, dass es hilfreich war, einem Kind jeden kleinen Fehler wieder und wieder vorzuhalten? Egal, wie sehr ich mich auch anstrengte, nie habt ihr mich beachtet, nie war ich gut genug. Alles drehte sich nur um Sandrine! So lange, bis ich aufgegeben habe, bis mir egal war, was ihr von mir denkt. Und was habt ihr getan? Nichts. Es war euch gleichgültig.“

„Das stimmt doch alles gar nicht!“, versuchte sie sich zu verteidigen, aber ich war gerade warm gelaufen.

„Und ob es stimmt! Susanne habt ihr als Babysitter missbraucht, sie war mir mehr Mutter, als du es jemals warst! Aber als sie immer selbstständiger wurde, habt ihr sie auch ignoriert. Hauptsache, sie brachte gute Noten mit nach Hause, was Anderes hat euch nie interessiert.“ Je mehr ich redete, desto mehr brach sich der ganze in mir aufgestaute Ärger Bahn. Sie holte Luft, um etwas zu sagen, aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen.

„Sandrine kann man prima rumkommandieren. Sie tut alles, was ihr sagt. Aber nicht, weil ihr eure Meinung wichtig wäre. Nein. Sie macht das nur, weil sie weiß, dass ihr euch sonst abwenden würdet. Alles nur zum eigenen Vorteil. Sie spielt euch was vor! Genauso wie ihr euch selbst etwas vormacht! Das ist keine Familie, das ist ein Zirkus voller Clowns! Glückwunsch, ihr seid die Hauptdarsteller, aber ich kann nicht über euch lachen. Ich bin nur froh, dass ich das alles nicht mehr mitmachen muss.“ Es tat gut, das mal gesagt zu haben, aber die Retourkutsche kam sofort. Zuerst war da nur fassungslose Stille, aber sie holte nur tief Luft, um mich dann anzuschreien.

„Du bist so unglaublich undankbar! Wie habe ich nur so etwas Missratenes großziehen können? Wir haben euch doch immer alles gegeben! Dein Vater arbeitet mehr als er sollte und ich weiß auch nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Wann habt ihr denn jemals gelitten?!“ Mir platzte gleich das Trommelfell.

„Glaubst du wirklich, dass Geld die Lösung aller Probleme wäre? Wenn ihr mal da gewesen seid, dann gab es immer Ärger wegen Kleinigkeiten. Welches Kind macht sich denn nicht mal dreckig? Welches Kind versucht nicht alles, um die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen? Als ich mit dem Fahrrad gestürzt bin, hat euch nicht interessiert, dass ich mir den Arm gebrochen hatte, sondern, dass in der teuren Hose ein Loch war! Wenn ich in der Schule eine schlechte Zensur hatte, dann war das gleich ein Weltuntergang.!“ Ich tigerte nun in der Küche auf und ab. Unbewusst gestikulierte ich wild mit den Armen und fegte dabei eine Tasse vom Tisch, die glücklicherweise heil blieb.

„Wir haben euch auf die besten Schulen geschickt! Aber besonders du! hattest immer nur Blödsinn im Kopf! Wie kannst du nur auf deiner kleinen Schwester so herumhacken? Alles musste sie sich selbst beibringen, weil du ihr als großer Bruder ja kein gutes Vorbild warst! Und deine Schwester ist Hausfrau, was soll sie da schon lernen können?“ Stumm schüttelte ich den Kopf. Es war unglaublich, wie sie sich alles so zurechtlegte, wie es ihr passte. Meine Schwester hatte gemäß dem Wunsch meiner Eltern ein Architekturstudium abgeschlossen. Allerdings hatte sie immer Kindergärtnerin werden wollen und sich danach gegen einen öden Job im Architekturbüro entschieden und eine Umschulung zur Erzieherin gemacht. Ihr könnt euch vorstellen, was da bei mir zuhause los gewesen war. Aber in diesem Punkt war Susanne standhaft geblieben. Sie hatte eine Stelle in einem tollen Kindergarten gefunden und wollte nach dem Elternjahr auch wieder in dem Job einsteigen.

