Amatsu
Amatsu
Die Bibliothek des Gildenhauses war wirklich nicht zu verachten.
Ruîn wanderte durch die zahlreichen Regale voller altertümlich
aussehender Bücher und studierte einige der Titel. Es gab Bücher
zu den Legenden von Payon, der untergegangenen Stadt Geffenia,
die einmal dort war wo das heutige Geffen lag, die Geschichte
der Zwerge die die vier gottgleichen Items herstellten, die Legende
des großen Satans Morroc, der von dem dunklen Ritter Thanatos
besiegt und eingesperrt wurde. Mit einem großen Stapel Bücher
wanderte Ruîn also zwischen den Regalen hin und her und suchte
sich einen Sitzplatz. Im hinteren Teil der Bibliothek standen drei
große, sehr rustikal aussehende, Polstersessel kreisförmig um eine
Säule. Sie setzte sich in einen von ihnen und begann ein wenig zu
lesen.
Die Sonne versank langsam hinter den großen Stadtmauern von
Prontera und in der Bibliothek wurde es zusehends dunkler. Als
Ruîn trotz einiger Kerzen nichts mehr erkennen konnte, beschloss
sie doch lieber auf ihr Zimmer zu gehen. Die Flure waren beinahe
schon stockdunkel, doch auf dem Balkon im vierten Stock schien
das Mondlich ziemlich hell und man konnte so ziemlich alles
erkennen. Ruîn schlich sich im Cloaking durch den Gang und
hielt inne, als plötzlich eine der Türen weiter vorne im Gang
geöffnet wurde. Es war Jeran. Ruîn drückte sich an die Wand
und hielt den Atem an, damit er sie ja nicht bemerkte. Er war an
die steinerne Brüstung des Balkons getreten und blickte nach
unten auf die Stadt. Außerdem trug er nichts weiter als ein
Handtuch, das er um die Hüften gewickelt hatte. Ja, Ruîn konnte
sich sehr gut vorstellen, warum er bei den Frauen so gut ankam.
Sein feuerrotes Haar hatte Ruîn ja immer schon gefallen, aber
der Rest von ihm war auch nicht gerade zu verachten. Er hatte
breite Schultern, was unter seinen Bardenklamotten ja nicht so
unbedingt auffiel und ziemlich schmale Hüften. Er war beinahe
schon zu dünn, aber eben nur beinahe. Ein leichter Wind zog über
den Balkon und Ruîn fröstelte es leicht. Jeran drehte sich um,
stützte sich mit den Ellenbogen auf die Balustrade und legte den
Kopf in den Nacken. Ruîn bemerkte wie sie direkt Herzklopfen
bekam und drehte sich um. Das konnte doch nun wirklich nicht
wahr sein, das sie hier stand und ausgerechnet Jeran
anschmachtete! Sie warf einen Blick über die Schulter. Er sah
so wahnsinnig erotisch aus, wie er da so mit geschlossenen Augen
stand und Ruîn bemerkte wie ihr Blick langsam nach unten zu
seinem Bauchnabel wanderte. „Was stehst du denn hier so alleine
rum?“ Die Dancer aus der Ally war aus dem Zimmer gekommen
und erwischte Jeran am Arm. „Die Luft hier draußen ist immer
so schön kalt.“ Er lächelte und zupfte ein wenig an der Decke in
die sie gewickelt war, sodass sie spielerisch anfing zu kreischen
und zurück ins Zimmer hüpfte. Als sie die Tür geschlossen hatten,
huschte Ruîn schnell vorbei und lief zur Treppe um in ihr eigenes
Zimmer zu gelangen.
Sie öffnete langsam die Tür uns lauschte, dann trat sie hinein. Es
war leer, Solar war also noch nicht zurück. Ruîn legte sich auf
das Bett und versuchte zu schlafen.
Die nächsten Wochen vergingen wie gewohnt, was für Ruîn hieß,
das sie Tagsüber mit Solar Monster jagte und fleißig trainierte
und in den meisten Nächten mit Duir und Jeran herumstreifte.
