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Genesis

Eine Galaxia-Saga
von

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Prolog

Im Randgebiet, wo die Sterne weniger werden, die Besiedlung dünner und die Grenze zur großen Finsternis jenseits der Allianz fast greifbar ist, liegt Medea. Ein Stern, umwandert von vier Planeten – Thalea, Melat, Adria und Maraget. An Medea war herzlich wenig spektakuläres. Es war ein simples System, historisch kaum der Rede wert wenn da nicht der Bürgerkrieg wäre, der das System zerriss. Maraget, einst Sitz der königlichen Familie in Prunk und Pracht, lag in Ruinen, auf ihren weiten, einst grünen Ebenen prallten die königlichen Soldaten auf die Untergrundkämpfer des Widerstandes.

Was genau die Eskalation der Lage hervorgerufen hatte vermochte Captain Elgar nicht zu sagen. Er kauerte im Schützengraben zwischen zwei jungen Soldaten, um sie her krachten die Geschütze der Feinde nieder, Schlamm und Blut spritzten auf und regneten vom Himmel. Irgendwann zwischen letzter Woche und heute war der Funke der Unzufriedenheit in den Gemütern des Volkes zu einem Inferno geworden. Der Kollateralschaden war enorm. Kontakt zu den anderen Welten des Systems war längst abgebrochen, Elgar schätzte die Situation dort war nicht besser. Der einst blaue Himmel über Maraget war längst verfärbt – schwarz von den Sturmwolken, rot vom Blut das vom Boden reflektierte. Die Verluste auf beiden Seiten waren enorm, das wusste er, aber die Untergrundkämpfer machten keine Anstalten auf Verhandlungen einzugehen.

„Das ist doch Wahnsinn.“, knurrt Soldat Ragesh, der mit ihm hier im Schützengraben kauerte. Neben den beiden und Soldat Tasgir lagen nur Leichen in diesem Graben. Sicher sah es um die anderen nicht besser aus.

„Wir können diese Stellung nicht länger halten, Sir!“, rief Soldat Tasgir über das Donnern der Geschosse. Elgar nickt grimmig. Er wusste der Junge hatte Recht. Sie konnten nichts ausrichten. Sie würden in diesem Loch verrecken wie die Ratten wenn nicht bald etwas passierte.

Noch während er das dachte sah er wie Lichter durch die Wolkendecke brachen. Nur ein paar Kilometer entfernt, über den Bergen. Ein Schiff aus weißem Kristall, geformt wie ein Stern. Er sah ein weißes Licht, das von dem Schiff zu den Bergen strahlte. Ein Teleport-Strahl.

„Die Senshi…“, flüstert Ragesh. Ein kleines Glimmen von Hoffnung flackerte auf in ihnen. Wenn die Senshi hier waren würde –

„Ein Schiff? Ist das alles? Wo ist die Flotte aus Zero?!“, fragt Tasgir aufgebracht. Elgar schüttelt den Kopf.

„Sie sichern die Grenzen. Die Flotte kann sich nicht um die internen Probleme aller Bündnispartner kümmern, das ist nicht ihre Aufgabe.“, meint er grimmig. Er sah über sich und streckte sich dann vorsichtig nach einer noch zum Teil geladenen Waffe eines getöteten Soldaten. „Dieses Schiff ist unsere beste Chance zu überleben.“

„Also rennen wir?“

„Jawohl.“, bestätigt Elgar.

„Oh man…“, murmelt Tasgir. Doch auch er bewaffnete sich. Ragesh, mit der übrigen Ausrüstung umgehängt, nahm sich ebenfalls eine Waffe.

„Wenn das nicht klappt… sehen wir uns in den Wassern der Schöpfung.“

„Aye Sir.“, bestätigen die beiden Soldaten. Wohl wissend, dass die Wahrscheinlichkeit das einer von ihnen – oder alle – in dieser Flucht sein Leben ließ enorm hoch war. Unproportional hoch. Unter normalen Umständen kein Risiko das man einging. Aber das hier war längst nicht mehr normal.

„Auf drei. Eins… zwei…“
 

Im Tal barsten Explosionen in Flammen. Medea zuckte merklich zusammen während Thalea schon am Boden kauerte um das Signalfeuer zu installieren. Es als ein solches zu bezeichnen war ein altmodischer Begriff, hängen geblieben aus den Zeiten als tatsächlich noch auf hoch gelegenen Orten Feuer entzündet wurden um Nachrichten an entfernte Regionen zu schicken, Warnungen oder dergleichen. Das war hinfällig geworden als die Kommunikations-Technologie einen Sprung voran gemacht hatte. Und gänzlich verschwunden war die Praxis als die Raumfahrt sich so weit entwickelt hatte das es völlig sinnlos wäre, irgendwo ein Feuerchen zu zünden, weil am anderen Ende der Galaxis würde man das ohnehin nicht sehen. Aber das Signalfeuer System war geblieben. Ein Gerät, das auf einer Frequenz sendete die überall in der Galaxis von Schiffen der Flotte aufgeschnappt werden konnte. Das Protokoll verlangte das diese Signalfeuer das Erste waren was installiert wurde sobald feindlicher Boden betreten wurde. Und gerade im Moment war Maraget feindlicher Boden. Das Signalfeuer begann mit einem blinkenden, roten Licht das Signal zu verschicken, hinaus in die Weiten.

„Das Signalfeuer steht.“, meint Thalea ruhig und nickt ihrer Kollegin zu. Medea starrte hinunter ins Tal, ihre Stirn in Sorge verkrumpelt. Als eine der ältesten Sterne hatte sie so ziemlich alles gesehen. Medea war eine große Frau mit schwarzem, feinem Haar wie gesponnene Nacht zu einem strengen, hohen Zopf gebunden, ihre Haut war dunkel, ihre Augen goldbraun. Sie trug ein hautenges, rotes Oberteil verziert mit goldenen Stickereien und klimpernden Perlen und Glöckchen, leicht durchsichtige, lange Ärmel, die mit goldenen Ringen an ihren Ringfingern befestigt waren. Der schwarze Matrosenkragen war an beiden Ecken ebenfalls mit kleinen, goldenen Perlen verziert, um den Hals trug sie ein aufwendiges Halsband aus roten Perlen und einem großen, roten Kristall. Durch ihren Bauchnabel war ein ähnlicher Kristall gestochen. Sie trug eine hüftig sitzende Hose aus rotem durchsichtigem Stoff mit Goldfaden, einem breiten, goldenen Gürtel und einer knappen schwarzen Ledershorts darunter. Ihre flachen goldenen Sandalen mit kleinen goldenen Glöckchen waren geschnürt bis fast zu ihren Knien. In der Stirn trug sie eine goldene Tiara, ebenfalls mit einem roten Kristall und einem kleineren, goldenen Kristall in Form eines Tropfen. Vor Mund und Nase trug sie einen roten, leicht durchsichtigen Schleier mit Goldstickerei und protzige, rote Kristallohrringe.

„Da unten ist die Hölle los…“, murmelt sie.

„Ich installiere die Aufnahme und dann kümmern wir uns um den Rest.“, meint Thalea nickend. Sie ging wieder an die Arbeit. Medea starrte weiter in das Tal. In der Ferne sah sie die einstige Hauptstadt von Maraget, die Kuppeldächer und Türme, nur noch Schatten ihrer selbst. Sie sah den Sonnenuntergang hereinbrechen. Und am Horizont eine Dunkelheit, die sich auftürmte.

„Thalea…“

„Gleich…“, murmelt Thalea zurück. Die Dunkelheit am Himmel sah sie nicht. Wie Krallen grub sie sich in den Himmel, in das Land, das Brüllen dieser Finsternis wurde lauter. Nein. Was hier passierte war kein Bürgerkrieg. Etwas anderes war Verantwortlich für die Geschehnisse hier. Medea hatte diese Dunkelheit schon einmal gesehen, vor sehr, sehr lange Zeit. Auf Andromeda.

„Thalea, wir müssen hier weg.“

„Gleich!“

„Sofort!“, schnappt Medea. Thalea schnaubt und wendet sich ihr zu, um zu streiten. Doch der Streit blieb ihr im Hals stecken. Auch sie sah die Dunkelheit die sich am Horizont auftürmte. Langsam stand sie auf.

„Verdammt…“, flüstert sie ungläubig. Medea wand sich ihr blitzartig zu.

„Signalfeuer, jetzt!“

„Jadoch!!“ rief Thalea aus und stürzte sich wieder an die Arbeit. Die Sonne versank am Horizont, Medea sah auf die Uhr, und sah in ihrer eigenen Reflektion wie die Dunkelheit sich hinter ihnen ausbreitete. Langsam wand sie sich um. Und sah die drei Gestalten den Pass hinauf kommen. Schneller als physikalisch möglich, ihre Bewegungen wie Schatten nur.

„Thalea…“, warnt sie.

„Ich arbeite dran…“, knurrt Thalea. Und die Dunkelheit schloss sich um sie. Von einem Moment auf den nächsten war es so gnadenlos finster das Thalea eine Taschenlampe zückte, diese zwischen die Zähne klemmte um sich bei ihrer Arbeit zu leuchten. Nur in regelmäßigen Abständen wie ein roter Puls erhellte das Signalfeuer die Umgebung spärlich. Medea wich zurück, bis sie quasi auf selber Höhe mit Thalea war. Die drei Gestalten hatten das Plateau erreicht. Sie trugen schwarze, orientalische Kleidung, Matrosenkragen und hatten die äußere Erscheinung der Bewohner des Medea System. Nur ihre Augen waren blutrot. Medea wusste es war unmöglich. Sie kannte diese drei gut und lange, aber was auch immer ihnen passiert war hatte sie verändert.

„Maraget…“, flüstert sie mit zitternder Stimme.

„Fertig!“, rief Thalea aus, sprang auf und wand sich um. Erstarrte. Auf dem Plateau bei ihnen waren Maraget, Adria und Melat angekommen. Die drei übrigen Senshi des Systems. Doch nichts an ihnen erinnerte an die drei Freunde seit Kindertagen. Nicht einmal die Glorien konnte sie noch erkennen, sie waren völlig verzerrt und verbogen.

„Verdammt…“, hisst Thalea.

„Maraget, wir wollen euch nicht verletzen. Zieht euch zurück. Wir können euch helfen, wenn wir der Präsidentin hiervon berichten können.“

Maraget, die Anführerin der drei Kriegerinnen, neigte leicht den Kopf, selbst bei dieser winzigen Bewegung schien eine Dunkelheit um sie herum zu dröhnen. Ihre Haut wirkte äschern, die Adern schwarz unter der dünnen Oberfläche. Das weiß ihrer Augen war schwarz verfärbt, die Pupillen tiefrot. Ihre Mundwinkel zogen sich zu einem unnatürlichen Grinsen.

„Wer sagt, dass wir Hilfe wollen?“ fragt sie. Doch es war nicht ihre Stimme. Es war eine dröhnende, zutiefst bösartige Stimme. Sie hob die Hand, zog eine Bahn von Dunkelheit mit der Bewegung und formte eine Sphäre aus absoluter Finsternis. Medea beschwor ihren Stab mit dem Sternförmigen Kristall an seiner Spitze.

„Maraget, tu das nicht. Bitte. Wir wollen nicht gegen euch kämpfen.“

Doch keine der drei reagierte darauf. Medea‘s Blick schnellte hinüber zu Thalea. „Nimmst du auf?“

„Alles.“

„Gut… denn das wird unser letztes Testament sein…“, flüstert Medea. Wohl wissend das sie Maraget nicht lebend verlassen würden. Die dunkle Kriegerin griff an, eine Welle der Finsternis rollte auf die anderen beiden zu. Medea beschwor das Licht ihres Stabes in einer grellen Explosion des Lichts. Die Kräfte kollidierten auf halbem Weg. Und alles was folgte war Stille…

Geburt

„Konzentriert euch, Prinzipessa.“

Sie saßen in dem kleinen Marmorpavillon im Palastgarten, auf dem kleinen Grashügel oberhalb des Sees auf dem Enten ihre Küken fütterten. Über ihnen herrschte strahlender, hellgrüner Himmel, nur wenig kleine Wolken störten das perfekte Gesamtbild. Es war ein wunderbarer Tag. Die Luft duftete nach Frühlingsblumen und Wasser und nach Zuckerwatte. Galaxia Noah Elyssian saß im Schneidersitz auf dem Boden, vor ihr drei kinderfaustgroße Kristallkugeln die ein paar Zentimeter über dem Boden schwebten, zitternd und ein wenig unkoordiniert. Hinter dem kleinen Mädchen stand Papyllon. Sie war eine große, schöne Frau mit blasser Haut, langen, dunklen Locken, Augen in der Farbe wilden Flieders, rosenrote volle Lippen. Sie trug ein knielanges, schwarzes Kleid mit feiner Spitze, unter der Brust gerafft und verschlossen mit einer Seidenschleife. Unter dem Kleid blitzte die Spitze schwarzer halterloser Strümpfe hervor, ihre ohnehin schon endlos langen Beine steckten in filigranen, schwarzen Schuhen mit hohem Absatz und feinen Riemchen. Sie hatte eine Boa aus schwarzen und violetten Federn umgelegt und trug schwarze Spitzenhandschuhe, Armketten auf schwarzen Perlen und Amethysten, ein passendes Collier und Ohrringe. „Ihr seid unkonzentriert! Ich weiß ihr könnt das besser!“

Galaxia blinzelte mit einem Auge.

„Ich würde mich besser konzentrieren wenn du aufhören würdest zu reden, Papyllon.“, murrt sie. Papyllon grinste.

„Irgendwann werdet ihr euch im Angesicht viel größerer Ablenkungen konzentrieren müssen, Prinzipessa.“, mahnt sie, versuchte so ernst wie möglich zu klingen. Das fiel ihr nicht leicht. Galaxia tat ihr bestes, aber schon nach kurzem kollabierte das Spannungsfeld auf dem die drei Kugel wackelig geschwebt hatten und sie fielen polternd zu Boden. Das Mädchen stand ruckartig auf und schnaubte frustriert.

„Ich kann es einfach nicht!“ faucht sie.

„Ihr macht Fortschritte. Seid nicht so ungeduldig. Das war schon immer eure größte Schwäche.“

Das Mädchen verschränkt die Arme vor der Brust und sah wieder absolut königlich aus. Wenn sie nicht die Schnute ziehen würde die ein kleines Mädchen nun mal hatte, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf ging. Prinzipessa Galaxia Noah Elyssian, die älteste Tochter der Präsidentin Orilliana Elyssian, war in vielen Dingen ein Abbild ihrer Mutter. Filigran gebaut mit langen, schlanken Fingern, einem herzförmigen Gesicht mit großen, mandelförmigen Augen, einer feinen, kleinen Nase und schon jetzt einem rosigen Schmollmund. Sie hatte rosige Wangen und langes, feuerrotes Haar das – wenn das Licht es in einem bestimmten Winkel traf – in den unterschiedlichsten Schattierungen leuchtete wie knisternde Flammen. Sie trug ein einfaches Kleid in sanftem Jade, der Farbe der Dynastie, keine Schuhe – Galaxia hasste Schuhe, sie waren immer das erste was sie auszog. Um den Hals trug sie eine feine, goldene Kette die sich weich an die Haut schmiegte wie eine kleine Schlange, mit einer Medaille als Anhänger. Es war ein großer Jade in einem goldenen, sternförmigen Rahmen und umgeben von vier kleineren Steinen: ein Topas, ein Granat, ein Lapislazuli und ein Amethist. Es war das königliche Siegel. Sonst trug sie keinen Schmuck, nur die Granat-Tropfenohrhänger. Was sie von allen anderen Mitgliedern der Elyssian Dynastie unterschied waren ihre Augen. Die waren nicht blau wie der helle Nachthimmel über Zero. Sie waren eine Farbe die man nur schwer beschreiben konnte: junger Bernstein, sonnengelb, flüssiges Gold?

Papyllon kicherte angesichts der schmollenden Prinzipessa. Sie wusste das Mädchen war ein alter Stern gefangen im Körper eines Kindes. Ihr Stern war deutlich größer und älter als ihr Körper mithalten konnte und das merkte man. Etwas an ihrer Persönlichkeit war außer Proportion, besonders wenn sie den Mund aufmachte. Sie war eine weiße Frau im Körper einer 11jährigen.

„Wie soll ich denn das System beschützen wenn ich nicht einmal drei blöde Kugeln zum schweben bringen kann?!“, schnaubt Galaxia.

„Mit Geduld.“, schlägt Papyllon vor. Sie lächelte wohlwollend. Galaxia seufzte nur und sank wieder auf den Boden. Als eine Gruppe der Palastgarde heran marschiert kam sah Galaxia die Sorge auf Papyllon’s Gesicht sofort.

„Was ist los?“ fragt die junge Prinzipessa.

„Ich warte auf einen Signalfeuer Bericht von Maraget. Medea und Thalea sind dort…“, erklärt Papyllon. Galaxia wusste um den Ernst der Lage. Wieder ein Beweis dafür wie weit ihr Kopf ihrem Körper voraus war. Die Palastgarde durchquerte den Garten und erreichte den Pavillon wo die beiden warteten. Der Captain verneigte sich.

„Prinzipessa. Mistress Papyllon.“, grüßt er. „Das Signalfeuer aus Maraget ist eingegangen und kurz darauf verschwunden.“

Papyllon hörte die Sorge in seiner Stimme. Etwas war schief gegangen, das wusste sie sofort. Die Vermutung lag nahe das Medea und Thalea tot waren. Von den übrigen drei Senshi des Medea Systems hatten sie nichts gehört, seit der Bürgerkrieg dort ausgebrochen war. Zu viele Parallelen für Papyllon’s Geschmack. Es war dem Unglück von Andromeda vor fast 600 Jahren viel zu ähnlich. Unendlich lange her für Normalsterbliche, doch für Sterne gerade erst gestern, die Erinnerung noch zu frisch, die Ähnlichkeit zu deutlich um Zufall zu sein. Urplötzliche Eskalation politischer Spannungen, abgebrochener Kontakt zu den heimischen Senshi des Systems und das nächste was sie hörten war das die Planeten um den Andromeda Hauptstern zerbrochen waren kurz bevor der Stern selbst implodiert war. Keine Supernova, kein Kollaps, kein Schwarzes Loch, er war einfach zerstört worden, völlig ohne Nachklang, weg. Einige munkelten dem allen läge ein Ungleichgewicht der beiden Urkräfte zu Grunde – Chaos und Ordnung. Seit dem reagierte Papyllon angespannt auf ähnliche Nachrichten, versuchte die Zeichen zu erkennen bevor es zu spät war. Sie hatte keine Absicht noch mehr Senshi in ihrer Verantwortung zu verlieren.

„Danke für die Nachricht, ich werde es umgehend mit der Präsidentin besprechen. Schickt eine Nachricht an die Stella, sie sollen sich für den Ernstfall bereithalten.“

„Jawohl Mistress.“, meint der Captain und salutiert. Er und seine Männer zogen ab. Papyllon sah ihnen ernst nach, dann wand sie sich um. Die Prinzipessa stand hinter ihr, sah besorgt hoch.

„Du gehst wieder zurück an die Grenze?“, fragt sie besorgt.

„Es sieht wohl so aus… Aber ich komme bald zurück. Versprochen.“, meint Papyllon lächelnd. Sie wühlt in ihrer Tasche nach einem dicken, in Leder gebundenen Buch, das sie der Prinzipessa reicht. „Bis ihr das hier ausgelesen habt bin ich wieder da.“

Galaxia nahm das Buch schweigend. Sie wusste schon da, das Papyllon dieses Versprechen nicht würde halten können. Die Reise nach Medea an sich dauerte selbst mit einem Hypersprung mindestens zwei Monate – es lag am völlig anderen Ende der Galaxis. Die Technologie, mit der man den Raum krümmen und Momentflüge dieser Art realisieren konnte war noch immer in der Entwicklung und erste Tests hatten katastrophal geendet. Sie sah auf den Umschlag des dicken Buches, sah nicht wie Papyllon den Garten verließ. Niemals würde sie länger als vier Monate brauchen, um dieses Buch zu lesen. Der Titel war simpel und erklärte sich selbst: Das Leben der Sterne.
 