Die Oberflächlichkeit meiner Eltern widerte mich an. Irgendwann würde ihre schöne Traumwelt, wie eine Seifenblase zerplatzen.

„Du denkst doch immer nur an dich selbst! Weißt du überhaupt, was du wirklich willst? Wenn du wirklich Träume hättest, dann würdest du dich viel mehr dafür ins Zeug legen und nicht so ein nutzloses Studium anfangen!“

Erstarrt hielt ich den Hörer in der Hand. Ich wusste ja, dass sie keine gute Meinung von mir hatte, aber dass sie so schlecht war, war wirklich verletzend. Es war ihr anscheinend völlig egal, wie sehr sie mir mit ihren Aussagen wehtat, auch wenn ich vorher nicht viel netter gewesen war. Aber ich hatte immer versucht, es ihnen Recht zu machen, bis ich erkannt hatte, dass ich es nicht konnte, egal, was ich tat. Bei so festgefahrenen Fronten brauchten wir auch nicht weiter zu reden.

Am liebsten hätte ich ihr entgegen geschleudert, dass ich sehr wohl Träume hatte. Ich wünschte mir sehnlichst eine intakte Familie. Nicht herrschsüchtige, meistens abwesende, intolerante Menschen, die mich nie so akzeptieren würden, wie ich war. Mein Studium machte mir großen Spaß, ich war gut darin und lernte viel. Den Rest würde es ihnen geben, wenn ich ihnen sagen würde, dass ich schwul war und unsterblich in einen Mann verliebt.

Aber stattdessen herrschte Stille. Damit sie mir nicht wieder das Herz aus der Brust reißen konnte, sagte ich eiskalt:

„Damit eines klar ist. Ich komme nicht wegen euch. Und auch nicht wegen Sandrine. Nur Susanne und Oma haben je Anteil daran genommen, wie es mir geht und ihnen zuliebe werde ich am Samstag erscheinen. Ihr könnt mir echt gestohlen bleiben.“ Sie fing wieder an zu zetern, aber ich hörte nicht mehr zu und legte auf. Daraufhin schaltete ich das Handy ab.

Der Drang auf etwas einzuschlagen war fast übermächtig. Leider war da kein Sandsack, den ich verdreschen konnte und auf die Möbel wollte ich meine Wut nicht abwälzen. Die wären dann nur noch Kleinholz. Ich ging auf mein Zimmer und zog mich hastig um. Sportklamotten. Beim Rennen würde ich hoffentlich den Kopf freibekommen. Auf dem Weg nach draußen traf ich auf Philipp, der sich entschloss mitzukommen. Ich war zwar nicht begeistert, aber sagte nichts. Außerdem kannte ich mich in der Gegend noch nicht aus und wollte mich nicht im Wald verlaufen.

Draußen liefen wir eine Weile schweigend nebeneinander. Philipp hörte Musik über seinen MP3-Player, aber ich hatte meinen diesmal absichtlich nicht mitgenommen. Mit jedem Schritt wurde meine Wut wieder größer und ich rannte unbewusst immer schneller.

„Jona! Nicht so schnell, ich komme nicht hinterher. Wenn du weiter so rast, dann macht dein Kreislauf das nicht lange mit!“, rief mir Philipp hinterher und zog seine Stöpsel aus den Ohren.

Meine Wut war immer noch nicht verraucht. Der Streit mit meiner Mutter hatte mir gezeigt, dass es völlig unsinnig war, von ihnen jemals Verständnis und Stolz zu erwarten.

„Jona, warte!“, keuchte Philipp und ich wurde nun doch langsamer. Nur, dass das meinen Zorn nicht befriedigen konnte. Der Baum neben mir sah schön hart aus, aber ich würde nicht so tief sinken, auf ein Stück Holz zu prügeln. Am Ende verletzte ich mich nur selbst. Deshalb wartete ich, bis er mich eingeholt hatte und stand stocksteif da.

