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Die Chroniken von Khad-Arza - Das Imperium der schwarzen Sonne

Zweites Buch
von

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Die Fänge des Dämons

Grollend waberte die dunkle Masse der unheilschwangeren Wolken am Himmel hin und her, während Puran am Zaun stand, der das Lager begrenzte, und hinauf starrte in der Hoffnung, irgendetwas Nützliches gesagt zu bekommen. Doch die Geister schwiegen ihn an... er hätte sie gerne dafür verflucht.

Ram... sag doch irgendwas zu mir, du bist jetzt ein Teil von ihnen. Ich wollte ja nie die Finger an deine Frau legen... aber soll ich allen Ernstes zulassen, dass es stattdessen Arlon Zinca tut? Gefällt dir das etwa besser?

Ram Derran antwortete wie gewohnt nicht und der Herr der Geister seufzte, ehe er sich gestresst mit den Händen über das Gesicht fuhr. Dass Ram etwas dagegen hätte, dass er seine Frau aus Senjo zurück diskutierte, stand für ihn an sich gar nicht zur Debatte. Die Frage, ob er Pakuna zurecht da heraus holte, verdrängte nur die viel dringendere Frage in seinem Inneren, ob es klug war, Henac Emo zu trauen. Ausgerechnet dem... aber der Kollege hatte unweigerlich recht damit, dass der König von Senjo – oder gar der Imperator – die Unterhaltung eher dulden und daraus Erfolg fruchten würde, wenn er allein ging und sich nicht von den Sagals beschatten ließ. Und dennoch... Puran Lyra war kein Dummkopf, anzunehmen, Emo täte das aus purer Freundschaft, war absoluter Quatsch. Er fragte sich nur, was Emo sich davon versprach, wenn er Pakuna holte... oder wenn er irgendwie in Kontakt kam mit dem feindlichen Lager des Imperiums. Ob er wohl hoffte, der Kaiser würde ihn zur Strecke bringen? Ganz so blauäugig war er dann noch nicht... was immer Emo ausheckte, er würde ihm schon noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Gerade hatte er ausgedacht, da erschien mit einem schwarzen Schattenwirbel der fragwürdige Verbündete direkt neben ihm vor dem Zaun. Puran Lyra straffte grimmig die Schultern und Henac Emo grinste wie eh und je.

„Guten Morgen, mein König.“ Der Jüngere schnaubte.

„Spare dir die Heuchelei, Emo. Ich habe gestern jemanden rüberschicken lassen, der König von Senjo sollte meine Nachricht erhalten haben.“ Henac Emo verbeugte sich theatralisch.

„Schon verstanden, Majestät, wir brechen sofort auf. Weiß irgendjemand hiervon?“

„Nein. Ich will nicht, falls irgendetwas schiefgeht, dass irgendwer von hier damit belastet werden kann.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit; er hatte zwar niemandem gesagt, was genau er vorhatte, aber er hatte Alona angehalten, umgehend den Rat und Sagal zu verständigen, wenn er in zwei Tagen nicht zurückkäme. Henac Emo musterte ihn kurz und nickte dann.

„Hast dich ja richtig rausgeputzt, was? Willst du den König von Senjo verführen, Puran?“

„Ich dachte, bei dir zieht das doch auch immer, wieso sollte ich es nicht auch mal versuchen?“, spottete der König von Kisara und Emo hielt ihm seine Hand hin. „Was ist?“

„Du musst meine Hand festhalten. Sonst kann ich dich nicht mit Schattenmagie da schnell und unsichtbar hinüber bringen.“

„Meinst du das ernst?“

„Komm schon, Schnuckel, einmal Händchen halten. Du kannst dich natürlich auch gerne wo anders festhalten...“ Stöhnend griff Puran die Hand seines Kollegen.

„Ist ja gut, du Perverser! Wenn ich deine Hand irgendwo bei mir erwische, töte ich dich.“

„Schon klar.“

„Und, Emo... was immer du in Wahrheit planst, sei gewarnt. Ich bin kein Vollidiot. Denkst du echt, ich kaufe dir ab, dass du nur mein Vertrauen erkaufen willst?“ Der Schwarzhaarige lächelte aalglatt; bei dem seltsamen Blick in seinen Augen fuhr Puran ein Schauer über den Rücken.

„Du wärst überrascht, mein Guter.“
 

Karana war nicht daheim. Saidah war froh darüber und die Geister mussten auf ihrer Seite sein, als sie eilig den Hügel hinauf lief zur Familienhütte der Lyras. Sie war nicht scharf darauf, Karana zu begegnen... es war schlimm genug, dass er Nacht für Nacht bei ihr aufkreuzte, oder auch tagsüber, in Momenten, in denen sie nicht damit beschäftigt war, Zoras Derran zu trainieren. Die Träume ihrer Kindheit hatten sie so lange verfolgt, bis sie her gerannt war, und sie atmete noch heftig von dem Dauerlauf quer durch das Lager, als ihr auf dem Hügel der Weg zur Hütte von der blonden Seherin aus Fann versperrt wurde, die aus dem Nichts auftauchte und Saidah wissend angrinste.

„Ich habe gewusst, Ihr würdet kommen.“, erklärte sie der Geisterjägerin lächelnd. „Ich habe die Träume gesehen. Tod und Schatten... heute ist ein schlechter Tag, jaja.“

„Guten Tag, Ryanne.“, grüßte die wenig ältere Frau geschäftig und fuhr sich nervös durch die schwarzen Haare, die sie sich achtlos geflochten hatte. „Ich will zu Puran.“

„Der König ist nicht hier, Herrin.“, feixte Ryanne und trat gehorsam zur Seite, und Saidah, die fast in die Hütte gelaufen wäre dadurch, hielt inne und sah sie unschlüssig an. Die violetten Augen ruhten mit einer unnatürlichen Gelassenheit auf ihrem Gesicht, und sie spürte die Macht, die von ihnen ausging... und wie die Seherin ihr direkt in die Seele blickte.

„Wie, nicht hier? Wo ist er, Seherin?“

„In Senjo. Er holt Pakuna. Oder versucht es. Kennt Ihr Pakuna? Sie ist hübsch.“ Saidah ließ ihren Blick unschlüssig zum Kochfeuer in unmittelbarer Nähe schweifen, wo viele der anderen saßen und sie jetzt neugierig ansahen. Alona erhob sich, ohne sie oder die Seherin aus den Augen zu lassen.

„Pakuna Derran und ich sind vom selben Blut.“, sagte Saidah zu Ryanne, „Ich kenne sie nur flüchtig. Was macht Puran jetzt in Senjo drüben, ich habe ein schlechtes Gefühl, schlimme Dinge werden kommen.“

„Ich sage ja, es ist ein schlechter Tag.“, zuckte Ryanne mit den Schultern. Dann kam Alona zu ihnen und begrüßte Saidah mit einer knappen Kopfneigung.

„Sie lügt nicht, Puran ist wirklich nicht da. Das mit Senjo hat er mir verschwiegen, aber fort ist er. Ist etwas passiert?“

„Ich habe von Tod und Schatten geträumt und... ich habe Manha gesehen. In meinen Träumen... ich habe nicht deuten können, was es bedeutet, aber ich habe ein echt mieses Gefühl und dachte, ich frage ihn mal danach... spürst du es auch, Alona?“ Sie blickte der Telepathin unruhig in das hübsche Gesicht und Purans Cousine verengte argwöhnisch die grünen Augen.

„Verstehe. Seit Ahrguls Fall ist Ulan Manha wie vom Erdboden verschluckt, nicht mal die Sagals haben ihn gefunden. Wenn er jetzt in deinen Träumen auftaucht, ist das gewiss kein gutes Zeichen. Ich spüre das Unheil in der Luft, die ich einatme... irgendetwas passiert.“ Saidah wurde durch die irre Seherin abgelenkt, die jetzt zwischen den beiden Frauen am Boden hockte und mit dem Finger in den Sand zu malen begann. Irritiert zog sie eine Braue hoch und sah wieder zu Alona.

„Was, ähm, tut sie da?“

„Sie malt ihre Erinnerungen. Das tut sie seit neuestem recht oft.“ Sie beide sahen auf Ryanne herab, die kicherte und mit einem diabolischen Lächeln den Kopf wieder hob, ihre irrsinnige Zeichnung unterbrechend.

