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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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30. Kapitel

Dean zog leise die Tür hinter sich ins Schloss und verschwand zunächst in sein eigenes Zimmer, ehe er sich auf den Weg ins 'Männerbad' machte.

Als Delilah ihn unten am Treppenabsatz hörte, schlug sie die Decke zur Seite und stand auf, um sich etwas zum Anziehen herauszusuchen. Heute würde sie endlich einmal etwas Richtiges anziehen können, weshalb sie sich bei der Auswahl ihrer Klamotten viel Zeit ließ und auch deshalb, damit Dean aus dem Haus war, bevor sie nach unten kam. Er wäre bestimmt nicht damit einverstanden gewesen, sie schon so früh aus den Federn zu wissen. Außerdem hatte sie vor, die Verhältnisse zwischen James und sich endlich zu klären. Noch etwas, von dem er nicht unbedingt wissen musste, da er auf seinen Bruder in letzter Zeit nicht allzu gut zu sprechen war, bzw. sprachen die beiden kaum noch miteinander. Auch das konnte sie nicht länger so stehen lassen.

Sie sollte sich schonen, das wusste Delilah, doch sie wollte sich an ihrem ersten Tag in Freiheit unter keinen Umständen davon abhalten lassen, ihrem Plan zu folgen.

Na gut, 'Plan' war etwas übertrieben formuliert. Es war eher ein Gedanke, den sie verfolgte und auch wenn sie nicht genau wusste, wie sie ein klärendes Gespräch mit James einfädeln sollte, so würde sie es doch unter allen Umständen versuchen. So wie die Dinge derzeit standen, konnte es einfach nicht mehr weitergehen.

Delilah entschied sich schließlich für eine schwarze Leggins und ein hellblaues Top, das ihr bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reichte und dabei ihre Körperform betonte, darüber hinaus jedoch auch äußerst bequem war.

Rasch zog sie sich die Sachen an und schlich zur Tür, aus der sie den Kopf in den Flur hinaus streckte, um mit angehaltenem Atem zu lauschen.

Inzwischen müsste Dean fertig und schon in der Werkstatt sein, um seine tägliche Arbeit zu verrichten. Ihr zu Liebe hatte er in letzter Zeit seine Pausen so verschoben, dass er mit ihr sämtliche Mahlzeiten einnehmen konnte, obwohl das hieß, dass er eine Weile auf leeren Magen arbeiten musste. Auch ein Grund, wieso sie hier und heute eine ganz bestimmte Mission verfolgte.

Im Hausflur war es still, doch sie konnte in der Küche die Kaffeemaschine leise vor sich hin gurgeln hören und auch der Geruch wurde immer intensiver. Inzwischen hatte Delilah sich jedoch daran gewöhnt, nur noch Tees oder Fruchtsäfte zu trinken, weshalb ihr das köstliche Aroma nicht mehr allzu viel ausmachte. Wenn sie müde war, konnte sie ohnehin einfach schlafen gehen und niemand würde sie deshalb verurteilen. Schwanger zu sein hatte auch wirklich seine Vorteile.

Da die Luft rein war, schlich sie langsam die Stufen hinunter und ließ genau jene aus, von der sie inzwischen wusste, dass sie unter der kleinsten Berührung knarzte. Auf diese Weise kam sie ungesehen bis zum Eingang der Wohnküche, von wo aus sie James ungestört beobachten konnte.

Er schien tief in Gedanken versunken zu sein, während er sich einen Becher Kaffee einschenkte, etwas Milch dazu gab und den Zucker mit gemächlichen Kreisen unterrührte. Den Kaffee schien er dringend nötig zu haben, wenn man nach den tiefen Ringen unter seinen Augen ging. Hatte er in letzter Zeit denn gar nicht geschlafen?

Zudem war das im Augenblick überhaupt nicht seine Zeit, was vermutlich auch erklärte, weshalb er das heiße Getränk so hastig hinunter stürzte, während er den Inhalt des Kühlschranks gründlich studierte.