„Was ist denn los? Bist du sauer auf jemanden?“ Ich nickte.

„Weißt du, was da wirklich hilft? Wir laufen jetzt um die Wette, da kannst du dich auspowern und wirst wieder ruhiger.“ Hoffentlich hatte er Recht. Dieser Druck auf der Brust und die zugeschnürte Kehle machten mir das Atmen schwer. Auf keinen Fall wollte ich vor seinen Augen zusammenbrechen. Ich wollte nur diesen Schmerz in mir loswerden.

„Also los! Du holst mich nie ein!“ und somit flitzte er auch schon los. Natürlich hatte er den Vorteil, dass er das Terrain kannte, aber nun war mein Ehrgeiz angestachelt. Also setzte ich ihm hinterher und merkte, wie gut es mir tat, den Wind um die Nase zu spüren und meinen Körper an seine Grenzen zu treiben. Der Reiz etwas zu zertrümmern nahm auch ab.

Wir rannten solange, bis wir beide keine Puste mehr hatten. Völlig alle, ließen wir uns auf das weiche Gras einer Lichtung fallen und schnappten verzweifelt nach Luft.

„Besser?“, fragte Philipp, als wir wieder eine normale Atmung hatten. Ich nickte schon wieder, obwohl er das nicht sehen konnte, da er in den blauen Himmel blickte. Aber anscheinend verstand er mich auch ohne Worte. Ich konnte nichts an der Situation ändern. Das war das, was es mir so schwer machte, damit umzugehen. Soviel war mir bei unserem Wettrennen klar geworden. Egal wie sehr ich mich auch anstrengen würde, es würde nie ausreichen. Ob die Resignation, die sich in mir breit machte nun besser war als der glühende Zorn, sei dahingestellt.

„Du willst nicht darüber reden, oder?“ Er hatte sich auf die Seite gedreht und seine grauen Augen schauten mich intensiv an. Mein Kopf ruckte kurz von links nach rechts. Ich musste mir erst einmal selbst darüber klar werden, wie ich in Zukunft mit dieser Situation zurechtkommen wollte.

„Falls doch, ich hör zu.“ Er meinte das wirklich ernst. Noch nie hatte er mich so angesehen und ich war jetzt doch ein bisschen peinlich berührt, dass er meinen Ausraster so hautnah miterlebt hatte.

„Du weißt, dass es nichts bringt, es in dich hineinzufressen. Du kannst jederzeit mit mir reden. Ich glaube, das weißt du auch.“

Schulterzucken. Ja, ich wusste es, aber momentan wollte ich noch nicht darüber reden.

Meine Mutter hatte oft diese Wirkung auf mich. Aber noch nie war es so schlimm gewesen, wie heute. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn ich diese Scheiß-egal-Haltung gehabt hätte, wie so viele andere. Aber ich konnte nicht raus aus meiner Haut.

„Komm, wir gehen zum See schwimmen! Das bringt dich auf andere Gedanken und hält dich vom Grübeln ab. Und heute Abend zocken wir eine Runde.“ Sein breites Lächeln war wirklich ansteckend und meine Laune hob sich wieder ein bisschen. Der Weg zurück verlief diesmal nicht schweigend, sondern Philipp erzählte mir von seinen Zukunftsplänen. Das Geplapper lenkte mich wirklich ab und wir kamen recht schnell wieder am Haus an.

Ich machte mir so meine eigenen Gedanken. Nur, weil es mit meiner Familie scheiße lief, musste ich meine neuen Freunde ja nicht gleich vergraulen. Ob Konstantin auch mitkommen wollte? Das fragte ich Philipp auch sofort und er war von der Idee begeistert.

Als wir wieder zuhause waren, gingen wir noch schnell duschen. So verschwitzt wollte ich dann doch nicht weg. Konstantin kam gerne mit und wir hatten gerade alle unsere Sachen zusammengepackt, als Philipp sich doch verabschiedet und uns eröffnet hatte, dass er nun mit Domenik Eis essen ging.

