Zum Inhalt der Seite

Faintness

[Jak II Renegade]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

"Wenn du Anstalten machst, abzuhauen, gibt's was auf die Zwölf, kapiert?!"

Grob riss Erol die Fesseln bei Seite und trat zwei Schritte zurück.

Seine Rechte wanderte zu dem Halfter, welches an seinem Bein befestigt war.

Ohne den Blick abzuwenden zog er die Waffe heraus und entsicherte sie. Das Klacken hallte viel zu laut wieder in dem Raum, der einer zweckentfremdeten Lagerhalle glich.

Wie eine stumme Drohung richtete er sie aus, der Lauf deutete direkt auf das Herz seines Opfers.

Eigentlich hatte er keine Lust, auf ihn zu schießen weil der Baron sonst richtig schlechte Laune haben würde; doch sollte dessen Spielzeug auch nur eine falsche Bewegung starten, dann würde er ohne mit der Wimper zu zucken abdrücken. Erol verzog leicht angewiedert das Gesicht als ihn ein vor Hass triefendes Augenpaar musterte. Er konnte förmlich sehen, wie sich ein stummer Fluch nach dem Nächsten gegen ihn richtete, wie jeder noch so kleine Muskel zuckte, nur um die Beherrschung nicht zu verlieren.
 

Wann genau hatte dieser Knilch angefangen zu rebellieren...? Der Kommandant der Krimzongarde konnte sich nicht mehr recht entsinnen. Doch, es durfte nicht allzu lange her sein, der Tag an dem ihr Versuchskaninchen das erste Mal die Wachen, welche ihn abführen sollten, versuchte niederzuschlagen. Mit brutaler Gewalt und einem Wahn in den Augen, wie ihn Erol noch nie zuvor bei einem Lebewesen gesehen hatte.
 

Vor etwas längerer Zeit war es einfach gewesen, ihn in Schach zu halten.

Jak war für einen Gefangenen immer sehr umgänglich gewesen, hatte nie ein Wort gesagt und all das, was sie ihm bis jetzt angetan hatten, mehr oder minder stumm ertragen. Hoffnung, hier je lebend wieder rauszukommen hatte er wohl nie gehabt. Angst und Verwirrung hatten einst seine Mimik dominiert - er war hilflos, wirkte wie ein Halbstarker (wars er im Grunde auch war) welcher nicht wußte was er tun sollte - obwohl Jak durchaus in der Lage war sich zu verteidigen. Es lag wohl nicht in der Natur des Blonden, einfach Gewalt anzuwenden... doch das konnte Erol nicht glauben.
 

Jak war zwar ruhig, aber sicher nicht harmlos. Oft genug hatte er es seinen Männern eingebleut, den Gefangenen nicht zu unterschätzen, bloß weil er sich nicht wehrte.

Der Kommandant berief sich hier auf ein altes Sprichwort; Stille Wasser sind tief.

Als die Situation dann doch eskalierte - was im Übrigen abzusehen war - halfen nur noch Drohungen. Drohungen, die nicht Jak selbst betrafen, sondern seine kleine, orange Ratte, die damals Hals über Kopf die Flucht ergriffen hatte.
 

"Solltest du jemals wieder die Hand gegen einen von uns erheben, so schwöre ich dir hoch und heilig, das dieses Mistvieh den nächsten Morgen nicht erleben wird!"
 

Diese Worte schienen wirklich gefruchtet zu haben, denn seitdem war nicht einmal etwas vorgefallen. Auch wenn die Angst aus seinem Gesicht gewichen war und Jak nun nicht mehr den Anschein machte, ein harmloses Lamm zu sein... Jak wußte, das Erol seine Drohungen wahr machte. Ganz gleich was sich ihm dabei in den Weg stellte. Nur deswegen schluckte er seinen Zorn und das Verlangen, jeden zu zerreißen der ihm zu nahe kommt, herunter.
 

Und nun stand er wieder hier. In einem viel zu großem Raum mit etlichen Vorrichtungen zur Injektion dunklem Ecos, sowie einer Art Liege welche fest in der Mitte des Raumes installiert war. Ein seichter Grünschimmer dominierte den Raum, Geräte surrten leise vor sich hin. Zusammen mit zwei weiteren Gardisten hatte Erol die Aufgabe bekommen, das "Projekt" abzuführen - ihn.
 