Papyllon betrat den Audienzsaal des Palastes und als sie durch die Tür trat veränderte sich ihre Kleidung. Fort was das zivile Kleid, stattdessen trug sie ihre Senshi Uniform: Schwarze, enge Leder Shorts mit violettem Spitzenrand, ein breiter, mit sternförmigen Nieten, hohe, von Spitzenstraps gehaltene schwarze Strümpfe in hochhackigen, schwarzen Lederstiefeln, ein leicht durchsichtiges, violettes Babydoll mit Spitzenverzierungen die Schmetterlinge andeuteten, darunter ein schwarzes Lederbustier mit schwarzem Matrosenkragen, verziert mit violetter Spitze und einer violetten Seidenschleife mit einer sternförmigen Kristallbrosche. Hohe, schwarze Lederhandschuhe aus denen ebenfalls Spitzer heraus blitzte. Um den Hals trug sie ein einfaches, schwarzes Ledercollier mit einer sternförmigen Niete. Einige Strähnen ihres langen Haars waren zurück gebunden, wodurch man ihre leicht angespitzten Ohren sehen konnte, die Tiara in ihrem Haar war geformt wie ein Schwarm Schmetterlinge um einen violetten Stein mit einem goldenen Stern. Aus ihrem Rücken faltete sie ein paar große, schillernde Schmetterlingsflügel aus.

Präsidentin Orilliana Elyssian saß in ihrem Thron mit einer Mappe mit Staatsangelegenheiten. Sie hatte ihr langes, fast schwarzes Haar aufwendig hochgesteckt, trug die goldene, mit Rubinen und Jade besetzte Krone der Dynastie und die typischen Rubinohrhänger. Sie war angetan in einem wunderschönen jadefarbenen Kleid mit weißer Spitze und Fellbesatz, unter der Brust gerafft fiel es ellenlang über den Boden und das Podest auf dem der Thron stand. Es betonte den hochschwangeren Bauch der Präsidentin. Als sie die Schritte am anderen Ende des Audienzsaals hörte sah die Präsidentin auf.

„Ah, Papyllon!“ rief sie und winkte ihre oberste Generalin der Flotte näher.

„Präsidentin, ich habe schlechte Nachrichten fürchte ich.“ Begann Papyllon. Die Präsidentin sah auf aus ihren großen, blauen Augen.

„Macht Galaxia noch immer keine Fortschritte? Wenn ich sie zur Prima ernennen soll muss sie sichtbare Erfolge zeigen, oder der Senat wird sie niemals akzeptieren.“, meint die Präsidentin kopfschüttelnd.

„Es geht nicht um Galaxia.“, meint Papyllon kopfschüttelnd. „Wir haben Kontakt zum Medea System verloren. Ich will eine Aufklärungsmission dorthin schicken und herausfinden was passiert ist, vielleicht die Aufzeichnungen des Signalfeuers bergen.“

„Ich hoffe du ziehst nicht in Betracht eine ganze Staffel Stars dafür zu entbehren.“, mahnt die Präsidentin.

„Nein, Präsidentin. Nur ein Stoßtrupp – die Stella ist in Alarmbereitschaft und kann jederzeit auslaufen.“

„Gut. Dann mach dich auf den Weg, klär die Angelegenheit da draußen.“, meint die Präsidentin nickend. Papyllon nickt und verneigt sich, dann aber zögert sie.

„Den Unterricht für die Prinzipessa…“

„Lasse ich von Baron Harkon übernehmen, bis du zurück bist.“, meint die Präsidentin nickend. Dann kehrt ihr Fokus auf die Mappe zurück. „Wenn du mich dann entschuldigst, ich habe einiges an Arbeit.“

„Jawohl, Präsidentin.“

Papyllon verneigte sich ein weiteres Mal und verließ den Audienzsaal. Die Aussage der Präsidentin hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Dass sie annahm, Galaxia würde keine Fortschritte machen, die Ablehnung des Senats fürchtete. Und das ausgerechnet Baron Harkon den Unterricht der Prinzipessa übernehmen sollte. Papyllon kannte Harkon gut. Wenn er Galaxia ebenso grausam behandeln würde wie seine eigenen Kinder würde das zarte Gemüt brechen. Papyllon kannte Galaxia. Sie wirkte erwachsen und zäh, aber sie war so verletzlich, so zerbrechlich. Der Gedanke sie jetzt zurück lassen zu müssen, in dieser Phase wo sich so vieles prägen würde, wo die Person geformt werden würde die in der nahenden Zukunft die Galaxis regieren würde wenn Orilliana abdankte. Papyllon fühlte sich entsetzlich dabei. Aber sie wusste sie hatte keine Wahl. Es war der alte Konflikt ihrer Verantwortung. Sie war nur Galaxia’s Lehrerin, aber für die Senshi war sie eine Anführerin, sie koordinierte die gesamte Flotte, die diese Galaxis beschützte. Wenn sie scheiterte würde es für Galaxia vielleicht nichts mehr geben, das sie regieren konnte.

Sie verließ den Palast und kaum war sie aus dem prächtigen, prunkvollen Gebäude getreten hörte sie den kleinen Piep ihrer Kommunikations-Systems. Sie zog das kleine sternförmige Ohrstück aus der Tasche, knipste es an ihr Ohr und zog das Mikrophon hervor.

„Papyllon.“

„Crow hier. Wir haben deine Nachricht bekommen, Stella ist jederzeit bereit.“, meint die rauchige Stimme am anderen Ende.

„Könnt ihr mich an Bord holen? Ich stehe direkt vor dem Palast.“

„Klar.“

Es verging nur ein Bruchteil einer Sekunde bis Papyllon im Lichtkegel des Transportstrahls stand. Sie schloss die Augen, spürte die Illusion des leichten Kribbelns in der Magengegend als sie Molekül für Molekül von der Oberfläche des Planeten in das Schiff transportiert wurde. Als sie die Augen wieder öffnete stand sie im Transportraum der Stella. Alles hier war praktisch durchsichtig, man hatte das Gefühl im All zu stehen, umgeben von Sternen und nur das leicht neblige, schillernde Licht sowie die Tatsache das man die Nebenräume nicht sehen konnte bewies das sie sich im Inneren des Schiffes mit raffinierter Tarntechnik befand. Die Stella war das Flaggschiff der Flotte, ein gewaltiger Kristallkoloss der grundsätzlich im Orbit von Zero trieb. Wie alle Schiffe der Flotte war sie unter normalen Umständen als mächtiger, weiß leuchtender Kristallstern zu erkennen, war das Tarnsystem aktiviert projizierte die Stella – und die anderen Schiffe – Millionen von Mikroaufnahmen aus ihrer direkten Umgebung auf ihre Oberfläche und war dadurch optisch nicht mehr wahrnehmbar. Diese Technologie war von einer der vorangegangenen Präsidentinnen – Arcadia – entwickelt worden und hatte in der Invasion des Draco Systems enorme Vorteile gebracht. Die Galaxis war nicht immer so geeint wie sie heute stand. Eine Vielzahl der Systeme die heute unter der Elyssian Dynastie zusammengefasst hatte ursprünglich feindlichen Warlords gedient. Als Orilliana vor knapp 700 Jahren an die Macht gekommen war hatte sie es geschafft die drei dominanten Dynastien der Galaxis in einem Bündnis zu einen und hatte so die Zero Allianz gegründet. Diese bestand nun aus den Systemen der Elyssian Dynastie, der Drakyrioth Dynastie und der Alterra Dynastie. Und Orilliana war die oberste Instanz dieser Allianz. Keiner hinterfragte das. Sie war die Erbin von Elyssa, der ersten Auserwählten. Und ebenso hinterfragte niemand das eines Tages ihre Tochter diesen Titel übernehmen würde. Nur ob Galaxia dazu das Zeug hatte, da waren sich die meisten nicht wirklich sicher. Trotz der Allianz allerdings agierten die Herrscherhäuser der beiden anderen Dynastien noch immer unabhängig und es gab genug Konflikte innerhalb der Allianz, das man von innenpolitisch sehr, sehr dünnem Eis sprechen konnte.

Papyllon verließ den Transportraum und stieg auf die Kommandobrücke des Schiffes. Der große Sitz des Kapitäns war leer – für sie – die anderen Sitze gehörten dem Co-Piloten und dem Navigators und technischen Leiters saßen ihre beiden besten. Lead Crow und Tin Nyanko.

„Morgen!“, grüßt sie laut. Die beiden sahen zurück zum Aufgang der Brücke und grüßten zurück.

„Morgen Chef.“, meint Tin Nyanko grinsend. Sie war eine kleine, quirlige Frau, die ihren Mangel an Körpergröße mit ihrem Überschuss an Mundwerk wettmachte. Nyanko konnte laut sein. Sehr laut. Ihr langes, strackes schwarzes Haar war zu zwei gleichmäßigen Zöpfen geflochten an deren Enden sie kleine, goldene Glöckchen trug; ebenfalls aus Haar waren zwei Katzenohren geformt. Ich hautenger, weißer Lederoverall war an den Beinen eingeschnitten und mit Netz unterlegt, der Reißverschluss am Rücken führte bis in den hohen Kragen an dessen Front sie ein goldenes Glöckchen trug. An dem Overall befestigt war ein weißer Matrosenkragen mit der Sternbrosche. Der Overall ging in Handschuhe und in Plateauschuhe über, selbst in denen war sie immer noch sehr deutlich kleiner als Papyllon. Nyanko hatte ein rundes Gesicht mit einer spitzen Nase und großen, grauen Katzenaugen. Und sie hatte die Angewohnheit gegengleich zu blinzeln wenn sie gelangweilt war, was überaus irritierend aussah. Tin Nyanko war Navigator / technische Leiterin der Stella und galt als beste Navigatorin der Galaxis. Der Titel kam nicht von ungefähr, sie hatte viele hundert Jahre gehabt um diesen Rang unter Beweis zu stellen und sich den Platz an Bord der Stella hart erkämpft. Nyanko kam aus dem System Mew, gelegen in dem Streifen mit der höchsten Populationsdichte der Galaxis und nicht zu verwechseln mit dem System Chuu – dessen Bewohner sich mit den Bewohnern von Mew grundsätzlich so gut verstanden wie Katz und Maus. Gar nicht.

Ein der großen Konstanten der Flotte dagegen war Lead Crow, vermutlich einer der ältesten Sterne gleich nach Papyllon. Beide neigten dazu, Urknallwitze zu machen, die sonst niemand witzig fand. Lead Crow war groß, ihre dunkle Haut machte deutlich das sie aus einer der Randsysteme der Galaxis kam, die grundsätzlich als orientalischer galten – viele dieser Welten waren längst zu Wüstenplaneten geworden und da auf einigen Leben nicht mehr dauerhaft existieren konnte waren ihre Völker zu Nomaden geworden. Sie waren kriegerische Völker und ein wertvoller Bestandteil der Flotte. Crow hatte langes, kupferrotes Haar, schwarze Krähenfedern hinein gewoben. Wie es für die Nomaden üblich war, war auch ihre Uniform eher simpel im Vergleich zu denen der Senshi aus dem Zentrum der Galaxis. Ihre Tiara ein einfaches, schwarzes Lederband mit einem goldenen Stern und einer schwarzen Krähenfeder, ihr Halsband war ebenso simple. Sie trug eine braune, geschnürte Lederkorsage mit eine kupferroten Matrosenkragen und Sternbrosche, schwarze Federn an den Ärmeln und hohe, braune Lederhandschuhe. Ihr Rock war aus dichten, schwarzen Krähenfedern, die hohen braunen Lederstiefel geschnürt und mit einem breiten Absatz deutlich stabiler als die der meisten anderen. An ihrem Gürtel hing eine mit Blei beschwerte und mit Stacheln besetzte Peitsche.

„Was ist los? Captain Havarro war ein wenig zusammenhangslos. Hat was von einem Signalfeuer gefaselt und das wir in Alarmbereitschaft sein sollen.“, fragt Crow mit ihrer dunklen, rauen Stimme.

„Das Signalfeuer das Medea und Thalea auf Maraget aufstellen sollten ist verschwunden. Wir werden raus fahren und die Sache aufklären.“, erklärt Papyllon und nimmt auf ihrem Sitz Platz. Sie fährt das System hoch und linkt ihren Kommunikator mit dem Schiff. „Stella.“

Hinter ihr erschien das holografische Bild eines Frauengesichtes.

„Jawohl, Kommandant?“ fragt die weiche, synthetisierte Stimme des Haupt-Bordcomputer.

„Wir nehmen Kurs auf Maraget, Medea-System.“

„Jawohl, Kommandant.“, wiederholt Stella. An stelle ihres Gesichtes erschien die Sternkarte der Galaxis, Nyanko warf sich in ihren Sitz und lud die Karte auf ihre Station, sie berechnete den Kurs und bestätigte die Eingabe. Dann schaltete sie ihren Kommunikator in das Netzwerk.

„Hallo Crew, hier spricht Nyanko von der Brücke. Wir nehmen Kurs auf Maraget, um das verschwundene Signalfeuer von Medea und Thalea zu orten. Wir werden den Orbit von Zero verlassen und in Kürze den Countdown zum Hypersprung starten. Alle Crewmitglieder sind aufgefordert sich an das Protokoll zu halten. Brücke Over.“

Papyllon setzte die Stella in Bewegung, die trotz ihrer Größe als eines der wendigsten, schnellsten Schiffe der Galaxis galt. Und sie verließen den Orbit des Zentralplaneten.
 

Die Regentage vergingen nur schleppend. Galaxia konnte nicht hinaus, war von den Unwettern eingesperrt in ihren Gemächern im Palais. Und mit Papyllon fort und dem neuen Lehrer noch nicht angekommen hatte sie auch keinerlei sinnvolle Beschäftigung. Sie saß in ihrem Zimmer, bei dem großen Fenster von dem sie den Garten überblicken konnte und beobachtete die Regentropfen die die Scheiben hinunter rannen. Dann und wann las sie ein paar Seiten in Papyllon’s Buch. Nur sparsam, weil sie wusste es musste ihr reichen bis ihre Lehrerin zurückkam. Was ein Weilchen dauern konnte. Die Tage schlichen nur so ins Land. Von ihrer Mutter bekam sie nur wenig zu sehen. Staatsangelegenheiten, sagte man ihr. Ihr Vater war ebenso rar. Als Hohepriester des Sternordens verbrachte er die meiste Zeit im Tempel in der Stadt, er lebte nicht im Palais mit seiner Familie. Die Präsidentin wollte es so. Galaxia erinnerte sich nicht daran jemals Zärtlichkeiten zwischen ihren Eltern erlebt zu haben. Wie es ihnen gelungen war, unbemerkt noch ein Kind zu zeugen war ihr ein großes Rätsel. Soviel sie wusste gehörten da nämlich Zärtlichkeiten dazu. Und das setzte ja voraus das sich Mutter und Vater einmal ansahen. Oder mal ein Küsschen hier und da. Aber so etwas gab es nicht bei ihren Eltern.

Galaxia lebte allein im Palais. Nicht anders konnte man es nennen. Der Regierungssitz der Dynastie war ein gewaltiger Komplex bestehend aus dem Zentralpalast, in dem die Senatoren ihre Dienste taten, die Bürokratie abgewickelt wurde und all dieses anstrengende politische Geschehen mit dem Galaxia so wenig anzufangen vermochte. Es kam ihr alles so falsch vor. So heuchlerisch. Dann gab es den Palastgarten, ein enormes Stück Landschaft, in Schuss gehalten von an die hundert Gärtnern und umgeben von dem Palast. Und in diesem Garten – quasi ein Palast im Palast – lag das Palais, Wohnsitz der königlichen Familie. An die dreihundert Zimmer in Prunk und Pracht mit viel Gold und Marmor und kitschigen Verzierungen und uralten Möbeln und Familienportraits – Galaxia hasste nichts mehr als Familienportraits. Jedes Jahr musste sie durch diese Tortur, stundenlang stillsitzen während ein weißbärtige Maestro hier noch ein Strichlein pinselte und da noch einmal das Licht veränderte. Die Galerie der Portraits war endlos, von der ersten Präsidentin und ihrer Familie bis hin zu ihrer Familie jetzt. Von den Ahnen waren nur die schönsten Portraits ausgestellt, von der aktuellen Familie wurde immer das jüngste Portrait gezeigt, die übrigen zighundert Bilder waren in den Archiven im Keller des Zentralpalastes aufbewahrt. Verstaubten. Nach Galaxia’s Meinung nahmen sie nur unnötig Platz ein und verschlangen unnötige Steuergelder. Aber die Präsidentin beharrte dass die Kunst wichtig sei und erhalten werden musste und jede Elyssian müsse wissen, woher sie kam. Als würde die Staatsgalerie im Palais dafür nicht genügen. Und so lebte sie hier alleine mit den Bediensteten und den Portraits.

Sie saß in ihrem Zimmer und kaute auf den Spitzen einer roten Haarsträhne herum. Als sich im Korridor gepolter erhob sah sie auf, legte das Buch beiseite und durchquerte ihr Zimmer. Sie öffnete die hohe, schwere Doppeltür einen Spalt und spähte hinaus, wo die Bediensteten vorbei rannten und einander Dinge zuriefen. Sie sah ihnen grübelnd nach und wand sich dann um. Sah ihren Vater den Korridor entlang marschieren. Er war ein großer Mann in den weißen Roben des Hohepriesters, auf seinem glatt rasierten Kopf ruhte die Krone des Hohepriesters, die der Krone der Präsidentin irgendwie ähnelte aber doch wieder nicht. Es war pure Tradition, die einen Präsidentin und einen Hohepriester aneinander band. Es war immer so gewesen und würde immer so sein. Ob sich ihre Eltern überhaupt wirklich liebten oder je geliebt hatten vermochte Galaxia nicht zu sagen. Prinzipiell existierte diese Verbindung nur um der Dynastie würdige Nachkommen zu schenken: Töchter. Je mehr desto besser. Zukünftige Senshi. Es gab Systeme da wurden männliche Nachkommen deutlich bevorzugt und grundsätzlich galten Männer mehr in der Allianz – eine Frau im Senat war undenkbar. Aber die Elyssian Dynastie pflegte eine Frauenordnung und es würde niemals jemandem in den Sinn kommen, einen Präsident zu krönen anstelle einer Präsidentin. Das war ebenso undenkbar wie einen weiblichen Senator zu bestimmen. Galaxia fand es überaus paradox und irritierend.

„Vater?“

„Galaxia, mein kleines Glühwürmchen.“, jubelt der Hohepriester und hob im vorbeistürmen seine Tochter auf die Arme. Nur er nannte sie sein Glühwürmchen, der einzige Kosename den Galaxia jemals gehabt hatte in ihren 11 jungen Sternjahren – der einzige Kosename den sie jemals haben würde.

„Was ist denn los?“, fragt sie wie ihr Vater sie von ihrem Zimmer fort trug.

„Du wirst gerade große Schwester.“

Galaxia’s Gesicht leuchtete auf. Ihr Schwesterchen wurde geboren! Sie wusste, dass es ein Mädchen war, das in dem Bauch ihrer Mutter gewachsen war. Sie spürte die Glorie, das Licht einer neuen Senshi. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, liebte die Kleine jetzt schon abgöttisch. Und das bedeutete es würde endlich mehr los sein im Palais. Die Präsidentin würde sich für eine Weile aus den Staatsangelegenheiten zurückziehen und dem Senat die Dinge überlassen, sie würde sich um das Baby kümmern und würde dann vielleicht auch mehr Zeit für Galaxia haben. Und Galaxia wusste schon das sie die kleine Prinzipessa völlig verwöhnen würde. Sie würde die tollste große Schwester sein, die man sich nur wünschen konnte.

