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Die große Leere

von

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Was im Busche war

XX. Was im Busche war
 

Es war bereits halb drei, als sie vor der Residenz des Friedensrichters parkten. Die Männer trugen die von Brian georderten Anzüge, die denen des letzten Fiaskos möglichst wenig glichen, Jennifer ein elegantes hellblaues Seidenkostüm, Molly trug stolz ihr bestes Kleid zur Schau. Das Wetter hatte aufgefrischt, aber noch zeigte der Sommer seine letzten freundlichen Züge. Kaum waren sie aus dem Auto gestiegen, kam Ted schon auf sie zu gesteuert. Er hatte eine Blüte im Knopfloch, was Brian einen leichten Würgereiz bescherte. Eine merkwürdige Ernsthaftigkeit machte sich breit, als sie einander begrüßten. Brian und Justin musterten sich noch einmal eingehend, dann nickten sie einander zu. Bringen wir’s hinter uns, mit so viel Würde, wie möglich.
 

Der Friedensrichter, ein etwas korpulenter Mann Mitte fünfzig mit einem beeindruckendem Schnurrbart, der jedem Walross alle Ehre gemacht hätte, erwartete sie schon an der Tür. Er begrüßte sie freundlich und bat sie hinein. „MacKenzie“, stellte er sich noch einmal persönlich vor und gab ihnen nacheinander die Hand, „wundervoll, dass sie so pünktlich sind! Sie werden schon sehnlichst erwartet!“ Brian und Justin erstarrten die Gesichtszüge. Eine üble Ahnung beschlich sie, aber es wurde ihnen keine Zeit gewährt, sich zu besinnen. Der Richter bugsierte sie in den für Eheschließungen vorgesehenen Raum. Ein lautes „Überraschung!!!“ schallte ihnen vielstimmig entgegen. Sie mussten wie zur Salzsäule erstarrt ausgesehen haben, denn Debbie bemerkte grinsend: „Na, die ist uns offensichtlich gelungen! Ihr fiesen kleinen Scheißer – Entschuldigung, Euer Würden – ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, diese Party würde ohne uns stattfinden!“ „Äh…“ entfuhr Brian, der sich um Fassung bemühte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Ihre einzige Chance wäre jetzt noch, die Beine in die Hand zu nehmen – was das Problem weder gelöst noch ihrem eigentlichen Plan zugute gereicht hätte. Vielleicht waren mehr Zeugen auch gar nicht so schlecht…
 

„Du blöder Mistkerl!“ fuhr Michael ihn an. „Wie konntest du das tun! Aber nicht ohne mich, mein Freund, vergiss es!“ Er lachte wieder, wenn auch ein gekränkter Unterton in seiner Stimme gelegen hatte. Ben und Hunter, der Jenny hielt, lächelten sie mehr oder weniger höflich an – Ben mehr, Hunter weniger. Debbie zog Carl an der Hand hinter sich her und verkündete strahlend: „Habt ihr wirklich geglaubt, dass wir zulassen, dass ihr euren Tag ohne eure Familie verbringt? Nicht in diesem Universum! Gott sei Dank hat Michael das Fax gesehen…“ Aha, daher wehte der Wind. Elender Schnüffler… „Was riecht denn hier so merkwürdig?“ meldete sich Justin, der inzwischen die Sprache wiedergefunden hatte. Emmet meldete sich und wies mit einer theatralischen Geste auf das Pult des Richters: „Goldene Gardenien! Ein Zeichen eurer immerwährenden Liebe! Ich musste mir den Arsch aufreißen, um die so kurzfristig noch zu bekommen, aber das Opfer musste es mir wert sein, auch wenn die schwule Gemeinde Pittsburghs Trauer tragen wird!“ Der Strauß war wunderschön – roch aber eher nach immerwährender Fäulnis. „Wir werden dafür sorgen, dass dieser Tag für euch unvergesslich wird, verlasst euch drauf!“ verkündete Debbie und lachte dabei glücklich. Das war zu befürchten…
 

„Da wir jetzt alle so schön versammelt sind“, mischte sich der Friedensrichter jetzt mit einem jovialen Lächeln ein, „können wir ja eigentlich auch anfangen. Sind Sie bereit? Oder bekommen sie jetzt kalte Füße?“ Er musterte Brians und Justins käsige Gesichter und lachte dröhnend. Die Ähnlichkeit mit einem Walross trat dabei noch viel deutlicher zutage. „Kann losgehen“, „Los geht’s“ erwiderten die beiden etwas dünn fast gleichzeitig. Sie wurden mit dem Rücken zum Publikum am großen Tisch platziert, die Trauzeugen setzten sich neben sie, Jennifer hielt Gus auf dem Schoss, der ganz zappelig war vor Aufregung.
 