"Komm jetzt. Für heute ist der Baron fertig mit dir, Freak."

Mit einer weisenden Handbewegung deutete er Jak an, vorzugehen.

Die Gardisten indes kamen ein Stückchen näher, gingen links und rechts in Stellung.

Der Gefangene stand von der Liege auf, sein Blick war eisern und verhärtet.

Erol nahm die Handschellen von seinem Gürtel, wechselte noch einen vielsagenden Blick mit seinem Gegenüber, ehe er die Schellen anlegte. Der Kommandant machte sich einen Spaß daraus, sie extra fest anzuziehen um noch einmal klar zu machen, wer hier das Sagen hatte.
 

Jaks Handgelenke waren mehr als nur mitgenommen. Überall war die Haut aufgescheuert, Blut lief seine Unterarme und die Fingerspitzen entlang und an manchen Stellen sah man nicht nur das Fleisch durchschimmern. Dadurch, das er eigentlich immer gefesselt war und sich zusätzlich ständig auf der Liege vor Schmerzen krümmte und demzufolge an seinen Handgelenken scheuerte, hatten diese absolut keine Chance wieder zu verheilen. Es glich einem Wunder, das sich noch nichts entzündet hatte.

Allgemein sah Jak nicht gerade gesund aus. Dunkle Augenringe zeugten von Schlafmangel und Erschöpfung, zeitweise zitterte er. Seine Kleidung war zerschlissen und im Grunde war das Oberteil nur noch ein Fetzen, der an seiner Schulter herabhing. Unter dem dünnem, dunkelgrünem Stoff klafften etliche Striemen und Wunden, die nach dem heutigem Tag wieder aufgerissen waren und seinen Oberkörper rot färbten - alles Spuren des dunklen Ecos, welches nun in seinem Körper verweilte...
 

Jak ging an Erol vorbei ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Sofort spürte er den kalten Lauf der Waffe in seinem Kreuz, doch selbst das brachte ihn nicht aus der Ruhe. Mit der Zeit hatte er lernen müssen, das es hier keinen Platz für friedliche Kreaturen gab und nur wer eisern war überlebte.
 

"Vorwärts! Wird's bald...?"

Erols Stimme klang sehr genervt. Je länger diese Experimente dauerten, desto mehr wünschte er sich, das dieser Jak einfach daran krepierte. Er konnte ihn nicht leiden, diesen Glanz in dessen Augen der nur eines aussagte: um mich zu brechen, braucht es mehr. Viel mehr.

Und wenn der Kommandant eines nicht leiden konnte, dann waren es Leute, die ihm bewußt die Stirn boten und mit seinem Stolz spielten. Aber er nahm die Herausforderung gerne an. Schließlich saß er am längerem Hebel und Jak war nur ein Spielzeug des Baronen, dessen Leben in den nächsten zwei Minuten beendet sein könnte.
 

Wie lange war Jak eigentlich schon hier?

Es mussten jetzt knapp 13 Monate sein.

In dieser Zeit hatte sich Jak's Gesinnung wirklich um 180 Grad gedreht. Wohl eine Nebenwirkung.

Seit über einem Jahr war er nun hier und wurde mit einem Extrakt aus dunklem Eco vollgepumt und gegen seinen Willen seiner Freiheit beraubt.

Jeder andere hätte schon längst aufgegeben, wäre wahnsinnig geworden.
 

Und was passierte mit ihm?

Nichts. Jak's Körper zeigte absolut keine Reaktion und das sollte schon etwas heißen.

Insgesamt waren es zehn Versuchspersonen die dunklem Eco ausgesetzt worden waren - neun von ihnen starben binnen kürzester Zeit. Nur einer lebte noch.

Nur einer war erstaunlich immun gegen die Folgen, die der regelmäßige Kontakt mit der dunklen Essenz mit sich brachte - Mutationen bis hin zum Tod.
 

Sie gingen einen schmalen Gang entlang. Nur ihre Schritte hallten hier wieder und es wirkte, als wenn sonst niemand jemals her fand. Dieser Trakt war nur für die wenigsten Personen zugelassen. Nur der Baron, ein paar Gardisten zusammen mit Erol, sowie eine Hand voll Wissenschaftler gingen hier ein und aus, wußten überhapt von diesen Räumlichkeiten. Alles nur, weil dieses Projekt unter strengster Geheimhaltung geführt wurde.
 