„Ich habe Henac Emo gesehen. Der, der wie Denmor ist. Er ist mit dem König gegangen.“ Alona trat prompt einen Schritt zurück.

„Denmor?!“, zischte sie und Saidah erbleichte.

„Puran ist mit Emo unterwegs nach Senjo?!“ Sie fuhr herum. „Das darf nicht wahr sein, nicht der Typ! Emo ist ein Verräter, ich weiß es! Er kann sich Manhas Befehl gar nicht widersetzen, er wird gezwungen, zu tun, was er sagt!“

„Ich sage ja, er ist Denmor.“, sagte Ryanne guter Laune, wurde aber ignoriert, als Alona den Kopf wieder hob.

„Wie bitte? Wie kannst du dir sicher sein? Den Verdacht haben wir ja alle seit Jahren, aber kannst du es beweisen?“ Saidah zischte und zögerte einen Moment mit der Antwort.

„Ich habe das Schmerzmal gesehen. Das Fluchmal, das Scharan denen verpasst, die er in die Knie zwingen will... über diesen Zauber kann er unerträgliche Schmerzen verursachen und sein Gegenüber foltern mit bloßer Willenskraft. Ich habe darüber gelesen in Aufzeichnungen aus Janami. Es ist ein alter Zauber, er ist mächtig. Auf diese Weise hat er auf Ghia ganze Monarchien beendet. Auf diese Weise tötete er Kohdars. Emo... hat das Mal auch, ich habe es gesehen.“ Sie dachte an den Moment zurück, in dem sie es zum ersten Mal gesehen hatte. Sie dachte an den Schauer zurück, der über sie gekommen war, als sie all ihre Befürchtungen, all ihr theoretisches Wissen über diesen Mann namens Manha, auf diesem Stück Haut bestätigt gesehen hatte. Was sie jetzt verblüffte war, dass Alona diese Erklärung nicht sonderlich zu überraschen schien. Die Telepathin nickte unglaublich reserviert und räusperte sich dann.

„Wo?“, fragte sie knapp. „Wo hat Emo denn das Mal, das du gefunden hast? Sein unwiderruflicher Draht zu Ulan Manha... durch den dieser Dämon ihn kontrollieren kann.“ Saidah sah zur Seite und sparte es sich, es auszusprechen. Stattdessen sah sie hinab auf die Seherin, die ein schiefes Lied summte und dabei war, dämonisch grinsend in den Dreck zu malen.

„Das ist eine gute Idee. Ein neuer Penis für die Sammlung. Und wehe, wenn Sagal da wieder drauftritt.“
 

Der König von Senjo war kein Idiot. Puran kannte den Mann ja seit vielen Jahren, allerdings hatte er noch nie ernsthaft gegen ihn sprechen müssen, da Senjo immer ein Verbündeter von Kisara gewesen war. Da er Senator der Provinz Thalurien gewesen war, welche direkt an Senjo grenzte, hatte er schon früher oft mit dem Herrscher des Nachbarlandes zu tun gehabt, allerdings waren das immer bloß Formalitäten gewesen. Jetzt war der ältere Mann aus Senjo darauf aus, Zeit zu schinden. Er hatte gesagt, er ließe sich das durch den Kopf gehen und würde mit dem Mann aus Holia sprechen; eigentlich zählte aber weniger Pakunas Geburtsland als jenes Land, in dem sie zuletzt auf Tharr gelebt hatte, und das war Senjo. Fest stand, der König hatte sich gut vorbereitet auf die Diskussion und schien von irgendwem eingebläut bekommen zu haben, dass er sich ja nicht geschlagen geben sollte; und das wegen einer einzelnen, dummen Frau. Puran bezweifelte, dass dem Herrn irgendetwas an Pakuna lag, oder an Arlon, es ging ums Prinzip. Er durfte sich vermutlich vor dem Imperator nicht als Feigling zeigen, der sich in den Boden diskutieren ließ. Das Dumme war, dass Puran eben nicht als Privatmann agierte, sondern als König des ganzen, verdammten Landes; er hatte viel wichtigeres zu tun als um Pakuna zu feilschen. Dass er noch einmal die Zeit fände, hierher zu kommen und es noch mal zu versuchen, sobald der Herr von Senjo darüber nachgedacht hatte, war wohl kaum der Fall. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb der Ältere versuchte, Zeit zu schinden; er wusste genau, dass Puran sich nicht leisten konnte, ewig auf dem Schicksal einer einzelnen Frau herumzureiten, während das Volk von Kisara links liegen blieb.

Völlig frustriert ob des nicht existenten Erfolges stampfte der Herr der Geister schließlich unter den wachsamen Augen der Wachmänner des Imperiums zurück zur Begrenzung des feindlichen Lagers, um wieder nach hause zu gehen. Er traf Emo außerhalb des Zauns, er hatte ihn sicherheitshalber draußen gelassen.

„Elende Schlitzohren.“, grollte er, während er an seinem grinsenden Kollegen vorbei hinaus auf die Tundra stampfte. Es war ihm egal, ob die Wachen am Zaun ihn noch hörten, es war ja wohl kein Geheimnis, dass er auf die Bewohner dieses Lagers nicht besonders gut zu sprechen war. „Verdammt, ich verschwende hier für nichts und wieder nichts meine Zeit. Die guten Geister haben diese Welt definitiv verlassen; oder mich die Macht über sie.“ Das wohl eher, hatte er das Gefühl, und er hielt an und starrte in den düsteren Himmel, als ihn ein ungutes Gefühl beschlich, das er nicht einordnen konnte. Unheil zog herauf... er drehte sich hektisch um zum Lager, das jetzt schon so weit entfernt war, dass er die Wachen am Zaun kaum noch als winzige Punkte erkennen konnte. Wo war denn Emo geblieben? Er war davon überzeugt gewesen, dass der grinsende Fatzke ihm folgte... aber als Puran sich einmal um sich selbst drehte, war er völlig allein. Ein Grollen aus dem Himmel ließ ihn wieder nach Norden fahren, und er keuchte erschrocken, als Emo plötzlich aus dem Nichts wieder auftauchte und jetzt vor ihm stand.

„So schreckhaft heute?“, raunte der Kollege feixend, „Sind wir etwa nervös? Na ja, ich verstehe das, wir sind ganz alleine, du und ich... bei meiner Ausstrahlung ist es kein Wunder, dass du nervös wirst, Schnuckel.“

„Treib keine Spielchen mit mir, Henac.“, brummte der Herr der Geister missgelaunt, „Ich bin gerade nicht in der Stimmung für deine Sexgespräche! Was machst du für einen Unfug, Verstecken spielen?“

„Nicht ganz.“, seufzte der Ältere mit einem süffisanten Unterton, ehe er den Kopf hob und Puran plötzlich das überwältigend üble Gefühl hatte, irgendetwas näherte sich ihm von hinten. Der Moment, in dem die Geister ihn mit zischenden Stimmen warnten, war derselbe, in dem Emo die Brauen bedrohlich senkte und sprach. „Ich dachte eher an... Katz und Maus, Puranchen.“

Im selben Moment spürte der Mann, wie er von hinten mit einem kräftigen Arm gepackt wurde, wie dieser sich um seinen Hals legte und fest zudrückte, ohne ihn aber ernsthaft zu würgen. Er keuchte und erstarrte auf der Stelle, als er die Übelkeit und die Panik in ihm hochsteigen spürte beim Klang der vertrauten und so verhassten Stimme direkt neben seinem Ohr.

„Und schon ist das Mäuschen gefangen... du bist unaufmerksam, Puran... freust du dich, mich wiederzusehen...?“ Puran spürte sämtliches Blut aus seinem Gesicht weichen und wie eine grauenhafte Kälte mit eisigen Klauen nach seiner Kehle packte, um ihm die Luft zum Atmen abzuschnüren, viel schlimmer als der Arm, der ihm wirklich auf den Hals drückte.

