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Und täglich grüßt das Murmeltier...

von

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Prolog

Er war mir schon früher aufgefallen. Vor etwa drei Jahren.

Es war Ende Oktober und das rotbraune Laub der Bäume segelte bei jedem noch so kleinen Windhauch von den Ästen herunter.

Seine blonden Haare leuchteten in der Herbstsonne und seine Augen strahlten jedes Mal, wenn ich ihn sah.

Jeden Tag, wenn ich auf dem Weg zur Arbeit auf meine Bahn warten musste, wartete auch er.

Zuerst nahm ich ihn gar nicht richtig wahr. Er war einfach da, gehörte schon fast zum Inventar der Bahnstation.

Doch dann gab es da diesen einen Moment, der alles veränderte...
 

Es war kalt, der Winter hatte mit voller Härte eingesetzt und der eisige Wind blies mir die Schneeflocken ins Gesicht.

Zitternd zog ich meinen Schal vor Mund und Nase, sodass ich die Kälte nicht so sehr einatmete und schlang meine Arme um meinen Körper.

Meine Bahn hatte Verspätung. Ausgerechnet heute bei dieser Eiseskälte!

Aber ich konnte nichts anderes tun, als zu hoffen, dass es bei den angekündigten fünf Minuten blieb und die Bahn bald einfahren würde.

Wartend blickte ich mich auf dem Bahnsteig um.

Es waren weniger Leute unterwegs. Scheinbar trauten sich nicht so viele in die Kälte hinaus oder fuhren lieber mit dem Auto.

Ich seufzte. Hätte ich auch ein Auto, wäre ich vermutlich auch damit gefahren.

Noch einmal ließ ich meinen Blick über die wenigen Personen auf dem Bahnsteig gleiten und blinzelte schließlich verwirrt.

Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Unwillkürlich sah ich zu der Stelle, an der ER ständig gestanden hatte.

Zu meiner großen Verwunderung stand dort niemand.
 

Immer noch grübelnd stieg ich in die Bahn, die schließlich doch eintraf.

Was wohl mit ihm war?

War er krank geworden? Oder vielleicht etwas schlimmeres? Lag er im Krankenhaus?

Und was war, wenn er nun nie wieder auftauchen würde? Was, wenn ich ihn nie wieder sehen würde?

Allein bei diesem Gedanken verspürte ich einen schmerzhaften Stich in meinem Herzen.

Leise seufzend ließ ich mich auf einen leergewordenen Platz sinken, nur um gleich wieder aufzuspringen und einer älteren Dame meinen Platz anzubieten. Schließlich brauchte ein junger Mann von 27 Jahren wie ich einer war, keinen Sitzplatz, den andere viel nötiger hatten.

"Vielen Dank, junger Mann...", hörte ich aus der Ferne die zittrige Stimme der alten Frau, lächelte ihr kurz entgegen und schlang dann meine Finger um die eisernen Stangen, um etwas Halt zu finden.

Ich bereute es sofort, meine Handschuhe ausgezogen zu haben. Diese verflixten Stangen waren aber auch wirklich eisig kalt.

Wann genau hatte ich meine Handschuhe eigentlich ausgezogen? Verwirrt prüfte ich meine Manteltaschen und fand in jeder einen. Scheinbar war ich so in Gedanken versunken gewesen, dass ich sie aus Gewohnheit einfach ausgezogen und in die Taschen gesteckt hatte.
 

Normalerweise bin ich nicht so jemand, der sich über andere Leute den Kopf zerbricht. Allerdings konnte ich bei dem Murmeltier nicht anders.

Ich schmunzelte. Murmeltier war meine Bezeichnung für den jungen Mann, den ich morgens bisher immer auf dem Bahnsteig gesehen hatte.

Die täglichen Begegnungen erinnerten mich immer irgendwie an den Film ‚Und täglich grüßt das Murmeltier...’, sodass ich diesen Kosenamen einfach passend fand.

/Die Frage ist jetzt nur, wo mein Murmeltier abgeblieben ist.../, dachte ich und spürte sofort, wie meine Ohren heiß wurden.