Abermals betrachtete Erol Jak vor sich. Konnte es denn wirklich sein, das dieser Mistkerl so immun gegen das dunkle Eco war...? Offenbar hatte der Baron mit seiner Aussage recht: Jak war anders als all die anderen, und doch... trat nicht die gewünschte Wirkung ein. Sie wollten eine wirksame Waffe gegen die Metallschädel und keinen einfachen Gefangenen.
 

"Wenn das so weitergeht, können wir uns das "dunkler Krieger" Projekt aus der Visage wischen!" dachte der Kommandant, knurrte leise vor sich hin. Wie zum Teufel konnten sie ihr Ziel erreichen? Und vor allem: wie konnte er diesem Freak seine Sicherheit nehmen? Diese Unbeugsamkeit...?

Er schnaubte und stieß Jak grob in den Rücken.
 

"Hey! Sperrt die Lauscher auf!"
 

Einer der Gardisten wandte sich um, blieb stehen.
 

"Ja Sir?" fragte er, Verwirrung schwang in seiner Stimme mit.

Auch Jak kam zum stehen, schielte verstohlen über seine Schulter, sagte aber nichts.
 

"Bringt ihn zu den Duschen. Neue Kleidung kann er von mir aus auch haben."

Erol verschrenkte die Arme, und wartete darauf das seine Anweisungen befolgt wurden. Die beiden Gardisten salutierten hastig und griffen sich Jak. Dieser sah sie giftig an, ließ sich aber ohne Tamtam wegbringen.

Gegen eine Dusche hatte er wirklich nichts...
 

Erol blieb zurück.

Er sah den dreien nach, bis sie am Ende des Korridors verschwunden waren.

Dann zischte er wütend, schlug mit der Faust gegen die Wand. Es machte ihn unvorstellbar sauer. Bis jetzt hatte er jeden dazu gebracht, seinen Namen zu fürchten. Selbst seine eigenen Männer hatten mehr als nur Respekt vor ihm. Aber Jak... er hatte seine Angst, seinen Respekt vor Schmerzen jeglicher Art förmlich abgelegt. Vor graumer Zeit.. es war, als könne ihm nichts mehr schaden.
 

"Glaub mir, Jak... ich krieg' dich. So wahr ich hier stehe! Niemand bietet dem Kommandant der Krimzongarde einfach so die Stirn!", zischte Erol, schlug noch einmal gegen die Wand. Er wußte, das Jak sich insgeheim über ihn lustig machte. Dafür würde diese Ratte bezahlen, das schwor sich Erol...
 


 


 

Jak pfefferte die Klamotten, welche ihm vor ein paar Momenten in die Hand gedrückt worden waren achtlos auf eine der Ablagen in den Duschräumen. Vor der Tür hielten die beiden Gardisten wache.

Er seufzte. Wenigstens konnte er nun in Ruhe duschen und darüber nachdenken, wie er hier am besten wieder raus kam. Er war es mehr als Leid, hier zu verrotten und dabei ständig diesen Experimenten ausgesetzt zu sein. Kein Wunder. Wer wurde schon gerne gegen seinen Willen festgehalten? Jak hatte nichts unrechtes getan. Sie hatten ihn einfach so mitgenommen.
 

"... diese Vollidioten..."
 

Langsam entkleidete er sich, immer darauf Acht gebend, das seine offenen Wunden nicht zu viel Kontakt hatten. Ohne groß darüber nachzudenken, zerriss Jak den Fetzen, welcher sich Oberteil schimpfte und warf ihn auf den Boden, ebenso die Hose. Dabei fiel sein Blick auf einen Wandspiegel, welcher an einer Ecke schon einen Sprung hatte. Er verlief senkrecht über die gesamte Fläche. Wenn Jak hineinsah, schaute es aus, als wenn sein Körper zweigeteilt wäre...
 

"Hm..."
 