Sie erreichten das Gemach der Präsidentin, die gewaltige Doppeltür, vor der die Bediensteten gesammelt waren. Die Tür war fest geschlossen und von innen hörten sie Schreie. Eine Geburt war etwas ganz gewaltig Schmerzhaftes. Galaxia wusste das, weil der Stallmeister ihr erlaubt hatte dabei zu sein als er ihrer Lieblingsstute Astra dabei geholfen hatte, die kleine Starlight zur Welt zu bringen. Das war letztes Jahr gewesen und Galaxia musste zugeben das sie nie etwas Unheimlicheres und Beängstigerendes gesehen und gehört hatte. Aber ihr fiel auch nichts Beeindruckenderes und Wundervolleres ein als zu sehen wie Astra ihrem Neugeborenen geholfen hatte zu stehen. Gemeinsam mit dem Stallmeister hatte sie dort gesessen und zugesehen wie Mutter und Tochter einander kennen gelernt hatten, dann hatte sie ihm geholfen Blut und Fruchtwasser abzuwaschen, hatte Mutter und Tochter gefüttert und dann war sie mit den beiden eingeschlafen. Man hatte sie irgendwann in ihr Zimmer getragen. Seit dem war sie jeden Tag im Stall gewesen und hatte Astra und Starlight besucht. Nur wenn es regnete konnte sie nicht zu den Ställen. Oder nein, sie konnte schon, durfte aber nicht. Sie hatte es einmal versucht, war keine vier Schritte aus dem Palais gewesen da hatte eine der Zofen sie schon geschnappt und wieder zurück geschleift. Protest zwecklos.

Die Schreie ihrer eigenen Mutter waren denen von Astra gar nicht so unähnlich. Sie sah wie blass ihr Vater war.

„Alles in Ordnung, Vater?“, fragt sie besorgt.

„Man sollte meinen ich wäre darauf vorbereitet nach deiner Geburt…“, murmelt er, seine Hände klamm vom Schweiß. Die Geburt war schwer. Viele Stunden quälte sich die Präsidentin hinter verschlossenen Türen. Aber schließlich dann öffnete die Hebamme die Türen und nickte zufrieden. Der Hohepriester und die Prinzipessa wurden hinein geführt.

Das Gemach der Präsidentin kam Galaxia immer kalt vor. Es war so groß und so still. Die Vorhänge waren zugezogen und nur Kerzenlicht erhellte den Raum sparsam. Man hörte draußen nur den Regen prasseln. Die Präsidentin lag in einem gewaltigen Himmelbett, sah darin unbeschreiblich zierlich aus. Neben ihr stand eine große Krippe. Und in der lagen zwei in Laken gewickelte, strampelnde Bündel.

„Zwillinge?!“, keucht der Hohepriester überrascht. Sie kamen näher und sahen in die Krippe. Keiner hatte es kommen sehen. Nicht einmal Galaxia, sie hatte die Glorie der anderen nicht gespürt. Vielleicht weil sie so eng beieinander gewesen waren das es ihr nicht möglich gewesen war, sie auseinander zu halten. Nun aber, getrennt, konnte sie die beiden Nuancen genau erkennen. Das Baby links war zierlicher, kleiner, rosafarben wirklich und mit einem feinen, blonden Haarflaum auf ihrem kugelrunden Kopf. Sie war quietschig und aktiv, strampelte viel. Und ihre Glorie war weicher, heller, sanft und warm. Eine angenehmes, weiches gelb oder orange. Das zweite Baby war robuster und ziepte ihre Schwester wiederholt an den Haaren. Sie war von der Farbe her etwas blasser und hatte schon jetzt erstaunlich viel, sehr dunkles Haar – ein sehr haariges Baby wirklich. Ihr Gesicht war knautschig als wollte sie protestieren oder weinen, konnte sich aber nicht wirklich entschließen. Ihre Glorie war kühler, mehr ins violette gehend aber immer noch leicht Rot, wie alle Töchter der Dynastie. Die Hebamme wies nacheinander auf sie, erst die kleine Blonde, dann die große Dunkle.

„Orion und Aurora.“

Verwechslungsgefahr nicht existent. Galaxia fand die Namen wunderbar gewählt. Orion, wie das hellste Sternbild am Himmel des Zentralplaneten, oft dargestellt als eine schöne Bogenschützin mit goldenem Haar – wie dieses Mädchen sie zweifellos haben würde. Und Aurora, wie das mystische Schleierlicht am Nachthimmel in all seinen spektakulären Farben. Galaxia lehnte sich in die Krippe und hob die blonde Orion auf ihren Arm.

„Hallo keine Prinzipessa, willkommen auf der Welt.“, flüstert sie sanft. Das kleine quirlige Mädchen jauchzte ein wenig und wippte mit ihrem kleinen Köpfchen, das ihre große Schwester vorsichtig stützte.

„Sie mag dich.“, meint der Hohepriester stolz. Zu sehen wie liebevoll Galaxia mit ihrer kleinen Schwester war bestätigte alles, was er über seine Tochter wusste. Galaxia war liebevoll, gütig und warm, sie würde eine großartige Präsidentin werden. Die Menschen die mit ihr zu tun hatten bewunderten sie und sprachen von ihr in den höchsten Tönen. Alle sahen es – die einzige die es nicht erkannte war ihre eigene Mutter.

„Ich möchte sie halten.“, ordert die Präsidentin und streckt die Arme aus. Galaxia kam herüber und legte ihrer Mutter das kleine Kind in die Arme. Orilliana sah ihre älteste Tochter nicht einmal an dabei. „Ich möchte mit den beiden alleine sein.“, erklärt sie. Der Hohepriester nickt leicht und legt Galaxia die Hände auf die Schultern, nickt zur Tür. Sie verließen das Gemach zusammen. Galaxia sah zurück, sah wie hingebungsvoll Orilliana ihre kleine Tochter umarmte. Dann schloss sich die Tür.

„Vater…“, flüstert sie.

„Was denn, Glühwürmchen?“

„Mutter… liebt mich nicht so sehr wie die beiden, oder?“, fragt sie leise. Der Hohepriester zögerte und ging dann neben seiner Tochter auf die Knie, streichelte ihr rotes Haar.

„Das stimmt nicht, Galaxia. Deine Mutter liebt dich sehr. Sie weiß nur nicht, wie sie es dir zeigen soll. Sie liebt dich sehr. Deshalb hat sie dir ja auch deinen Namen gegeben. Du weißt ja, was er bedeutet, oder nicht?“

„Sie die die Galaxis bewahrt.“, meint Galaxia leise. Ihr Vater nickt.

„Genau. Das ist ein sehr großer Name. Sie glaubt an dich, sie weiß, dass du diesen Namen ausfüllen wirst.“

Sie glaubt an dich, wiederholte Galaxia in ihrem Kopf. Das vielleicht. Aber liebte ihre Mutter sie auch? Würde sie sie auch lieben wenn sie diesen großen Namen nicht ausfüllen könnte?

Freundschaft

Wie zu erwarten war der Geburtstag der Zwillinge zum Nationalfeiertag erklärt worden und als sie einige Wochen später im Palast getauft wurden waren Vertreter aus der gesamten Allianz zu dem großen Bankett geladen. Im Ballsaal feierte man ausgelassen, während im die Königsfamilie selbst sich nur kurz zeigte und dann ins Palais zurückkehrte, um dort mit einem kleinen Kreis enger Freunde ein Abendessen zu genießen. Am Kopf der langen, goldenen Tafel saß die Präsidentin, in einer Krippe neben ihr die beiden Kinder mit je einer Amme, die aufmerksam etwas abseits standen um bei auch nur einem Anzeichen von Unmut der Mädchen zur Stell zu sein. Zur Rechten der Präsidentin saß der Hohepriester, zu ihrer Linken saß Galaxia. Dann war der Senator von Aragas vertreten, seine Familie bei ihm, der Senator von Nemesis mit einem kleinen Teil seiner sehr großen Familie – namentlich seine kleine Tochter Esmeraude, des Senators Schwester Garnet und ihr Gatte sowie deren Sohn Rubeus, des Senators Bruder der König Apollos, seine Gemahlin die Königin Diamanta, beider Söhne Diamond, der in Galaxia’s Alter war, und Saphire, der nur ein paar Monate älter war als die Zwillinge. Und dann der Senator von Euphe und zugleich König von Kinmokusei mit den beiden ältesten seiner sieben Kinder – Sohn Rasu und Tochter Kakyuu. Drei Plätze waren noch leer als der Salat aufgetischt wurde und kurz darauf erreichte Fluxon Senator Baron Harkon mit seiner Familie das Palais. Harkon war ein feister Mann mit weißem Bart und kahlem Kopf und seinem Gesicht entstellt von einer hässlichen, großen Narbe. Seine Gemahlin die Baroness Guiselle war eine große, dürre Frau mit schwarzem Haar, schmalen Lippen und hohlen Augen. Und beider Sohn Lucien war drahtig und blass, wenig älter nur als Galaxia.

Die Präsidentin erhob sich augenblicklich und lachte.

„Harkon!!“, verkündet sie begeistert. Baron Harkon war ein Freund der Präsidentin gewesen seit beide in die Politik geraten waren – was praktisch von Kindesbeinen an war. Der feiste Politiker lachte donnernd und marschierte an der Tafel vorbei um die Präsidentin mit einer Umarmung zu begrüßen. Galaxia war er schon unsympathisch. Ein Mann in Militäruniform zu einer Tauffeier, das konnte ja nichts werden.

„Orilliana, schön wie eh und je, genau das richtige Gesicht um es auf unsere Münzen zu prägen.“, meint er charmant. Galaxia rollte schon die Augen. Orilliana kichert fast schon albern, plötzlich zurück versetzt in ihre Jugend.

„Setzt euch, wir wollten gerade anfangen.“ Meint sie und weist auf die freien Plätze gleich an der Seite der Königsfamilie. Harkon saß direkt neben dem Hohepriester, sein Sohn wiederum neben Harkon und die Baroness neben Galaxia. Das essen wurde serviert und die Präsidentin erhob sich, Ihr mehrlagiges, Jadegrünes Kleid raschelte bei jeder Bewegung.

„Treue Freunde. Lasst uns anstoßen. Auf die gemeinsame Zukunft. Und auf Orion und Aurora.“ Meint sie und hebt ihr Glas. Alle taten es ihr nach, verkündeten die Namen der Zwillinge und tranken darauf. Dann begann man still mit Goldbesteck auf feinen Porzellantellern zu klimpern. Nach einer Weile dann sah Galaxia von ihrem Teller auf.

„Baron, wie haltet ihr es mit der Aufnahme neuer Sub-Systeme in die Allianz?“ fragt sie. Der Baron sah auf, spülte seinen Mund mit einem Schluck Wein und rang sich dann ein Lächeln ab, als müsse er sich dazu zwingen vor einem Kind Respekt zu haben.

„Nun, ich bin mehr der Soldat, aber ich denke je größer eine Allianz ist, desto größer wird auch ihr Einfluss und desto solider die Position. Sollte es zum Konflikt mit benachbarten Galaxien kommen will ich unsere Galaxis lieber geeint wissen.“

„Aber was ist mit der Wirtschaftslage? Einige der kleineren Sub-Systeme sind noch lange nicht auf dem wirtschaftlichen Niveau großer Systeme. Ich denke gerade Systeme wie Euphe werden dem zustimmen. Soviel ich weiß haben die Steuerumstellungen dort zu großen Staatsschulden geführt.“, bemerkt Galaxia. Der Senator von Kinmokusei nickt schwach.

„Ich fürchte da hat die Prinzipessa Recht…“

„Ich bin kein Wirtschaftler aber meiner Meinung nach muss jedes System selbst sehen wie es sich über Wasser hält. Die Allianz verteilt schließlich keine Almosen.“, murrt Harkon.

„Aber welchen Vorteil hat es dann, mehr Systeme in den Vertrag zu integrieren wenn diese am wirtschaftlichen Ruin enden und keinerlei signifikanten Beitrag zum Erhalt der Allianz beisteuern können?“, hakt Galaxia nach. Es folgte peinliche Stille.

„Ich muss meine Tochter entschuldigen. Ihr mangelt es an Erziehung.“, entschuldigt sich die Präsidentin. „Und mir mangelt es an Zeit.“

„Sie hat Interesse an Politik, daran ist nichts verwerflich. Immerhin soll sie in der Zukunft unsere Präsidentin werden.“, meint der Senator von Euphe zustimmend. „Zu einem guten Politiker gehört allerdings auch Disziplin und Diplomatie, daran scheint es unserer Prinzipessa noch ein wenig zu mangeln.“, fügte er lächelnd hinzu.

„Ihr sagt Disziplin, ich sage Duckmäuser. Ihr sagt Diplomatie, ich sage Hinterlist.“, meint Galaxia kühl.

„Galaxia.“, mahnt die Präsidentin. Harkon aber lacht nur.

„Offenbar hat diese Senshi-Lehrerin eurer Tochter einige Anti-Autoritäre Flausen in den Kopf gesetzt.“, bemerkt Harkon, der sich offensichtlich leicht auf den Schlips getreten fühlte. Aber niemand beleidigte Papyllon in Galaxia’s Gegenwart. Sie wand sich dem feisten Senator kühl zu.

„Ihr sagt Anti-autoritär, ich sage demokratisch.“

„Der Senat ist die demokratische Instanz dieser Allianz.“, korrigiert die Präsidentin.

„Ah. Wie viele Volksentscheide gab es denn in den Systemen jüngst, wenn es um Senatsbeschlüsse ging?“, hakt Galaxia nach. Wieder gefolgt von peinlichem Schweigen. „Das dachte ich mir…“

„Na, jedenfalls ist es gut, das ich jetzt hier bin und der Prinzipessa ein wenig Ordnung beibringe.“, meint schließlich Harkon. Galaxia sah wie sein Sohn leicht das Gesicht verzog. Als bemitleide er sie dafür, dass sie nun auch diese Schule besuchen musste.

Schließlich legte sie die grüne Serviette beiseite.

„Mutter, ich fühle mich erschöpft, bin ich wohl von den nächsten Gängen entschuldigt?“, fragt sie höflich. Die Präsidentin sah empört auf.

„Galaxia, reiß dich zusammen!“, zischt sie.

„Du bist ein wenig blass, Kleines. Schnapp etwas frische Luft.“, lenkt ihr Vater jedoch ein. Dann zwinkert er. „Ich bringe dir den Nachtisch auf dein Gemach.“

Galaxia lächelt schwach, erhebt sich formvollendet und neigt das Haupt leicht zu den Gästen, die sich alle erhoben hatten aus Respekt vor der Prinzipessa. Sie alle verneigten sich und Galaxia verließ den Saal. Sie eilte den Korridor entlang, wo milder Wind schon wehte je näher sie den Palastgärten kam. Dann endlich trat sie hinaus in die ruhige, milde Nacht, sternenklar war der Himmel, die zwei Monde standen prall am Himmel wie die großen Augen einer Eule, die irgendwo im Garten leise murmelte. Galaxia öffnete die Riemchen ihrer grünen Lackschuhe und zog sie aus, öffnete die Schnüre der Korsage und ließ auch diese Fallen, wodurch ihr grünes Kleid ein wenig außer Form fiel. Sie zog die vielen Nadeln aus ihrem Haar und den Zierrat, der aus Blumen und Perlennetzen bestand. Ihr war als hätte das alles ihre Lunge eingeschnürt und endlich konnte sie wieder frei atmen. Sie fieberte, das spürte sie, ihre Stirn war buchstäblich in Flammen, sie hatte Kopfschmerzen und das Gefühl als wären all ihre Muskeln zum zerreißen gespannt, die Nervenenden lagen blank, ihre Haut schien zu brennen. Sie lief über das weiche Gras, spürte die einzelnen Halme zwischen ihren Zehen, den milden Herbstwind in ihrem Haar. Herbst schon. Wie lange war Papyllon schon fort?

Sie spazierte eine gute Stunde durch den Garten bevor sie schließlich an die Stallungen kam. Dort war es schon still, die meisten Pferde schliefen fest, der Stallmeister saß noch draußen an einem Tisch, rauchte eine Zigarre und trank ein Glas braunen Alkohol. Seine Haut war gegerbt von der Sonne, er roch nach Heu und Rauch aber hatte noch immer das fröhliche Blitzen das sie kannte in seinen Augen.

„Ah, Prinzipessa. Ihr seid aber spät noch draußen. Gibt die Präsidentin nichts einen Empfang?“, fragt er und nickt hinüber zum Zentralpalast, wo Scheinwerfer in den Himmel strahlten und Musik hinüber wehte. Dort feierten der Senat und die Gäste die Taufe der Zwillinge.

„Schon.“, meint Galaxia leise. Der Stallmeister legte die Zigarre in einer Metallschale ab.

„Ihr seht aus als bedrückt euch etwas? Darf ich euch eine Empfehlung machen?“, fragt er. Galaxia nickt und der Stallmeister kommt näher. Im Verschwörerton fuhr er fort. „Aber kein Wort zu eurer Mutter.“

„Kein Piep.“, bestätigt Galaxia. Der Stallmeister grinst.

„Astra ist auch noch wach. Und ich bin sicher sie würde sich über einen kleinen Ausritt freuen.“, flüstert er. Galaxia kichert aufgeregt. Sie betraten die Stelle, taten so als würden sie etwas streng Verbotenes tun. Was sie auch taten, aber dennoch war es nur ein Spiel für beide. Die königlichen Ställe waren größer als so manches Eigenheim in Zero City. Es gab an die dreihundert Boxen, geräumig und ordentlich, für die gestriegelten und gepflegten Pferde der Palastgarde. Sie waren fast alle tiefschwarze Hengste, wunderschöne Geschöpfe, groß und schlank. Es gab ein paar Fleckige, kleinere Pferde, ein paar Ponys. Und Astra. Astra war eine schneeweiße Stute mit seidiger Mähne, kurzen aber starken Beinen und großen, dunklen liebevollen Augen. Als Lieblingspferd der Prinzipessa hatten sie und die kleine Starlight besonders schöne Boxen. Starlight schlief bereits tief und fest, Astra lief noch auf und ab in ihrer Box, wieherte leise als sie den Stallmeister und Galaxia näher kommen sah. Er öffnete die Tür und Galaxia trat ein. Die schöne Astra kam näher und neigte den Kopf hinunter zu Galaxia, um sich streicheln zu lassen.

„Hallo Schöne…“ meint sie leise. Der Stallmeister bereitete schon den Sattel vor, einen sehr leichten, mit nur leichtem Zaumzeug – mehr um Galaxia Halt zu geben als um Astra unter Kontrolle zu halten. Er wusste die Prinzipessa war eine formidable Reiterin und besonders Astra lag völlig auf einer Welle. Die Stute betrachtete Galaxia als ein Teil ihrer Familie seit das Mädchen bei der Geburt von Starlight geholfen hatte. Kaum war sie gesattelt war Galaxia auch schon auf den Rücken ihrer Stute geklettert.

„Seht aber zu das ihr in einer Stunde wieder hier seid.“, mahnt der Stallmeister.