Es dauerte nicht lange, nur ein paar Minuten. Sie hatten sich für eine kurze konventionelle Zeremonie entschieden… Dich zu lieben… und zu ehren… bis das der Tod uns scheidet… hörte Brian sich selbst sagen. Dann dasselbe aus Justins Mund. Sie schauten sich mit staunend aufgerissenen Augen an. Das war so… wirklich… „Haben Sie Ringe?“ fragte der Richter. Wie auf Signal schoss Gus von Jennifers Schoss und brüllte: „Ich!“ Stolz hielt er die kleine Schachtel hin, die sein Vater ihm anvertraut hatte. Justin schaute ungläubig. Oh Gott… die Ringe… Irgendwie schaffte er es stillzuhalten, als Brian ihm das elegante Band überstreifte, und nicht total zu versagen, als er an der Reihe war. Der Richter schob ihnen die Urkunde hin, sie unterschrieben, dann die Trauzeugen. Dann stand MacKenzie etwas umständlich auf und erklärte ihre Ehe mit schallender Stimme für rechtsgültig. Ach du Scheiße… dachte Justin.
 

„Küssen! Küssen! Küssen!“ intonierte Debbie, als alle klatschten. Sie rappelten sich etwas wackelig hoch und sahen einander an. Dann beugte sich Brian ein wenig herab, und sie küssten sich unter allgemeinen Jubel. Der Kuss fiel etwas steif aus, aber das schien keinem weiter aufzufallen. „Oh Gott“, schrie Emmet, „Brian Kinney ist verheiratet! Wenn ein solches Wunder geschieht, dann ist alles möglich auf Erden, ich sag’s euch!“ „Ich komm dich und deine Frau und eure fünf bibeltreuen Kinder aber garantiert niemals besuchen in eurer Amish-Kolonie“, entgegnete Brian etwas bissig. Gegen seinen Willen musste er auch lächeln. Oh Gott… er war wirklich verheiratet! Es mochte zwar zu Hause nichts gelten. Aber hier und jetzt war er’s. Oh Gott! Er starrte seinen frisch gebackenen… Ehemann an, der von der ersten Welle der Meute bereits in Glückwunsch-Umarmungen fast zermust wurde. Er fand ihn wunderschön. Dann war er selbst an der Reihe. „Nun bist du auch unter der Haube!“ Michael schluchzte diese Worte fast. Buh… dachte Brian – aber bis Stepfordhausen war es dennoch noch ein weiter Weg, den er niemals zu beschreiten gedachte. Der georderte Fotograf ließ sie posieren: als Paar – sie bemühten sich um ihre glücklichsten Gesichter für die Beweisfotos, obwohl sie sich etwas geplättet fühlten – mit Gus, mit dem Richter, den Trauzeugen, der gesamten Bagage. Brian wünschte sich, Lindsay könnte jetzt bei ihm sei. Andererseits, wenn sie es wäre, dann stünde er wahrscheinlich nicht hier… Er schluckte betroffen.
 

„Gut“, sagte Justin schließlich, da es an der Zeit war, den ganzen Budenzauber zu beenden und weiter nach Plan vorzugehen, „wir müssen dann allmählich wieder gen Heimat…“ „Das könnte euch so passen“, fuhr Debbie ihn an. „Nein, nix da – wir haben euch eine unvergessliche Hochzeit versprochen – und die bekommt ihr auch, ob’s euch passt oder nicht!“ Die anderen ließen Laute der Unterstützung vernehmen, lediglich Jennifer und Ted hielten sich etwas zurück. Brian rollte hilflos mit den Augen. Was auch immer sie taten, um ihrem Schicksal zu entrinnen, es würde ihre Freunde schrecklich vor den Kopf stoßen. War es das wert? Wohl eher nicht, obgleich er über dieses Überfallskommando auch reichlich verärgert war. Sie schienen einfach anzunehmen, dass sie wussten, was er und Justin wollten, ohne auch nur zu fragen… Aber andererseits war es auch irgendwie… schön gewesen, sie dabei zu haben. Auch wenn es nicht wirklich etwas bedeutete.
 

In der Eingangshalle der richterlichen Residenz waren ein paar Tische mit ausgesprochen schmackhaft aussehenden Häppchen aufgebaut, Sekt stand in Kühlern. Da war eindeutig Emmets erfahrene Hand im Spiel gewesen. Ausgehungert fielen alle darüber her, Brian und Justin wurden Gläser in die Hände gedrückt. Überrollt von den Ereignissen, wie sie waren, kippten sie das blubbernde Getränk ziemlich hastig in sich hinein, nachdem Ted und Jennifer ihre kurzen – improvisierten – Glückwunschreden gehalten hatten. Alle wünschten ihnen applaudierenden alles Glück dieser Erde, prosteten ihnen zu und nötigten ihnen einen weiteren Kuss ab. Allmählich kamen sie auf den Geschmack. Emmet war, ganz der Caretaker, gleich mit Nachschub zugegen, aber Brian winkte ab. „Ich muss noch fahren!“ „Du spinnst wohl! Du fährst heute nirgendwo mehr hin! Das ist euer Tag!“ „Justin steigt in kein Flugzeug – und Gus auch nicht!“ „Wer redet denn von sowas?“ schaltete Michael sich ein. „Nein, ihr genießt jetzt erst mal, wir haben uns um alles gekümmert!“ „Aber was…?“ bohrte Justin. „Überraschung!“ flüsterte Michael geheimnisvoll. „Noch ein paar von diesen Überraschungen und du hast mich erledigt, Mickey!“ versuchte Brian sich halbherzig zu retten, wohl wissend, dass es zwecklos war. Da mussten sie wohl jetzt durch. Wie hieß es so schön? Lügen haben lange Beine. Und sehr, sehr ausdauernde.
 