Er kam näher, fuhr mit dem Finger den Riss nach, ohne sich daran stören zu lassen das er sich dabei den Finger verletzte - Wunden hatte er so oder so genug. Es war schon seltsam... in letzter Zeit fühlte er sich wirklich wie zweigeteilt. Als wenn noch etwas anderes, eine Art zweite Seele in ihm hauste... ob er sich das nur einbildete? Bestimmt... aber...es fühlte sich sehr real an. Manchmal hörte er ein dünnes Stimmchen wispern, verschwörerisch und voller dunkler Gedanken... vermutlich wurde er schon verrückt vor Einsamkeit...
 

Sein Blick wanderte über die Blessuren der letzten Tage, Wochen und Monate. Angewidert vor sich selbst verzog er das Gesicht. Unzählige Schrammen, Blutergüsse und diverse Schnittwunden verteilten sich auf Jaks gesamten Körper. Hier und dort waren seichte Verbrennungen auszumachen.

Seine Augen sahen furchtbar aus, sie waren rot unterlaufen und er gab auch gerne zu das er unheimlich müde und erschöpft war. Die Haare waren ziemlich lang geworden, hingen nun etwas über der Schulter und waren sehr zerzaust. Viele unscheinbare, feine Narben zogen sich über seinen Brustkorb, Bauch und die Oberarme. Bei genauerer Betrachtung stellte Jak etwas erstaunt fest, das er im Allgemeinen stattlicher geworden war, drahtiger. Allem Anschein nach war dies auf die Behandlung mit dunklem Eco zurückzuführen...

Trotzdem. Es ließ ihn nicht vergessen, was für Schmerzen er tagtäglich erleiden musste, nur damit der Baron seine ultimative Waffe bekam...!
 

"Ich sehe aus wie ein geschändigter Sklave..." bemerkte Jak leise, strich über seine linke Schulter, auf der sonst immer Daxter saß. Er vermisste ihn.

Seine laute Art, diese schlüpfrigen Sprüche und sogar sein unvergleichbares Talent, sich von einer misslichen Lage in die nächste zu katapultieren. Unweigerlich fragte sich Jak, ob sein kleiner Freund auf den Straßen dieser Stadt überhaupt eine Chance hatte.

Als Erol ihm damals drohte, Daxters Leben jäh zu beenden, hatte er gar keine andere Wahl gehabt als einzulenken und seinen Zorn hinten an zustellen.

Seine Freunde gingen ihm schließlich über alles.

Ganz egal, was mit ihm geschah.
 

Resigniert seufzend wandte sich Jak von dem Spiegel ab; er konnte diese Wunden einfach nicht mehr sehen, und trabte zu den Duschen. Dabei schwankte er ein wenig, ignorierte dies aber völlig.

Eine eiskalte Dusche würde ihm hoffentlich gut tun und seine Lebensgeister wecken. So stellte er das Wasser an, benetzte nach und nach seinen Körper um sich an die betäubende Kälte zu gewöhnen und stieg dann ganz unter das Wasser. Der junge Mann musste es sich verkneifen laut zu fluchen, denn das Wasser brannte entsätzlich auf den offenen Wunden; schlimmer wurde es noch, als er sich das Schampoo griff und anfing, seine Haare einzuseifen. Doch da hatte er in letzter Zeit schon heftigers ertragen müssen.
 


 

Seine Schritte hallten dumpf wieder, als Erol nach etwas längerer Zeit den Forschungstrakt wieder betrat.

Der Kommandant hatte eigentlich schon Feierabend, doch er wollte sich ein letztes Mal vergewissern das alles im grünem Bereich war. So trug er nun auch nicht mehr seine Uniform, sondern ein langärmliges schwarzes Shirt und eine dunkle Jeans. Normal war es ihm nicht gestattet, hier in zivil aufzukreuzen, doch auf die Vorschrift pfiff Erol getrost. Seine Waffe hatte er dennoch dabei, nur für den Fall der Fälle.
 

Während seiner Abwesenheit hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie Jak am besten zu brechen war. Wie konnte er diesen Kerl am besten demütigen...?

Dieser Gedanke ließ ihn einfach nicht mehr in Ruhe.

Erol knirschte mit den Zähnen während er angestrengt grübelte und zog argwöhnisch eine Augenbraue in die Höhe, als er seine zwei Gardisten vor den Duschräumen vor fand, derbe Witze reißend und über die neuesten Zoomer diskutierend. Erst als sie ihn bemerkten, standen sie plötzlich wieder wie eine eins vor der Tür.

