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Meet My Maker

von

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Prolog

Der gerade aufgegangene Mond warf sein trübes Licht auf die Straßen von Liverpool und ließ die heruntergekommenen Gassen des Hafenviertels noch düsterer wirken als bei Tageslicht. Abgerissene Gebäude drängten sich dicht aneinander und spiegelten deutlich die Armut der Bewohner wider, die hier ihr kümmerliches Dasein fristeten, einzig der Pub strahlte ein wenig Leben aus, zumindest dem Lärm nach zu urteilen, der bereits seit geraumer Zeit aus dem Schankraum drang.

Schon seit Anbruch der Dunkelheit verharrte ich angespannt wartend auf einem der Dächer gegenüber der Kneipe, ungewiss, was passieren würde, ob überhaupt etwas passieren würde, gefangen von einer Begierde, die mich nicht losließ, mich vorwärts drängte und mir keine Atempause gestattete.

Vielleicht entzog er sich mir in dieser Nacht aufs Neue, entkam spielend ohne eine Spur zu hinterlassen und ich würde abermals Jahrzehnte umherirren müssen, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, der so vergänglich war wie ein Samen auf dem Schlachtfeld, seinem Duft. Ob es mir jemals gelingen würde, herauszufinden, wer er war, blieb zweifelhaft und doch konnte ich mich nicht von dem Sehnen lösen, zu ergründen, warum er mich zu dem gemacht hatte, was ich heute war und bis ans Ende der Existenz dieses Planeten auch sein würde: ein Vampir.

Ein schwacher Hauch seines Geruches hing noch in der Luft, verlor sich fast und war dennoch betörend. Was ihn an diesen Ort geführt hatte, wusste ich nicht, sicher war nur, er war hier gewesen und hielt sich noch in der Nähe auf. In der Nacht zuvor war seine Fährte sehr deutlich gewesen und auch am Morgen war er noch nicht aufgebrochen, hatte scheinbar noch etwas zu erledigen und so wartete ich also.

Was sein würde, wenn ich mein Ziel erreichte und wie dies überhaupt geschehen sollte, war ungewiss, vermutlich rechnete ich nicht einmal selbst wirklich damit, jemals Erfolg zu haben. Und dennoch konnte ich mich nicht von diesem Zwang befreien, wollte es vielleicht auch gar nicht, gab es mir doch einen Sinn für diese fragwürdige Existenz.

Die lauter werdenden Geräusche aus dem Pub rissen mich abrupt aus dem trüben Strom meiner sich im Kreis drehenden Gedanken, eine Schlägerei, so schien es, war im Gange, kurz darauf ertönte die Stimme des Wirts, der sich darum bemühte die Männer wenn nicht auseinander, so doch wenigstens aus seinem Haus zu befördern. Doch er fand kein Gehör in der immer heftiger werdenden Auseinandersetzung und es dauerte nicht lange, bis der süße Duft des Blutes mich einhüllte und meine Sinne benebelte. Es war so schwer sich gegen diesen Sog zu wehren, nicht hinunterzuspringen, nicht die Tür aufzureißen, nicht einen der beiden zu packen und in einer für die Anwesenden unbegreiflichen Geschwindigkeit wieder zu verschwinden, so dass ich unbemerkt meine Zähne in den Hals des Opfers würde versenken können, welches erstarrt und nicht wissend wie ihm geschah in meinen Armen stürbe. Ich harrte aus, hielt mich mit Gewalt davon ab, diesem übermächtigen Trieb nachzugeben, um einem anderen, nicht minder starken zu folgen, meine lang gesuchte Spur nicht wieder zu verlieren.

Es dauerte nicht lange und die Tür des Pubs wurde aufgerissen, zwei ineinander verschlungene Körper taumelten in mein Sichtfeld, fielen zu Boden, rafften sich auf und fielen erneut, als sie abermals versuchten sich gegenseitig niederzustrecken. Der Mann, der sie offensichtlich hinaus befördert hatte, packte sie an den Schultern und riss sie mit Mühe auseinander. Der Geruch nach Alkohol mischte sich nun deutlich unter den des Blutes und lies mich angewidert erschauern. Weitere Versuche, erneut aufeinander loszugehen, wurden konsequent von dem Dritten unterbunden und mit ein paar deutlichen Worten und einem Schlag ins Gesicht für jeden der beiden, brachte er sie endlich dazu, voneinander abzulassen und in entgegengesetzter Richtung ihrer Wege zu ziehen.

Einer der beiden war übel mitgenommen, es gelang ihm kaum, sich auf den Beinen zu halten und nur wenige Meter weiter bog er in eine Seitengasse ein, sackte an der Hauswand zusammen und rührte sich nicht mehr. Sein Atem ging schwer und jede Sekunde, die er dort in sich zusammengesackt verweilte, sorgte dafür, dass mich das Aroma des Blutes weiter einhüllte. Selbst der Alkohol konnte mich kaum noch davon abhalten, mich auf ihn zu stürzen, in meinem Kopf rasten die Gedanken hin und her, wägten das Für und Wider ab, mein Verstand kaum fähig die Kontrolle zu behalten.