James war ein Langschläfer seit Delilah ihn kannte, doch damit schien es schon eine ganze Weile vorbei zu sein. Kein Wunder dass er so völlig erledigt aussah. Was für sie die Sache jedoch noch schlimmer machte, war das Wissen, dass er das alles eigentlich nur für sie tat. Er stand extra früher auf, damit sie gleich nach dem Erwachen ein ausgewogenes Frühstück bekam und nicht erst lange darauf warten musste. Genau das schien er auch jetzt wieder vorzuhaben, als er Eier, Speck und Jungzwiebeln aus dem Kühlschrank nahm.

Delilah konnte unmöglich noch länger dabei zusehen, also betrat sie mit heftig klopfendem Herzen den Raum. "Wenn du willst, kann ich das für dich erledigen und du legst dich noch einmal hin?"

James ließ vor Schreck die Bratpfanne fallen, die er gerade auf den Herd stellen wollte und wirbelte zu ihr herum.

"Verdammt, hast du mich erschreckt!"

"Tut mir leid, das war nicht beabsichtigt." Sie trat so dicht an ihn heran, dass sie zum ersten Mal seit Tagen James' Witterung deutlich in sich aufnehmen konnte, was ihre Wölfin neugierig in seine Richtung schnuppern ließ und zugleich ihre Nervosität gründlich steigerte.

Da er immer noch wie angewurzelt dastand, bückte sie sich nach der Pfanne und stellte sie auf den dafür vorgesehenen Platz. Danach schob sie sich an James vorbei um zu den Schneidbrettern zu kommen. Der Messerblock war auch nicht weit entfernt.

Die Zwiebeln waren schnell gewaschen und dank ihres Lehrmeisters wusste Delilah inzwischen, wie sie sich mit dem Messer an sie heranwagen musste.

"Was tust du überhaupt hier? Solltest du nicht im Bett sein?" Sein Tonfall war lauernd, während er sich immer noch nicht vom Fleck gerührt hatte, ganz so, als befürchtete James jeden Moment ein Messer in die Brust zu bekommen. Selbst wenn es nur bildlich gemeint war.

"Seit heute darf ich wieder aufstehen und das Haus unsicher machen." Ihre Stimme war ruhig und gab nichts von der Nervosität Preis die beinahe das Messer in ihren Fingern erzittern ließ.

Vielleicht ging sie das hier ja völlig falsch an. Vielleicht sollte sie ihn einfach offen zum Reden zwingen, doch irgendetwas sagte ihr, dass er ihr dann noch weiter aus dem Weg gehen würde und das wollte sie auf keinen Fall.

Also hackte sie in aller Ruhe die Zwiebeln klein und machte sich dann daran, den Speck in kleine Würfel zu schneiden.

"Übrigens danke für die Bücher." Delilah hielt kurz inne, um James offen anzusehen. "Ich habe mich sehr darüber gefreut und bin schon fast mit dem dritten Band durch. Der ist sogar noch um einiges besser, als der den ich hatte."

James sah sie nur an, erwiderte jedoch nichts darauf. Dennoch wertete Delilah es als gutes Zeichen, dass sich seine Haltung geringfügig zu entspannen schien und er wieder seinen Kaffee in die Hände nahm, um daran zu nippen. Inzwischen bereitete sie ganz alleine das Frühstück zu, während er nur an der Theke gelehnt da stand und sie beobachtete.

Es machte ihr nichts aus. Ganz im Gegenteil, auch ihre Nervosität ließ allmählich etwas nach, je länger er hier blieb und nicht wieder die Flucht vor ihr ergriff. Außerdem musste sie sich voll und ganz auf das Zubereiten der Rühreier konzentrieren. Eine heiße Pfanne und Öl waren für sie immer noch eine Herausforderung, die sie nicht immer meisterte. An diesem Morgen hatte sie allerdings keinerlei Probleme damit.