„Versprochen.“, meint Galaxia nickend. Der Stallmeister legt der Prinzipessa einen schweren, warmen Reiterumhang über und öffnet die Stalltür. Galaxia, die niemals die Sporen geben würde und auch jetzt mit nackten Füßen in ihren Steigbügeln stand, lehnte sich vor und flüsterte ihrer Stute etwas ins Ohr. Und schon trabte Astra los. Gemütlich zum Ausgang des Stalles und fiel dort in einen schnelleren Schritt, kurz darauf in den Galopp, der Stallmeister sah zu wie sie auf den weiten Ebenen um den Palast verschwanden. Der Zentralpalast von Zero lag weit außerhalb der Stadt auf den weiten grünen Ebenen. Im Süden lag die Stadt, im Norden die Weiten, dann Wälder, Berge und Schluchten. Die nördliche Hemisphäre des Zentralplaneten war weitestgehend unwirtlich – es gab vulkanische Regionen, stürmische Gebirgsketten, tobende Meere und Wälder in denen wer weiß was hauste. Sie wusste dass sie dort nicht hin durfte. Sie ritt eine weite Runde zum Rand der Wälder. Und dort sah sie den Schatten. Hinter sich, ein schnelles, schwarzes Pferd, sicher einer der Hengste aus den Palastställen. Er holte schnell auf. Aber Galaxia hatte nicht die Absicht, sich einfangen zu lassen. Schon gar nicht von der Garde. Sie schmiegte sich eng an den starken Nacken ihrer Stute, die sich fast stromlinienförmig streckte und so schnell wurde das der Wind fast schnitt. Doch der andere Reiter ließ nicht locker, kam näher, langsam aber stetig. Und war schließlich fast gleichauf, sodass er ihr in die Zügel greifen konnte. Sie wollte lenken, doch der Reiter zog die Zügel herum, Astra war irritiert und zog abrupt herüber. Der schwarze Hengst war so überrascht davon, dass er stolperte und samt Reiter in den Staub stürzte. Galaxia gewann die Kontrolle zurück und wollte weiter reiten, aber schließlich lenkte sie ein und kehrte zu dem gestürzten Reiter zurück. Langsam blieb sie bei ihm stehen, sah hinunter. Und erkannte, dass es kein Mitglied der Garde war. Es war ein blasser, dünner Junge mit wirrem dunklem Haar. Lucien Harkon, Der Sohn des Barons.

„Was soll das?! Warum folgst du mir?!“, fragt Galaxia aufgebracht.

„Ich konnte euch nicht einfach wegrennen lassen.“, murrt der Junge und setzt sich auf. Beide knie waren aufgeschürft, ebenso eine Handfläche und sein Kinn. Galaxia schnaubt und steigt hinunter von Astras Rücken. Sie zog ein kleines Messer aus ihrer Satteltasche und schnitt damit streifen vom Saum ihres Rockes. Dann setzt sie sich zu dem Jungen und verbindet seine Hand vorsichtig.

„Ich wollte nicht wegrennen.“, murrt sie.

„Warum reitet ihr dann mitten in der Nacht als wäre der Teufel hinter euch her?“, hakt Lucien nach.

„Ich musste den Kopf frei kriegen.“, meint Galaxia schwach. Obwohl es schon stimme. Sie war weggerannt. Aber mit der vollen Absicht, auch wieder zurück zu rennen. Sie konnte doch nicht Astra von ihrer kleinen Starlight trennen.

„Ich verstehe, dass ihr unter Druck steht. Man erwartet viel von euch. Aber ihr könnt nicht einfach gehen. Ihr werdet gebraucht.“, meint Lucien, seine Stirn in ernste Falten gelegt. Galaxia sah auf. Es war ihm völlig ernst. Also wurde auch sie ernst. Und ein wenig defensiv.

„Du hast keine Ahnung von meinem Leben. Tu nicht so als wüsstest du, irgendwas davon wie schwer es ist.“, schnappt sie.

„Ihr habt meinen Vater gesehen.“, meint Lucien kurz angebunden.

„Und du hast keine Ahnung wie es ist, die Tochter der Präsidentin zu sein. Du hast keine Ahnung wie es sich anfühlt immer wie eine Enttäuschung angesehen zu werden.“

Einen Augenblick saßen sie schweigend auf dem staubigen Boden, die Pferde bei einer nahen Grasstelle, verstanden sich prächtig. Nach einem langen schweigen fing Lucien schließlich die Hand der Prinzipessa, die noch immer dabei war, seine Hand zu verbinden (sie war darin nicht besonders gut, aber tat ihr Bestes).

„Ihr seid keine Enttäuschung. Niemand denkt das von euch. Alle glauben an euch, alle glauben das ihr eine großartige Präsidentin sein werdet.“, meint er. Galaxia schnaubte. Er aber lächelte. „Das einzige was euch zurückhält, Prinzipessa… seid ihr selbst.“

„Schlauberger.“, murrt Galaxia.

„Ihr seid einsam, oder nicht?“, fragt er leise. Sie sah auf. Wollte eigentlich wütend werden über eine solche Aussage. Aber als sie einen völlig ernsten, fast besorgten Gesichtsausdruck sah blieb ihr der Ärger im Hals stecken. Er hatte Recht. Sie war entsetzlich einsam. Papyllon war die einzige Freundin gewesen, die sie hatte. Sie kannte keine anderen Kinder ihres Alters und die Bediensteten des Palastes behandelten sie natürlich mit gewisser Distanz. Wirkliche Freunde… hatte sie keine. Mit Ausnahme vielleicht des Stallmeisters. „Ihr habt niemanden?“

Langsam, ganz langsam schüttelte sie den Kopf. Lucien lehnt sich vor und legt ihr die unverletzte Hand auf die Wange. „Ich weiß, wie sich das anfühlt. Aber ihr könnt nicht aufgeben, nicht innehalten, Ihr werdet gebraucht.“

„Das sagt sich so leicht.“, murrt Galaxia. Lucien lächelt.

„Ihr seid nicht mehr allein. Ihr habt einen Freund. Mich.“, meint er überzeugt. Galaxia zögerte einen Moment, dann rang sie sich ein Lächeln ab und nickt. Ein Wildfremder, der sich genug dafür Interessierte was geschah um ein Pferd zu stehlen und sie einzuholen. Und genau das sprach er auch mit einem Grinsen aus.

„Hey, wir haben schließlich schon zusammen Pferde gestohlen. Wie viel enger kann eine Freundschaft noch werden?“, meint er grinsend. Galaxia lacht ein wenig verzweifelt, als wollte sie eigentlich weinen. Und sehr zu ihrer Überraschung rückte Lucien näher und umarmte sie. Eine Nähe die sich die meisten nicht wagten. Zu viele fürchteten ihre Mutter oder hatten Respekt oder fanden sie seltsam. Nichts davon schien Lucien zu irritieren. Sie saßen lange so, Arm in Arm, er streichelte ihr Haar und Galaxia versuchte zu verbergen, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, aber er wusste es. Er schwor sich das niemals jemandem zu erzählen.

Als die Pferde plötzlich abrupt aufsahen und die Ohren alarmiert anlegten wichen die beiden auseinander.

„Was ist los, Astra?“, fragt Galaxia besorgt.

„Was ist das da?“, fragt Lucien und deutet auf eine… keiner von beiden vermochte so wirklich es zu benennen. Aus den Ebenen rollte eine dunkle Wolke an, ein tiefes Grollen aus ihrem Innern, wie Donner, und rote Blitze zuckten in ihrem Innern. Heißer Wind wehte die Wolke voran, so heftig das sie nach Luft schnappten. Lucien sprang auf und zog Galaxia auf die Füße.

„Wir müssen weg!!“

„Astra!!“, rief die Prinzipessa. Ihre Stute sprang zur Stelle, Galaxia schwang sich auf ihren Rücken, Lucien auf seinen schwarzen Hengst und sie galoppierten. Die Lichter des Palastes waren weit entfernt und die dunkle Wolke schien an Geschwindigkeit aufzunehmen, brüllte hungrig als wollte sie die beiden unbedingt verschlingen.

Galaxia sah zurück. Und sah noch wie sich die Dunkelheit über ihnen auftürmte und dann krachend über sie ein brach. Sie waren augenblicklich in tiefste Finsternis gehüllt, nur zerrissen von roten Blitzen. Astra scheute panisch, Galaxia wurde von ihrem Rücken geschleudert und fiel in etwas. Sie sah auf, sah eine Monstrosität aus Dunkelheit, schwarze Klauen schlossen sich um ihre Arme und ein riesiges schwarzes Maul riss auf, schwarze Zähne aus Dunkelheit entblößt und rot glühende Augen. Galaxia schrie auf und gerade da tauchte Lucien auf, sein Hengst trat die Bestie, die in dunklen Rauch zerplatzte. Lucien zog die Prinzipessa auf das Pferd vor sich und riss die Zügel herum. Sie mussten fliehen. Doch im nächsten Moment spritzte Blut und der Hengst sackte unter ihnen zusammen. Lucien und Galaxia stürzten hart auf den Boden, wichen schockiert von dem zerfetzten Körper des Pferdes zurück. Die schwarze Kreatur baute sich vor ihnen auf, umzuckt von roten Blitzen, die nur gelegentlich überhaupt die Situation erhellten. Es herrschten grässliche Geräusche, wildes Brüllen und Toben. Lucien hatte Galaxia fest in die Arme geschlossen und war ziemlich sicher sie würden hier sterben. Die Bestie griff an, er stieß die Prinzipessa fort und wurde mit voller Wucht von der Klaue getroffen, Blut spritzte und Lucien sackte leblos zusammen. Galaxia schrie auf, hörte sich selbst seinen Namen schreien als sie an seine Seite stürzte. Sie drehte ihn auf den Rücken. Die rechte Hälfte seines Gesichts war völlig zerfetzt, aber er atmete. Wieder und wieder sagte sie seinen Namen, fast schon wie ein Gebet. Und fand sich wieder im Schatten der Kreatur. Sie sah die langen Krallen auf sie niederschnellen. Dann ein weißer Blitz, ein kläglicher Schrei. Blut spritzte in ihr Gesicht und sie konnte doch nicht wegsehen als Astra zusammensackte. Reglos lag das weiße Pferd vor ihr, langsam färbte sich alles um sie rot vom Blut.

Irgendetwas in Galaxia war in diesem Moment zersprungen. Vielleicht eine Kette die etwas beschützen sollte. Aber was genau das war wusste sie da noch nicht. Es ging alles so schnell. Sie hatte das Gefühl als würde sie von innen heraus in Flammen stehen und war plötzlich umgeben von einem so hellen Licht das nicht einmal Geräusche oder Zeit hindurch dringen konnten. Die schwarze Schattenkreatur brüllte auf als sie spektakulär in Rauchschwaden zerfetzt wurde, die dunkle Wölke löste sich wie ein Schwarm Insekten auf. Das Licht um Galaxia implodierte in einer Schock-artigen Energiewelle, fegte über den Planeten, legte alle Systeme in der Stadt lahm. Doch davon bekam Galaxia nichts mehr mit. Sie war zu diesem Zeitpunkt schon bewusstlos neben Lucien zusammen gebrochen…
 

Sie blinzelte benommen und irritiert. Desorientiert. Sie war umgeben von Licht und lag auf einem weichen Bett. Erst nach einem Moment erkannte sie das Bett und den Raum. Ihr Schlafgemach im Palais. Die Fenster standen offen, Sonnenlicht und milder Wind spielten mit den leichten, weißen Gardinentüchern. Sie wand den Kopf und sah in einem Sessel ihren Vater sitzen, leicht am dösen.

„Vater…“, flüstert sie. Augenblicklich war der Hohepriester aufgesprungen und hinüber gesaust an ihre Bettkante, wo er sich setzte und ihre Hand nahm.

„Galaxia… Glühwürmchen… du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt…“, meint er lächelnd. Es war abgerungen, das konnte sie sehen. Er sah müde aus – blass und mit schatten unter den Augen, hatte sich wohl schon seit ein paar Tagen den Kopf nicht mehr rasiert denn darauf hatte er einen dünnborstigen roten Haarflaum.

„Was ist passiert?“, fragt Galaxia leise. Sie erinnerte sich an kaum etwas. Nur an… Astra.

„Du warst weggelaufen, wir wussten nicht wo du warst. Und dann… gab es einen gewaltigen Energiestoß. Die ganze Elektronik von Zero war schlagartig abgestürzt, es war heilloses Cha-“, er zögerte, dann änderte er die Formulierung. „Es war Tohuwabohu. Als wir alles notdürftig wieder hergestellt hatten haben wir die Quelle des Elektromagnetischen Impulses triangulieren lassen. Und dort haben wir dich gefunden.“

Galaxia hört schweigend zu, Energie Impuls… elektromagnetisch… lahm gelegte Geräte… Sie erinnerte sich an die schwarze Wolke. Und dann schnappte sie nach Luft.

„Lucien!“, keucht sie schockiert auf.

„Es geht ihm gut. Er hing an einem dünnen Fädchen, aber er ist wieder auf den Beinen. Nur…“

Noch bevor der Hohepriester ausreden konnte wurde die Tür zu ihrem Gemach geöffnet und eine Zofe ließ den Jungen herein. Er hatte einen Arm in einer Schlinge, eine Hand im Gips und die rechte Hälfte seines Gesichtes war aufwendig bandagiert. Aber er lächelte und in seinen blauen Augen lag große Erleichterung.

„Morgen.“, grüßt er und kommt näher. Der Hohepriester machte etwas Platz während Galaxia sich mühsam aufsetzte. Sie hatte kaum Kraft, nur Wille.

„Lucien…“, flüstert sie, als der malträtierte Junge sich auf die Bettkante setzt. Sie hob zögerlich die Hand und legte sie auf seine verbundene Wange.

„Es tut mir so leid… das ist alles meine Schuld…“, flüstert sie, schluchzte, kämpfte gegen bittere Tränen in ihrer Kehle. Aber Lucien lächelte nur und nahm ihre Hand.

„Mein Gesicht für dein Herz. Das finde ich fair.“, meint er. Galaxia war einen Moment völlig perplex. Dann aber machte sie einen Satz nach Vorne und hatte ihn fest umarmt. Er schloss die müden Augen und erwiderte die Umarmung. So saßen sie lange. Galaxia Noah Elyssian und Lucien von Harkon waren Freunde geworden.

Maraget

Die Stella verließ den Hyperraum wie immer abrupt. Papyllon spürte den plötzlichen Unterschied in Geschwindigkeit deutlich in der Magengrube – wie eine Faust. Es dauerte einen Moment bis das Flimmern nachließ und sie sahen was vor ihnen lag. Das Medea System wirkte ungewöhnlich still. Stille war etwas mit dem man leben lernte, wenn man durch das All reiste. Aber es gab zwei Arten von Stille, wie Papyllon festgestellt hatte. Die friedliche Stille, die herrschte wenn Alles gut war. Es war eine fröhliche Stille. Man sah flackernde Lichter auf Planeten hier und da ein Schiff. Und dann gab es die erstarrte Stille. Wenn alles kalt war und tot, wenn sich nichts mehr regte und man das Gefühl hatte etwas wartete in der Dunkelheit. Diese Stille die einem die feinen Härchen im Nacken sträubte.

Im Medea System herrschte diese unschöne Stille. Sie flogen verhältnismäßig langsam an Adria und Melat vorbei, beide Welten waren wie erstarrt. Es gab keine Farben mehr, kein Licht, kein Leben. Es waren nur noch zwei graue Felsbrocken im All.

Papyllon sah wie die Drohne über die Oberfläche flog und Messdaten zu Nyanko schickte. Als sie zurück zur technischen Leitung sah fand sie einen ungewöhnlichen Blick auf dem Gesicht der jungen Frau.

„Will ich es wissen?“, hakt Papyllon nach.

„Ich wollte Atmosphären-Messungen machen. Aber es geht nichts…“

„Was bedeutet das im Klartext?“, fragt Papyllon weiter.

„Das bedeutet im Klartext das weder Adria noch Melat eine Atmosphären haben. Sie sind tote Planeten. Quasi Satelliten.“, meint Nyanko ernst. Und wenn Nyanko ernst war bedeutete das schon einiges.

Die Gruppe lenkte ihre Aufmerksamkeit zu Maraget. Im Orbit des Planeten hing noch immer das Schiff von Medea und Thalea. Die Atmosphäre von Maraget war unruhig, seltsam farbige Sturmwolken schienen zu brodeln, wanderten über die Oberfläche. Die Drohne tauchte in die Wolken hinab und sendete Daten.

„Und, was haben wir?“, fragt Crow grimmig nach.

„Hm… scheint als haben wir toxische Stürme auf der Oberfläche aber außerhalb der Wolken scheint die Atmosphäre intakt.“

„Kannst du uns Video geben?“, fragt Papyllon. Nyanko nickt schwach und betätigt ein paar Schalter auf ihrer Konsole. Einen Augenblick später erschien eine Videoübertragung der Drohne auf den Monitoren. Sie flog über eine brache, zerklüftete Landschaft mit Schluchten auf deren Grund man Magma glimmen sah. Sie sahen am Horizont die Ruinen der Hauptstadt. Es gab ganze Felder von Nichts, wo nur zerfallene Skelette lagen, von Soldaten die erst kürzlich hier gefallen sein konnten, ihr Fleisch vermutlich zersetzt von dem Säureregen aus den giftigen Sturmwolken. „Grundgütiger…“, flüstert Papyllon.

„Der Planet ist völlig umstrukturiert. Es gibt kein Wasser, kein Grün, Sauerstoff hält sich in Grenzen… Leben kann auf dieser Oberfläche nicht lange erhalten bleiben.“, meint Nyanko kopfschüttelnd.

„Kannst du uns zeigen wo das Signalfeuer aufgestellt war?“

Nyanko nickt und lenkte die Drohne. Aber plötzlich zögert sie, die Brauen besorgt zusammen gezogen.

„Hmmmm…“, meint sie lang gezogen.

„Hmmmm?“ wiederholt Crow, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen.

„Ich kann die Drohne nicht mehr kontrollieren. Irgendwas muss die Fernsteuerung angegriffen haben. Vielleicht der Säureregen… obwohl sie eigentlich für solche Fälle konzipiert ist… Seltsam, seltsam…“

Papyllon wand sich ihrem eigenen Terminal zu und setzte den Kommunikator auf, sucht die Frequenzen ab, bis sie das Medea Schiff eingestellt hat.

„Star of Medea, hier spricht Papyllon von der Star of Zero. Bitte meldet euch.“, ruft sie. Jedes System der Allianz hatte ein Hauptschiff, die Stella war der Star of Zero, dieses Schiff, das im Orbit von Maraget lag, war die Shanti – oder die Star of Medea. Und von ihr kam keine Antwort. Papyllon wiederholt. „Star of Medea, hier ist die Star of Zero. Bitte antwortet.“

Nur rauschen am Ende der Leitung.

„Komm schon… komm schon…“, hörte sie Crow hinter sich flüstern.

„Shanti, bitte meldet euch.“, gibt Papyllon nachdrücklich durch. Nyanko sah auf.

„Meine Scanner sagen, dass die Shanti verlassen ist.“, meint sie leise. Und das war noch seltener als eine ernste Nyanko. Eine leise Nyanko war schlimm. Sehr schlimm. Papyllon stand ruckartig auf.

„Transportier mich da runter, ich muss wissen was da passiert ist.“

„Papyllon, wir haben keine Ahnung was da passiert ist. Vielleicht gab es einen Hüllenbruch und der Sauerstoff wurde aus dem Schiff gesaugt.“, mahnt Crow.

„Ich ziehe einen Anzug an. Und du kommst mit.“, meint Papyllon und drückt Crow einen Kommunikator in die Hand.

„Ich?!“

Papyllon nickt nur und marschiert von der Brücke. Crow seufzt und rollt die Augen. „Ich hasse solche Jobs…“
 

Verpackt in mehrfach isolierte und dennoch praktisch hautenge Raumanzüge, mit Schutzmasken und Helmen, materialisierten Papyllon und Crow an Bord der Shanti. Papyllon trug violett, Crow kupferrot. Beide hatten an den Oberarmen das Sternsymbol der Senshi angebracht. Ein aufrechter, fünfzackiger goldener Stern mit einer umgekehrten Pyramide darunter. Einige Senshi waren so loyal das sie sich dieses Symbol sogar auf die Haut tätowierten. In der Hand hielt Papyllon einen Scanner, mit dem sie die Umgebung analysierte und die Daten direkt an Nyanko schickte.