Also war ich mit Konstantin allein. Doch momentan war ich zu niedergeschlagen, um mir darüber Sorgen zu machen.Die beiden tuschelten kurz und ich versuchte, das Gefühl zu verdrängen, mich ausgeschlossen zu fühlen.

„Wir können zu Fuß gehen. Es ist nicht weit.“ Ungewollt rieselte mir ein Schauer über den Rücken. Zumindest das hatte sich nicht geändert.

„Okay.“ Mit einer Decke bepackt und Handtüchern gingen wir wieder durch den Wald. Die hohen Fichten ließen ihn düster erscheinen, passend zu meiner Stimmung. Das Gute war, dass Konstantin zu merken schien, dass ich nicht zum Plaudern aufgelegt war und ich genoss die Ruhe.

Nach einem ordentlichen Fußmarsch., von wegen „nicht weit“, erreichten wir den See. Nun ja es war eher ein Weiler und dieser war von schön grünen Laubbäumen umgeben. Es hatte etwas Idyllisches und ich fühlte mich zwar von der Außenwelt abgeschnitten, aber wohl. Das war genau der Ort, den ich jetzt brauchte.

Wir breiteten die Decke aus, die gerade groß genug für uns beide war. Diese erzwungene Nähe machte mich wieder nervös und so langsam wurde ich mir der Situation bewusst, in der ich mich befand. Ich war mit Konstantin am See. Alleine. Nur in Badehose. Ich musste hart schlucken.

Die Hose zog ich noch normal aus, ich hatte ja meine Shorts darunter, aber beim T-Shirt zögerte ich. Deshalb behielt ich es an.

Konstantin saß mir gegenüber und sah mich schon wieder so komisch an. Verlegen schaute ich weg. Warum tat er das? Warum war er immer noch wütend auf mich? Diese stechenden Blicke gingen mir langsam wirklich auf die Nerven. Was hatte ich ihm denn getan? Diese Ungewissheit machte es nur schlimmer. Mir ging es schon schlecht und er sah mich so eigenartig an!

„Was ist?!“, fauchte ich ihn schließlich an. Wenn er es mir nicht von sich aus sagen wollte, dann musste ich eben nachfragen.

„Nichts.“ Überrascht.

„Raus mit der Sprache, was habe ich dir getan? Du guckst mich die ganze Zeit so seltsam an.“ Er machte wieder das, was mich halb zur Weißglut trieb und mir halb den Atem nahm. Diese Augenbraue, die er hochzog, war einerseits total nervig und andererseits machte es mich an.

„Nichts.“ Sah aber nicht danach aus.

„Dann hör auf mich böse anzustarren, wenn nichts ist und ich nichts getan habe.“, zischte ich ihn an.

„Wollen wir schwimmen gehen?“ Der Themenwechsel kam abrupt und überrumpelte mich.

Ich wusste, dass irgendwas los war, aber er wollte es mir nicht sagen. Ich würde die Sache nicht auf sich beruhen lassen, aber für heute hatte ich genug von Streit. Ich war nicht nachtragend, aber ich wollte den Grund wissen. Ob er gemerkt hatte, dass ich auf ihn stand? Das würde sein komisches Benehmen in letzter Zeit erklären. Wer wollte schon von einem Mann auf diese Art gemocht werden und dann noch von mir? Ich musste es besser verstecken, auch wenn das einem Kampf gegen Windmühlen gleichkam.

Ich traute mich wieder ihn anzusehen, in der Hoffnung, dass er mich nicht böse ansah. Aber das, was ich stattdessen sah, war viel schlimmer, besser, nein schlimmer! Denn er zog sich sein Shirt über den Kopf und mein Mund wurde trocken. Der kühle Wind, der über meine Haut strich, war natürlich für meine Gänsehaut verantwortlich, nicht seine Haut, die im Sonnenlicht aussah wie Samt.