„Ulan Manha...“
 

Der Mann hinter ihm gluckste, offenbar war er amüsiert, während er ihm immer noch den Hals zudrückte. Puran versuchte, ihm keine Beachtung zu schenken, stattdessen lenkte er seine Gedanken auf Henac Emo, der vor ihm stand und offenbar nicht vorhatte, sich einzumischen. Der Herr der Geister brauchte alle Macht, die er aufbringen konnte, um sich zur Ruhe zu zwingen, während sein Inneres ihn drängte, der wachsenden Panik nachzugeben. Er kannte diese bestimmte Furcht, eine nackte Angst, die viel tiefer in ihn hinein griff als irgendeine andere Furcht, die er jemals in seinem Leben verspürt haben mochte. Es war nicht die Angst vor seinem Tod, den er jetzt zum Greifen nahe dachte, wo Ulan Manha ihm mit seinem Arm die Kehle zudrückte und ihm auf eine unverschämte Art so abartig nahe war. Nein, die Angst, die er spürte, hatte nichts mit seinem eigenen Tod zu tun, aber er spürte sie tief in sich schlummern, solange er denken konnte. Nur, dass diese Angst einst seinem verhassten Großvater Kelar vorbehalten gewesen war, und nach vielen Jahren, die seit Kelars Tod vergangen waren, war sie auf Manha übergegangen... auf den Mann, der seine Mutter getötet hatte. Und so viele andere.

„Du zitterst ja...“, raunte der Ältere ihm jetzt ins Ohr und verlieh seiner Stimme einen so anrüchigen Ton, dass Puran das spontane Bedürfnis hatte, sich zu erbrechen. „Du hast solche Angst vor mir, Puran Lyra... aber mach dir bitte nicht in die Hose, das wäre ja peinlich in deinem Alter. Sollte ich... mich für einen großen Mann halten, wenn ich es fertig bringe, dass der mächtigste Schamane des Zentrums... der König von Kisara... solche panische Angst vor mir hat? Das erfüllt mich wahrlich mit... Stolz.“ Er gluckste erneut und Puran zischte.

„Worauf wartest du noch? Töte mich, bring es hinter dich. Das ist es doch, was du willst? Uns alle... aus dem Weg räumen, damit du der Größte bist. Und jeder, der dir dabei in die Quere kommen könnte, muss getötet werden. So war es doch auf Ghia... nicht wahr?“ Zu seinem Entsetzen lachte Manha.

„Puran, Puran...“, sprach er und klang wie ein enttäuschter Vater, der seinen Sohn tadelte, „Du hast keine Ahnung, was ich will. Dich einfach zu töten wäre ziemlich stillos. Nein, auf diesen Tag... auf diesen Moment warte ich seit Jahren und... dank deinem treuen Kollegen hier ist es heute soweit. Ich bin stolz auf dich, Emo. Du bekommst nachher einen saftigen Knochen.“ Puran bohrte seinen Blick mit wachsendem Zorn in Emos aalglattes Gesicht. Der Schwarzhaarige grinste.

„Du...!“, presste der König hervor und wand sich zum ersten Mal etwas sinnlos in Manhas festem Griff, „Ich hätte es besser wissen müssen als jemals anzunehmen, du wärst etwas anderes als ein elender, dreckiger Verräter! Du verabscheuungswürdiger, verdammter...!“

„Ah, ah, jetzt werde nicht unhöflich, Häuptling Zitterhand.“, wies Emo ihn an, „Das ziemt sich nicht für einen König, oder?“

„Halt deine dreckige Fresse!“, brüllte der Herr der Geister ihn an und sparte es sich, länger die Hochsprache Kisaras zu sprechen oder auf gewählte Worte zu achten. Was hatte er zu verlieren? „Halt einfach deine Schnauze, oder ich schlage dir sämtliche Zähne aus, du Hurensohn, du dreckiger Bastard! Du bist nicht mehr im Rat, Henac Emo, du bist verstoßen und wirst es zeitlebens bleiben! Du... du abscheulicher Arschficker!“ Henac Emo fing an zu lachen und Manha verfestigte seinen Griff um Purans Hals mit roher Gewalt, sodass dem Jüngeren kurz die Luft wegblieb.

„Glaubst du ernsthaft, ich will in euren verdammten Rat?!“, gackerte Emo, „Ihr könnt mich mal, Puran. Auf einen Haufen Idioten, die planlos zusammensitzen, sich besaufen und rauchen, kann ich verzichten, das kann ich auch ohne eure erlauchte Gesellschaft.“

„Du dreckiger, behinderter Bastard!“, fluchte Puran ungehalten, „Dein Großvater war ein ehrbarer Mann! Der würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dich hier sehen könnte, wie du Schande über deine ganze Familie bringst allein dadurch, dass du atmest, du Pestbeule, du Lästerung des Lebens, du unwürdiger, Männer fickender Abschaum!“ Henac Emos Grinsen verschwand und er zückte ohne Kommentar aus seinem Umhang eine Handvoll kleiner Wurfnadeln, ehe er einen Schritt vortrat und Puran mit kalter Arroganz ins Gesicht blickte.

„Was weißt du schon von meinem Großvater?“, grollte er, „Den hast du doch... kaum gekannt.“ Er lächelte wieder, ehe er fortfuhr. „Komm schon, Häuptling. Wenn du mich bittest... vergebe ich dir. Dann wird es weniger schmerzhaft. Dass du mich so unsittlich beleidigst, hilft dir in dieser Situation nicht wirklich. Schade, dass du... dein Geisterschwert nicht rufen kannst, um uns zu vernichten, was? Weil du irregeleiteter Wicht ja der Meinung warst, es wäre edelmütig, zu schwören, nie wieder einen Menschen zu töten... dumm, was, Puran?“ Er kicherte und strich mit einer der scharfen Wurfnadeln über Purans Wange, ohne seine Haut zu verletzen. Beide Männer starrten einander an und dann sprach der Schwarzhaarige weiter. „Bitte mich um Vergebung, Puran. Vielleicht gewähre ich sie dir...“ Puran spuckte ihm ins Gesicht, worauf der Ältere einen Schritt zurücktrat und sich dann räuspernd mit der Hand über das Antlitz fuhr. „Auch gut, du hattest die Wahl. Dann werde ich Saidah töten, wenn ich sie das nächste Mal sehe... deine kleine Lieblingsmätresse. Deine loyale, kleine Liebhaberin... nicht wahr, Puran?“

„Geh mir aus den Augen, du Hund!“, zischte der Jüngere wutentbrannt, „Das versuch mal. Saidah zu töten.... sie ist Meoran Chimalis' Tochter.“

„Richtig, das hilft natürlich enorm, die Tochter eines herzkranken, schielenden alten Spinners zu sein.“

„Bevor Saidah auch nur zulässt, dass du in ihre Nähe kommst, bist du gar, Emo.“, prophezeite der Herr der Geister feindselig und zu seiner Verblüffung lachte der Verräter darauf plötzlich wie irre auf.

„Ach! Tatsächlich, das glaubst du?! Wenn du wüsstest, Puranchen... wenn du wüsstest, wie billig sie sich an meinen Hals geworfen und für mich die Beine breit gemacht hat, die kleine Schlampe, ohne auch nur einen Moment zu zögern oder daran zu denken, was du dazu sagen könntest...“

„Lügner!“, brüllte Puran fassungslos und seine Stimme überschlug sich in der Mischung aus Wut und Panik in seinem Inneren, als Ulan Manha hinter ihm ihn fester an sich presste und seine Kehle wieder fester zudrückte.

„Halt die Schnauze, Emo.“, sagte er zu seinem Handlanger, „Das hier ist mein Augenblick, nicht deiner. Das hier... gehört allein mir! Wie mir alles gehören wird... und wie du kriechen wirst, König von Kisara. Hast du Angst?“ Puran keuchte, als der Griff um seinen Hals langsam schmerzhaft wurde.

„Scher dich zum Himmelsdonner!“, grollte er erstickt, „Ehe ich vor die krieche, sterbe ich, du Hurensohn. Du hast meine Mutter ermordet.“ Manha lachte kalt.

„Richtig... die hübsche, kalte Nalani. Sag mal, hättest du deine eigene Mutter gefickt, wenn es nicht verboten gewesen wäre, Puran? Ich hatte immer das Gefühl, du hingst ungewöhnlich doll an ihr.“ Auf so etwas Widerwärtiges antwortete er gar nicht erst. „Ja... sie zu töten war gar nicht einfach, aber leider unumgänglich damals. Hast du dich je gefragt, warum ich sie getötet habe?“

„Weil sie Geisterjägerin war und du Macht wolltest?“, schnaubte der Jüngere und sein Peiniger kicherte.