„Papyllon, hört ihr mich?“

„Laut und deutlich Nyanko.“, bestätigt Papyllon.

„Die Analyse zeigt Normalwerte.“, meint die technische Leitung.

„Normalwerte? Heißt das es ist sicher ohne Helm?“, hakt Crow nach. Aber Papyllon hatte schon die Sicherung ihres Helms gelöst und ihn abgesetzt, nahm den Schutz von Mund und Nase und atmete ein. Die Luft war sauber. Unverbraucht sogar. Sie wendet sich an Crow und nickt. Auch diese nimmt ihren Helm ab.

„Ja, ihr könnt die Helme abnehmen.“, kam Nyanko’s Antwort.

„Lass stecken. Haben wir schon.“, murmelt Crow mürrisch. Sie sah zu Papyllon. „Kannst du nächstes Mal mit so was warten bis Nyanko grünes Licht gibt?“

„Hatte sie.“, meint Papyllon mit einem Schulterzucken. Crow rollt die Augen. Langsam setzten die beiden sich in Bewegung, durchquerten die Kristallkorridore der Shanti, denen der Stella nicht unähnlich nur in kleineren Dimensionen. Die Shanti war ein deutlich kleineres Schiff, aus der M-Klasse wie die meisten Hauptschiffe kleinerer Systeme. A-Klasse waren die kleinsten Schiffe, eigentlich wirklich nur Transportschiffe oder Shuttles, dann gab es B, F, L, M, T für die Hauptschiffe größerer Systeme und die größte Klasse – die Stella – war ein X Schiff.

Sie erreichten die Brücke, dort sahen sie sich länger um.

„Okay… ich finde es irgendwie beunruhigend das niemand an Bord ist. Wo sind die alle in?“, fragt Crow grimmig. Papyllon war schon dabei das Log zu überprüfen.

„Die Rettungskapseln sind alle noch angedockt, es gab keine Evakuierung…“

„Es müssten doch mindestens 50 Crewmitglieder an Bord sein. Wenigstens Leichen müsste es geben, oder?“

„Eigentlich schon…“, murmelt Papyllon. Sie sah noch immer die Aufzeichnungen durch. „Es gab einen Großalarm… mehrere Decks wurden abgeriegelt… und dann hört es einfach auf. Es macht keinen Sinn…“

„Kannst du von hier auf das Signalfeuer zugreifen?“, erkundigt sich Crow. Papyllon zögerte einen Moment, dann schüttelt sie langsam den Kopf.

„Nein… der Link ist unterbrochen. Wir müssen auf die Oberfläche.“, meint sie grimmig. Dann sieht sie auf. „Nyanko, hol uns zurück auf die Stella.“

„Aye Chef.“, verkündet Nyanko. Nur wenige Augenblicke später standen sie wieder im Transportraum der Stella und zogen die Anzüge aus. Papyllon sauste auf die Brücke zum Bord-Kommunikator und linkte sich ein.

„Crew, hier spricht Papyllon. Ich will ein Team mit auf die Oberfläche von Maraget nehmen, wir werden das Signalfeuer bergen und eventuell Überlebende Evakuieren. Freiwillige auf die Brücke bitte.“

Nyanko wirbelte herum.

„Ähm… und was machen die Leute die auf der Brücke eh arbeiten? Muss ich auch mit runter?“, fragt sie alarmiert.

„Du bleibst hier, du bist unser Navigationssystem da unten. Crow-“

„Packt schon ihren Campingrucksack, falls es mal wieder länger dauert.“, murmelt Crow. Papyllon grinst. Crow nörgelte fiel, aber sie wusste wenn es darauf ankam konnte sie sich auf diese Senshi verlassen. Zu 200 Prozent. Es vergingen keine Zwei Minuten bis vier weitere Senshi auf der Brücke auftauchten, abgesprochen mit dem Rest der Crew als bester Stoßtrupp gewählt. Astera – wie Crow und Papyllon eines der ältesten Eisen der Flotte – und mit ihr Solaris, Proxima und Capricorn.

Astera war eine hoch gewachsene, athletisch muskulöse Frau mit langem, schwarzem Haar in einem Pferdeschwanz. Sie trug eine dunkelblaue Tunika über einer Schulter und eine weiße Brustpanzerung mit einem Schulterpanter geformt wie ein Flügel, dazu passende hohe, weiße Stiefel und die Tunika um die Taille mit einem breiten, goldenen Gürtel verschlossen. Ihr Kleidungsstil war typisch für die Senshi aus den Zentralsystemen. Ihr Matrosenkragen, verschlossen mit der goldenen Sternbrosche der Senshi Staffel, war ebenfalls dunkelblaue, ihr weißes Halsband hatte einen feinen silbernen Anhänger in Form eines geflügelten Herzens, passend zu ihren Ohrringen. Auch ihre Tiara war aus filigranem Silber mit einem dunkelblauen Herz mit kleinen weißen Flügeln.

Solaris war ein jüngerer Stern aber dennoch eine großartige Bereicherung für jedes Team. Sie war kleiner als Astera und etwas kräftiger mit rosiger Haut und Sommersprossen um die Nase, ihr langes Haar war feurig golden und fiel in wilden Locken fast bis zum Fußboden. Sie trug eine weiße Tunika mit einem breiten, goldenen Gürtel, goldener Spitze an den Ärmeln und am Saum, goldenem Matrosenkragen verziert mit weißer Spitze und ebenfalls verschlossen mit der Sternbrosche. Ihre weißen Gladiatorsandalen waren hochhackig und ebenfalls mit goldener Spitze verziert, um den Hals trug sie ein Band auf weißer Spitze mit einer goldenen Sonne, passende Ohrringe und einen Stirnstein in Form einer flammenden Sonne. Über ihren Kopf trug sie einen Schleier aus weißer Spitze. Sie führte einen langen, weißen Stab mit Porzellanverzierungen, Gold und rosigen Steinen, die Spitze war geformt wie eine flammende Sonne. Solaris war die Stern-Senshi eines neun Planeten starken, neu zur Allianz gestoßenen Systems dessen Senshi sich im Moment noch in der Akademie beweisen mussten. Sie war eine Ausnahme, denn als Stern war sie schon viel früher in der Staffel präsent gewesen. Und sie war so was wie Astera’s beste Freundin geworden, so unterschiedlich sie sein mochten.

Capricorn war, wie die meisten hier an Bord, schon lange in der Staffel, sie gehörte zum Inventar, jeder kannte sie, jeder mochte sie. Eine der quirligsten Senshi gleich nach Nyanko. Sie war eine große, dunkelhäutige Frau mit schneeweißem Haar, das sie in zwei Affenschaukeln geflochten hatte, verschlossen mit großen, hellgrünen Schleifen. Sie trug ein trägerloses, violettes Korsagenkleid mit einem aufgebauschten Faltenrock. Darunter kam violette Spitze zum Vorschein, die hellgelbe halterlose Seidenstrümpfe an Ort und Stelle hielt. Sie trug einfache violette Stiefeletten mit leichtem Absatz. Ihr violetter Matrosenkragen wurde mit einem silbernen Stern und einer großen, hellgrünen Schleife verschlossen und sie trug hohe, violette Handschuhe mit hellgrüner Spitze. Ihr Halsband war ebenfalls aus dieser hellgrünen Spitze, ihre Tiara einfach, silbern und mit einem blass grünen Stein.

Die letzte im Bunde – eine der Jüngsten gleich neben Solaris – war Proxima. Sie war eine aufgeweckte, etwas zu impulsive junge Senshi. Ähnlich wie die junge Solaris trug auch sie eine Tunika in hellem, schimmerndem Blau, eine Brustpanzerung mit Puffärmeln, weiße Hotpants unter der Tunika und hohe, weiße Stiefel. Ihre Handschuhe waren deutlich kürzer als die der anderen. Sie war eine blasse, zierliche Peron mit hellem Haar – ein leichter Blaustich darin. Sie hatte das Haar zu zwei großen, runden Polstern gesteckt, die an ein Stundenglas erinnerten, einzelne Korkenzieherlocken fielen zu ihren Schultern. Ihre Ohrringe hatten die Form eines Stundenglases um Sterne, sie trug eine weiße Blütentiara mit Silber und einem blauen Kristalltropfen.

„Das war schnell.“, gab Crow zu.

„Wir waren uns schnell einig.“, meint Astera mit einem Schulterzucken.

„Ich kann euch direkt zu dem Signalfeuer transportieren. Aber ihr müsst Anzüge tragen, so lass ich euch da nicht runter.“, mahnt Nyanko. Crow rollt die Augen.

„Wieder das Ding anziehen.“, seufzt sie.

„Gut, dann treffen wir uns in fünf Minuten im Transportraum in Schutzanzügen.“, ordert Papyllon. Die andere nicken grimmig entschlossen.

Und wie vereinbart trafen sie sich fünf Minuten später im Transportraum in ihren Anzügen. Astera – neben Nyanko eine der besten Technikerinnen an Bord – hatte einen Werkzeugkoffer mit einigem zusätzlichen Equipment dabei, während die anderen drei sich mit Waffen deutlich besser fühlten. Gerade noch versah Nyanko sie alle mit Messgeräten, um ihre Vitalfunktionen zu überwachen.

„Wenn es haarig wird holst du uns da raus, ist das klar?“, fragt Papyllon.

„Glasklar.“, meint Nyanko ernst nickend. Dann aktivierte sie das Transportsystem. Die fünf Senshi standen beisammen als sie von Licht eingehüllt wurden, gleich darauf waren sie verschwunden. Nyanko seufzt besorgt und eilt auf die Brücke zurück. Dort stöpselt sie ihren Kommunikator ein und öffnet mehrere Bildschirme mit den Vitalfunktionen ihrer Gefährtinnen. „Papyllon, hört ihr mich da unten?“, fragt sie in den Kommunikator.

„Laut und deutlich, Nyanko.“, kam Papyllon’s Antwort. Das Team war sicher auf der Oberfläche von Maraget angekommen. Und es sah hier unten genau so unschön aus, wie es aus dem All gewirkt hatte. Über ihnen grollten dunkle Wolken mit seltsamen, farblichen Schattierungen, die Gebirge waren zerklüftet und wirkten bedrohlich. In der Ferne, jenseits der Ebenen, konnten sie die Ruinen der Hauptstadt ausmachen. Astera wand sich um und ging neben dem Signalfeuer in die Hocke. Das Gerät an sich schien intakt, nur leicht beschädigt.

„Ich kann das reparieren… das sollte gehen…“, murmelt sie.

„Gut, geh an die Arbeit.“, meint Crow nickend.

„War die Black Box aktiviert?“, erkundigt sich Papyllon. Astera werkelte ein wenig an dem Signalfeuer herum, dann nickt sie leicht.

„Sieht so aus… Ich versuche es abzuspielen, vielleicht gibt uns das eine Idee davon was hier passiert ist.“

Die anderen nicken und warteten dann angespannt auf Ergebnisse, darauf das Astera ihnen irgendwas zeigte. Während sie warteten wechselten sie sich mit der Wache ab, es vergingen fast zwei Stunden bis Astera die Aufzeichnung zum abspielen brachte. Auf dem Plateau vor ihnen erschienen lebensechte Hologramme. Direkt bei dem Signalfeuer erkannten sie Thalea und Medea, letztere starrte auf etwas am Rand des Plateaus, offenbar noch nicht in der Aufnahme. Die Sprachaufzeichnung war brüchig, sie konnten kaum verstehen was Medea sagte als ihre Lippen sich zu bewegen begannen. Aber eines versanden sie deutlich.

„Maraget. Sagte sie Maraget?“, hakt Crow nach. Und noch während sie das fragte tauchten die anderen drei auf dem Plateau auf. Doch Maraget, Adria und Melat waren nicht mehr die Senshi, die man hier kannte. Irgendetwas hatte sich verändert. Zum Schlechten. Sie sahen Medea mit Maraget diskutieren, und dann wurden Angriffe vorbereitet. Medea fragte Thalea ob die Aufzeichnung lief. Diese nickte. Denn das würde ihr letztes Testament sein. Es gab eine gewaltige Explosion, die Aufzeichnung riss ab.

„Was war das verdammt?“, fragt Astera, die zurück gestolpert war.

„Maraget… völlig durchgedreht…“, murrt Crow.

„Senshi sind untrennbar mit ihren Sternen verbunden. Wenn diese Welt so verzerrt ist… liegt das vielleicht an dem was Maraget passiert ist.“, meint Solaris ernst.

„Aber woran könnte sie so durchdrehen? Ich meine, wir reden ja hier nicht von mildem Wahnsinn sondern von‘nem ausgewachsenen Fall von völlig durchgedrehtem Völkermörder.“, meint Capricorn kopfschüttelnd. Die anderen schwiegen besorgniserregend.

„Ich speichere das, dann können wir es später genau analysieren.“, schlägt Astera vor und war schon dabei die Aufzeichnung auf eine kleine Memorydisc zu kopieren. Papyllon starrte schweigend ins Tal, in die Ferne.

„Es sieht nicht so aus als gäbe es hier irgendwas zu retten, Papyllon. Wir sollten einfach zurück gehen.“, meint Crow kopfschüttelnd.

„Ich will in die Hauptstadt. Wenn es irgendwo Überlebende gibt, dann dort.“, meint Papyllon grimmig. Crow wollte protestieren. Es gab keine Überlebenden, das wussten sie alle. Aber Papyllon würde keine Ruhe finden wenn sie es nicht mindestens versuchte. Sie würde sich niemals verzeihen wenn sie später erfuhr das sie jemanden zurück gelassen hatte, dass irgendjemand sich Monatelang auf dieser toten Welt durchgeschlagen hatte um dann doch zurückgelassen zu werden und kläglich zu verenden. Also kam anstelle von Protest nur ein leichtes Nicken von Crow.

„Okay.“

„Ich ziehe einen Sicherheitsbereich um das Signalfeuer und hol euch dann ein.“, meint Astera. Papyllon nickt und führt die Gruppe den Pfad entlang hinunter auf die Ebenen. Astera blieb zurück und installierte fünf kleine Pfeiler um das Signalfeuer. Sie synchronisiert die Frequenzen und aktiviert den Bereich. Dunkelblau leuchtende Lichtstrahlen verbanden die einzelnen Pfeiler augenblicklich und formten einen fünfzackigen Stern. „Nyanko, kannst du das sehen?“

„Deutlich, Astera.“, bestätigt Nyanko über den Kommunikator.

„Super. Kannst du mir die Koordinaten der anderen durchgeben?“

Es dauerte nur einen kleinen Augenblick dann erhielt sie eine kleine Karte auf dem Display ihres Navigationssystems, darauf blinkte ein roter Punkt und gab die Position der übrigen vier Senshi an. Astera nickt, nimmt ihren Koffer, schultert ihn mit den Gurten und eilt dann den Pfad hinunter, dem auch ihre Gefährtinnen gefolgt waren. Sie erreichte die Gruppe auf den Ebenen und schloss sich der Formation an. Nur einen Moment später rief Nyanko die Gruppe. Papyllon antwortete.

„Was?“

„Ein Schiff ist gerade im Orbit aufgetaucht. Die Star of Cassiopeia. Sie wollen Unterstützung runter zu euch schicken, wenn du dein okay gibst.“, erklärt Nyanko.

„Hm… im Moment scheint hier alles unter Kontrolle. Aber wir werden ein Signalfeuer in der Hauptstadt aufstellen, dort können sie hinkommen, wenn sie unbedingt helfen wollen.“, schlägt Papyllon vor.

„Okay, das geb ich dann so weiter. Nyanko Over.“

Danach herrschte Funkstille. Die Gruppe marschierte in aufmerksamem Schweigen über die Ebenen. Der Weg war gepflastert mit Knochen, die Landschaft noch zerklüftet von Schützengräben, Bomben und anderen Explosionen. Als hätte eine grässliche Kraft hier getobt und alles kurz und klein geschlagen.

„Sieht aus als geht die Sonne unter…“, murmelt Astera nach einer Weile.

„Wie viele Sonnenstunden hat Maraget?“, erkundigt sich Papyllon. Crow sah auf das Display ihres Navigationsgeräts.

„Vierundvierzig, glaube ich. Zwanzig-und Nachtstunden. Aber nachts werden die Stürme schlimmer, also sollten wir dann nicht so viel unterwegs sein. Evakuierungen sollten nachts unmöglich sein.“, berichtet Crow. Capricorn zog skeptisch eine Braue hoch.

„Ha… ja, wow, vielleicht hätten wir das mal vorher geklärt…

Proxima grinste nur.

„Angst?“

„Nein!“, protestiert Capricorn. „Nur keine Todessehnsucht wirklich…“

„Wir werden einen Sicherheitsbereich installieren und die Nacht aussitzen wenn nötig.“, erklärt Papyllon. Die anderen nicken schwach. Als Papyllon wieder aufsah war die Stadt deutlich näher. Nur wenig später überquerten sie die Grenzen. Die Stadt war verlassen und zerstört, die Gebäude nur noch Gerüste, Schatten ihrer selbst. Jeder Schritt hallte durch die unheimliche Stille.

„Kann irgendjemand mal irgendwas sagen? Ich bin total nervös.“, schnaubt Capricorn, die ständig hin und her sah, immerzu damit rechnete irgendetwas würde attackieren.

„Ich hab mal so einen Film gesehen. Ne Gruppe Leute Strandes auf einem feindseligen Planeten wie diesem hier und in der Nacht tauchen hungrige Monster auf und metzeln einen nach dem anderen nieder.“, verkündet Proxima mit einem fröhlichen Grinsen. Capricorn wirft die Hände in die Luft.

„Oh, ehrlich, warum würdest du sowas jetzt erzählen!!“, schnaubt sie. Proxima kichert ein böses, kleines Kichern – worauf Capricorn sie in die Seite kneift.

„Ladies, konzentriert euch bitte?“, mahnt Papyllon mit einem Blick über die Schulter. Proxima und Capricorn machten je einen Satz, strafften die Schultern und wurden ein wenig rot um die Nasen.

„Ja Mistress…“, murmeln beide ein wenig beschämt. Aber das hielt nur so lange bis Papyllon wieder nach vorne sah. Dann schon war Proxima damit beschäftigt, ihre Freundin an den Affenschaukeln zu ziehen, worauf Capricorn eine Grimasse Schnitt. Crow rollt die Augen.

„Kindergarten…“, murmelt sie kopfschüttelnd. Papyllon konnte sich ein wenig kichern nicht verkneifen. Sehr viel anders waren sie – Crow, Astera und Papyllon – früher auch nicht gewesen.

„Was ist das auch für eine Aussage? Zwanzig-und Nachtstunden? Das kann ja alles zwischen 21 und 29 sein.“

„Genau.“, bestätigt Crow nickend. Astera wollte gerade weiter protestierten da schnitt ihr Papyllon schon das Wort ab.

„Maraget hat einen unregelmäßigen planetaren Zyklus. Vermutlich wird sich das erst innerhalb der nächsten fünf- oder sechshundert Jahre stabilisieren.“, erklärt sie.

„Ah, okay… macht Sinn…“, murmelt Astera. Crow aber hatte die Stirn in Falten gelegt. Sorgenfalten.

„Ich frage mich…“

„Du fragst dich?“, hakt Papyllon nach. Crow aber antwortete nicht. Sie sah nur vielsagend zu ihrer Generälin. Nach einem Moment nickt Papyllon. „Maraget ist verdammt nah an der Grenze. Einer der entferntesten Planeten überhaupt, wenn ich mich nicht irre…“

„Genau.“, meint Crow grimmig. Papyllon nickt, ebenso grimmig.