Das Jak sie mit etwas List hätte austricksen können war den beiden Hohlköpfen wohl nicht bewußt.
 

"Geht mir aus den Augen. Sofort, ehe ich mich vergesse!" zischte der Kommandant den beiden zu, duldete keine Wiederworte und deutete den Gang entlang. Musste man denn hier alles selber machen?!
 

Zögernd, jedoch ohne ein Wort zu verlieren verließen die beiden ihre Posten.

Anscheinend waren sie sich nicht sicher, ob sie ihren Vorgesetzten wirklich mit dem Gefangenen alleine lassen konnten, doch das nun zu hinterfragen wäre fatal gewesen.

Der Vertraute des Baronen sah den beiden nach, schüttelte noch einmal den Kopf und fragte sich abermals, ob er nur von Idioten umgeben war.

Jetzt wandte er sich der Tür zu den Duschräumen zu, horchte. Das Wasser rauschte immer noch. Erol lehnte sich gegen die gegenüberliegende Wand, verschrenkte die Arme und wartete. Hin und wieder schaute er auf die Uhr. Jak war nun schon fast eine Dreivirtelstunde da drin und nichts rührte sich. Nun gut. Ließ er ihm die Zeit, auch wenn er nicht gerne wartete und auch nicht unbedingt der Geduldigste war. Sekunden wurden zu Minuten. Minuten zogen sich bis zu einer halben Stunde hin.

Und noch immer ebbte das Rauschen des Wasser nicht ab.

Was zum Teufel trieb der da drinne?! Ein letztes Mal schaute Erol auf seine Uhr, ehe er verärgert zu der Tür ging und dagegen hämmerte.
 

"EY! Sag mal bist du eingeschlafen oder was?! Antworte!" bellte er, donnerte weiter gegen die Tür, ohne Rücksicht auf Verluste. Der Raum war abgeschlossen und nichts rührte sich.

Das Jak ihn nicht gehört haben könnte schloss Erol ganz aus, denn er hatte wirklich laut gerufen.

Als sich auch nach weiteren zwei Minuten nichts tat, entschied sich der Kommandant der Krimzongarde dazu, Gewalt anzuwenden. Er ging ein paar Schritte zurück und begann, die Tür unter vollem Körpereinsatz zu rammen. Einmal. Zweimal.

Beim dritten Anlauf brach die Tür schließlich auf.

Erol stolperte hinein und musste wahrlich aufpassen, nicht auf den Fließen auszurutschen. Vorsichtig griff er nach der Waffe, welche an seinem Gürtel hing und entsicherte sie. Man wußte ja nie, was ihn gleich erwarten würde und bei diesem Freak hielt er alles für möglich - einen Hinterhalt zum Beispiel.

Momentan hatte er keine freie Sicht auf die Duschen, er befand sich in einem schmalem Gang, welcher nach rechts zu eben jenen Installationen führte. Mit Bedacht schlich er vorran, blieb an der Ecke stehen und horchte noch einmal angestrengt.

Nein. Außer dem Wasser konnte er absolut nichts hören.

Gut. Jetzt oder nie.

Mit einem beherztem Schritt nach vorne wandte sich Erol den Duschen zu, die Waffe feuerbereit von sich gestreckt.
 

Doch alles, was nun folgte war ein verwirrter Gesichtsausdruck.

Er hatte mit allem gerechnet.

Damit, das er vielleicht von der Seite angegriffen werden würde oder ihr Insasse immer noch duschte - nicht aber, das Jak bewußtlos auf dem Boden lag. Ein paar Momente blieb Erol noch regungslos stehen, starrte auf den jungen Mann, welcher ein paar Schritte von ihm entfernt auf dem Boden lag. Der Boden ringsrum war leicht rötlich verfärbt.

Langsam nahm der Kommandant die Waffe herunter; noch immer sah er mit Verwirrtheit und Skepsis zu ihrem Versuchskaninchen herüber. War er jetzt wirklich bewußtlos oder tat er nur so um ihn zu täuschen....?

Er nahm die Waffe in die rechte Hand und kam einen Schritt näher.
 

"Hey! Was soll der Scheiß?! Steh auf...!"
 

Nichts.