„Nein, ich meine, wieso ich sie wirklich getötet habe. Aus so einem banalen Grund habe ich niedere Leute getötet, oder diese Schwachmaten von Ghia. Aber die Königin der Königinnen hat sich damals selbst ins Verderben geritten... weil sie zu viel wusste. Weil sie Dinge wusste über mich... über meine Herkunft... die ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht zu teilen bereit war. Aber jetzt, wo ich dich habe, wo du unweigerlich vor mir knien wirst, wenn ich es verlange, kann ich dir mein düsteres Geheimnis ja verraten. Das Geheimnis, dass uns beide... einander so ähnlich macht.“ Puran erstarrte. Er wusste nicht genau was es war, das die Furcht in seinem Inneren plötzlich so heftig werden ließ, dass er glaubte, er würde ohnmächtig. Er zitterte unwillkürlich und Manha packte ihn wieder fester, ehe er das Gesicht vorlehnte und jetzt so dicht an Purans linkem Ohr war, dass er seine Lippen gegen seine Haut streichen spürte, als der Ältere fortfuhr. Sein ganzer Körper verkrampfte sich bei der plötzlichen, gezischten Warnung der Geister, bei diesem so entfernt vertrauten und zutiefst gefürchteten Gefühl der Panik. Er spürte den Schatten so machtvoll über sich fallen, dass er glaubte, unter der tödlichen Macht zusammenbrechen zu müssen; plötzlich schien die ganze Welt den Atem anzuhalten in dem Moment, in dem Scharan hinter ihm lächelte und sein Gesicht senkte. Puran spürte den Geist des Dämons, bevor er begreifen konnte, was er da wahrnahm, als Manha sprach.

„Hast du dich nie gefragt, wieso... Karana und ich die gleichen, spitzen Eckzähne haben, die auch Kelar hatte... du dummer... Enkel?“

Das nächste, was Puran spürte, war, wie der Kerl den Kopf zu seinem Hals beugte und seine scharfkantigen Fangzähne in ihm versenkte, im selben Moment brach eine Welt aus purem Schmerz über ihm zusammen und riss ihn in den Schatten, den er so fürchtete.
 

Scharan spürte den Rausch seinen Körper beherrschen, diese Ekstase, die ihn ergriff, wenn er diesen Fluch anwendete, wenn er das Fluchmal durch einen brutalen Biss auf dem Körper eines arglosen Opfers erschuf. Die Ekstase war wie kribbelnde Hitze, die durch seine Adern floss, als würde die Magie sein Blut in Brand setzen in dem Moment, in dem er mit wachsender Euphorie daran dachte, dass er hier den vermutlich mächtigsten Magier des ganzen, verdammten Zentrums auf diese Weise lahm legte. Es würde Puran nicht töten... solange Manha ihn nicht töten wollte. Aber es brachte unermessliche Schmerzen und das nicht nur körperlich, während es dem Erzeuger des Mals Macht verlieh, Macht über die Person, die er zu seinen Füßen zwang. Und er hörte ihn schreien, als würde er dabei verrecken, er wurde immer lauter und wahnsinniger, und je lauter er schrie, desto mächtiger wurde der Rausch in Manhas Geist, der ihn so sehr benebelte, dass er drohte, das Gleichgewicht zu verlieren. Es kribbelte überall in seinem Körper ob der gnadenlosen Macht, die er beherrschte, ob dieses Erbes, das er in seinen Genen trug, das er diesem Mann zu verdanken hatte, den Puran so verabscheute... Kelar Lyra. Die Macht drohte ihn wahnsinnig zu machen und sie erregte ihn, sodass er spürte, wie er bei der bloßen Vorstellung dieser Macht hart wurde, während er sein Opfer immer noch fest an sich presste und ihm keine Möglichkeit gab, zu fliehen. Schließlich löste er sich von Purans Hals und betrachtete mit dem Wahnsinn des Massenmörders, der er war, wie aus der blutigen Bisswunde das Mal wuchs, ein kleines Symbol, das aussah, als wäre es ein Brandmal. Puran kippte zu Boden und schrie sich immer noch die Seele aus dem Leib, fasste nach seinem vermutlich höllisch schmerzenden Hals und dem Mal, schrie weiter und startete sinnlose Versuche, sich aufzurappeln. Ulan Manha bedeutete Emo, der sich köstlich zu amüsieren schien, die Schnauze zu halten, ehe er es erwog, die Schmerzen abklingen zu lassen, damit Puran noch bei Sinn und Verstand war, wenn sie weitersprachen. Er ließ seinen Geist los, worauf die Schreie allmählich weniger wurden, ehe der Jüngere am Boden es schaffte, sich keuchend und am ganzen Leib bebend auf die Knie zu rappeln. In seinen Augen waren Tränen ob der grauenhaften Schmerzen, die jetzt nachließen, und Manha genoss es, auf ihn herabblicken zu können... diesen Kerl, der eigentlich so viel mächtiger war als er, wenn man es genau betrachtete. Grinsend beobachtete der Sklavenkönig die Fassungslosigkeit, das nackte Entsetzen, das sich in Purans gequältes Gesicht stahl, und er lächelte heiter.

„Das Fluchmal...“, raunte Scharan zufrieden mit seinem Werk, „Es wird dich an mich binden, solange ich lebe; oder du, vermutlich lebst du jetzt kürzer. Ist das nicht witzig? Das ist mein Erbe, Puran! Das Erbe, das mir... mein Großvater hinterlassen hat, von dem ich als Kind nicht einmal ahnte, dass er mein Großvater war. Ein Erbe, das genauso deines hätte sein können... hättest du auch diese Zähne geerbt, wie... dein Sohn sie hat.“ Puran starrte ihn an und versuchte zitternd, sich aufzurappeln. Das ließ Manha nicht zu, mit einem Zug an der Verbindung zu seinem Geist ließ er ihn mit einem Schwall aus Schmerzen wieder zu Boden stürzen, wo er stöhnend fester nach seinem Hals griff.

„D-du Bastard... du... verdammter...! Die... die Zähne!“

„Ja, die Zähne.“, erwiderte Scharan frohlockend, „Sieh sie dir genau an und halte dir vor Augen, dass du doof bist. Du hast nie begriffen, was es bedeutet, dass ich diese Zähne habe... deine Mutter hat es begriffen, deswegen musste sie ja sterben. Du weißt, woher du diese Fänge kennst...“ Puran stöhnte immer noch und verkrampfte sich auf übelste Weise, während er gezwungen war, am gefrorenen Erdboden zu kauern wie ein Sklave. Der König, der zum Sklaven wurde... das gefiel Manha.

„Kelar...“, keuchte er atemlos, „Du... du bist die Bestie, die aus dem Geisterreich zurück-...gekehrt ist. Du... hast den Geist... meines Großvaters... den Geist dieses Dämons...!“

„Applaus für König Puran.“, ereiferte sich der Ältere amüsiert und klatschte in die Hände. „Und es ist nicht nur sein Geist, der am Tag seines Todes auf mich überging, weil er... dafür sorgte. Es ist sein Blut, das in meinen Adern fließt, genau wie in deinen. Er ist genauso mein Großvater wie deiner... wir sind vom selben Blut, Puran. Das macht uns zu Cousins, nicht wahr? Wie witzig.“

Der Blick, den er von dem angeschlagenen König von Kisara fing, war für die Götter. Scharan genoss ihn in vollen Zügen und ergötzte sich an dem blanken Entsetzen, an dieser Panik, die den Anderen ergriff und die ihm den Verstand zu rauben drohte.

„D-das... kann nicht sein!“, keuchte er dann, und Manha grinste.

„Oh, doch, fürchte ich. Meine Mutter war eine uneheliche Tochter von Kelar. Die Tochter irgendeiner Dorfnutte, an der der Tyrann sich wohl vergangen hat, wenn seine herrische, wahnsinnige Frau ihm auf die Nerven ging. Du kanntest doch die Seherin Salihah, die deine Großmutter ist? Sie soll echt ein Schreckgespenst gewesen sein, und sie soll ihren Verstand verloren haben wegen ihrer Sehensgabe...“

„Eine übliche Krankheit in Gehirnen von Sehern, möchte man meinen.“, addierte Emo im Hintergrund.