„Ähm… verwirrte Senshi, bitte melden.“, meint Capricorn und hebt den Arm. Auch Proxima‘s Arm schoss augenblicklich in die Höhe und Solaris gab sich die seltene Blöße.

„Tripolis.“, murmelt Papyllon nur. Das ließ einige nach Luft schnappen. Sogar Capricorn.

„Was? Was ist Tripolis?!“, fragt Proxima aufgebracht.

„Ihr seid zu jung um euch daran zu erinnern, das war noch vor dem Andromeda Unglück. Tripolis war ein System sehr nah an der Grenze, ähnlich wie hier. Aus heiterem Himmel brach der Kontakt ab. Wir sind mit einem Aufklärungstrupp dort raus geflogen… und fanden niemanden… Ein paar Jahre später ist der Stern kollabiert und die drei Planeten wurden völlig zerstört.“, erklärt Crow grimmig. Solaris legt schockiert die Hände über die Lippen und schüttelt den Kopf.

„Schrecklich…“, flüstert sie.

„Was ist da passiert, was hat das ausgelöst?“, hakt Proxima nach.

„Chaos.“

Papyllon hatte das Wort einfach in die Runde geworfen. Was sie damit auslöste wusste sie. Chaos war etwas, das man nicht laut aussprach. Es war die Urangst, das große, unbekannte Böse, das hinter den Grenzen der Galaxis lauerte. Aber es war besiegt worden, vor langer, langer Zeit. In einer Zeit an die sich nur noch wenige der ältesten Sterne erinnerten.

„Chaos?“, wiederholt Proxima. „Wie in… Die Finsternis der Ersten Stunde, Chaos?“

„Wir dachten wir hätten es besiegt…“, murmelt Crow.

„Das war dumm von uns. Es war nur eine Frage der Zeit bis es zurückkehren würde… Ich hatte nur gehofft wir hätten mehr… mehr Zeit…“, murmelt Papyllon kopfschüttelnd. Crow legt ihr eine Hand auf die Schulter.

„Mehr Zeit um die Prinzipessa vorzubereiten?“

Papyllon schüttelt den Kopf.

„Sie ist noch so jung… ihr Stern ist noch viel zu groß für sie… sie braucht mehr Zeit…“, murmelt Papyllon. Das war immer ihre größte Angst gewesen. Seit sie das Mädchen kannte. Papyllon wusste, wie alle Senshi, das Galaxia etwas Besonderes war. Als sie geboren worden war… etwas war an diesem Tag mit den Sternen passiert. Es war als würden sie alle zu ihr hingezogen werden. Sie würde die Senshi einen, wie es nie zuvor gewesen war. Aber noch war sie ein Kind, noch war sie so unglaublich weit davon entfernt diese große Anführerin zu werden. Und sie wusste, wenn Chaos herausfand das sie geboren war, es würde alles versuchen um dieses Licht im Keim zu ersticken.

„Sie wird bereit sein, Papyllon. Wenn sie gebraucht wird, wenn es soweit ist, wird sie bereit sein. Jetzt ist unsere Aufgabe herauszufinden was hier passiert ist. Um die Prinzipessa können wir uns später kümmern.“

„Wir haben den großen Vorteil das Medea und Thalea das Signalfeuer so schnell aufstellen konnten. Bei Andromeda und Tripolis hat es uns viel mehr Zeit gekostet, es rauszufinden. Dieses Mal ist alles noch frisch. Vielleicht können wir wertvolle Informationen über Chaos‘ Plan sammeln, bevor Maraget zusammenbricht.“, meint Astera nickend.

„Frisch ist ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Die Trümmer hier dampfen ja praktisch noch...“, murrt Capricorn.

„Dort.“

Papyllon wies auf einen zentralen, erhaben gelegenen Platz, der Palast gleich dort gelegen. Die Gruppe schätzte die Lage ab, jede still für sich, dann nicken sie.

„Zentral. Und wir können die Stadt überblicken.“, meint Crow nickend.

„Crow, installier einen Sicherheitsbereich. Astera, bau ein Signalfeuer auf. Nyanko!“, meint Crow und trat in Kontakt mit dem Schiff.

„Ja?“, fragt Nyanko am anderen Ende der Leitung.

„Wir sind auf dem zentralen Platz vor dem Palast, Astera wird ein Feuer aufrichten. Sag der Star of Cassiopeia wenn sie uns Unterstützung schicken wollen sollen sie es machen bevor die Sonne untergeht.“

„Betrachte es als erledigt!“, verkündet Nyanko, Papyllon sah sie fast salutieren. Und so begannen die fünf Senshi die Nacht auf dem feindseligen Planeten vorzubereiten. Noch hatten sie keine Vorstellung davon, wie feindselig…
 

Die Sonne war fast am Horizont, schimmerte zwischen der zerklüfteten Landschaft und der unruhigen Wolken hindurch in einem satten, dunklen Pink. Eine Gruppe Soldaten in Raumanzügen waren zu der Gruppe gestoßen, Männer hauptsächlich, die Senshi waren an Bord geblieben. Papyllon und die anderen saßen bei dem Signalfeuer und sahen wieder und wieder die Aufnahme durch, die sie kopiert hatten. Nur Crow war nicht bei ihnen. Sie saß in einem der höher gelegenen Flure des Palastes und behielt die Umgebung genau im Auge. Ihre Augen sind schmal wie ein Falke, sie ist hoch konzentriert.

Irgendwann stoppten sie die Wiedergabe und während Proxima und Capricorn sich zurück zogen um für ein paar Minuten die Augen zu schließen saßen die anderen drei über einer Karte der Stadt, als sie noch eine Stadt war. Papyllon wies auf eine Ballung von Gebäuden.

„Wenn es irgendwo Überlebende gibt werden sie sich sicher dort sammeln.“, meint sie

„Liegt nahe. Es ist zentral, geschlossen, gut zu verteidigen…“, bestätigt Solaris. Die drei nicken, einander zustimmend. Dann sah Astera auf.

„Wie ist sie?“

„Wer?“, fragt Papyllon irritiert.

„Der Prinzipessa.“

Papyllon zögert. Die wenigsten der Senshi kannten Galaxia persönlich. Für die meisten war sie nur diese mysteriöse Kraft, die sie zusammen zu halten schien. Papyllon lächelte.

„Sie ist etwas ganz Besonderes. Ich glaube sie wird die Allianz verändern, wie keine vor ihr es konnte.“

Astera lächelt.

„Mit dir als Lehrerin, da bin ich sicher.“

Papyllon lächelt zurück.

Als Crow plötzlich ruckartig aufstand war Papyllon augenblicklich angespannt. Sie beobachtete ihre zuverlässigste Kriegerin. Crow wirkte alarmiert, wie ein Raubtier, das Beute witterte oder eine nahende Gefahr. Völlig reglos stand sie in dem Fenster und starrte irgendwo in die Dämmerung. Papyllon stand langsam auf und folgte dem Blick der anderen Senshi. Sie konnte jedoch nichts ausmachen. Dazu fehlte es ihr an Höhe.

„Crow?“, fragt sie alarmiert.

Crow wedelte nur mit der Hand, wie sie es immer tat wenn sie nicht abgelenkt werden wollte. Von Crow’s erhöhter Position konnte sie die Stadt überblicken. Alles lag im satten, pinken Zwielicht, die Schatten der Ruinen waren lang und wirkten bedrohlich. Und in den Schatten… bewegte sich etwas. Sie sah huschende Figuren.

„Da bewegt sich was.“; verkündet Crow, selbst überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es auf diesem Felsbrocken tatsächlich noch Überlebende gab. Sie lehnte sich so weit hinaus das Papyllon fast schon fürchtete sie würde abstürzen. Selbst mit ihren Falkenaugen war es fast unmöglich zu erkennen, was sich da bewegte. Aber doch, die Silhouetten waren… „Menschen!“

„Überlebende!“, rief Capricorn fassungslos. Papyllon wirbelt herum.

„Wo?!“

„In den Schatten!“, rief Crow zurück. Papyllon versuchte etwas zu erkennen. Und da, tatsächlich. Im Schatten einer Ruine kam eine Figur zum Vorschein, bei näherem Hinsehen eine deutlich menschliche Gestalt.

„Wie zur Hölle haben die… hier überlebt…?“, murmelt Papyllon ungläubig.

„Wir müssen ihnen helfen!“, verkündet Proxima und stürmt auf die Schattenfiguren zu. Aus dem Sicherheitsbereich.

„Proxima, komm zurück in die Zone, sofort!!“, donnert Astera – ausgesprochen autoritär, wenn sie wollte. Proxima wand sich ihr zu.

„Aber… wir müssen doch-“

Noch bevor Proxima aussprechen konnte hatten mehrere Arme zugepackt. Papyllon sah den Schreck im Blick der jungen Senshi noch, bevor sie in den Schatten gezerrt wurde. Und dann zerrissen Schreie die Stille. Drei Kreaturen hatten sich über Proxima gestürzt, Blut spritzte auf. Obwohl sie sonst kaum etwas sahen, dessen waren sie sich sicher.

„Proxima!!“ rief Astera aus und war schon in einem halben Sprung um der jungen Senshi zu helfen. Doch Papyllon packte Astera und riss sie zurück.

„Nicht!“, protestiert Papyllon.

„Aber-“

„Da!!“

Die Gruppe sah auf. Crow deutete auf den Bereich gleich außerhalb der Sicherheitszone. Papyllon folgte dem Zeichen. Und sah… hunderte Schatten die sich bewegten, die untergehende Sonne mieden. Aber sie kamen näher, mit jedem Zentimeter den die Sonne sank. Ein oder zwei waren mutig und stürmten direkt auf das Energiefeld zu. Das Licht der untergehenden Sonne schien ihnen zu schaden und als sie gegen die Barriere prallten gingen sie in Flammen auf, stolperten zurück mit schauderhaften Schreien die sich mit denen von Proxima mischten. Die Gruppe wich von der Barriere zurück, ebenso die bewaffneten Soldaten.

„Wir müssen ihr doch helfen! Wir können sie nicht da draußen lassen!“, protestiert Capricorn, schon unter Tränen. Spürte den Schmerz ihrer besten Freundin fast selbst. Crow, die wie aus dem Nichts bei dem Rest der Gruppe aufgetaucht war, hielt Capricorn effektiv zurück.

„Wir können ihr nicht helfen. Sie ist sowieso schon tot.“; meint sie ernst, den Kopf schüttelnd.

„Leute, was ist da unten los?! Wieso habe ich von Proxima keine Lebenszeichen mehr?!“, fragt Nyanko alarmiert über den Funk.

„Ganz schlecht gerade, Nyanko, ganz schlecht!“, murrt Crow.

„Niemand verlässt die Sicherheitszone!“, verkündet Papyllon, mit dem ersten Schreck überwunden war sie wieder ganz und gar die Generalin.

„Aber wir können sie nicht einfach da draußen liegen lassen!“, protestiert Capricorn, Tränen auf ihrem Gesicht verschmiert. Papyllon, Crow und Astera tauschten einen schnellen Blick, dann wendet sich Papyllon an Solaris.

„Wir brauchen eine Verzögerung.“, meint sie grimmig. Solaris nickt und hebt ihren Stab. Die flammende Sonne an dessen Spitze schien zum leben zu erwachen, das Glas der Helme der Gruppe verfärbte sich augenblicklich, um ihre Augen zu schützen als die Sonne zu einem rechten Feuerball wurde.

„Herrlicher Sonnensturm!!!“, rief Solaris, ihre Stimme scheinbar von überall gleichzeitig. Das Feuer von ihrem Stab schoss explosionsartig fort von ihr, brach durch die Sicherheitszone und wehte die Kreaturen kreischend zurück. Im Windschatten waren Crow und Papyllon blitzartig aus der Zone gesaust, hatten Proxima’s leblosen Körper geborgen und zurück in die Zone gebracht. Sie war ein entsetzlicher Anblick. Ihr Helm war fort, ihr Gesicht fast vollständig zerfetzt, ein Arm schien nur noch an ein paar Fetzen Muskel zu hängen. Ihr Anzug und ihre Uniform schienen zu zerfallen in blaue und weiße Bänder. Capricorn brach schluchzend neben ihrer besten Freundin zusammen.

„Proxi… Proxi…“, flüstert sie unter Tränen. Crow beobachtete es grimmig und wand sich an Papyllon.

„Ihr Stern stirbt. Wie kann das sein?“, fragt sie kopfschüttelnd.

„Was sind diese… Dinger?“, fragt Astera mit einem Blick zurück zu den Schattenkreaturen. Zuerst hatten sie noch menschlich ausgesehen. Jetzt waren sie verzerrt und verbogen, wie Maraget und die anderen beiden Senshi es in der Aufnahme gewesen waren. Als wären sie von dem Wahnsinn infiziert worden. Noch immer wichen sie vor dem Licht der untergehenden Sonne zurück. Papyllon legte die Stirn in Falten.

„Astera… die Barriere des Sicherheitsbereich… besteht aus Stern-Energie, oder?“, hakt sie nach.

„Äh… ja.“

„Also sind diese Kreaturen schwach gegen Stern-Energie?“, hakt Crow nach. Papyllon nickt.

„Sie sind tote Sterne… Dead Stars…“, murmelt sie. Die anderen wanden sich der Barriere zu.

„Dead Stars? Das ist doch nur ein Mythos.“, meint Solaris kopfschüttelnd.

„Die Körper verblasster Sterne zehren von Restenergie und sind getrieben von dem primitiven Instinkt, Stern-Energie zu horten. Sie töten andere Sterne, in der Hoffnung ihr eigenes Licht wieder zu entfachen.“, fasst Crow die Legende zusammen. Und es passte zu den Ereignissen hier. Papyllon wendet sich von den toten Sternen ab, starrt hinunter zu Capricorn, die noch immer die unversehrte Hand ihrer besten Freundin hielt.

„Wir müssen den Körper loswerden.“, meint sie dann. Capricorn sah schockiert auf.

„Was?!“, fragt Capricorn ungläubig. Protest flammte in ihrem Blick auf. „Nein! Wir müssen sie zu ihrer Familie zurück bringen!“

„Wenn sie zu einem Dead Star wird, hier, in der Sicherheitszone, sind wir mit ihr gefangen. Dann sterben wir alle. Wir müssen sie loswerden.“, ordert Papyllon.

„Basierend auf einem Mythos!“, protestiert Capricorn. Crow ignorierte den Protest völlig.

„Denkst du das ist möglich? Eine Dead Star Senshi?“, fragt sie grimmig. Papyllon nickt.

„Also Maraget und die anderen… waren auch…“, begann Astera besorgt. Denn das bedeutete, dass dieses gesamte System verloren war.

„Wir müssen runter von diesem Fels. Jetzt.“, meint Solaris grimmig. Die anderen nicken. Crow hatte schon ihren Kommunikator aktiviert.

„Nyanko, kannst du mich hören?“

„Kann ich, Crow. Nicht gut allerdings… ich hab eine Menge Hintergrundgeräusch auf dem Schirm, irgendwelche Störsignale…“, meint Nyanko, ebenso ernst wie alle anderen. „Bitte sag mir dass ihr alle okay seid.“

„Proxima ist tot. Du musst uns von diesem Fels holen. Sofort.“, fordert Crow.

„Bin dran!“, verkündet Nyanko entschlossen. Kurz darauf schon erschien das Transportlicht. Papyllon und die anderen traten in den Kegel. Astera hob Capricorn auf die Füße.

„Wir müssen gehen.“, meint sie sanft.

„Ich lasse Proxi nicht hier zurück.“, protestiert Capricorn.

„Wir können nichts mehr für sie tun, Capricorn.“, meint Astera kopfschüttelnd. „Wir-“

Der Lichtkegel flackerte in dem Moment als die Sonne unter dem Horizont versank, die Zwanzig-und Nachtstunden einläutete. Am anderen Horizont erhob sich eine brüllende Finsternis, eine gewaltige Sturmwolke, noch mächtiger als es überhaupt möglich sein konnte.

„Was zum-?!“

Das Transportlicht brach völlig zusammen.

„Crow!! Crow, ich kann euch nicht mehr orten! Crow?!“, fragt Nyanko alarmiert.

„Wir sind hier, Nyanko, wir haben uns nicht bewegt.“, meint Crow kopfschüttelnd. Aber sie hörte die Störsignale. „Nyanko!“

„Crow? Crow, könnt ihr mich hören?!“

Konnten sie. Aber offenbar hatte Nyanko das Signal verloren. Die dunkle Wolke am Horizont bewegte sich rasend schnell. Viel schneller als physikalisch möglich war, und das ganz ohne atmosphärische Bewegungen – kein Sturm, kein Lüftchen wehte hier. Es war als wäre diese Dunkelheit ein eigenständiges Lebewesen, mit einer eigenen Dynamik. Immer näher kam es. Und mit ihm bebte die Erde unter ihren Füßen. Rote Blitze zuckten über den Himmel, irgendwo brachen Explosionen aus dem Planeteninneren hervor, verwandelten die Landschaft in eine echte Hölle.

„Was… ist das…?“, fragt Astera ungläubig. Sie alle wussten es, aber glauben konnten sie es nicht. Denn das würde es real machen. Und damit wäre die Galaxis verloren.

„Crow? Crow!? Ich kann euch nicht mehr hören und bin praktisch blind, meine Geräte zeigen gar nichts mehr an. Ich hoffe ihr seid okay, da unten!“

„Nyanko wir sind hier, wir sind genau da wo wir eben waren, hol uns hier raus!!“, donnert Crow.

„Sie kann uns nicht hören.“, meint Papyllon kopfschüttelnd. Sie wirkte seltsam ruhig. Als hätte sie Eins und Eins zusammen gezählt. Ebenso abgeklärt wie Medea auf der Aufzeichnung gewesen war. Das ist unser Testament.

„Leute, ihr müsst durchhalten! Ich kann euch nicht rausholen während diese Stürme toben. Meine Systeme spielen verrückt. Ihr seid auf euch gestellt. Ihr müsste diese Zwanzig-Und Stunden durchstehen, okay? Ich hol euch da raus beim ersten Sonnenlicht. Lasst euch nicht umbringe, klar? Lasst euch nicht umbringen!“

Ein schrilles Störsignal schnitt Nyanko’s Nachricht ab und ließ Crow aufschreien. Sie riss das Gerät von ihrem Ohr und warf es von sich, vergas einen Moment ihre gute Erziehung mit einem lauten: „Scheiße verdammt!!“

Wie eine Welle rollte die Dunkelheit heran und bedeckte den Himmel über ihnen, brüllte und donnerte. Papyllon zuckte zusammen. Das war kein Donner. Das war ein Lachen. Ein bösartiges, siegessicheres Lachen. Rote Blitze zucken auf. Und in fünf plötzliche Explosionen wurden die Pfeiler des Sicherheitsbereiches zerstört. Glassplitter flogen durch die Luft und das Licht versagte. Zwei der Soldaten wurden schon von den herumwirbelnden Glassplittern getötet. Und in dem Moment da die Barriere zusammenbrach stürzten sich die Kreaturen aus dem Schatten zu hunderten auf die Gruppe. Alle schrien sie wild durcheinander, beschwören ihre Stern-Energie. Solaris’ grelles Feuer erhellt das Schlachtfeld. Und dann war da nur Dunkelheit.

Einsamer Stern

Sie hatte Das Leben der Sterne durchgelesen. Viermal. Mit Unterbrechungen. Inzwischen ruhte es auf ihrem Nachttisch. Staubte ein. Von der Stella hatte niemand gehört. Seit vier Jahren.