Da es sie ziemlich danach gelüstete, raspelte sie auch noch eine Menge Käse über die heißen Eier und gab danach einen Deckel darauf, damit dieser in Ruhe zerlaufen konnte, während sie tiefgekühlten Baguettes mit Kräuterbutter in den Backofen schob, um diese knusprig braun zu backen.

Die kleine Pause nutzte sie dazu, gleich das schmutzige Geschirr wegzuräumen und Wasser für ihren Tee aufzukochen.

Gerade als sie den Teebeutel in ihre Tasse tauchte, brach James unerwartet das lange Schweigen.

"Was hat Young gestern eigentlich gesagt? Wie geht es dem…?" Er stockte, ganz so als hätte er bereits zu viel gefragt und als Delilah sich zu ihm umdrehte, konnte sie sehen, dass er offenbar mit sich rang, bis ihm ihr Blick auffiel und er wieder dicht machte.

Sie ließ sich davon nicht entmutigen, sondern schenkte ihm sogar ein kleines Lächeln, da nicht einmal er ihr die gute Laune verderben konnte, was den Zustand ihres Babys anging.

"Unserem Baby geht es gut. Es hat alles gut überstanden und wächst und gedeiht prächtig, wie man wohl nur unschwer übersehen kann." Delilah stellte sich für James extra ins Profil und streckte ihren Bauch etwas weiter heraus als nötig, damit er unter dem anliegenden Top die kleine Rundung genau sehen konnte. Hoffentlich hielt er es nicht ebenfalls für eine Speckrolle.

"Unserem Baby?" Es war beinahe nur ein Flüstern und ließ Delilah fragend hochsehen. Auch auf James' Gesicht lag ein zweifelnder Ausdruck. Allerdings einer der sie glauben ließ, dass er ihre Wortwahl nicht gänzlich nachvollziehen konnte.

Wieder schwappte eine Welle der Nervosität über sie hinweg, da sie sich der Gewichtigkeit dieses Moments mit einem Schlag deutlich bewusst wurde. Doch sie musste gelassen bleiben, um überzeugend zu sein, deshalb nahm Delilah wieder ihren Tee zur Hand und wärmte sich daran die Finger, während sie James offen und ehrlich ansah.

"Ja, unserem Baby. Deins, meins, Deans. Schließlich waren wir alle drei an der Entstehung beteiligt."

Hoffentlich war damit klargestellt, dass er genau so viel Anrecht zum Vatersein hatte wie sein Bruder, sofern er das überhaupt wollte. Aber irgendwie gab es daran für sie keinen Zweifel. Ein Gefühl sagte ihr, dass auch das ein Grund sein könnte, warum James sich seit dem Vorfall so merkwürdig benahm. Ganz sicher würde sie es aber erst wissen, wenn sie ihn auf die Probe stellte und Delilah wusste auch schon, wie sie das bewerkstelligen konnte.

"Moment, da fällt mir ein, ich habe etwas für dich, das ich dir schon die ganze Zeit geben wollte." Hastig stellte sie ihren Tee zur Seite und eilte so schnell aus der Küche, dass sie gerade noch nicht rannte. Immerhin sollte sie es ja in den nächsten Tagen noch etwas ruhiger angehen lassen.

Trotzdem stand Delilah keine zwei Minuten später wieder neben James und ergriff seine Hand, um ihm feierlich das Bild ihres gemeinsamen Kindes zu überreichen. Immerhin musste das für ihn ein besonderer Moment sein, da er es das erste Mal sah. Sofern ihm überhaupt etwas daran lag. Wie gesagt, da war sie sich nicht hundertprozentig sicher.

James' Reaktion war allerdings sehr … überraschend.

Seine angespannten Gesichtszüge wurden weicher, während seine Pupillen sich stark weiteten. Er hielt sogar den Atem an. Soweit stimmte alles mit Deans Reaktion überein. Doch je länger sie sein Gesicht studierte, umso weiter wich er von der Reaktion seines Zwillingsbruders ab. Jeden Moment schien in ihm ein Damm zu brechen, der das Versprechen von Salzwasser in sich trug. Dean hingegen hatte gelächelt und sofort das Bild zu interpretieren versucht und gerätselt, ob man schon sah, was es später werden würde.