„Meine Mutter wusste zeitlebens nichts davon, wer ihr wahrer Vater war. Ich habe es herausgefunden durch die Visionen der Geister... das war der Grund, aus dem heraus ich anfing, zu begreifen, was das Schicksal aus mir gemacht hat. Dass ich diesen Mann – meinen Großvater – als kleiner Junge fand, während er im Sterben lag, und dass er mich erkannte als seinen Enkel, um mich dann fast zu ermorden und dadurch seinem Geist die Chance gab, in meinen jungen Körper einzudringen, war Wille der Geister! Es ist Wille der Geister, dass ich... der ich der wahre Erbe von Lyrien bin, der Herrscher werde! Und ihr alle, Puran, werdet kriechen... und mich anbeten. Du genauso... wie deine Saidah, genauso wie deine Kollegen, genauso wie der beknackte Kaiser von Zuyya! Es ist mein Schicksal, Puran! Ich habe die Macht, die ganze Welt zu unterwerfen, ich bin Gott! Und du siehst mich an und weißt es... nicht wahr, Cousin? Ich werde das zu Ende bringen, was mein Ahne, der große Tyrann, angefangen hat in Lyrien. Ich werde euch alle unterwerfen, ihr alle... werdet mich ansehen und wissen, dass ich es bin... dem die Welt zu Füßen liegt!“ Das gesagt empfand er es an der Zeit, sich zurückzuziehen, als er in der Ferne eine leise Warnung der Geister wahrnahm, dass irgendjemand auf dem Weg hierher war. Er hatte, was er wollte, fürs Erste. Mit einem Wink in Emos Richtung wandte sich Scharan nach Norden und zog erneut an der Verbindung zu Purans Seele, um die Schmerzen des Fluchmals wieder aufflammen zu lassen. Der Mann sank keuchend und dann schreiend in sich zusammen, und Manha hielt es für eine gute Idee, die Schmerzen so lange festzuhalten, bis er weit genug weg war. Oh ja, er würde kriechen... jetzt war er gezwungen, das zu tun. Manha war sehr zufrieden mit sich.
 

Die Welt bestand aus Schatten und Schmerzen. Irgendwann wurde es dunkel um Puran herum und er glaubte zuerst, er wäre gestorben. Doch der Schmerz pochte dumpf in seinem Hals unter dem linken Ohr, dort, wo dieser Wahnsinnige ihn gebissen hatte wie ein Blutsauger; wenn er den Schmerz noch spürte, konnte er nicht tot sein, schloss der Mann daraus. Er wusste nicht, wie lange er in der Tundra am Boden gelegen hatte, als er wieder eine vertraute Stimme hörte. Die Geister wisperten in seinem Inneren und quälten ihn mit Erinnerungen an seinen Großvater, der nicht so tot war, wie er hätte sein sollen... sein Körper war tot, aber sein Geist lebte zweifelsohne in Scharan... das hatte dieser Kerl eindrucksvoll bewiesen. Die Gedanken waren zu irrsinnig, um sie begreifen zu können. Er konnte sich nicht mal dazu aufraffen, sich zu fragen, wie so etwas an ihm hatte vorbeigehen können; er hatte keine Kraft mehr, er spürte nur den Schatten, in dem er immer tiefer und tiefer versank, ohne eine Hoffnung, jemals wieder ans Tageslicht zu finden. Die Wunde schmerzte und verspottete ihn.

„Du bist immer noch am Leben, obwohl du im Schatten ertrinkst. Und du wirst es auch bleiben, damit dein Leiden nie aufhört. Ist das nicht witzig?“ So gackerten die Geister und Puran trieb wie totes Holz durch den Schatten seines Geistes, ehe er das Gesicht seines Großvaters darin aufblitzen sah. Mit denselben, gefährlichen Zähnen, mit diesem Wahnsinn in den blauen Augen, mit dieser Grimasse, die aus seinem an sich ansehnlichen Gesicht wurde, wenn er grinste und seine Fänge entblößte.

„Lauf nur, wenn du kannst, Enkel.“, amüsierte er sich, „Du bist immer vor allem weggelaufen, du Angsthase. In der Finsternis zu ertrinken ist jetzt dein Schicksal.“

„Nein...!“, stöhnte Puran und wusste nicht mal, ob er wirklich sprach oder es nur träumte; er wusste nicht mal mehr, ob er bewusstlos oder wach war. Erst, als er plötzlich spürte, wie jemand an ihm rüttelte und er die bekannte, so vertraute Stimme über sich vernahm, schlug er die Augen auf und merkte, dass der Schmerz etwas nachgelassen hatte. Das nächste, was er wahrnahm, war Saidahs Gesicht. Sie fing an zu weinen und warf sich über ihn, umarmte ihn und drückte ihn an sich.

„Himmel und Erde, Puran!“, hörte er sie schluchzen, „Du bist am Leben... ich bin so froh, dass du am Leben bist! Ich hatte solche Angst... ich hatte so panische Angst! Sieh mich an...“ Sie erhob sich zitternd wieder, ließ ihn los und erfasste stattdessen seine Wangen, zwang ihn, ihr ins Gesicht zu blicken. In ihr Gesicht voller Sorge und Wehmut, ihr Gesicht voll von Angst, die er jetzt nicht mehr verspürte. Er konnte nur starren und nicht antworten. Wann war Saidah gekommen? Er war immer noch auf der Tundra... von Manha und Emo war keine Spur mehr. „Sieh mich an... bitte!“, wisperte sie, „Sieh mich an und sag mir, was du siehst. Komm zu dir... es ist vorüber.“

„Saidah...“, brachte er gepresst heraus, und sie fing wieder zu weinen an, als sie ihre Stirn schluchzend gegen seine lehnte, ihn auf die Wange küsste und ihn dann wieder liebevoll umarmte.

„Ich habe geglaubt, du würdest sterben... Vater.“, wisperte sie unglücklich und er war noch immer so benommen, dass es ihn nicht einmal rühren konnte, dass sie ihn Vater nannte, wie es das sonst tat. „I-ich habe gehört, du warst mit Emo weg, und... i-ich bin dir nach, weil Emo ein Verräter ist, ich bin mir sicher! I-ich hatte Angst... und jetzt sieh dich an, du liegst hier herum und... ich hätte früher kommen sollen!“ Sie wimmerte und war offenbar untröstlich. Er schaffte es, zu seufzen.

„Ich... lebe noch.“, stellte er reichlich langsam fest und sie hob das Gesicht wieder, sah ihn an und ignorierte die Träne, die über ihre Wange rann und auf sein Gesicht tropfte. „Es ist... verflucht kalt hier.“ Tatsächlich war das das Erste, was ihm ins Gemüt kam. Er spürte seine Glieder nicht mehr, er musste ewig hier gelegen haben und halb erfroren sein. Saidah wimmerte verzweifelt, ehe sie sich über sein Gesicht beugte und ihn mit einer Leidenschaft küsste, die die Wärme vermutlich schneller als gewöhnlich wieder in seinen Körper zurückkehren ließ. Er war dusselig im Kopf nach dem, was passiert war, sodass er nicht auf die Idee kam, wie anrüchig es war, sie zu küssen, als er ihren Kuss erwiderte und sie begann, seine steif gefrorenen Beine zu massieren, um die Durchblutung wieder anzuregen. Als sie sich gefährlich weit auf seinen Oberschenkeln vorgearbeitet hatte und ihre Hände fast in seinen Schritt gelangten, drehte er keuchend den Kopf zur Seite und spürte die Wärme tatsächlich wieder in seinen Körper zurückkehren.

„D-das reicht.“, stöhnte er, „Nicht weiter, ich... ich bin glücklich verheiratet.“ Sie lächelte offenbar beruhigt und keinesfalls enttäuscht.