Galaxia Noah Elyssian war nicht mehr das kleine Mädchen. Sie war 15, selbstbewusst, stolz. Alptraum ihrer Lehrer. Seit zwei Jahren besuchte sie die Schule für Privilegierte Töchter mit etwa 100 anderen Töchtern aus gutem Hause von Zero. Töchter von Professoren, von Fürsten, von Bürgermeistern, Politikern. Aber sie war eben anders als all diese. Sie war die Prinzipessa. Für sie endete der Unterricht nicht nach den 8 Stunden in den Vorlesungssälen. Sie fuhr von dort zurück in den Palast, wo ihre Privatlehrer auf sie warteten. Allen voran Baron Harkon, der sie und ihre Schwestern jetzt unterrichtete und versuchte, sie zu trainieren wie Papageien – bis sie nur noch Senat, Senat quakten. Aber da kannte er die Schwestern schlecht.

Orion und Aurora waren inzwischen vier und beider Charaktere waren schon deutlich erkennbar. Orion war genau so quirlig, wie sie als Neugeborenes gewirkt hatte. Sie war ein entzückendes Ding, jeder vergötterte sie und Galaxia konnte es ihnen nicht vorwerfen. Orion war klein, ein wenig mollig vielleicht aber dadurch wirkten ihre rosigen Wangen noch viel süßer. Sie hatte lange, goldene Locken wie Sonnenlicht und große, strahlend blaue Augen. Viele sagten schon jetzt sie würde eines Tages eine wahre Schönheit werden. Aurora ähnelte ihr, war aber mehr wie der Schatten ihrer Schwester. Ihr langes, dichtes Haar war tiefschwarz, sie war größer und schlanker als ihr Zwilling, hatte härtere Gesichtszüge und weil sie so schmal war wirkten ihre Augen unproportional groß. Viele sagten sie war das Abbild der Präsidentin – die ähnlich dunkles Haar hatte.

Und Galaxia war nach wie vor so anders das manche schon begannen zu zweifeln ob sie tatsächlich ihrer Eltern Tochter war. Galaxia würde sich selbst niemals als hübsch bezeichnen. Sie hatte nichts von der Prinzessinnenhaften Schönheit ihrer beiden kleinen Schwestern. Sie war kantiger, härter als diese. Manche sagten drahtig. Es hing wohl damit zusammen, dass sie die meiste Zeit draußen verbrachte und viel Sport trieb. Sehr viel. Sie ritt, sie rannte, sie kletterte, sie spielte Mannschaftssport – war die Geheimwaffe ihres Teams, weil sie völlig gnadenlos sein konnte, wenn es ums Gewinnen ging. Und zwar nicht den Weicheisport – nein, Galaxia spielte Eishockey, die härteste Sportart von Zero. Die Mädchenmannschaft ihrer Schule galt als die beste der Stadt und das verdankten sie zu einem großen Teil der Prinzipessa. Mit 13 holte sie den Titel für die Junior Mannschaft. Galaxia trug praktisch nie die aufwendigen schönen Kleider die eine Prinzipessa tragen sollte. Sie trug Hosen und ihr langes, rotes Haar immer zu einem strammen Pferdeschwanz. Doch ihre Züge waren die einer Aristokratin – hohe Wangenknochen, eine feine Nase, glatte Stirn, mandelförmige Augen in dieser seltsam goldenen Farbe und volle, rote Lippen. Nur weil sie selbst sich nicht als schön bezeichnen würde bedeutete es nicht, dass sie nicht schön war.

Wie jeden Tag kam sie auch an diesem nach der Schule direkt zum Palast und sah vor dem Haupttor schon Massen von Protestierenden. Gegen Steuererhöhungen, gegen Grenzkontrollen, gegen den Eignungstest für Berufsgruppen, gegen alles Mögliche. Die Steuern waren das größte Problem. In den letzten Jahren waren diese deutlich gestiegen. Mit dem Beitritt neuer Systeme in die Allianz war die Verschuldung deutlich angestiegen. Der Senat hatte wenige Optionen gehabt, trotzdem war Galaxia in vielen Dingen einer Meinung mit den protestierenden Massen. Weshalb sie wieder und wieder mit ihren Lehrern kollidierte. Sie seufzte. Wohl wissend das sie sich durch diese Meute schlagen musste, wenn sie in den Palast wollte. Und heute war es besonders schlimm. Der Senat traf sich zur alljährlichen Hauptkonferenz im Zentralpalast – Senatoren von überall aus der Allianz waren in den letzten Tagen schon angekommen. Das war gut, denn so war Harkon beschäftigt. Als Senator würde auch er auf allen Sitzungen sein und das würde ihr etwas Freizeit geben. Oder so dachte sie.

Sie zwängte sich durch die Meute protestierender, alles junge Menschen in ihren frühen Zwanzigern, Studenten eben und auch ein kleiner Teil der Arbeitenden Bevölkerung. Viele Sprachen von der Studentenbewegung von Zero. Noch war es meist friedlich aber einige hatten sich auch schon heftig mit der Polizei angelegt und es war zu Ausschreitungen gekommen. Galaxia hoffte eines Tages die Chance zu bekommen solche Dinge zu vermeiden. Hoffte die Interessen des Volkes zu schützen wie es der Senat ganz offensichtlich nicht konnte. Aber dafür mussten sie zuerst aus diesen starren Strukturen heraus. Und das würde nicht passieren, das wusste sie. Nicht solange ihre Mutter das Amt innehatte.

Sie war schon fast durch, da wurde sie erkannt. Irgendwie immer. Sie gab sich die größte Mühe, nicht aufzufallen – trug immer eine Sonnenbrille die ihre charakteristischen Augen verbarg. Und doch, irgendjemand erkannte sie jedes Mal. Die Proteste konzentrierten sich auf sie, es gab Gedränge und Geschubse bis der Kapitän der Palastgarde einschritt. Havarro und seine Männer drängten sich in das Geschehen, zwangen die Menge zurück, schoben Galaxia in einem sicheren Kreis zum Tor des Palastes.

„Ich hatte es unter Kontrolle.“, murrt sie. Havarro zog eine Braue hoch.

„Natürlich hattet ihr das…“, meint er sarkastisch. Sie warf ihm einen mahnenden Blick zu, er grinst. „Eure Mutter will euch sehen. Wegen dem diesjährigen Portrait.“

„Ach, nein…“, seufzt Galaxia und rollt die Augen. Ihre Begeisterung für Familienportraits hatte sich nicht geändert. „Ist das schon wieder soweit…“

„Kein Weg dran vorbei. Sie erwartet euch im Pavillon. In einem Kleid. Geschminkt und mit einer Frisur.“, meint Havarro, offenbar übermittelte er hier nur eine Nachricht, die ihm sichtlich unangenehm war.

„Das ist eine Frisur!“, protestiert Galaxia und deutet dabei auf ihren Pferdeschwanz.

„Ihr wisst schon.“, meint der Captain grinsend. Galaxia nickt und marschiert an ihm vorbei. Sie hatten diesen strammen Schritt, mit dem selbst die meisten der Garde nicht mithalten konnten. Havarro bewunderte die Prinzipessa. Sie war jung aber war sehr, sehr engagiert und aufmerksam. Sie würde eine großartige Präsidentin werden, das wusste er und da waren sich viele einig.

Galaxia durchquerte den Palast, den Garten, war auf dem Weg zum Palais wo sie auf halbem Weg in einen jungen Mann rannte. Offenbar der Assistent des Maestro, denn er trug eine Tasche mit Skizzenblöcken, Stiften, Farbe und Pinseln. Seine Kleider waren einfach und voller Farbkleckse, sein helles, halblanges Haar hatte er zurück gebunden.

„Oh, Verzeihung.“, entschuldigt er sich verlegen.

„Kein Problem, ich sehe ja praktisch nichts mit dieser Sonnenbrille.“, meint Galaxia und nimmt die Brille ab, die bei dem Zusammenstoß ohnehin verrutscht war. Sie ging weiter, gewöhnt das Leute starrten. Und der Assistent starrte ihr nach. Völlig fassungslos, fast schon gefangen von ihr.

Galaxia eilte an dem Pavillon vorbei, wo ihre Mutter sie sofort entdeckte.

„Galaxia!!“, rief sie.

„Sofort!“, rief Galaxia zurück und eilte vorbei, ohne stehen zu bleiben. Sie erreichte das Palais, ihre Gemächer. Auf ihrem Bett lag eine riesige, unmögliche Kombination aus jadefarbener Seide, weißen Rüschen und goldener Spitze, mehreren fluffigen Tüllunterröcken und Puffärmeln. Galaxia schlüpfte aus Bluse und Hose. Sie weigerte sich ein überdrehtes, aufgeplustertes Kleid mit Rüschen und Spitzen anzuziehen – aus dem Alter war sie längst raus und ihre Mutter wusste das. Manchmal glaubte die die Präsidentin legte ihr diese Kleider nur hin um sie zu ärgern. Sie entschied sich für einen langen, am Rücken gerafften Rock, schmal geschnitten und aristokratisch elegant, in dunklem Jade, dazu eine steife weiße Bluse mit Stehkragen, verschlossen mit einer Kamee und darüber eine elegante, tailliert geschnittene Jacke in dem selben Farbton wie der Rock. Sie trat ihre Sportschuhe von den Füßen und schlüpfte in enge, unflexible Stiefeletten, ein paar Handschuhe aus weißer Spitze, steckte ihre Granattropfen durch die Ohrlöcher, legte das Emblem der Königsfamilie um, befestigte eine Ziernadel am Kragen der Jacke und kämmte dann schnell ihr Haar, flocht ein paar Strähnen, steckte sie zusammen und setzte einen schlichten, jadefarbenen Dreieckshut auf, ein kurzer, weißer Spitzenschleier der leicht in ihr Gesicht hing. Ah, ja, schminken sollte sie sich ja auch, hatte der Captain gesagt. Sie trug etwas Rouge auf, tuschte ihre Wimpern dunkel und legte etwas Glanz über die Lippen. Ein letzter Kritischer Blick im Spiegel. Besser würde sie es auf die Schnelle nicht hinbekommen. Sie nahm einen Sonnenschirm aus weißer Spitze und raffte dann ihre Röcke, um zurück zum Pavillon zu eilen. Sie bereute die Wahl der Schuhe jetzt schon. Wenn sie stehen musste würden ihre Füße sie spätestens in zwei Stunden umbringen.

Sie entdeckte ihre Familie am Pavillon. Orion und Aurora, in farblich passenden Kombinationen, saßen auf der Schaukel während der junge Mann den Galaxia zuvor umgerannt hatte damit beschäftigt war ihre Frisuren so zu richten das sie passten. Die Präsidentin und der Hohepriester standen in etwas Abstand zueinander und schienen zu diskutieren, bis Orilliana ihre Tochter entdeckte.

„Was hast du denn an?!“, fragt sie entsetzt. Galaxia sah sie perplex an. „Wo ist das Kleid das ich dir hingelegt habe?“

„Das war ein Kleid? Ich dachte das wäre eine Torte!“, kontert Galaxia. Der junge Künstler sah grinsend auf. Und erkannte die junge Frau mit der er zuvor zusammen gestoßen war. Das war die Prinzipessa gewesen? Dieses burschikose, aufgeweckte junge Mädchen sollte dieselbe sein die jetzt in diesem eleganten Kostüm hier aufgetaucht war?

„So siehst du aus wie eine alte Dame!“, protestiert die Präsidentin.

„So sehe ich aus wie jemand den man ernst nehmen kann. In dem Kleid sähe ich aus wie eine geistig zurückgebliebene.“, schnappt Galaxia. Die Präsidentin schnappt nach Luft, wollte gerade zu einem ausgewachsenen Streit ausholen als der Hohepriester dazwischen ging und schlichtete.

„Ich finde du siehst zauberhaft aus, Galaxia. Findest du nicht es passt zu ihrer Persönlichkeit? Die ernst zu nehmende, heranwachsende junge Dame mit Stil, die bald ein politisches Amt innehaben wird?“, hakt er nach.

„Die Kleidung eines Bauerntölpels würde ebenso zu ihrer Persönlichkeit passen!“, schnappt Orilliana und marschiert zu ihren beiden jüngsten Töchtern bei der Schaukel. Der junge Künstler sah wie Galaxia sich auf die Unterlippe biss und das Argument herunterschluckte, sich ein Lächeln abrang.

„Tut mir leid.“, flüstert der Hohepriester ihr zu.

„Nicht doch. Nächstes Jahr leihe ich mir den Arbeitsoverall des Hausmeisters meiner Schule und tauche damit auf. Nur um ihre Reaktion zu sehen.“, murmelt Galaxia zurück. Der Hohepriester kichert. Sie gesellten sich zum Rest der Familie, um das Motiv zu vervollständigen. Die Präsidentin wies auf den jungen Künstler.

„Dies ist Maestro Garan, er wird das Portrait dieses Jahr übernehmen. Keine leichte Aufgabe.“, stellt die Präsidentin vor. Galaxia sah einen Augenblick verblüfft aus. Sie war von all ihren Portraits bisher gewohnt das alte, weiß-bärtige Männer mit Künstlerallüren die Portraits malten. Dieser Maestro war eine deutliche Abwechslung. Er konnte nicht älter sein als 23. Der junge Künstler verneigte sich tief vor der Prinzipessa.

„Es ist mir eine Ehre, euch malen zu dürfen.“

Warum er das laut aussprach wusste er selbst nicht und er merkte schon wie er knallrot anlief. Wie konnte er sie malen? Wie konnte er das festhalten, was er sah? Er fühlte sich völlig desorientiert. Als sein alter Meister ihm gesagt hatte er dürfe dieses Portrait malen war er so aufgeregt und so stolz gewesen, er hatte sich vorgenommen das großartigste aller Portraits zu malen, das jemals in der Staatsgalerie hängen würde. Und bis eben war er auch noch überzeugt davon gewesen. Er hatte ein Talent, die Persönlichkeit seiner Modelle in den Farbe und Linien einzufangen, seine Bilder wirkten fast lebendig. Aber dieses Mädchen konnte er nicht fassen. Er hatte keine Ahnung wie er das angehen sollte.

„Ich bin sicher ihr werdet euer Bestes tun.“, meint Galaxia lächelnd, beherrscht höflich, formell wie eine Politikerin. Er konnte förmlich sehen wie sie ihr Licht unterdrückte. Er wusste, es war da. Aber er schien der einzige zu sein der es erkannte. Wie unglaublich sie sich zurückhielt, um nicht ihre Familie zu überstrahlen. Wie gewaltig sie sein könnte, wenn sie es nur zuließ.

Er wies, um Worte verlegen, auf den Stuhl den man vor sie bereitgestellt hatte, gleich neben ihren Schwestern. Präsidentin und Hohepriester würden hinter ihnen stehen. Galaxia nahm vorsichtig Platz, darum bemüht den Reifrock nicht zu zerdrücken. Er richtete jede Haarsträhne einzeln, fast schon etwas zu detailverliebt. So sehr das es Galaxia fast ein wenig unangenehm war.

„Tut mir Leid, die Frisur war wirklich improvisiert.“, entschuldigt sie sich. Der Maestro schnappt nach Luft.

„Oh, nein, natürlich, es ist wunderbar. Perfekt.“, meint er nervös. „Ich geh an die Arbeit.“

Und das tat er. Er setzte sich in gute Distanz ins Gras und begann mit einer groben Bleistiftskizze, die dann mit jedem Schritt feiner werden würde. Dann würde er mit Tinte darüber gehen und in seinem Atelier würde er aus der Tintezeichnung ein riesiges Portrait malen, mit den besten Farben die er auftreiben konnte. Auch wenn keine Farbe ihren Augen gerecht werden würde.

„Es wird wieder viel protestiert.“, bemerkt Galaxia.

„Es wird immer protestiert.“, meint die Präsidentin. „Heute Abend wird die Sitzung eröffnet. Ich möchte, dass du dabei bist. Alle Senatoren wollen dich kennen lernen. Du wirst ab jetzt auch bei den Sitzungen dabei sein. Nur als Zuschauer wohl gemerkt, aber du sollst schon einmal schnuppern wie es so zugeht. Irgendwann wirst du sie anführen müssen.“

Die Betonung lag auf Irgendwann. Galaxia wusste ihre Mutter hatte keine Absicht, frühzeitig abzudanken. Offiziell war Galaxia sobald sie 21 war in dem legitimen Alter um die Präsidentschaft zu übernehmen. Damit wäre sie zwar die jüngste Präsidentin aller Zeiten, aber irgendwas sagte ihr das es genau das war was die Allianz brauchte. Und sie war fest entschlossen die Präsidentin zu sein die gebraucht wurde – die ihre Mutter nicht mehr sein konnte, vielleicht nie gewesen war.

Galaxia sah auf, an dem Maestro vorbei. Und sah ihn zwischen den Bäumen stehen. Nur der Maestro sah wie sich plötzlich ihr Blick änderte. Zuerst Überraschung, dann Freude. Sie tat es fast unsichtbar, nur in ihren Augen konnte man es erkennen. Ihre Augen waren wirklich die Fenster zu ihrer Seele. Der Maestro wand sich um und sah, was sie dort gesehen hatte. Zwischen den Bäumen, wo ihn die anderen nicht sehen konnten, nur die Prinzipessa, stand ein junger Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als sie, mit dunklem, wirrem Haar. Groß, stattlich in einer eleganten, dunklen Uniform, ein Umhang über die eine Schulter gelegt, das Innenfutter war dunkelrot. Er hatte ein schiefes, charismatisches Grinsen auf seinem Gesicht, dessen eine Hälfte unverschämt gut aussah. Die andere Hälfte aber war von einer hässlichen Narbe fast völlig entstellt. Der Maestro wusste nur vom Hörensagen das der Sohn des Barons Harkon vor ein paar Jahren verletzt worden war und davon schlimme Narben davon getragen hatte. Wie schlimm die Narben waren realisierte er erst jetzt. Dennoch schien die Prinzipessa hinter dieses entstellte Gesicht zu sehen. Genau genommen sah sie so aus als wollte sie jeden Moment aufspringen und zu ihm rennen, alle Etikette vergessen. Auch das wusste der Maestro: Lucien Harkon und die Prinzipessa waren beste Freunde. Sie sahen einander nur selten, da er meist in seinem Heimatsystem war. Aber einmal jedes Jahr brachte der Baron seine ganze Familie für die große Konferenz nach Zero. Und das war heute. Galaxia rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her bis die Präsidentin ihr eine Hand auf die Schulter legte und sie hinunter drückte.

„Beherrsch dich.“, zischt sie. Galaxia hielt die Luft an, zwang sich zur Ordnung. Wieder war der Maestro sicher einen kleinen – nur einen winzigen – Funken ihres Lichts gesehen zu haben.

„Wir sitzen hier schon lange, vielleicht wäre eine Pause angenehm.“, schlägt der Maestro vor. Die Präsidentin zögert und schließlich seufzt sie.

„Na schön.“

Augenblicklich waren die drei Mädchen aufgesprungen, Orion und Aurora – die einander schon die ganze Zeit heimlich stichelten – begannen kreischend eine Verfolgungsjagd durch den Garten. Galaxia setzte sich ab in das Waldstück, war schnell außer Sicht. Einen Moment zögerte sie, fragte sich ob sie sich das nur eingebildet hatte. Aber dann hatte schon jemand von hinten beide Arme um sie gelegt. Sie machte einen überraschten Satz und fand sich kurz darauf lachend auf dem Boden wieder. Sie fragte sich einen Moment ernsthaft ob sie mit diesem Reifrock jemals wieder würde aufstehen können, aber diese Sorge war verflogen als Lucien sich hinunter beugte um sie zu küssen. Nach einem Moment, eher ungewollt, setzte sie sich auf und brachte Abstand zwischen sie.

„Wenn uns jemand sieht!“, protestiert sie kichernd. Lucien legt ihr einen Arm um die Taille, zog sie eng an sich.