Als Delilah das erste verräterische Glitzern in James' Augen wahrnehmen konnte, senkte sie den Blick auf das Ultraschallfoto und tat so, als würde sie es nicht bemerken.

Männer waren da eigen. Das wusste sie und sie wollte ihm nicht noch mehr zusetzen, als sie es ohnehin schon tat. Gerade weil seine Reaktion sie immer noch mehr als überraschte.

"Schau, das ist der Kopf und da die kleinen Hände und Füße.", begann sie leise das Bild zu kommentieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu fassen, während sie selbst gerade dabei war, ihre eigene Fassung zu verlieren. Immerhin - sein Atem strich stockend über ihre Haarspitzen, während seine Hand ein sanftes Zittern auf die ihre übertrug, die ihn immer noch berührte. Seine Reaktion war ansteckend.

"Ich weiß, es sieht noch ein bisschen wie eine große Bohne mit Gliedmaßen aus. Aber da kannst du genau die feine Wirbelsäule erkennen und…" Delilah wischte sich verstohlen über die Wange, während sie weiter zu reden versuchte, auch wenn ihre Stimme plötzlich ganz brüchig klang. "…und da konnte ich während des Ultraschalls ganz deutlich das Herz schlagen sehen. Es…" Sie spürte, wie James sich weiter zu ihr lehnte. Inzwischen hatte sich das Zittern seiner Hand auf seinen ganzen Körper ausgebreitet.

"…war einfach unglaublich.", beendete Delilah flüsternd ihren Satz und blickte auf, als er seine andere Hand hob und dicht neben ihrem Ohr innehielt, ohne sie zu berühren. Ihre Wölfin wurde plötzlich hellhörig.

Ein paar Herzschläge lang glaubte sie mehr in James' Blick zu sehen, als er ihr je gezeigt hatte, während seine Fingerspitzen leicht wie eine Feder über ihre Schläfe strichen und seine Nähe sie vollkommen einzunehmen begann, obwohl der Abstand zwischen ihnen beiden gleich geblieben war.

"Danke. Deli…", raunte er leise und entführte eine verirrte Träne von ihrer Wange, ehe er sich komplett von ihr löste und sich die eigenen Wangen verstohlen trocken wischte.

Der Moment war vorbei. Delilah war sich nicht einmal bewusst gewesen, den Atem angehalten zu haben.

James steckte das Bild behutsam in seine hintere Hosentasche, während er zum Backrohr eilte, um die halb verkohlten Baguettes zu retten.

Delilah hatte noch nicht einmal den verbrannten Geruch bemerkt, sondern immer noch den intensiven Duft von James in der Nase, der in letzter Zeit wohl sehr viel häufiger in seinem kleinen Versteck gewesen sein musste. Das Aroma von duftendem Heu überdeckte beinahe alles andere.

Die Baguettes konnten sie vergessen, weswegen James ein paar Brötchen aufbackte und die ganze Zeit daneben stehen blieb, damit nicht auch noch diese daran glauben mussten. Delilah trank derweil ihren Tee aus. Beide schwiegen sie, aber im Moment gab es auch nicht wirklich etwas zu sagen. Diese heftigen Gefühle von vorhin spürte sie noch bis in jeden Knochen und zugleich war sie beinahe erschüttert, was sie in James' Augen hatte lesen können. Das hätte sie nicht gedacht.

Er war nicht wirklich eingeschnappt, aber sehr wohl tief verletzt und er litt. Er litt sogar schrecklich. Das konnte sie gar nicht falsch verstanden haben.

Aber ihn zu fragen, was genau ihm so sehr zusetzte, wagte sie nicht. Delilah wusste nicht, ob sie mit der Antwort umgehen konnte.

"Ich wollte dir eigentlich auch noch dafür danken, dass du mir immer ein so leckeres Frühstück gemacht hast."