„Gut, du kommst wieder zu Sinnen. Ich hätte um deinen Verstand gebangt, hättest du zugelassen, dass ich dich da berühre. Hier, nimm meinen Umhang, deine Lippen sind immer noch blau.“ Er seufzte, als er sich mit viel Mühe aufsetzte und ihr Angebot dankend annahm. Langsam spürte er den Schatten zurückweichen in sein Inneres, das Scharan mit seinem Zauber vergiftet hatte, und dass er wieder klar denken konnte. Er spürte das dumpfe Pochen an seinem Hals und fasste unwillkürlich danach, womit er Saidahs Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie senkte ihre Brauen und schien genau zu wissen, was das war. „Manha.“, versetzte sie kalt und Puran schauderte bei ihrer Stimme. „Emo ist sein Lakai, oder?“ Er sah sie kurz an und nickte.

„Ich hätte nie so blind sein dürfen, ihn überhaupt wieder in den Rat aufzunehmen damals.“

„Du hattest keine Wahl. Und teilweise war es ja auch eine gute Partie. Wir haben durch ihn auch Informationen über Manha erhalten.“

„Du warst dir die ganze Zeit sicher, dass Emo uns verrät.“, murmelte der König dann dumpf, während er sich den schmerzenden Hals rieb. „Woher... wusstest du es besser?“ Er sah, wie sie kurz inne hielt, als er das fragte. Flüchtig erinnerte er sich an das, was Emo gesagt hatte; er hatte sie bezichtigt, wie eine Hure für ihn die Beine breit gemacht zu haben. Der Gedanke war so abstoßend, dass er schauderte; so etwas sollte Saidah getan haben? „Sag es mir.“, forderte er jetzt schärfer, als die Bilder in seinem Kopf zu spuken begannen und ihn nervös machten. Saidah räusperte sich.

„Er hat das Mal auch. Genau wie du. Er muss es schon lange haben. Manha zwingt die Leute damit unter seine Fuchtel. Nur ein Gedanke von ihm lässt euch unerträgliche Schmerzen haben. Und Emo würde sich hüten, heroisch Schmerzen zu erleiden, statt Manha zu gehorchen. Ich habe das Mal bei ihm gefunden... dann war ich mir ziemlich sicher.“ Puran schloss die Augen, als er darüber sinnierte, ob er weiter fragen wollte oder nicht.

„Ich wage es mal...“, murmelte er dann, „Und wo hast du es gefunden?“ Saidah schenkte ihm einen Blick; er spürte es selbst mit geschlossenen Augen. Ihr Schweigen sprach Bände. „Die Antwort würde mir wohl nicht gefallen?“

„Nicht wirklich, schätze ich.“

„Und noch weniger die Antwort auf die Frage, wie du denn das herausgefunden haben magst.“, schloss er daraus, und als er die Augen öffnete, war sie errötet.

„Es ist nicht so, wie du denkst.“

„Emo hat gesagt, du hättest für ihn die Hure gespielt.“

„Es war die einzige Möglichkeit, an ihn heran zu kommen. Ich wusste um das Mal und dass Manha damit die Leute entweder foltert oder gleich umbringt, ich wusste, was es macht. Ich musste es bloß noch finden. Glaub mir, ich habe in meinem Leben nichts Abscheulicheres getan als das, Puran. Ich hoffe, du vergibst mir und wir behalten das Geheimnis für uns.“ Er unterdrückte seinen Würgreiz bei der bloßen Vorstellung, wie dieser widerwärtige Verräter seine Finger auf die arme Saidah legte... oder ganz andere Körperteile.

„Ich hätte dich nicht für so skrupellos gehalten. Chenoa hat dich verdorben.“, murmelte er dann und Saidah musste leicht lächeln, während sie gleich noch einmal errötete.

„Da könnte etwas dran sein. Ich glaube, Chenoa verdirbt jeden, mit dem sie zu tun hat. Wobei es bei Sagal wohl ein Schritt in die richtige Richtung ist, wenn man bedenkt, mit wem er vorher so geschlafen hat.“

„Sagal schläft mit Chenoa?!“, empörte sich Puran, „Und – Moment, wieso weißt du, mit wem er sonst noch...?!“ Das konnte doch nicht wahr sein, und da hatte er geglaubt, das Geheimnis um Niarihs Vater wäre wohl behütet gewesen... irgendwie wusste neuerdings jeder, den er traf, davon.

„Ich habe so meine Quellen.“, behauptete Saidah hüstelnd. „Und nun ja, Chenoa weiß eben, was sie macht in diesem Lebensbereich, fürchte ich.“

„Da spricht wohl jemand aus Erfahrung?“

„Gehen wir zurück.“, schlug sie vor, ohne weiter auf ihn einzugehen, und erhob sich, was er ihr schwankend gleich tat, jetzt etwas wärmer als zuvor. Obwohl ihn die Erinnerung an Manha immer noch frösteln ließ... er schauderte, als er seine Kollegin unversehens am Arm packte, sodass sie ihn wieder ansah.

„Manha.“, murmelte er, „Du weißt von dem Fluchmal, hast du gesagt... du weißt aber nicht, wer er ist. Er hat mir Dinge offenbart, die ich abstreiten würde, hätte ich nicht den eindeutigen Beweis für ihre Wahrheit am Hals.“ Zu seiner Überraschung senkte Saidah den Kopf und nickte langsam.

„Das Fluchmal.“, wiederholte sie, „Es ist ein alter Zauber, ein Fluch, der in den Annalen von Dokahsan auftauchte. Ein Zauber, den... dein Großvater beherrscht hat, soweit ich weiß. Ist Manha seine Wiedergeburt?“ Puran starrte sie fassungslos an.

„Du wusstest das?“

„Nein, ich habe es nur geahnt, nachdem ich über diesen Fluch recherchiert habe in Janami. Ich bin mit diesen Recherchen sehr vorsichtig umgegangen, damit niemand weiß, was ich vermute... nicht einmal du durftest das wissen. Nach genau diesen Informationen hatte auch deine Mutter gesucht damals, habe ich in Taiduhr erfahren. Und kurz darauf starb sie... durch Manhas Hand. Hätte Emo oder irgendein anderer Spitzel gewusst, dass ich nach diesen Informationen suche, wäre ich die Nächste gewesen... ich konnte nicht riskieren, dass es jemand weiß, Puran.“

„Du wusstest das die ganze Zeit!“, keuchte er und sah seine unschuldige kleine Schutzbefohlene plötzlich mit ganz anderen Augen. „Du... ausgefuchste Schwindlerin spielst mir die loyale Tochter und bist in Wahrheit ein richtiges Miststück!“ Er meinte seine Worte nicht so böse, wie sie klangen, aber in seinem Entsetzen war er nicht fähig, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Ich... kann das alles immer noch nicht fassen! Aber eins wusstest du hoffentlich nicht... dieser Hurensohn hat nicht nur Kelars Geist in sich, er hat ja auch die Zähne. Zu mir hat er gesagt, er ist ebenso Kelars Enkel wie ich es bin... nur seine Großmutter ist eine andere als meine. Dieser Sack ist ein Cousin von mir und ich wusste es bis heute nicht... dieser Sack... ist vom selben Blut wie ich, verdammt.“

Und obwohl er beruhigt war, dass Saidah ihm nicht offenbarte, sie hätte das längst gewusst, schmerzte ihn dennoch der Anblick ihres Gesichtes, dessen Züge vor panischem Entsetzen jetzt zu entgleisen drohten.
 

Die Neuigkeiten über Ulan Manhas wahre Abstammung brachten Entsetzen ins Lager der Allianz, als Puran mit Saidah zurückkehrte zu seiner Familienhütte. Aber noch entsetzlicher war das Mal von Scharans Fluch, das aus heiterem Himmel wieder heftig zu schmerzen begann und den König von Kisara völlig außer Gefecht setzte. Alona fuhr bereits mit dem unguten Gefühl im Magen zusammen, als sie sah, wie ihr Cousin mitten im Satz, den zu zu sprechen dabei war, innehielt und plötzlich nach seinem Hals griff, um im nächsten Moment plötzlich zu schreien anzufangen und seine Hand so fest auf seine Wunde zu pressen, als wäre es sein Tod, würde er sie loslassen. Als Leyya versuchte, ihm völlig verzweifelt vor Panik irgendwie zu helfen, schlug er ihre Hände mit der freien Hand weg und schrie sie an, sie sollte ihn nicht anrühren, und Alona konnte nichts tun als da zu sitzen und zuzusehen, wie die arme Leyya vor Angst um ihren Mann in Tränen ausbrach und wie Neisa neben ihrer Tante erbleichte bei dem schrecklichen Schauspiel, das hier von Statten ging. Kurz nachdem Saidah verschwunden war, war Karana aus dem Nichts zurückgekehrt, und jetzt starrte er nebst seiner Gefährtin, seinem Hund und noch so ziemlich allen anderen, die in der Nachbarhütte lebten und jetzt hier saßen auf das, was geschah.