Ich verlor den Kampf. Gerade als ich mich auf ihn stürzen, das Blut nicht nur riechen sondern schmecken wollte, lies mich ein Schatten auffahren, eine Bewegung kaum wahrnehmbar, selbst mit den Sinnen eines Vampirs. Durch diese Ablenkung wieder zur Besinnung gebracht, schalt ich mich selbst ob meiner Unachtsamkeit. War ich nach all den Jahren, die ich nun bereits dieses Dasein fristete, immer noch so schwach? Zu schwach, um beim Geruch von Blut, selbst vermengt mit dieser widerwärtigen Droge des Menschen, noch den Verstand zu verlieren und meine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen? Vielleicht hatten die wenigen anderen, die ich bisher getroffen hatte, recht, mich einen Idioten zu schimpfen, vielleicht stimmte es, dass es schwach und dumm war, einem Phantom hinterherzujagen, statt das zu tun, wofür wir geschaffen waren, uns der Macht hinzugeben. Doch diese Vorstellung behagte mir nicht, was war das für eine Macht? Kein Wunder also, dass sie mich nicht als einen der ihren hatten akzeptieren, mir nicht weiterhelfen wollen, selbst wenn sie es gekonnt hätten. Hatten mir nicht sagen wollen, ob sie wussten wen ich suchte. Doch ich war mir sicher, dass nicht nur Missachtung, sondern vor allem Furcht sie zurückhielt. Und nun, nachdem es mich so viel Mühe gekostet hatte, ihm auf der Spur zu bleiben, hätte ich ihn beinahe verloren, um ein bisschen Blut zu kosten? Es war erbärmlich, doch hatte der Gedanke, zu erfahren, was er mit mir gemacht hätte, wenn ich ihm direkt begegnet wäre, auch etwas Verführerisches.

Vielleicht hätte er mich einfach getötet und ich hätte mich nicht einmal wehren können. Doch egal wie fraglich der Sinn dieser Existenz auch war, so wollte ich doch wenigstens wissen, warum er mich verwandelt hatte. Ich wollte es wissen und ich würde nicht eher ruhen, ehe ich es wusste. Doch was hatte ich eigentlich vor, sollte ich ihm jemals direkt gegenüberstehen? Ich hatte ja nicht einmal bemerkt, wie er näher gekommen war. Nun, nachdem ich wieder einigermaßen bei Verstand war, konnte ich seine Präsenz jedoch überdeutlich spüren. Er musste auch meinen Geruch wahrnehmen, doch störte er sich nicht daran, Vampire gab es überall und ich hatte keine besonders mächtige Ausstrahlung.

Nicht wissend, was ich tun sollte, verharrte ich still in meiner Stellung und beobachtete die Szene unter mir, musste mit ansehen, wie er sich nun meines vermeintlichen Opfers annahm und sich an dessen Blut labte. Wieder wallten die Instinkte in mir auf, diesmal jedoch um die Beute zu verteidigen, anstatt sie kampflos einem anderen zu überlassen. Wie sehr ich diese Triebsteuerung hasste und dennoch war es so schwer, sich davon zu befreien. Der Herzschlag des Mannes wurde schwächer mit jedem Tropfen Blut, der seinen Körper verließ, jeden Moment würde er tot sein.

Doch anstatt ihn seinem Schicksal zu überlassen, gab ER ihm von seinem eigenen Blut zu trinken. Die Welle des Aromas überschwemmte mich. Alles andere verschwand hinter einer grauen Wand im Nichts und für wenige Sekunden beförderte es mich in die Besinnungslosigkeit. Wenige Sekunden nur, doch wenige Sekunden, die ihm ausreichten zu verschwinden. Ich verließ nun endlich mein Versteck und näherte mich der Gasse, ungewiss, was ich vorfinden würde. Hatte er den anderen gerade wirklich vor meinen Augen verwandelt? Und warum das Ganze, wenn er dann abermals einfach verschwand. Ich hörte keinen Herzschlag mehr, es blieb also nur die Möglichkeit, dass er das Blut zu spät geschluckt hatte und nun tot war, oder aber fortan als meinesgleichen auf der Erde verweilen würde. Ich hörte noch immer nichts, so sehr ich auch darauf lauschte und hoffte das Pochen möchte wieder einsetzen. Als ich ihm direkt gegenüber stand, hob er den Kopf und sah mich aus tiefen blauen Augen an. In seinem Blick lag nichts und alles zugleich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MrsApplepie
2012-01-30T15:29:51+00:00 30.01.2012 16:29
Du hattest mich bei "Liverpool". xD
Ich finde,dass es schon ein recht guter Auftakt ist. Mir gefällt die Schreibweise sehr, recht detailliert, das gefällt mir. Bin jedenfalls gespannt, wie sich das noch entwickelt.


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