James rührte keinen Muskel sondern starrte einfach nur mit vor der Brust verschränkten Armen ins Backrohr. Er hatte wieder komplett dicht gemacht.

Gezwungenermaßen lehnte Delilah sich neben ihn gegen die Theke und beugte sich etwas vor, um seinen Blick einfangen zu können. Er ließ es nur zögerlich zu.

"Jetzt da ich wieder aus dem Bett darf, würde ich gerne wieder mit dir zusammen Frühstück machen. Wärst du damit einverstanden?", versuchte sie es noch einmal.

James zuckte scheinbar gelassen mit den Schultern. "Warum nicht?"

"Unter einer Bedingung."

Jetzt wurde er vorsichtig. "Die wäre?"

"Frühstück gibt’s nicht vor neun Uhr." James sollte sich endlich einmal wieder ausschlafen, denn dass er so früh aufstand, hatte nicht unweigerlich auch bedeutet, dass er früher ins Bett ging. Seine Arbeit in der Werkstatt hatte er trotzdem geleistet und er war eigentlich immer der Letzte, der die Garage an einem Arbeitstag verließ.

Immer noch skeptisch nickte er schließlich. "Einverstanden."

Mehr hatte sie sich für den Augenblick nicht erhofft. Zumindest ein kleiner Erfolg. Was bedeutete, sie konnte sich vorerst dem nächsten Tagespunkt zuwenden – Elija McKenzie. Auch keine kleine Herausforderung.

"Dein Vater trinkt seinen Kaffee immer noch schwarz und ohne Zucker?"

"Ja, warum?"

Delilah atmete einmal tief durch, ehe sie zur Kaffeekanne griff. "Früher oder Später muss ich ihm wieder unter die Augen treten. Und dafür, dass er mir geholfen hat, obwohl ich ihn gezwungenermaßen zum Großvater mache, schulde ich ihm noch meinen Dank. Ich will das gerne noch vor dem Frühstück hinter mich bringen. Aber nicht mit leeren Händen."

Das entlockte James fast ein Lächeln. "Verstehe. Dann nimm ihm am besten gleich auch noch ein paar von seinen Lieblingscookies mit." Er drückte ihr die Packung in die Hand und wünschte ihr auch noch viel Glück, was Delilah nicht gerade sehr beruhigend fand. Aber wenigstens hatte sie seine Unterstützung.

"Na dann, auf ins Gefecht." Mit klopfendem Herzen machte sie sich auf den Weg.
 

Dean werkte gerade mit einer großen Zange am Unterboden eines Autos herum, bei dem vermutlich die Spurstange neu eingestellt werden musste und da Rost kein Freund des Mechanikers war, musste er sich dabei ganz schön ins Zeug legen.

Als er sie jedoch bemerkte, ließ er verwundert die Zange sinken und wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn. "Was zum-?"

"Keine Zeit." Delilah winkte mit einem angespannten Lächeln ab. "Aber du kannst mir die Daumen drücken. Ist dein Vater im Büro?"

Dean nickte und sah ihr fragend hinterher, als sie eilig weiter marschierte.

Bevor sie jedoch die Tür zum Büro öffnete, atmete sie noch einmal tief durch. Das hier war schlimmer, als sich einem fremden Wolfsrudel zu stellen und doch wusste sie, dass Elija McKenzie ihr zumindest jetzt nichts tun würde. Viel Trost schenkte ihr der Gedanke allerdings nicht.

Delilah gab sich schließlich selbst einen Ruck und schlüpfte ins Büro. Die Tür fiel hinter ihr mit einer Endgültigkeit ins Schloss, die sie erschaudern ließ.

"Guten Morgen. Ich hoffe, ich störe nicht." Ihre Stimme klang fest, aber ihre Knie wurden ganz weich, als der graumelierte Werwolf von den Papieren auf seinem Schreibtisch hoch blickte und seine eisblauen Augen sie fixierten.