„S-so tu doch jemand etwas!“, wimmerte Eneela außer sich, als Puran seine Gemahlin zum zweiten mal zurück schubste und sich immer noch die Seele aus dem Leib schrie ob der Kontrolle, die Manha durch das Mal auf ihn ausübte und die ihn zu Boden zwang, wo er immer noch schreiend kauerte und jeden anfuhr, der ihm zu nahe kam, wie eine verletzte Raubkatze.

„Schert euch raus hier!“, brüllte er unverhofft, „Alle raus, verdammt! Fass mich nicht an Leyya, nimm deine Finger weg!“

„A-aber wir müssen doch irgendetwas tun können!“, keuchte Simu erbleichend und Alona zischte, ehe sie eine heftige Armbewegung zum Eingang des Zeltes machte.

„Ihr habt ihn gehört, haut ab, alle! - Leyya, du nicht, ihr anderen, verschwindet jetzt! Ryanne, mach dich nützlich mit deiner Sehensgabe und such Sagal, jetzt sofort, egal, wo er ist und was er treibt oder mit wem!“

„Zu Befehl!“, johlte die Seherin fröhlich und schien sich an den mordlüsternen Blicken der Lyra-Geschwister nicht zu stören, die natürlich nicht so amüsant fanden, dass ihr Vater gerade Todesqualen durchstehen musste.

„Diese Hure!“, zischte Neisa, und ehe Alona sie rügen konnte, fing die kleine Heilerin sich den Blick ihres keuchenden Vaters, der am Boden kauerte und sie anstierte aus den tränenden Augen, noch immer wie wahnsinnig die Hand auf seinen Hals pressend.

„Sei still!“, fuhr er seine Tochter fern jeder weltlichen Wahrnehmung an und Alona schauderte ob der grauenhaften Schatten, die sie in seinem Geist spüren konnte. Manhas Einfluss auf ihn war wie Gift, es machte ihn schon nach so kurzer Zeit verrückt... verdammt noch mal, wieso hatte es so weit kommen müssen?

„Raus, Himmel!“, schrie die Telepathin, worauf alle gehorchten, selbst Karana, obwohl er alles andere als begeistert schien und einen besorgten Blick zurück in die Hütte warf, als er als Letzter ging.

„Kann ich irgendwas tun, Tantchen?“

„Geh raus!“, grollte die Tante, „Aber bleib in der Nähe, ich brauche dich noch!“ Er nickte verstört und sah zu, dass er weg kam. Sobald alle weg waren, wurde es ruhiger, und Alona lauschte einen Moment nur auf Leyyas ängstliches Wimmern und Purans schmerzvolles Stöhnen. Als sie zu ihrem Cousin herüber trat und Leyya zur Seite schob, fuhr er auf wie ein gehetztes Tier, das in der Falle war, und schlug nach ihr.

„Fass mich nicht an!“, schrie er sie an und sie hörte nicht auf ihn, packte seine freie Hand am Gelenk und hielt sie mit aller Kraft fest, die sie aufbringen konnte. Sie war kräftig, aber dass sie ihm als Mann so Einhalt gebieten konnte, verdankte sie vermutlich nur seinem labilen Zustand.

„Reiß dich zusammen!“, zischte sie ihn an und hielt seine Hand so fest, dass sie ihm damit vermutlich wehtat. Er klammerte sich seinerseits an ihre Hand und drückte sie fester, als die Schmerzen wieder heftiger wurden, und Alona seufzte, als sein Kopf vorne über gegen ihre Schulter kippte und er vor Schmerzen zu heulen anfing.

„I-ich kann das nicht!“, keuchte er dabei wie wahnsinnig, „Ich werde verrückt davon, v-von diesem Schatten! Dieser Kerl ist Großvater... Alona! Du weißt, w-was... was das heißt! Dieser Kerl, e-er wird nicht aufhören, bevor er hat, was er will, w-wir müssen ihn aufhalten...“ Er schrie wieder lauter und Alona drückte energisch seine Hand, als wäre er eine Frau in den Wehen.

„Du hältst jetzt erst mal gar keinen auf.“, sagte sie zu ihrem Cousin, „Reiß dich zusammen, kämpfe dagegen. Lass nicht zu, dass der Schatten dich verrückt macht, Puran! Sieh mich an!“ Sie zwang ihn, den Kopf zu heben, und er starrte sie an mit solcher Panik und solcher Verzweiflung, dass es ihr einen ungewollten Stich versetzte. Er war immer so eine dermaßene Heulsuse gewesen, er hatte viel öfter geweint als sie, obwohl sie ein Mädchen gewesen war... aber jetzt konnte sie ihn durchaus verstehen. „Nimm die Hand vom Hals, Puran, lass es los. Es nützt nichts, es festzuhalten, du weißt das.“ Er wimmerte und erzitterte am ganzen Körper, als er ihrem Befehl Folge leistete. Das Bannmal war unverändert, aber jetzt bekam Alona zum ersten Mal Gelegenheit, es näher zu betrachten. Das war das Mal des Dämons... das Zeichen, über das Ulan Manha die Schmerzen kontrollierte und Einfluss auf Purans Geist hatte. Alona sah den Schatten verblassen, als sie ihrem Cousin ins Gesicht sah, und er hörte zu schreien auf, als er ungesund die Augen verdrehte und in ihren Armen das Bewusstsein verlor. Die Telepathin sah zu seiner Gemahlin, die kreidebleich neben ihr gehockt und geschwiegen hatte.

„D-das ist so furchtbar!“, wimmerte sie jetzt und Alona seufzte.

„Hilf mir, wir legen ihn ins Bett. Kümmere dich um ihn, wenn er dich wieder anschreit, hör nicht auf ihn. Die Schmerzen machen ihn wahnsinnig. Dieses Mal ist Manhas beste Methode, Leute zu foltern. Mein Großvater hat das auch gemacht, er hat damit Dutzende von Feinden unter größten Qualen ermordet, schon bevor Tabari geboren war. Ich habe es aus dem Tagebuch meiner Großmutter Salihah, sie hat darüber geschrieben.“ Leyya zitterte, als die Frauen den selbst in der Ohnmacht noch heftig atmenden Mann auf das Schlaflager legten und Leyya vorsichtig nach dem so unscheinbaren Mal am Hals fasste.

„Kann man dagegen gar nichts tun, Alona?“, flüsterte sie traurig, „Gibt es kein Heilmittel?“

„Nein. Der Fluch löst sich auf, sobald entweder der Erzeuger oder das Opfer stirbt. Wir... können nichts tun, Leyya, außer Manha zu töten.“ Leyya starrte sie darauf aus großen, braunen Augen an.

„W-wie?“

„Keine Ahnung. Darum können wir uns im Moment nicht kümmern... zuerst kommen die weltlichen Dinge.“ Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie sah, wie Puran sich unruhig auf dem Lager bewegte und japsend die Augen wieder aufschlug. Leyya wimmerte und strich ihm zitternd durch die wirren Haare.

„Liebling... um Himmels Willen, ist es vorüber?“ Puran stöhnte, ehe er kraftlos einen Arm hob und Leyya zu sich herunter zog, bis sie halb auf ihm lag, und sie sanft umarmte, dabei ihre Schläfe und ihre Wange küssend.

„V-vergib mir... das vorhin...“ Leyya wimmerte verzweifelte Liebesbekenntnisse in seinen Hals, an dem sie hing und ihn ebenfalls wieder und wieder versöhnlich küsste, während Purans Blick zu seiner Cousine wanderte, die immer noch an derselben Stelle saß.

„Das behindert mich ziemlich.“, versetzte er dumpf und Alona zuckte mit einem Mundwinkel.