Meist fielen ihre nächtlichen Ausflüge an den WoE Tagen aus,
sodas Ruîn dann doch einige Male mit Solar und seinen Freunden
ins PvP ging. Allerdings beteiligte sie sich nicht an den Kämpfen,
sondern spionierte meist nur die Gegner im Cloaking aus. Es
war ja auch sehr überraschend wie wenige Leute die Skills
Sight oder Ruwach einsetzten, mit denen man versteckte
Assass aufdecken konnte. Ab und an traf sich sie mit Isan um
ihr vom Training zu erzählen oder sie zu trösten weil sie ja wegen
dem Baby immer noch nicht schmieden durfte. Ansonsten
verbrachte sie nun gelegentlich einige Zeit in der Bibliothek
und las die Sagen über die großen Dungeons und Städte
Midgards und der Schwarzwald Republik. Sie hatte gerade
die Legende über den Knight Thanatos zu Ende gelesen, als
die letzte Kerze auf dem kleinen Tisch neben ihr langsam zu
flackern anfing. Damit war es wohl an der Zeit in ihr Zimmer
zurückzukehren. Sie packte die Bücher zusammen, die sie rund
um den großen, roten Polstersessel verteilt hatte und verließ die
Bibliothek. Sie wanderte den Steinernen Gang zu ihrem Zimmer
entlang und achtete nicht weiter auf den Weg als sie am Ende
des Ganges plötzlich auf ein Hindernis stieß. „Aua.“ Mit einem
dumpfen Aufprall landete sie unsanft auf ihrem Hintern und
blickte auf die Priesterin die vor ihr saß und ebenso überrascht
dreinblickte. Plötzlich begannen beide zu kichern und die
Priesterin schüttelte den Kopf während sie aufstand. „Tut mir
leid, ich war ganz in Gedanken und habe dich nicht gesehen.“
Sie reichte Ruîn ihre Hand und zog sie wieder auf die Beine.
„Ich doch genauso.“ Sie kicherten wieder Beide und da erkannte
Ruîn sie. Es war die Priesterin mit der sie schon so oft im WoE
zusammen gekämpft hatte. „Ich bin Danu, sehr erfreut.“ „Ja,
Ruîn, auch erfreut.“ Nun wusste sie ja endlich auch mal den
Namen ihrer fleißigen WoE Helferin. „Wir müssen mal zusammen
trainieren gehen.“ Die Priesterin nickte. „Ja, bald mal. Nicht
immer nur im WoE kämpfen.“ Sie kicherten wieder, dann
verabschiedeten sie sich. Ruîn kehrte in ihr Zimmer zurück und
war auch bald eingeschlafen.
Weil es im PvP mal wieder etwas später geworden war, saßen
Solar und Ruîn noch ziemlich spät beim Frühstück. Einige Leute
waren sogar schon dran das Mittagessen zu kochen, was die
beiden aber nicht störte. Solar war dabei ihr zu erzählen wie
sie in der Nacht einen Lord Knight und sogar ein High Wizzard
gelegt hatten und Ruîn nickte ab und zu während sie an einem
Apfel knabberte. Dann betrat Jeran den Raum. Bei ihm war die
High Priesterin, die sie damals nach Einbroch gewarpt hatte. Die
Beiden setzten sich an einen der hinteren Tische und Jeran
zwinkerte Ruîn zu als er sie entdeckt hatte. Sie lächelte und
winkte zurück, dann fiel ihr Blick wieder auf Solar der sie jetzt
irgendwie komisch ansah. „Warum hörst du nicht darauf, wenn
ich dir etwas sage?“ „Hmm, wieso?“ „Ich habe dir jetzt schon
mehrmals gesagt, dass du dich von dem Barden fernhalten sollst.“
Er deutete nach hinten auf Jeran, der gerade damit beschäftigt
war die High Priesterin mit der Schlagsahne seines Kaffees zu
ärgern. „Er und Ich sind Freunde. Was denkst du denn, das er
mit mir anstellen würde?“ Ruîn lehnte sich in ihrem Sessel zurück
und blickte ihn schief an. „Er hat es auch auf verheiratete Frauen
abgesehen- das ist kein Geheimnis.“ Solar stand auf und
erwischte Ruîn am Arm. „Er hat es aber nicht auf mich abgesehen.“
Sie machte keine Anstalten sich zu erheben. „Das sieht aber
irgendwie schon danach aus, wenn du mich fragst!“ Er war
wohl etwas wütend und zog so heftig an Ruins Arm das er sie
glatt aus dem Sessel und beinahe noch auf den Tisch zog. „Das
tut weh!“ Ruîn zog ihren Arm weg und hörte hinten etwas laut
scheppern. Jeran war aufgesprungen und blickte Solar direkt
an. „Entschuldige bitte, das wollte ich nicht.“ Solar hatte beide
Arme erhoben und Ruîn schüttelte den Kopf und schritt an ihm
vorbei zur Tür.