Mein Blick war wie festgeklebt und ich unfähig, ihn abzuwenden. Ich bildete mir ein, auf Konstantins Gesicht ein zufriedenes Grinsen gesehen zu haben, aber das musste Einbildung gewesen sein, denn in dem Moment hatte er mir schon den Rücken zugewandt.

Noch war ich ruhig genug, um ihm gefahrlos folgen zu können.

„Willst du so schwimmen gehen?“ Belustigt hatte er sich wieder zu mir gedreht und ich schaute verwirrt an mir herab. Ach ja, das T-Shirt. Musste es eben sein. Nur Mädchen und kleine Kinder gingen mit baden.

Wie würde meine Mutter wohl reagieren, wenn sie wüsste, dass ich es erregend fand, dass ein Mann sich vor mir auszog? Warum sollte mich das kümmern? Immerhin konnte ich mein Leben so leben, wie ich wollte und nicht wie sie es mir mit beschränkter Sicht vorgab.

Entschlossen entledigte ich mich des Kleidungsstücks und merkte nicht, dass mich braune Augen genauso verschlangen, wie ich ihn zuvor. Ich knüllte es zusammen und warf das Shirt zu dem Stapel, der bereits auf der Decke lag. Zum Glück war meine Badehose weit genug, um jede mögliche Peinlichkeit zu verhindern.

Ich folgte ihm zum Ufer und schon der erste Schritt ließ mich zurück zucken. Eiskalt. Das war Eiswasser! Die Sonne schien noch nicht so lange und hatte keine Chance gehabt, dass Wasser aufzuwärmen. Aber es war, als ob mir jemand Nadeln in die Füße pieksen würde. Da konnte ich unmöglich reingehen!

Konstantin watete mit einer Selbstverständlichkeit hinein, als ob es sich hier um eine Badewanne handeln würde. Ich fühlte mich wie eine Memme und biss die Zähne zusammen.

Der Boden des Sees war leicht schlammig und ich musste tierisch aufpassen, dass ich nicht der Länge nach in diese eiskalte Hölle fiel. Wie konnte er das ertragen, ohne eine Miene zu verziehen? In meinem Kopf machten sich böse Gedanken breit. Ich schöpfte gerade mit den Händen Wasser, als mich eine Kaskade Eiswasser unter sich begrub.

Scheiße! War das kalt! Bibbernd sah ich mich nach dem Übeltäter um. Er hatte anscheinend geahnt, was ich vorgehabt hatte und eine Sekunde früher reagiert, als ich noch mit der Ausführung meines diabolischen Plans beschäftigt gewesen war. Lachend stürzte ich mich nun auf ihn und wollte mich für diese Aktion rächen. Doch gegen ihn hatte ich einfach keine Chance. Er behielt die Oberhand und ich triefte von oben bis unten. Wie ein begossener Pudel stand ich vor ihm und winselte um Gnade. Die er mir jedoch nicht gewährte. Ich wurde halb angehoben und in das Wasser geschleudert. Kaum hatte ich Luft geholt, war da wieder eine Hand, die mich entweder hinunterdrückte oder einen Schwall Wasser über mich rieseln ließ.

„Ich gebe auf! Bitte hab Mitleid mit mir! Nicht nochmal runter!“ Ich hatte bestimmt schon den halben See getrunken und konnte darauf gut verzichten.

Meine Haut kribbelte an allen Stellen, aber nicht nur von der Kälte. Meine Ameisenkolonie raste in meinem Inneren, angestachelt von so viel Körperkontakt.

Aus meinem Mund kam ein nicht zu überhörendes Zähneklappern.

„Du solltest vielleicht doch wieder raus. Ich glaube, deine Lippen sind blau angelaufen.“, besorgt sah er mich an.

„Geht schon.“ Ich bin ein Mann. Ich bin ein Mann! Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich ein neuer Schwall Eiswasser treffen würde und trat nun endgültig den Rückzug an. Zum Teufel mit meinem Stolz!