Mit einem Schlag waren alle im Kopf bereits zurechtgelegten Worte verschwunden. Delilah stand mit dem Kaffee und den Cookies in der Hand da und brachte keinen Ton über ihre Lippen.

Elija McKenzie sah sie ausdruckslos und schweigend an, bis ihr der Schweiß auf der Stirn ausbrach und der Kaffee in ihrer Hand beinahe über den Rand des Bechers schwappte.

"Ist der für mich?"

Delilah zuckte zusammen und verbrannte sich an dem Kaffee, der auf ihre Hand spritzte.

"J-Ja." Sie kam eilig näher und stellte den Becher auf eine freie Fläche auf dem Schreibtisch ab. "Schwarz und ohne Milch oder Zucker." Sie legte die Cookies dazu und rieb sich anschließend die Stelle, an der der Kaffee ihre Hand getroffen hatte.

Gott, es war so lächerlich, wie sie sich anstellte. Als wäre sie wieder ein junges Mädchen, das vor ihrem strenggläubigen Adoptivvater Rede und Antwort stehen musste, weil er sie zufälligerweise beobachtet hatte, wie sie nackt im Wald herumlief.

Hätte er gesehen, dass sie sich zuvor in einen Wolf verwandelt hatte, wäre das Gespräch vermutlich ganz anders verlaufen, aber sicherlich nicht sehr viel unangenehmer.

Und nun stand sie wieder hier, ohne sich eines wirklichen Vergehens bewusst zu sein.

Der alte Werwolf sah sie immer noch ungerührt an, ohne irgendetwas zu sagen oder zu tun. Er wartete und machte es damit nicht gerade leichter.

Der Geruch von Wärme und Geborgenheit vermengte sich plötzlich mit dem Aroma des Kaffees und mit einem Mal konnte Delilah wieder tief durchatmen und mehr davon in sich aufnehmen. Die Witterung kam ihr vertraut vor und beruhigte ihre angespannten Nerven.

So überraschend es auch sein mochte, aber Elija ließ sie die angenehme Seite des Zusammenseins mit einem Alphawolf spüren.

Die Erkenntnis traf sie tief und brachte sie endgültig dazu, den nächstbesten Stuhl aufzusuchen, um sich darauf fallen zu lassen. Ihre Angst jedoch war fast gänzlich verschwunden.

"Ich wollte mich eigentlich nur bei dir dafür bedanken, dass du nach dem Zwischenfall so schnell reagiert hast.", begann Delilah, nun da ihr das Sprechen wieder leichter fiel. "Ich hätte dabei nicht nur das Baby, sondern auch mein eigenes Leben verlieren können. Ich weiß gar nicht, wie ich das je wieder gutmachen kann."

Während sie erzählte, griff Elija nach dem frischen Kaffee und nahm einen genussvollen Schluck. Nicht, dass er dabei irgendeinen entsprechenden Ausdruck im Gesicht gezeigt hätte, aber es schien ihm dennoch zu schmecken. Er nahm sich auch einen von den Cookies und aß ihn in aller Ruhe auf, während Delilah inzwischen darauf wartete, ob der alte Werwolf etwas auf ihre Worte hin sagen würde, oder sie gleich das Büro wieder verlassen konnte. Einfach so aufzustehen, wagte sie dann doch nicht.

"Ich habe meine Söhne nie gefragt, was eigentlich genau vorgefallen ist. Auch diese Nadine ist seither nicht noch einmal hier aufgekreuzt. Klär mich doch einmal auf, weshalb du einen Werwolf angegriffen hast, wenn dir James anscheinend doch so wenig bedeutet hat."

Delilahs erster Reflex war, zu widersprechen. James hatte ihr nie nichts bedeutet, aber vielleicht hatte es so auf Elija gewirkt und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann musste sie sich eingestehen, dass der alte Werwolf vielleicht gar nicht so danebenlag. Auch sie hatte sich James gegenüber ziemlich unfair verhalten.