Er folgte ihr und hatte sie im langen steinernen Flur eingeholt.
„Es wäre nicht das erste Mal das er so etwas tut.“ Ruîn drehte
sich zu Solar um und seufzte. „Bei wem hat er es denn gemacht?“
„Bei Raido unserem Leader. Und die Priesterin, die da grade
bei ihm ist, sie hat auch einen Mann. Ich habe sie schon gesehen.“
Ruîn sagte nichts darauf, sie blickte ihn nachdenklich an. Ob er
sich wirklich Sorgen um sie machte? „Er ist bei sehr vielen für
seine Frauengeschichten bekannt und ich sehe ja, dass er mit
dir redet. Ich möchte nicht das du darauf reinfällst.“ Sie schüttelte
den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, auf so was falle ich nicht
rein.“ Nicht noch einmal jedenfalls, fügte sie im Gedanken noch
hinzu.
Während des nächsten WoEs beobachtete Ruîn aufmerksam
Jeran und den Leader der Gilde. Gut, sie schienen sich die
gesamte Zeit darüber zu streiten, welches wohl die beste Strategie
einer guten Def im Empraum wäre, aber sonst fiel ihr eigentlich
nichts Bestimmtes auf. Ob das mit der Frau stimmte? Sie blickte
nach hinten zu Solar der wieder am Emperium stand, bereit es
jederzeit zu breaken wenn das Incomming zu groß wurde. Er
hatte eigentlich keinen Grund sie anzulügen. Sie huschte neben
der Dancerin an den Eingang des Raumes um ein Giftfeld zu
legen. Die Zeitspanne zwischen den No-Skill Combos war nicht
recht lang darum musste sie sich beeilen. Sie zerbrach den
Gemstone und das Feld breitete sich kreuzförmig neben dem
Eingang aus. „Nächstes Mal bitte noch ein wenig weiter vorne,
dann erwischt es jeden gleich und man kann nicht schnell nach
hinten ausweichen.“ Jeran zwinkerte ihr zu und Ruîn nickte. „Ok
mach ich.“ Sie schlängelte sich zwischen den Beiden durch und
stellte sich wieder hinter dem Song auf ihre Position. Dieses Mal
schien ihn die Dancer nicht mehr so wirklich zu interessieren. Sie
versuchte zwar immer wieder mit ihm zu reden, aber er nickte nur
hin und wieder und schrie meist mit den WoE Leadern irgendwelche
Anweisungen hin und her.
Ruîn atmete befreit auf. Mal wieder ein WoE überstanden. Sie
wandte sich an die Kafra um ihr Equip bis zum nächsten Mal im
Lager zu verstauen. Solar und seine Freunde standen ein wenig
abseits und waren in ein angeregtes Gespräch vertieft. Gleich
würden sie sicher wieder ins PvP gehen wollen. Sie seufzte. In
dem Moment als Solar sich zu ihr umdrehte erwischte sie etwas
an der Hand und zog sie mit sich. „Waa…!“ „Pssst, komm mit,
schneller!“ Jeran drängelte sich mit ihr durch einige Leute der Ally
und sie liefen einem Knight und seinem Peco hinterher bis nach
Prontera. An der Westkafra angekommen blieb Jeran so abrupt
stehen, das Ruîn beinahe in ihn reinknallte. „Vorsicht.“ Er kicherte
und blickte sich eingehendst auf dem Platz um. „Da drüben- ein
Warpportal!“ Er zog Ruin weiter mit sich und die Stadt verlief vor
ihren Augen zu einem rosa Schleier.