Seit wann war er MEIN Murmeltier?
 

Fast hätte ich meine Station verpasst und wäre weitergefahren, hätte ich nicht jemand angerempelt und mich so aus meinen Gedanken gerissen.

Erschrocken darüber, dass die Türen schon im Begriff waren, sich wieder zu schließen, hielt ich sie fest und stieg dann aus.

Draußen wurde ich von eisigem Wind begrüßt, der mich frösteln ließ.

In der Bahn selbst war es warm und stickig gewesen, doch hier war es kalt. Allerdings war die Luft auch klar, sodass es mir diesmal nichts ausmachte, wenn ich ein wenig fror.

Also machte ich mich auf den Weg zu meiner Firma, die glücklicherweise nicht weit von der Station entfernt war. Und obwohl ich relativ langsam lief, kam ich dennoch pünktlich.
 

Auf die Arbeit konnte ich mich allerdings nicht wirklich konzentrieren.

Immer wieder schweiften meine Gedanken zu Murmeltier.

"Ben, kannst du das hier noch bis heut Abend fertig machen?", riss mich ein Kollege aus meinen Tagträumereien.

Verwirrt blickte ich ihn an, nahm dann erst die Akte wahr, die er mir hinhielt und nickte. "Klar...", brachte ich nur heraus.

"Danke. Es ist wichtig. Wir brauchen diese Unterlagen morgen bei der Besprechung."

Wieder nickte ich, schlug dann die Akte auf und machte mich an die Arbeit.
 

Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass ich während der Zeit, in der ich mich mit den Unterlagen beschäftigt hatte, keinen Gedanken an irgendjemanden verschwendet hatte. Ich war sogar früher fertig als geplant und ging schließlich in meinen wohlverdienten Feierabend.
 

Die Bahn war brechend voll und es war mir schon fast unangenehm, als eine junge Frau, die nicht einmal schlecht aussah, stolperte und gegen mich fiel.

Sie entschuldigte sich mit geröteten Wangen und nahm wieder Abstand, soweit das hier überhaupt möglich war.

Vielleicht sollte ich mir doch einmal überlegen, ob ich mir nicht ein Auto kaufen sollte.

Dann müsste ich mir diese ständige Plackerei mit der Bahn nicht mehr antun.

Als ich endlich aussteigen konnte, was mehr einem Herausquetschen glich, atmete ich zuerst einmal tief ein, ehe ich mich auf dem Bahnsteig umsah.

Unwillkürlich sah ich genau da hin, wo ich morgens ihn immer hatte stehen sehen.

Wieder war die Stelle leer. Was allerdings auch normal war. Abend hatte ich ihn nie gesehen. Er war nur morgens da gewesen.
 

/Ob ich ihn wohl jemals wieder sehen werde?/, fragte ich mich die ganze Zeit auf dem Heimweg.
 


 


 

~Prolog ENDE~
 


 

TBC...
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ninjagirl
2011-02-19T12:11:53+00:00 19.02.2011 13:11
Ein interessanter Anfang :)
Ich mochte den zweiten Absatz, mit den schönen Beschreibungen der Kälte und des Wetters, auf sowas stehe ich irgendwie ^^' Hast du jedenfalls gut umgesetzt.
Ich bin gespannt, was unser Erzähler so für ein Mensch ist, bisher wirkt er ja sehr zuvorkommend und verträumt und als könne er manchmal einfach nicht Nein sagen xD

Den Murmeltier-Film habe ich vor kurzem zum ersten Mal gesehen... mal sehen, ob es noch mehr Anlehnungen geben wird :D

Eine inhaltliche Unstimmigkeit hätte ich zu bemängeln: Wenn es in der Bahn warm und stickig ist, wieso waren die Haltestangen dann eisig?
Die U-Bahnen sind hier im Winter auch immer sehr stickig, aber da sind dann eben auch die Stangen warm, weil sich alle Menschenseele da dran festhält. (nach nur einer Berührung schleppt man bestimmt fünf neue Krankheiten nach Hause >.<)

Freu mich schon auf die Fortsetzung, wie lange wird die denn auf sich warten lassen? :D

LG, NiN


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