„Ich geh ja schon!“

„Gut. Sonst stirbst du hier vor meinen Augen den Erfrierungstod und das kann ich nicht verantworten.“ Daraufhin scheuchte er mich aus dem Tümpel und ich setzte mich frierend auf die Decke, mein Handtuch fest um mich geschlungen. Nach ein paar Minuten in der Sonne fühlte ich mich nicht mehr wie ein lebendiger Eisklotz und streckte mich auf der Decke aus. Das warme Sonnenlicht sorgte dafür, dass mein Körper wieder Normaltemperatur hatte und ich genoss die Stille.

„Wie läuft's in der Uni?“ Blinzelnd schaute ich in die Sonne und dann in sein Gesicht.

„Gut. Hab mich eingelebt und die Dozenten sind auch nett.“ Ich hatte eigentlich keine Lust auf Smalltalk, aber ein bisschen plätscherte die Unterhaltung vor sich hin, bis sie gänzlich erstarb. Wir genossen das schöne Wetter und hingen unseren eigenen Gedanken nach.

„Was hast du vorhin eigentlich mit Philipp geflüstert?“, fragte ich leicht gähnend.

„Geheimnis.“ Er sagte das in einem Ton, der mir klarmachte, dass ich, wie sehr ich auch nachbohrte, nichts aus ihm herausbekommen würde. Ich presste die Lippen zusammen.

„Auch egal.“

„Du warst vorhin ziemlich wütend, oder? Geht es dir jetzt besser?“

„Ja, es geht mir besser“, sagte ich leise.

„Ich glaube dir zwar nicht, aber du willst anscheinend nicht darüber reden.“ Bildete ich mir die Enttäuschung in seiner Stimme nur ein?

Schulterzucken.

„Du kannst mit mir reden, wenn du was hast. Du weißt doch, ich bin gut im Zuhören.“ Sein schiefes Grinsen steckte an und ich merkte, wie meine Mundwinkel zuckten.

„Okay, aber beschwere dich nicht, wenn ich dir die Ohren volljammere.“

Er schaute mich nicht mehr so böse an. Egal, was er gehabt hatte, es schien nun wieder in Ordnung zu sein. Damit war das Thema vorläufig abgehakt.

Mit der Zeit hatte der Wind aufgefrischt und etliche Blüten regneten auf uns nieder. Ein Blick nach oben bestätigte meine Vermutung. Dunkle Wolken hatten sich am Himmel zusammengeballt und die Vögel waren auch verstummt.

„Wollen wir aufbrechen? Ich glaube, es wird gleich regnen.“ Wortlos nickte Konstantin und wir packten unsere Sachen zusammen.Auf der Hälfte des Weges öffnete der Himmel seine Schleusen. Hart prasselte der Regen auf unsere Körper. Konstantins Hemd, das er sich eilig übergezogen hatte, klebte wie eine zweite Haut an ihm. Fast durchsichtig und noch erotischer, als sein nackter Oberkörper es schon gewesen war.

Reiß dich zusammen! Dafür hatten wir nun wirklich keine Zeit!