„Ich musste dich sehen.“, flüstert er gegen ihre Lippen, neigt den Kopf und küsste sie nochmals. Sie schlang ihm die Arme um den Hals. Es war nie wirklich überraschend gewesen. Lucien und Galaxia waren beste Freunde seit vier Jahren – fast fünf. Sie waren in regem Briefkontakt gewesen seit sie damals beide ums Überleben gekämpft hatten. Wenn sie – selten wie es war – einander sahen waren sie praktisch unzertrennlich. Und letztes Jahr war er so mutig gewesen sie zu küssen. Feuerwerk und Schmetterlinge waren nichts dagegen. Öffentlich undenkbar – die Prinzipessa und der Sohn eines Barons, das wäre ein Skandal wie es ihn vorher noch nie gegeben hatte. Aber das hinderte sie nicht daran, sich im Verborgenen zu treffen. Galaxia die Stimme der Vernunft, Lucien die Leidenschaft. Sie schob ihn von sich, nicht weit, gerade genug um ihn anzusehen aber seine Lippen noch zu spüren.

„Du weißt wir sollten nicht hier sein.“, flüstert sie. Er zögert, streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

„Was ist so undenkbar daran? Ich würde es verstehen wenn sie nicht wollten, dass du einen bürgerlichen liebst. Aber ich werde der Baron von Fluxon sein.“

„Du müsstest dem Orden beitreten und Hohepriester werden wenn du mich wirklich wolltest. Du weißt so ist die Tradition.“, meint sie sanft. Immer vernünftig, es machte ihn fast verrückt. Er legte ihr beide Hände auf die Wangen.

„Du wirst die Präsidentin sein, du kannst die Tradition ändern. Warum sollte jeder mit dem zusammen sein können den er liebt aber du nicht?“, fragt er ernst. Er sah schon wie sie zu der Traditions-Vorlesung ausholte: Die Verbindung zwischen Präsidentin und Hohepriester erhält das Bündnis zwischen der weltlichen und der spirituellen Herrschaft über die Allianz. Eine Ehe, die so wichtig war für die Ordnung, das Gleichgewicht. Es war mehr als Tradition. Es war eine wichtige Verbindung, daran glaubte sie fest. Er schnaubt und küsste sie, um diese Vorlesung zu ersticken bevor sie ausbrechen konnte. „Ich liebe dich, Galaxia. Aber ich kann nicht für immer warten.“

Sie schüttelt den Kopf.

„Als mein Mann würdest du immer in meinem Schatten stehen, wie mein Vater in dem meiner Mutter. Du hättest keine Machtansprüche, keinen königlichen Titel. Mit einem Baron oder gar Senator würde diese Rolle unweigerlich kollidieren. Deshalb muss der Mann der Präsidentin ein Priester sein, der solchen weltlichen Ansprüchen entsagt hat.“, erklärt sie. Immer wieder ein neues Argument. Er schnaubt und taucht sein Gesicht in ihr langes, seidiges Haar.

„Galaxia!! Wir machen weiter!!“, hallt die Stimme der Präsidentin durch den Garten. Galaxia seufzt erschöpft. Lucien rollt die Augen.

„Diese Frau ist wirklich der Alptraum.“, murrt er. Galaxia wirft ihm einen mahnenden Blick zu.

„Sie ist meine Mutter.“, mahnt sie. Das war so paradox an ihr. Er wusste wie sehr sie unter ihrer Mutter litt, so sehr das sie zu Rebellionen ausbrach. Meine Güte was hatte Orilliana es gehasst das Galaxia ausgerechnet Hockey hatte spielen wollen. Aber trotzdem war sie so sehr darum bemüht, ihrer Mutter zu gefallen, so sehr darum bemüht sich als würdige Tochter und Nachfolgerin zu beweisen. Deshalb hatte sie diesen Drang, diesen Zwang in allem perfekt zu sein, besser als alle anderen. Lucien wusste wie ähnlich Mutter und Tochter sich waren. Galaxia hasste und liebte ihre Mutter. Und die Präsidentin hasste und liebte ihre Tochter. So sehr das sie beide fast schon selbstzerstörerisch waren, zerrissen in ihren Gefühlen. „Ich sollte gehen.“, meint Galaxia.

„Können wir uns heute noch treffen?“, fragt Lucien vorsichtig. Galaxia nickt und küsst ihn noch einmal. Dann versuchte sie aufzustehen. Was tatsächlich so schwierig war wie sie sich vorstellte. Drei Anläufe brauchte sie, beim dritten Mal fauchte sie schon wütend.

„Verdammter Rock verdammter!“

Lucien musste kichern und half ihr schließlich auf die Beine, zog sie noch einmal an sich und küsste sie, bevor er sie gehen ließ.

Sie kehrte zu dem Pavillon zurück, wo die anderen schon warteten. Die Präsidentin sah sie missbilligend an.

„Wo warst du? Was ist mit deinen Haaren passiert? Hast du dich auf dem Boden ge- ist das ein Grasfleck auf deinem Rock?!“, fragt sie außer sich.

„Ich dachte der Rock gefällt dir nicht?“, murrt Galaxia als sie sich setzt.

„Ja aber deshalb musst du ihn noch lange nicht ruinieren.“

„Grüner Rock, grüner Fleck. Kein Schaden, kein Drama.“, kontert Galaxia und konzentriert sich dann wieder auf die Pose für das Portrait. Am Abend bedankte sich der Maestro bei der Präsidentin während die Schwestern schon zum Palais zurückkehrten.

„Ich werde einen ersten Entwurf so bald wie möglich fertig stellen.“, erklärt er.

„Ich habe größtes Vertrauen in eure Arbeit. Verzeiht, dass es so lange gedauert hat, Maestro. Galaxia hat die Aufmerksamkeitsspanne einer Wüstenmaus.“

„Naja, sie ist jung, da ist das doch normal. Das sind die Hormone.“, meint der Maestro lachend.

„Hormone?“, hakt die Präsidentin irritiert nach.

„Naja, sie und Lucien Harkon…“, meint der Maestro. Und war sich plötzlich ganz sicher einen Fehler gemacht zu haben. Die Präsidentin lächelte ein politisches Lächeln.

„Ah, ja natürlich.“, meint sie kühl. „Nun, ich erwarte dann einen ersten Entwurf des Portraits.“

Der Maestro verneigte sich erneut und wurde dann schon von der Palastgarde hinaus eskortiert. Auf dem Weg kamen ihm der Baron und sein Sohn entgegen, vermutlich auf dem Weg die Präsidentin zu treffen. Und er sah in den Augen des jungen Mannes, dass er wusste, dass der Maestro ihn mit Galaxia gesehen hatte. Und das er damit das junge Paar in eine ziemlich üble Lage versetzt hatte. Und noch etwas sah er – der Künstler – in den Augen des jungen Mannes. Und zwar das er Rache nehmen würde wenn der Maestro sich mit diesem Wissen zwischen ihn und die Prinzipessa stellen würde. Er war nicht wirklich sicher ob es Liebe war, die Lucien Harkon für das Mädchen empfand. So betrachtet war es vielmehr… Besessenheit. Besitz. Er war entschlossen dazu die Prinzipessa zu… besitzen, schien überzeugt davon einen Anspruch auf ihr Herz zu haben. Es war fast schon zum Fürchten.
 

Als die Präsidentin persönlich in ihr Gemach kam wusste Galaxia schon, dass etwas nicht stimmte. Orilliana Elyssian war angetan in einer prächtigen, jadefarbenen Robe mit einer goldenen Schärpe über ihre Schulter gelegt, das Siegel der Präsidentschaft daran befestigt. Ihr langes Haar fiel in eleganten Wasserwellen unter der Krone hervor, sie zog eine lange Schleppe hinter sich her. Galaxia saß an ihrem Frisiertisch, kleine Kristallgefäße mit Tuschen, Kohle, Puder und Schminkfarben darauf, verschiedene Haarbürsten, Lockenrollen und Glätteisen. Sie trug noch nur ihre Unterkleider – ein Spitzenleibchen, Pumphosen, einen langen, mehrlagigen Unterrock aus feiner Tüllspitze und eine Korsage, kniehohe Socken ebenfalls mit Spitze. Eine Zofe stand in einer Ecke mit dem Kleid, das Galaxia herausgesucht hatte. Ausnahmsweise einmal tatsächlich ein Kleid. Es war bodenlang, am Rücken gerafft und vorne geteilt, sodass ein feines, weißes Unterkleid zum Vorschein kam. Das Oberkleid war helle Jade mit einer feinen, altrosafarbenen und goldenen Rosenstickerei. Das Oberteil war steif tailliert, die Ärmel lang und schmal, darunter eine Bluse mit hohem, Spitzenbesetzten Stehkragen.

„Bin ich wieder zu spät?“, fragt Galaxia, die gerade dabei war, ihren Pony und die vorderen, gestuften Strähnen zu glätten, der größere Teil ihres Haares war um warme Lockenrollen gewickelt, um in Form gebracht zu werden.

„Du wirst nicht auf den Ball gehen.“

Galaxia ließ entrüstet die Schultern hängen.

„Das ist nicht dein Ernst. Einmal freue ich mich auf den blöden Ball und mache mich tatsächlich hübsch und du verbietest es mir?!“, fragt sie empört. Sie sah auf als ihre Mutter im Spiegel sichtbar wurde. Da war kein Scherz in ihren Augen.

„Das mit dir und Lucien Harkon muss aufhören. Du kannst ihn nicht mehr sehen.“

Galaxia wand sich um und sah ihre Mutter fassungslos an.

„Woher weißt du davon?!“

„Also leugnest du es nicht?“, hakt Orilliana nach. Galaxia strafft die Schultern.

„Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Wir haben nichts Falsches getan.“, beharrt sie.

„Du wirst irgendwann die Präsidentin der Allianz, er wird Baron sein. Glaub mir, das ist zum Scheitern verurteilt. Was ihr jetzt empfindet ist eine vorübergehende Anziehung, sobald die Politik dazu kommt-“

„Wer sagt, das Politik mit Gefühlen irgendwas zu tun haben muss?“, protestiert Galaxia. Orilliana seufzt. Aber Galaxia ließ sie nicht zu Wort kommen. „Du weißt ich würde niemals meine Verantwortungen vergessen für eine Beziehung.“

„Irgendwann wirst du die Wahl treffen müssen. Eine Frau in deiner Position kann nur eines haben, Macht oder Liebe. Beides kann nicht funktionieren. Glaub mir, ich habe es versucht. Irgendwann wirst du sehen das ich Recht habe.“

„Du kennst mich nicht. Und du kennst Lucien nicht. Vielleicht hast du Recht, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht die Chance haben kann, eigene Fehler zu machen.“, verkündet Galaxia. Sie stand auf und sah hinüber zu der Zofe. „Mein Kleid.“, ordert sie. Die junge Frau machte einen alarmierten Satz und eilte herüber, um der Prinzipessa beim Ankleiden behilflich zu sein. Die Präsidentin stand nur schweigend dabei und schließlich, als Galaxia sich wieder hinsetzte – nun in ihrem wirklich traumhaften Kleid – um die Lockenrollen abzunehmen, stand sie hinter ihrer Tochter und half ihr vorsichtig dabei, bürstete das Haar und steckte es locker zusammen.

„Ich kann verstehen wie du fühlst, Galaxia. Glaub mir. Auch ich habe geliebt. Ich will dir nur den Schmerz ersparen den du fühlen wirst wenn du siehst das diese Liebe nichts Wert ist, wenn Macht ins Spiel kommt. Ich will nicht das du so bitter und enttäuscht endest wie ich…“

„Also nimmst du mir lieber von vornherein den Glaube an die Liebe?“, fragt Galaxia störrisch. Orilliana schwieg lange.

„Liebe, wie du sie dir vorstellst… ist ein schönes Märchen für solche wie dich und mich. Liebe für unser Volk aber… die existiert. Diese Liebe ist es, die du in dir finden musst, diese Liebe wird dich stark machen und zu einer gute Präsidentin.“

„Und einsam.“, ergänzt Galaxia.

„Einsamkeit ist der Preis den eine Elyssian zahlt.“, bestätigt Orilliana. Dann betrachtet sie Galaxia im Spiegel, streicht ihr über die Wange. „Du bist zu einer so besonderen jungen Frau geworden. Ich kann dir nicht sagen wie stolz ich bin, Galaxia. Ich weiß ich habe es dir nicht immer leicht gemacht. Aber du sollst wissen das du mein größter Schatz bist und das ich weiß du wirst Großartiges vollbringen.“

„Mir würde es schon reichen wenn du sagen würdest, dass du mich lieb hast, Mutter.“, meint Galaxia und sah hoch zu ihrer Mutter. Die zögerte, beugte sich vor und küsste das Haar ihrer Tochter.

„Das weißt du doch.“, meint sie leise. Dann wand sie sich ab und kehrte zur Tür zurück. „Ich werde nach dir schicken lassen für den Ball. Auf deine Verantwortung.“, meint sie, plötzlich wieder ihre kühle Art. Sie verließ das Gemach der Prinzipessa. Galaxia blieb zurück, wand sich wieder ihrem Spiegelbild zu, das sie selbst kaum erkannte. Orilliana würde es niemals sagen. Sie würde niemals sagen dass sie Galaxia liebte. Immer wieder gab Galaxia ihr die Vorlage. Schon als kleines Kind hatte sie immer versucht, ihrer Mutter das einfache ‚Ich hab dich lieb’ zu entlocken. Ohne Erfolg.

Sie wand sich an die Zofe.

„Ich werde wohl nicht gehen, hilfst du mir wieder aus dem Kleid?“

„Selbstverständlich Prinzipessa.“, meint die junge Frau leise. Sie sah wie schwer das dem Mädchen fiel, aber wusste es war nicht ihr Platz, sich in die Angelegenheiten der königlichen Familie einzumischen. Sie wusste, für eine Elyssian verwischte die Grenze zwischen einem Privaten und einem Öffentlichen Leben. Und wenn sie es so entschied dann war es wohl richtig…

Die Zofe fortgeschickt saß Galaxia in dem Erker ihres Gemaches in einem einfachen Kleid, die Beine im Schneidersitz und Das Leben der Sterne auf ihren Knien aufgeklappt. Sie hörte die Musik vom Zentralpalast, scheinbar unendlich weit weg. Über ihnen hang der Himmel voller Sterne, sie saß nur mit einem kleinen Licht, gerade genug um zu lesen. Sie vermisste Papyllon. Sie wusste, entgegen dem was alle anderen sagten, das die Senshi nicht tot war. Sie war noch irgendwo dort draußen, versuchte vielleicht nach Hause zu kommen aber konnte nicht. Sie wusste, Papyllon würde niemals ein Versprechen brechen. Sie hatte versprochen zurückzukommen also würde sie es auch. Daran glaubte Galaxia mit aller Kraft. Es wäre alles so viel einfacher wenn Papyllon hier wäre, wenn sie jemanden hätte mit dem sie reden könnte, der ihr Rat geben konnte, der ihr helfen konnte durch diesen Dschungel von Politik, Etikette und Manipulation zu navigieren. Aber sie war allein.

Als sie Tür leise aufging sah Galaxia auf. Eine kleine Gestalt kam zögerlich näher und sie sah Orion, die einen großen Stofftierbär hinter sich her schleifte, in ihrem Nachtkleid, mit schläfrigen Augen.

„Ich kann nicht schlafen.“, flüstert die Kleine. Galaxia lächelt, legt das Buch beiseite. Orion kam eilig näher, kletterte auf den Erker und kuschelte sich in den Schoß ihrer Schwester. Galaxia streichelte ihr goldenes Haar. „Warum bist du denn nicht auf dem Ball?“

„Mir war nicht danach.“, log Galaxia. Dafür hatte sie ein Talent. Eigentlich unheimlich. Aber Galaxia konnte mit einer schockierenden Überzeugungskraft immer genau das Gegenteil dessen sagen, was sie dachte oder fühlte. Ein Talent das ihr wohl irgendwann noch nutzen würde, sie war sicher das Cosmos die Schöpferin des Lichts und der Ordnung ihr dieses Talent aus einem Grund gegeben hatte. Im Moment genügte es zumindest um ihre Schwester nicht zu sorgen. „Staubige Menschen und enge Korsagen, sei froh, dass du dafür noch zu klein bist.“

„Ich würde gerne so schöne Kleider tragen wie du.“, gab Orion zu. Galaxia kichert. Sie fand ihre Kleider entsetzlich und war mehr als begeistert, dass Orion inzwischen groß genug war um die ersten davon zu übernehmen. Die meisten waren kaum getragen. Die Präsidentin sah es nicht gerne („Kleider aus zweiter Hand für eine Prinzipessa?!“) aber so behielt Orion die Kleider eben als ‚Verkleidungen’. Auch Aurora waren die Kleider zu rüschig und süß, aber zu Orion passten sie sensationell.

„Das wirst du. Und du wirst noch viel hübscher darin aussehen als ich.“, meint Galaxia fröhlich.

„Kannst du mir wieder die Geschichte der Sterne erzählen?“, fragt Orion leise.

„Die dich immer einschläfert?“, fragt Galaxia grinsend. Orion kichert.

„Ich finde die Lichter so toll.“, meint sie dann. Galaxia nickt.

„Es war einmal vor sehr langer Zeit ein großes Tohuwabohu. Und dann kam ein großer Knall!“, begann Galaxia die Geschichte. Und wie sie erzählte formten sich bunter Lichter und Farbwirbel vor den beiden in dem Erker. Sie erzählte von dem sich ausdehnenden Universum und bald waren sie umgeben von Sternen. Sie erzählte von dem großen Krieg zwischen Cosmos, der Ordnung, und Chaos, der Finsternis der Ersten Stunde – am Ufer der Wasser der Schöpfung. Von Cosmos, die ihre Kraft in die Hände einer Auserwählten legte – Elyssa, die zur ersten Senshi wurde und mit dem goldenen Schwert der Hoffnung Chaos in die Dunkelheit jenseits der Sterne zurückschickte, wo es auf eine Schwäche wartet. Eine Schwäche, die niemals kommen sollte so lange eine Erbin Elyssa’s auf dem Thron saß. Die Erben Elyssa’s wurden Elyssian genannt, und sie wurden die Herrscherfamilie die über alle Sterne wachte. In Licht und Schattenspielen zeigte Galaxia ihrer kleinen Schwester die Schöpfungsgeschichte, die Wanderung der Sterne, bis zu ihrer Gegenwart. Orion sah irgendwann hinauf zu ihrer großen Schwester, schläfrig und verträumt. Sie lächelte.

„Deine Augen sind ganz golden.“

Galaxia lächelte und strich Orion über das Gesicht, schloss ihre Augen. Gerade was die Kleine gebraucht hatte. Sie schlief auf dem Schoß ihrer Schwester ein und Galaxia saß noch ein Weilchen umgeben von Sternen. Wenn Papyllon sie so sehen könnte. Wie stolz sie wäre, das Galaxia ihre Stern-Energie so unter Kontrolle hatte, solche Träumereien erschaffen konnte nur mit ihrer Willenskraft. Sie hatte lange dafür trainiert, hart und heimlich, denn Harkon sah es nicht gerne. Aber nun kannte sie ihren Stern, sie kannte ihr Licht, ihre Kraft. Und das würde sie mit niemandem teilen, außer mit Orion.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2011-08-21T16:32:38+00:00 21.08.2011 18:32
Und wieder ein schönes Kapitel.
Hatte eigentlich ja gehoft, das es bei Papillion und co weitergeht. xddd
Von: abgemeldet
2011-07-12T18:42:39+00:00 12.07.2011 20:42
Man, du verstehst es echt, einen schmoren zu lassen, wie es weiter geht. XD
Echt super Spannend geschrieben!!
Von: abgemeldet
2011-07-10T14:52:35+00:00 10.07.2011 16:52
Bis hierher echt super gut geschrieben! Schon mal überlegt, Bücher zu schreiben? (Im Ernst!!) Ok, ein paar kleinere rechtschreibfehler hier und da, aber darüber kann maan hinwegsehen.

Freu mich auf das nächste Kapitel!! Nur weiter so!!


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