Brian und Justin waren bereits etwas wackelig auf den selbigen, als die Feier langsam ausklang. Der ungewohnte Sekt auf halbwegs nüchternen Magen, den sie etwas zu hastig in sich hinein geschüttet hatten, zeigte seine Wirkung. Arm in Arm durchschritten sie etwas angeschlagen die Tür und wurden von einem Reisregen begrüßt, in dem sich, zu allem Überfluss, auch noch herzchenförmiges Glitzer-Konfetti verbarg. Gus war begeistert. Die frisch Angetrauten, an denen das Zeug massenweise hängen blieb, weniger. Justin schüttelte sich – mit der Folge, dass sich der impertinente Glitzer erst recht gut auf ihm verteilte. Er musste aussehen wie ein Vollidiot. Der Fotograf machte artig Aufnahmen. Immerhin sah Brian auch nicht besser aus. „Und was sieht euer kongeniale Plan jetzt vor?“ fragte er. Ted bugsierte sie zu ihrem Wagen. „Du auch?“ entfuhr es Brian, „du bist sowas von gefeuert, du Verräter!“ „Ich bin kein Verräter, nur ein Komplize“, grinste Ted und hielt ihnen, einen Diener andeutend, die Hintertür auf. Ein Schild mit „just married“ zierte das Rückfenster, Dosen hingen an der Stoßstange. Debbie trat zu ihnen. „So, ihr beiden, Gus bleibt bei uns in guten Händen. Wir alle wünschen euch alles Gute - wurde ja auch wirklich Zeit – und eine heiße Nacht! Aber damit kennt ihr euch ja aus!“ Gus hing schläfrig in Jennifers Armen, die kleine Hand in Mollys. „Gute Nacht, Sonnyboy, bis Morgen früh!“ rief Brian, gefolgt von Justins „Schlaf gut Gus, wir sehen uns Morgen, versprochen!“ Gus antwortete nur dösig: „Nacht Papa! Nacht Justin!“ Es war ein langer Tag für ihn gewesen. Es schmerzte sie beide, ihn aus den Augen zu lassen – aber er war in guten Händen. Jeder ihrer Freunde hätte gemordet für Gus‘ Wohlergehen.
 

Michael saß hinter dem Steuer und grinste sie breit an: „Nun zu unserem Hochzeitsgeschenk!“ „Fährst du jetzt mit uns in den Wald und erledigst uns mit einer Plattschaufel, weil wir nichts gesagt haben? Wenn ja, mach schnell, ich bin müde.“ „Ich war versucht, wurde aber überstimmt. Und das mit der Müdigkeit vergisst du besser gleich wieder, der Abend ist noch jung!“ Brian ließ sich in die Polster fallen und entschied, dass es wohl am besten war zu warten und der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Justin schien ähnlich zu denken. Er saß seitlich zu Brian und musterte ihn unergründlich. „Was ist mit euch los? Noch gar nicht wild am rumknutschen?“ stichelte Michael neugierig. „Nicht solange du da bist, du Spanner!“ schnappte Brian. „Seit wann so verklemmt? In der ersten Nacht, in der du Justin angeschleppt hast, hast du ihm fröhlich einen geblasen, während ich den Fahrer machen musste!“ „Du Aas hast absichtlich eine Vollbremsung eingelegt, dass mir Justins Schwanz beinahe zum Hinterkopf wieder rausgekommen ist! Glaub ja nicht, dass ich das Risiko nochmal eingehen werde!“ „Tja, es gibt schlimmere Todesarten!“ Justin begann unvermutet zu kichern. „Was?“ wurde er von zwei Seiten angeblafft. „Wie ich’s euch schon mal gesagt habe – ihr streitet euch wie meine Eltern…“
 

Michael hielt schließlich vor einem Hotelkomplex, der Brian bekannt vorkam. Er war schon einmal hier gewesen, allerdings rein geschäftlich. Eins der besten Häuser Torontos. Michael drehte sich um und hielt ihnen eine Schlüsselkarte vor die Nase: „Die Hochzeitssuite! Unser Geschenk an euch! Wir haben sie für euch hergerichtet! Lasst die Wände wackeln und macht euch eine unvergessliche Nacht!“ Er stieg mit ihnen aus, drückte sie noch einmal – Brian deutlich länger als Justin – dann sagte er: „Ihr beide seid einfach unglaublich! Ich wünsche euch alles, alles Gute! Mögt ihr so glücklich werden wie Ben und ich!“ Dann winkte er ihnen ein letztes Mal zu und fuhr davon. Brian hielt die Schlüsselkarte in der Hand. Zum ersten Mal seit langer Zeit waren sie allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  brandzess
2011-08-16T16:08:58+00:00 16.08.2011 18:08
xD das haben sie davon!


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