Einen Moment lang wartete er noch, wägte die Situation ab und kam schließlich zu dem Schluss das dies wohl kein Bluff war. Genervt trat Erol nun ganz an Jak heran, stellte das Wasser ab und kniete sich zu ihm herunter. Grob packte er dessen Kinn und drehte sein Gesicht zu ihm; dabei stöhnte Jak leise.

Seine Augenlider flimmerten kurz, aber mehr tat sich nicht. Warum war er bewußtlos geworden?

Kurz blickte Erol sich um, schaute dann wieder auf den Niedergestreckten und begann ihn zu mustern. Erst jetzt fiel ihm auf, wie mitgenommen dieser Freak doch aussah.

Fast wie ein Häufchen Elend... Überall fanden sich kleinere, offene Wunden, Schrammen und Blutergüsse.

Anscheinend war es ein Schwächeanfall, der ihn ausgeknockt hatte.

Vielleicht auch hoher Blutverlust.

Bei den Blessuren wirklich kein Wunder, das musste Erol eingestehen.

Ihn wunderte es, das der Kerl nicht schon früher ins Delirium verfallen war...
 

"Und was mache ich jetzt mit ihm...?" fragte er sich selbst, ließ Jak's Kinn wieder los und dachte nach.

Hier liegen lassen wäre eine klasse Option, wäre da nicht die Tatsache, das der Baron ihn noch brauchte und Jak im Allgemeinen als gefährlich einzustufen war und somit nicht allein gelassen werden durfte. Na wunderbar.

Nichts als Ärger mit diesem Mistkerl!

Knurrend stand Erol auf, holte schon mit dem Fuß aus um Jak in die Seite zu treten... unterließ es dann aber doch.

Kurz vorher stoppte er seinen Fuß und setzte ihn wieder ab.

Seine Augen wanderten wieder. Musternd besah sich Erol abermals den Gefangenen, ohne diesmal auf die äußeren Blessuren zu achten; etwas anderes bannte seinen Blick... wenn auch nur für Sekunden.

Für einen kurzen Moment war all die Wut die er angestaut hatte, wie weggeblasen und es existierte nur noch ein Gedanke für ihn.
 

Der Kommandant ballte die Fäuste.

War er denn nicht mehr ganz bei Trost?
 

"...ich hab'... gerade wirklich...!"

Er ließ den Satz unvollendet. Allein dieser Gedanke war zu absurd, zu schockierend und er versuchte ihn so schnell es ging zu verdrängen, doch dieser Satz war so markant... so untypisch für den Kommandanten.
 

Soeben hatte sich der Gedanke bei ihm eingeschlichen, das Jak doch eigentlich ein ganz hübscher Bursche war und es ihm widerstrebte, den Jungen noch mehr zu schänden.
 

Erol schüttelte benommen den Kopf. Ein Schauer schlich sich über seinen Rücken und er schluckte hart.

Anscheinend schnappte er nun vollkommen über...!

Wie konnte er einen Insassen als hübsch betiteln, noch dazu einen Mann?!
 

"Verdammte Scheiße!" fluchte er nun, trat ein paar Schritte zurück, wandte sich um und ging in Richtung Tür.

Er musste hier raus, er musste an die frische Luft, wußte der Teufel was ihn geritten...
 

Am Türrahmen angekommen, stoppte er abrupt. Eine Weile blieb er regungslos stehen.

Dann drehte er sich wieder um, schloss die Tür und ging zurück.
 

Erol wußte bis heute nicht, warum er damals zurück zu Jak gegangen war. Es geschah fast wie von selbst, ohne das er hätte entscheiden können, wohin ihn seine Schritte führten. Wie ferngesteuert tat er etwas, das sonst nie jemand von ihm denken würde. Oder gar zu Gesicht bekommen würde. All dies würde immer hinter diesen vier Wänden bleiben und niemals an die Öffentlichkeit dringen, denn das war definitiv sein Todesurteil.

Vielleicht trieb ihn auch die Tatsache das, das er sonst niemals Ruhe finden würde. Das der bloße Gedanke ihn auf ewig wach halten würde und nur desshalb ließ sich Erol darauf ein, handelte einfach ohne darüber nachzudenken was er nun im Inbegriff war zu tun.
 