„Oh Amatus, wie cool.“ Jeran winkte der Acolytin, die den Warp
in Prontera geöffnet hatte, und nun etwas verwirrt auf ihre beiden
Mitreisenden blickte, fröhlich zu und zog Ruîn dann munter weiter.
„Hmm, bitte wo sind wir?“ Die Assassine blickte sich neugierig
um, sie befanden sich anscheinend an einer Küste denn man hörte
in der nähe Wasser rauschen und die Luft war mit Salz erfüllt. Die
Gebäude um sie herum waren aus hellem Holz mit blauen
Verziehrungen. Jeran überlegte kurz dann deutete er nach rechts.
„Hier kann man aber ziemlich gut Essen. Möchtest du?“ Sie nickte
und ließ sich von ihm zu einem, mit Strohballen gedecktem
Holzhaus führen.
„Das muss man mal gekostet haben, is doch lecker oder?“ Die
Beiden saßen an einem niedrigen Lacktisch mit goldenen
Verziehrungen und hatten eine Sushiplatte vor sich. „Ungewöhnlich,
aber gut.“ Ruîn hatte so ihre Schwierigkeiten mit den Essstäbchen.
Sie unterhielten sich über alle möglichen Dinge und Ruîn war
erstaunt darüber, wie einfach es eigentlich war sich mit Jeran zu
unterhalten. Er kannte wahnsinnig viele WoE Anekdoten und
spannende Partygeschichten. Sie ließen sich die kleinen
Reiskuchen, die sie zum Nachtisch bestellt hatten in einem
seidenartigen, weißem Papier einpacken und verließen das Lokal.
Die ersten Sterne schimmerten schon am wolkenlosen Himmel
und sie wanderten ein wenig durch die Stadt, während Jeran ihr
von dem großen Schlachtfeld hinter dem Schloss erzählte, bis sie
an einen Park mit zahlreichen Kirschbäumen gelangten. Ein
besonders großer Baum überragte die anderen auf einem kleinen
Hügel, zu diesem wanderten sie nun langsam hin. Ruîn betrachtete
das Meer, das man im Süden erkennen konnte, und indem sich
nun den letzten Sonnenstrahlen spiegelten. „Sag mal, stimmt es
eigentlich, dass du unserem Leader die Frau ausgespannt hast?“
„Hmm, erzählt man sich das so?“ Jeran seufzte. Die Beiden
setzten sich unter den großen Baum in das saftige weiche Grass
und einige der Blüten wehten an ihnen vorüber. „Zu so etwas
gehören immer Zwei, vergiss das nicht.“ Ruîn nickte. Sie wusste
nur zu gut was er damit meinte.
„Wieso bist du verheiratet?“ Jeran schüttelte leicht den Kopf
und beugte sich zu ihr herüber. Noch bevor Ruîn reagieren
konnte, ließ er seine Hand über ihre Wange gleiten und zog sie
zu sich. Seine Lippen waren angenehm weich und so sanft das
Ruin gedankenlos ihren Mund öffnete und ihn mit ihrer Zunge
spielen ließ. Erst als sie seine Hand auf ihrem Rücken fühlte wurde
ihr bewusst, was sie da eigentlich gerade tat. „Nein!“ Mit einem
Satz sprang sie auf ihre Beine und eine Paar Schritte den Hügel
hinunter. „Es tut mir Leid, ehrlich!“ Jeran war ebenfalls
aufgesprungen und wollte zu ihr herunter kommen. Sie schüttelte
den Kopf. „Nie wieder!“ Er nickte. „Versprochen, ich mach das
nie wieder, bitte glaub mir.“ Er war stehen geblieben und blickte
sie an. Ruîn hatte beide Arme erhoben um ihm zu deuten, dass
er da bleiben sollte, wo er jetzt war und machte einige Schritte
nach hinten. Dann drehte sie sich um und rannte in Richtung Küste
davon.