„Kann man so sagen.“

„Wenn ich ausfalle... brauche ich einen Vertreter, der meinen Job als König solange für mich macht, bis Manha mal schläft und mir Ruhe lässt. Bitte... such mir Dasan Sagal, Alona, ich... er ist der Einzige, den ich damit... betrauen kann.“

„Er wird schon unterwegs sein, ich habe schon nach ihm geschickt.“

„Sehr gut. Aber... im Rat kann Sagal mich schlecht vertreten, er ist kein Geisterjäger...“ Er seufzte, als Leyya sich jetzt verlegen von ihm löste und auch zu Alona sah, die langsam nickte.

„Verstehe. Wen soll ich damit behelligen, in deiner Verhinderung den Chef zu spielen? Am ehesten wohl Tare.“

„In der Tat.“, seufzte Puran, „Aber ich möchte dich... um noch etwas bitten, wenn du... dich mit meinem Rat triffst und ihnen sagst, was geschehen ist, Alona. Auch, wenn Tare als Ältester definitiv das Wort bekommt... jetzt, wo Emo wegfällt, sind wir schon nur noch fünf, ohne mich gar nur vier. Das macht mir Sorgen.“

„Was soll ich also dagegen tun?“, fragte die Telepathin ruhig und verstummte, als Puran sich auf die Ellenbogen stützte und sich dadurch halb aufrichtete. Aus seinem Blick waren der Schatten und der Irrsinn verschwunden, er war absolut klar, als er sprach.

„Sag ihnen, dass sie Karana die Prüfung machen lassen sollen. Und zwar jetzt sofort, am besten gestern.“
 

Die Geisterjäger nahmen die Neuigkeiten über ihren Ratsführer und Ulan Manha mit Bestürzung auf. Saidah fühlte sich komisch, jetzt, wo dem Rat zwei Männer fehlten, wobei einer von ihnen hoffentlich wieder auf die Beine käme und der andere sich hoffentlich nie wieder blicken ließ. Als Alona sich in der Dämmerung des Abends mit dem Rat traf und tat, worum ihr Cousin sie gebeten hatte, erntete sie verblüffte Blicke seitens seiner Kollegen, sobald sie Karana erwähnte.

„Karana soll in den Rat?“, fragte Tare Kohdar langsam und musterte Alona einen Moment auffällig, was die Dame sich nicht anmerken ließ.

„Das war Purans Idee, damit der Rat nicht so leer ist. Abgesehen davon wird es vermutlich ohnehin langsam Zeit für ihn.“

„Ich dachte, Karana macht nur Ärger im Moment.“, behauptete Saja Shai und Saidah wagte nicht, irgendjemanden anzusehen. Dieser Taugenichts, in der Tat... wenn Saja wüsste, wie viel Ärger er ihr selbst machte, wenn er dauernd zu ihr kam... Saidah schalt sich eine Närrin, nur Karana die Schuld daran zu geben. Es war auch ihre... sie hätte nicht nachgeben dürfen. Sie hätte niemals Gefühle für ihn haben dürfen... dann wäre sie jetzt nicht so verwundbar. „Was sagst du dazu, Saidah, als seine Lehrmeisterin?“, wurde sie dann von Saja aus ihren grimmigen Gedanken gerissen, und sie hob den Kopf und zwang ihren Zorn zurück hinter ihre Fassade. „Ist Karana schon soweit? Er ist erst siebzehn, meine ich.“

„Das Alter spielt keine Rolle.“, behauptete Tare Kohdar vehement, „Sein Vater war auch erst siebzehn, als er die Prüfung gemacht hat, wie ihr euch sicher erinnert. Das ist eine Frage der Willenskraft.“

„Den Willen dürfte Karana zweifelsohne haben.“, murmelte Saidah, um irgendetwas zu sagen. „Er trägt das Schwert von Mihn. Und vielleicht... endet seine Trotzphase ja abrupt, wenn wir ihm zeigen, dass wir ihn endlich für voll nehmen und ihn die Prüfung machen lassen. Ich bin dafür.“ Die anderen sahen einander an und nach und nach erntete Saidah von allen ein Nicken. Sie holte Luft, bevor sie erneut zum Sprechen ansetzte. „Außerdem, wenn wir gerade dabei sind... habe ich noch einen zweiten Kandidaten für die Prüfung. Gebt mir Zeit bis zum Morgengrauen, und ich bin fertig mit ihm... und ich halte es für dringend nötig, ihn in den Rat zu bringen, vielleicht noch eher als Karana.“ Sie erntete eisernes Schweigen; schließlich sprach Tare.

„Wer ist denn dein emsiger Schützling?“ Als Saidah antwortete, musste sie verstohlen lächeln.

„Der letzte lebende Nachkomme meiner Familie... der Stammhalter des Chimalis-Clans.“
 


 


 

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Puran durfte dieses Kapi viel weinen. XD Und wird von allen angeschwult. xD



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Izumi-
2012-06-10T18:42:40+00:00 10.06.2012 20:42
Es war einmal, vor langer langer Zeit, ein Kapitel.
Es begann mit einer recht lustigen Szene und dem ersten von vielen Malen, bei dem Puran leider leicht angeschwult wurde. Doch Puran war nun einmal ein Held und ließ sich nicht beirren - zielstrebig ließ er sich gezwungenermaßen darauf ein, auch wenn es ihm nicht gefiel. Immerhin hatte man so etwas zu lachen.
Zur selben Zeit, anderswo, suchte die arme Saidah nach Puran, konnte ihn aber aus gegebenen Gründen nicht auffinden. Stattdessen erhielten wir einige interessante Informationen, die mitunter recht unterhaltsam waren und Ryanne waltete ihres Amtes und amüsierte alle nach bestem Können.
Was unser Held Puran derweil trieb wurde uns leider verschwiegen - wir erfuhren jedoch so viel: Was auch immer er getan haben mag, er war nicht gut genug. Oder mit dem König von Kisara ist es besser gewesen - sei es drum. Unser Held musste eine strategische Niederlage einstecken. Und als ob dies nicht traurig genug gewesen wäre, ging es mit einem absolut überraschenden und ganz und gar dramatischen Verrat weiter.
Durch das miese Handwerk des bösen Oberschurken Ülan Manhá und seinem durchtriebenen Handlanger Emo wurde er Opfer vieler weiterer bösartiger Anschwulungsattacken (und erfuhr ganz nebenbei so Sachen, aber nicht so wichtig). Es endete mit einem die Yaoi-Fangirlischen Fantasien anregenden Biss und ganz viel von dem, was gewissen Missgeburten gefallen hätte. Doch die Hauptsache: Unser Held bekam sein Drama.
Doch Rettung nahte! Saidah eilte sogleich zur Hilfe, um unseren Helden effektiv zu entschwulen. So ein Glück! So Sachen waren ihr im übrigen nicht so unbekannt, wie von Puran vermutet - eine weitere dramatische Wendung für unseren Helden, ebenso das Wissen, dass sie mit dem bösen Emo im Bett war (natürlich nur aus taktischen Gründen, jaja). Versüßt wurde das Ganze mit interessanten Informationen über das Privatleben unschuldiger Nebencharas, die sich wie immer nicht wehren konnten, uns aber unterhielten.
Gegen Ende war es an unserem Helden, seine Familie und alle, die sich eingeschlichen hatten, über das Erlebte und so Sachen in Kenntnis zu setzen. Welch Schock! An einer storytechnisch günstigen Stelle erhielt unser Held dann noch eine mentale Rape-Attacke und sorgte noch einmal für Drama gegen Schluss.
Abrundend bekamen wir noch einmal eine kurze Sequenz mit den Geisterjägern, die situationsangepasst wenig begeistert waren und die uns gewisse Vorausdeutungen auf den weiteren Verlauf der Handlung ermöglichten.
Was wird im nächsten Kapitel geschehen? Wird Puran weiter dramatisch sein? Von wem hat Saidah am Ende des Kapitels gesprochen? (a) Zoras b)Wendys Mudda c)Salatgurke) Und wenn Saidah doch mit Emo geschlafen hat - bedeutet das, sie ist auch angeschwult?!
Das und vieles mehr in den nächsten Kapiteln.


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