"Dieses… Diese Frau hat James hintergangen. Sie hat ihn mit einem anderen Mann betrogen. Dean und ich haben es gesehen, als wir im Supermarkt waren."

Elija nahm sich noch einen Keks und lehnte sich dann nachdenklich in seinem breiten Bürostuhl zurück.

"Und das hättest du ihm nicht einfach mitteilen können?"

Delilah schüttelte schwach den Kopf. "Nein. Er ist mir ja die ganze Zeit schon aus dem Weg gegangen."

"Aber Dean hätte es ihm doch sagen können, oder? Die beiden sind schließlich Brüder."

Wieder schüttelte sie den Kopf, dieses Mal kaum merklich. "Nein. Ich glaube, James hätte ihm zu dem Zeitpunkt nicht geglaubt."

"Interessant." Elija biss von seinem Cookie ab und kaute gründlich. "Warum glaubst du, war das so?"

"Weil sie… Sie verstehen sich im Augenblick nicht besonders gut." Langsam begann es ihr zu dämmern, worauf der alte Werwolf mit seinen Fragen hinaus wollte. Wenn er damit erreichen wollte, dass sie sich noch schuldiger fühlte als ohnehin schon, dann war er auf dem Holzweg. Delilah fühlte sich deswegen schon mies genug.

"Und warum hast du dich dann wegen dieser Nadine eingemischt? Du hast doch Dean, warum sollte es dich kümmern, wie sich James dabei fühlt?"

"Weil ich nicht wollte, dass dieses Miststück ihn verarscht und ihm dadurch wehtut!" Delilah musste sich stark zusammenreißen, um nicht vom Sessel aufzuspringen. Elija hatte es geschafft, sie wütend zu machen.

"Und deshalb bist du gleich handgreiflich geworden? In deinem Zustand? Von dem James zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal etwas wusste?"

"Ja, verdammt!" Nun sprang sie tatsächlich auf. "Ich weiß genau, worauf du hier hinaus willst und ich kann's sogar verstehen. Aber ich fühle mich deswegen schon beschissen genug, daran musst du mich nicht erst erinnern! Ich weiß sehr wohl, dass ich alleine dafür verantwortlich bin, dass deine Söhne sich im Augenblick nicht wirklich riechen können. Aber diese Nadine ist auch keine Heilige und zu behaupten, dass James mir nichts bedeutet und ich ihn deshalb vor die Wand hätte laufen lassen sollen, ist absurd. Gerade du als sein Vater solltest das verstehen können!"

Delilah stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab, beugte sich ein Stück weit nach vorne und fixierte den alten Werwolf ihr gegenüber mit festem Blick, während ihre Wölfin ganz dicht hinter der Oberfläche lauerte.

"James bedeutet mir sehr wohl etwas und als ich sah, wie sich dieses Miststück an ihn herangemacht hat, kaum ein paar Stunden nachdem sie es vermutlich mit diesem anderen Kerl getrieben hat, musste ich etwas tun. Zugegeben, es war nicht besonders klug, einen Werwolf anzugreifen und ja, ich weiß sehr genau, dass ich eurer Art niemals das Wasser reichen kann, aber ich fürchte mich nicht vor euch, denn auch ich trage einen Wolf in mir und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um den Bruch zwischen deinen beiden Söhnen wieder zu kitten."

Sie richtete sich mit der Anmut ihrer Wölfin wieder zu ihrer vollen Größe auf. "Denn es tut auch mir weh, sie so zu sehen."

Delilah drehte sich um und ging. Doch bevor sie die Bürotür erreichte, holten Elijas Worte sie ein. "Offenbar habe ich mich in dir geirrt. Gut so."

Als sie sich umdrehte, konnte sie für einen Moment ein zufriedenes Lächeln auf seinen vernarbten Zügen erkennen. Hastig verließ sie das Büro, denn dieser Anblick war tausendmal unheimlicher als wenn er ihr seine volle Abneigung entgegen geschleudert hätte. Seine Worte verstand sie erst recht nicht.



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