Pitschnass kamen wir beim Haus an und tauschten unsere nassen Klamotten. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, dass es nun auch blitzte und donnerte. Es war, als wäre der Himmel für mich wütend und ich wurde endlich wirklich ruhig. Ich stellte mich an das Fenster und beobachtete das Naturschauspiel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Evilsmile
2012-07-06T14:56:38+00:00 06.07.2012 16:56
Endlich bin ich zum Lesen gekommen, woah, ich kann das nicht für mich behalten, wie sehr mich die Geschichte gefesselt hat - sie hat mich voll erwischt! ;D
Eines vorweg, ich beneide dich darum, dass alle deine Kerle so männlich rüberkommen...kannst stolz sein auf deine Beobachtungsgabe und dein Einfühlungsvermögen!
Ich hatte Spaß beim Lesen und konnte mir alles gut vorstellen weil du so authentisch schreibst. Ein Niveau wie ich es hier nur selten sehe.
Als ich den Prolog gelesen hab, dachte ich zuerst, oh nein, was ist das denn...da schwang sowas Tristes, Graues, Perspektivloses und Schwermütiges mit...Leben schonungslos; der Geist der heutigen Zeit, die Suche nach sich selbst und seinen Möglichkeiten, ich könnte mir vorstellen, dass das einige potientielle Leser abgeschreckt hat, die lesen, um sich von ihrem Alltag abzulenken. Schade.
Jedoch bin ich froh weitergelesen zu haben. Diese einzigarten Charaktere kennenzulernen, die alleine durch ihre Beschreibungen lebendig werden. Ich finde Philipp so cool, wie er auf die Anmache reagiert hat! Wie es wohl mit Ben und Sammy weitergeht...und natürlich Jona und Konstantin. Ich liebe es, den Gedankengängen von Jona zu folgen und muss immer schmunzeln wenn er seine Ameisenkolonne beschreibt oder eifersüchtig auf ein Buch ist xD Und seine Eltern sind ehrlich zum Kotzen aber leider gibt es solche Familien wirklich. Hm, ich sehe wenig Chancen dass sie ihren Frieden finden, aber mal sehen womit du mich überraschst.
Vor allem, dass du mich so lange mit Schwärmereien und Wahnvorstellungen über den süßen Unbekannten "gequält" hast fand ich realistisch. Man quatscht ja nicht Wildfremde in der Bahn an (Also ich zumindest^^). Außerdem ist er verwirrt und man kann das nachvollziehen.
Um so besser dann der Geniestreich, dass er Konstantins Mitbwohner wird, hehe, ich mag verrückte Ideen und das kam echt unerwartet!
Das 5. Kapitel ist so heimelig...Perspektiven, gute Laune, vom Freundeskreis umgeben und eine gewisse Spannung, das ist mein Lieblingskapitel. Und jetzt - dass er so böse auf ihn ist? Ich vermute es hat was mit der Person zu tun, auf die in der Personenbeschreibung nicht näher eingegangen wird, aber abwarten.

Sorry dass ich dich mit sooo nem langen Kommentar aufhalte! Ich sollte lernen, nur zu sagen dass mir eine Geschichte gefällt und dann die Klappe halten!^//^
Jedenfalls, was ich damit sagen wollte: Schreibe unbedingt weiter, ich warte schon gespannt...

LG
Von:  Yumiko-Chan
2012-07-02T11:23:37+00:00 02.07.2012 13:23
Hey! ^^
Bin mal über deine FF gestolpert und fand sie doch interessant. =)
Deine Figuren find ich auch total toll, hast sicher schon gelesen, wen ich am liebsten hab ;).
Yuck. Ich finde Jonas Eltern echt unausstehlich, sie sind der reinste Horror. Der arme Junge =/.
Ich wäre auch so sauer, wenn meine ELtern so wären.
Das war bestimmt so geplant gewesen, von Philipp und Domenik, damit Konstantin und Jona mehr Zeit alleine verbringen können, oder?!
Die beiden bekommen es nämlich nicht hin, haben beide eben ein Brett vorm Kopf. :D
Fänd ich auf jeden Fall richtig süß *umknuddel*.
Du machst es mir aber auch schwer ein lieblingspärchen zu haben *heul*
DOmenikxPhilipp oder JonaxKonstantin?!
Wieso tust du mir das an?! =/
Aber warum ist Konstantin so angepisst?!
Vielleicht will er sich nicht eingestehen, dass er in Jona verliebt ist?! Hm.
Hoffentlich klärst du es bald auf, sonst kann ich mich nicht mehr auf die Schule konzentrieren ;).
Nya. Du brauchst ja Motivation. :D
Freu mich schon.

LG YUmiko-Chan :)

Von:  hirondelle
2012-06-24T21:39:47+00:00 24.06.2012 23:39
Hie ich habe deine ff durch Zufall gefunden und ich muss sagen, es ist endlich mal eine Geschichte, die ganz nach meinem Geschmack ist. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung!!!
Lg Damian


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