Noch ein wenig über sich selbst verärgert griff sich Erol das große Handtuch von der Ablage, legte die Waffe bei Seite und kniete sich sachte zu Jak herunter. Kurz zögerte er noch, ehe er den Bewußtlosen wirklich bedacht vorsichtig aufrichtete und gegen die kalten Fließen lehnte. Dann fing er an, Jak sorgsam abzutrocknen - er war eiskalt, die Lippen leicht blau. Unweigerlich fragte der Krimzon sich, wie lange Jak wohl schon ohne Bewußtsein war und unter dem kalten Wasserstrahl gelegen hatte. 'Etwas länger' war wohl die Antwort.

Achtsam tupfte er die Wunden ab, viele von ihnen waren noch gar nicht verheilt und bluteten leicht. Als Erol sich nun Jak's Schopf zuwendete, fiel ihm auf das die Haare mit Blut verklebt waren. Das musste ein wirklich unangenehmer Aufprall gewesen sein. Nun erklärte es sich auch, warum der Boden leicht rötlich verfärbt war...
 

"...arme Sau, ehrlich... irgendwie kannst du einem schon Leid tun", bemerkte Erol, trocknete die Haare.

"...manchmal frage ich mich wirklich, was der Baron so an dir findet... gut okay... du bist der Einzige, der diesen wissenschaftlichen Scheiß überlebt hat aber... Gott, was rede ich hier eigentlich?!"
 

Knirschend riss Erol das Handtuch runter, legte es über seinen linken Oberschenkel und sah Jak ins Gesicht.

So sah er fast aus als wenn er nur schlafen würde... vollkommen ruhig und beinahe unschuldig. Gott. Erol hasste Jak nur noch mehr dafür, das er ihn so aus der Fassung brachte...! Und doch...
 

Momente verstrichen. Sekunden.

Unschlüssig hob Erol die Hand, fasste Jak an die rechte Wange und strich mit dem Daumen über die unterkühlte Haut, dann über die Lippen. Ganz gleich, was er da gerade tat, es war nicht gut, das wußte er sehr wohl. Und doch konnte er nichts dagegen tun. Langsam, ganz langsam näherte sich sein Gesicht dem Jak's.
 

Nur für einen Augenblick. Nur dieses eine Mal.

Seicht legten sich Erols Lippen auf die des jungen Mannes, welcher keine Chance hatte dem zu entfliehen.

Es war nur ein kurzer Moment.
 


 

Verrucht.

Verraten.

Verboten.
 


 


 

"Arschloch...!"
 

"Ich dich auch, Mistkerl."
 

Hämisch grinsend hatte sich Erol von ihm gelöst als er merkte, wie Jak wieder zu Bewußtsein kam.

Er klatschte ihm ein paar mal sachte gegen die Wange, legte ihm das Handtuch um, stand auf und ging. Ließ den vollkommen perplexen Jak zurück, welcher mehr als nur irritiert war.

"Ich warte vor der Tür, Schätzchen," witzelte Erol, blickte noch einmal über seine Schulter und konnte genau sehen, wie wütend Jak war, wie sehr er sich wünschte den Krimzon zu enthaupten, dafür das er seine Situation so schamlos ausgenutzt hatte. Und Erol genoss dieses Gefühl. Auch wenn das alles nicht wirklich in seinem Sinne war (schon gar nicht die Tatsache, das er ihn geküsst hatte) aber letzten Endes hatte er erreicht was er wollte - Demütigung.
 

Der Kommandant der Krimzongarde schnappte sich seine Waffe und verließ die Duschräume mit einem gehässigtem Kichern. Leise schloss er die Tür hinter sich. Oh ja.

Wenigstens sein Ziel hatte er damit erreichen können. Dieser Freak würde das hier ganz sicher nicht so schnell vergessen. Immer, wenn er ihn nun sah würde er daran denken wie hilflos er in dieser Situation war und das würde seinen Stolz gewaltig kränken, dessen war sich Erol sehr sicher.

Er lachte.
 

Wie sich die Dinge doch manchmal wandelten...

Seufzend lehnte er sich abermals gegen die gegenüberliegende Wand. Verschränkte wieder die Arme vor der Brust und wartete. Erol meinte, Jak leise fluchen zu hören - es belustigste ihn nur noch mehr.
 

So wartete er.

Stand dort und wartete, das sein "Schätzchen" endlich fertig wurde.

Eines war sicher: so schnell würde er Jak nicht mehr von zwei Gardisten beaufsichtigen lassen!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück