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Far Away

von

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14

Heilige Scheiße, es war gar nicht ich, die zitterte und bebte, es war der Raum!

Was zur Hölle war hier los? Ich hatte immer noch das Gefühl, ich würde innerlich kochen und irrte ich mich oder wurde das Beben im gleichen Maße stärker wie das Brodeln in meinem inneren? Und warum zur Hölle kam das so bekannt vor?

„Was ist hier los?“ mein Gegenüber funkelte mich an, als wäre ich Schuld an dem ganzen hier.

Schuld... irgendwo in meinem Kopf läutete eine Glocke in der Größe von Big Ben.

Schuld... ich war schuld an Kijas Tod... ich hatte die Kontrolle verloren...

Die Puzzelteile in meinem Kopf fielen an ihren Platz, Lücken schlossen sich, das ganze ergab ein Bild. Als ich die Kerle eingeäschert hatte war es ganz genauso gewesen. Irgendetwas war hochgekocht und explodiert.

Und da ich mich offenbar unbewusst weigerte den Prinzen zu flambieren, suchte sich die Magie einen anderen Weg. Ich atmete tief durch. Erst mal musste ich den Schild hochziehen. Auf Anweisung von Banu hatte ich ihn nicht wieder hochgezogen, da mir der Moment, den ich fürs absenken brauchte, das Leben kosten könnte, wenn ich wieder in eine gefährliche Situation kam. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, dass es auch so eine Situation geben könnte. Ich war völlig ungeübt darin, ihn wieder aufzubauen.

Okay, ich musste im Grunde einfach alles umgekehrt machen. Konnte ja nicht so schwer sein! Meine Augen schlossen sich und ich konzentrierte mich auf den Teil des Kopfes, in dem sich das verdammte Problem befand. Normalerweise war das ein leuchtender schwarzer Ball, im Moment glich das ganze aber eher einem Lavastrom, der sich unaufhaltsam seinen Weg bahnte. Mist, das würde schwer werden.

Ich schickte Energie in meinen Schild und er begann sich aufzubauen, wurde aber gleich wieder niedergewalzt. Der zweite und der dritte Versuch führten zum gleichen Ergebnis. Verdammt! Offenbar war der Schild nur dafür ausgelegt, meine Kräfte im Zaum zu halten, wenn sie sich wie jetzt selbstständig machten war er offenbar nutzlos. Super!

Die schwärze floss durch meinen Körper und in den Boden, brachte ihn zum beben.

Ich musste hier weg, sonst würde ich noch den Palast zusammenstürzen lassen! Woher ich das wusste? Keine Ahnung! Ich wusste es einfach, so wie ein Kind weiß, dass man einen knurrenden Hund nicht streicheln soll.

Ohne weiter auf Siamun zu achten stürzte ich in den Garten. Der Druck in mir stieg weiter an, ich hatte das Gefühl zu platzen wie eine überreife Frucht. Ich musste dringend einiges davon abbauen.

Suchend blickte ich mich um. Überall Pflanzen, Pavillons, der Fluss.... Am Flussufer gab es doch Kies, oder? Das könnte gehen.

Mit einer Geschwindigkeit, die mich selbst überraschte, rannte ich dort hin und watete zur Sicherheit noch ein Stück ins Wasser, damit möglichst viel Abstand zwischen mir und dem Palast lag. Dann stellte ich jeden Widerstand ein, lies die Schwärze nach außen treten und stellte mir vor, wie sie sich in Flammen verwandelte.
 

Verwirrt blickte Siamun Etienne nach, die mit wehendem Zopf und sich hinter ihr aufbauschendem Rock durch den Garten stürmte. Sie hatte ihm beim verlassen des Zimmers beinahe über den Haufen gerannt, so eilig hatte sie es. Was zur Hölle war hier los? Und warum bebte der Boden?

Apropos beben, hatte das gerade aufgehört? Er sah sich um und tatsächlich, alles stand still. Zu still.

„Etienne?“ keine Antwort. Wieder rief er, diesmal etwas lauter. Gleiches Ergebnis.

Irgendwas stimmte da nicht, er wusste nur nicht was. Zögerlich betrat er seinen Garten und schlug des selben Weg ein wie das zierliche Mädchen vor ihm.

Er fand sie im Fluss. Sie war bis zur Hüfte ins Wasser gewatet, hatte die Hände zu Fäusten geballt und den Kopf in den Nacken gelegt, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt, als hätte sie schmerzen.

Um sie herum bildeten die schwarzen Flammen eine Kugel, verbrannten sie aber nicht. Im Gegenteil, sie schienen nicht einmal heiß zu sein.

Zögerlich streckte er die Hand aus. Hatte sie schmerzen? Oder war das verzerrte Gesicht nur ein Ergebnis von starker Anstrengung?

„Finger weg!“ ein paar Zentimeter vor der Flammenwand zuckte er zurück. Banu stürmte auf ihn zu, ihren Rock bis über die Knie gerafft, damit sie nicht stolperte.

„Bei allen Göttern, was ist hier los?“

„Keine Ahnung. Wir haben uns gestritten, das Gebäude fing an zu wackeln und Etienne ist rausgerannt, als wäre Scoah persönlich hinter ihr her. Den Rest siehst du ja selbst.“

„Mist!“ seine Schwester biss sich auf die Lippe.

„Was Mist?“

„Klingt, als hätte sie die Kontrolle verloren. Und ich habe auch noch behauptet, es wäre besser den Schild unten zu lassen.“ Sie fuhr mit einer Hand über ihr Gesicht.

„Du hast was?“ er musste sich verhört haben. Seine kluge und belesene Schwester hatte so einen Schwachsinn behauptet?

„Einen Schild zu errichten oder abzusenken braucht Konzentration, besonders wenn man es wie sie eigentlich gar nicht kann. Ihr Schild ist entstanden, weil es für sie keine andere Möglichkeit gab. Du siehst ja selbst, was passiert.“

„Und wieso hast du ihr gesagt, sie solle ihn unten lassen?“ so langsam riss ihm der Geduldsfaden. Seine Kleine stand unter einer Feuerkuppel und Banu hielt ihm irgendwelche Vorträge.

„Aus dem selben Grund, aus dem du ein Messer unter deinem Kopfkissen hast. Im Kampf zählt jede Sekunde.“ Das leuchtete ihm zwar irgendwie ein, aber trotzdem...

„Kannst du irgendetwas tun?“ meinte Siamun ein paar Sekunden später.

„Nein. Wir müssen warten, bis sie von selbst aufhört. Ich habe das ungute Gefühl, dass wir sonst als Aschehäufchen enden werden. Das ist übrigens auch der Grund, aus dem ich froh bin, dass ich Tegispriesterin bin und mich fast nur mit geistigen Schilden auskenne.“

Die schwarzen Flammen begannen zu flackern und erloschen schließlich. Keiner sagte ein Wort. Etiennes Kopf lag noch immer im Nacken, aber ihre kindlichen Gesichtszüge entspannten sich wieder, schließlich senkte sie den Kopf und schlang die Arme um ihren Körper.

Ihr Rock trieb auf dem Wasser, weswegen es aussah, als wäre sie aus einer Lotusblüte emporgewachsen. Zitternd watete sie an Land, lief an Siamun und Banu vorbei, wobei sich die beiden nicht einmal sicher waren, ob sie überhaupt wahrgenommen wurden und sank schließlich zu einen zitterndem und wimmerndem Häufchen Elend zusammen.

Aus dem Wimmern wurde schluchzen, daraus wurde herzzereisendes Weinen. Zögerlich streckte der Prinz die Hand aus und wollte sie tröstend auf ihre Schulter legen, zog sie aber wieder zurück.

Hatte er überhaupt das Recht dazu? Immerhin war er ja schuld an der ganzen Misere. Er hatte sie bis aufs Blut gereizt, seine Wut an ihr ausgelassen. Als ob sie etwas dafür konnte, dass Scharlatan sein Arbeitszimmer verwüstete oder diese Ziege vorhin wie eine Klette an ihm gehangen hatte.

Das Dokument hatte wahrscheinlich auf dem Boden gelegen und sie hatte es aufgehoben um es ihm zu bringen und was machte er? Er reagierte wie ein vierjähriger Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. Bei den Göttern, er war erwachsen!

„Etienne?“ fragte Banu vorsichtig. Die Angesprochene erhob sich, sah aber niemanden an.

„Ich würde gerne allein sein.“ Mit diesen Worten lief sie in den Palast zurück, ohne sich noch einmal umzusehen.

„Was genau ist eigentlich passiert?“ fragte Banu kurze Zeit später, als sie in einem der Gartenpavillons saßen.

Nach kurzen Zögern antwortete Siamun ihr, da er dringend einen Rat brauchte.

Klatsch. Der Ton einer Ohrfeige schallte durch den Garten. Verdattert sah Siamun seine Schwester an.

„Du hast was? Bist du noch ganz bei Trost?“ der Angesprochene sank auf seinem Kissen zusammen und rieb sich die pulsierende Wange.

„Kein Wunder ist so etwas passiert! Wie konntest du sie nur mit diesem Miststück vergleichen?“

„Das ist mir so rausgerutscht. Ich konnte ja nicht wissen, dass sie es so aufnimmt. Sie weiß ja noch nicht mal, wer sie ist.“

„Doch das weiß sie.“ Banus Stimme zitterte vor Empörung.

„Ich habe es ihr erzählt.“

„Du hast was? Bist du noch ganz bei Trost?“ Okay, das war eindeutig eine Retourkutsche und nicht besonders originell, aber ihm viel nichts anderes ein.

„Sie hatte ein Recht darauf es zu erfahren. Was dachtest du denn, was passieren würde, wenn du ihr keine Antwort gibst? Sie wusste das etwas nicht stimmte und das hat sie fertig gemacht.“

„Und wenn sie jetzt denkt, ich würde sie mit Safiya auf eine Stufe stellen?“

„Das denkt sie, seit sie es erfahren hat.“ Banu sah ihn durchdringend an, ihre bernsteinfarbenen Augen schienen in sein innerstes zu sehen.

„Und kannst du mir ehrlich sagen, dass es nicht so ist?“ Siamun öffnete den Mund und schloss ihn unverrichteter Dinge wieder. Sah er in Etienne wirklich eine zweite Safiya?

Es stimmte, er hatte besonders zu Anfang jeden ihrer Schritte mit Argusaugen überwacht, ständig in der Angst verraten zu werden.

Wann hatte sich das geändert? Inzwischen vertraute er ihr, auch wenn er es selbst kaum glauben konnte.

„Du solltest dringend deine Gefühle aussortieren! Und sieh zu, dass du das wieder hinbiegst, sonst wirst du dir ein Leben lang in den Hintern beißen, wie Etienne sagen würde. Auch wenn ich nicht weiß, wie man sich selbst in den Hintern beißen kann...“ Mit diesen Worten stand sie auf, schüttelte ihren Rock aus und machte sich auf den Weg zu ihrem Teil des Palastes.

„Ach übrigens!“ sie drehte sich noch einmal um.

„Im restlichen Palast war nur ein leichtes Beben zu spüren, es wurde niemand verletzt.“

„Und warum bist du dann hier?“ Siamun runzelte die Brauen.

„Mein sechster Sinn hat sich gemeldet.“ Mehr sagte sie nicht. Er blieb noch lange sitzen und starrte den Himmel an, als ob der Mond ihm eine Antwort geben könnte. Irgendwann stand er schließlich auf und ging zurück.

Wie lange stand er jetzt schon da und starrte sie an? Eigentlich hatte er sich entschuldigen wollen, aber sie hatte geschlafen und so hatte er sie einfach nur angestarrt.

Sie lag zusammengerollt auf dem Bett, ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Wiedereinmal streckte er zögerlich die Hand aus, legte sie ihr dieses mal aber tatsächlich auf die Schulter und wollte sie eigentlich wecken, tat es dann aber doch nicht, sondern lies die Hand einfach liegen.

Ihm war nie aufgefallen, wie zierlich sie eigentlich war. Er hatte gewusst, dass sie klein war, aber erst jetzt bemerkte er, dass er ihre Schulter spielend leicht mit einer Hand quetschen könnte.

Siamun hatte in ihr immer nur jemanden gesehen, der trotz aller Probleme stets versuchte, dass beste aus seiner Situation zu machen. Jetzt fiel ihm die Kehrseite der Medaille auf: Sie war alleine in einer fremden Welt, würde ihre Familie nie mehr wieder sehen und war noch zusätzlich mit Kräften gesegnet, um die sie nie gebeten hatte.

Innerlich aufstöhnend nahm er die Hand von ihrer Schulter und fuhr sich damit durch sein schulterlanges Haar. Er war ja so ein Trottel!

„Wenn du schon dabei bist mit Selbsterkenntnis um dich zu schmeißen,“ meldete sich Banus Stimme in seinem Kopf „dann könntest du dir den Rest auch gleich eingestehen!“ Warum musste seine innere Stimme eigentlich wie die von Banu klingen? Der Vortrag von vorhin war ja schon schlimm genug gewesen.

„Ich werde schweigen wie ein Grab! Gib es einfach zu!“ Na schön, er mochte sie. Jetzt zufrieden?

„Magst du sie oder MAGST du sie?“ Halt doch einfach die Klappe! In Ordnung, Etienne hatte in etwa so viel mit Safiya gemeinsam wie ein Kaninchen mit einem Skorpion, er war auf jedes männliche Wesen eifersüchtig, dass in ihre Nähe kam (inklusive eines gewissen Katers) und generell hätte er sie am liebsten eingesperrt, damit ihr nichts passierte. Aber das hieß noch lange nicht, dass er in sie verliebt war!

Das hieß... genau das. Er stieß die Art von Seufzer aus, die er immer von seinem Vater hörte, wenn er sich mit seiner Frau gestritten hatte. Er musste einiges wieder gerade biegen und hatte keine Ahnung, wie er das anstellen sollte.
 

Ich hatte Banu und den Prinzen einfach stehen gelassen, war in mein Zimmer gelaufen und hatte mich dort weinend auf mein Bett geschmissen.

Irgendwann gingen mir die Tränen aus und ich hickste noch ein paar Minuten lang, dann wurde es so still, dass ich nur noch meinen Herzschlag hörte.

Was genau war passiert? Warum waren meine Kräfte so plötzlich außer Kontrolle geraten?

Ich hatte zwar schon gehört, dass das ganze recht emotionsabhängig war, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich meine: viel hätte nicht gefehlt und die Decke wäre heruntergekommen! Das war doch einfach krank! Ich war eine wandelnde Zeitbombe, wenn ich keinen Weg fand diese Erdbebennummer in den Griff zu bekommen.

Während ich mich vom Bauch auf die Seite drehte und mich wie ein Embryo zusammenrollte fasste ich den Entschluss, gleich morgen mit Moses und Banu darüber zu reden.

Keine drei Minuten später ging die Tür auf und der Prinz kam herein, sagte leisem meinen Namen. Da er der letzte war, mit dem ich jetzt reden wollte stellte ich mich einfach schlafend. Dann würde er hoffentlich wieder gehen!

Natürlich tat er mir den Gefallen nicht, dieser Blödian! Stattdessen machte er einige Zeit lang gar nichts oder jedenfalls bekam ich nichts mit, ich hatte ja die Augen geschlossen. Vielleicht hob er ja gerade sein Messer hoch, um mich damit zu erstechen. Obwohl ich ihm das eigentlich nicht zutraute.

Gerade als ich die Augen öffnen wollte um zu sehen, ob er überhaupt noch da war, legte sich eine große warme Hand auf meine Schulter. Da ich noch immer das Galakleid trug, dass ich auf dem Bankett getragen hatte und dieses schulterfrei war, traf er nur auf meine nackte Haut, welche sofort zu kribbeln begann. Offenbar hatte ich nicht nur Schmetterlinge im Bauch, sondern auch Ameisen unter der Haut!

Irgend wann, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, nahm er die Hand von meiner Schulter und stieß einen schweren Seufzer aus. Es war die Art von Seufzer, die man von Menschen hört, die eine schwere Entscheidung zu treffen hatten.

Dann verlies er das Zimmer, schloss die Tür mit einem leisen klacken hinter sich und ich war wieder allein mit meinen Ängsten, Sorgen, Wünschen und Gefühlen.
 

Ich hoffe, die Erklärungen waren ausreichend. Wenn nicht, einfach nachfragen ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  shinichi_san
2011-10-26T20:57:30+00:00 26.10.2011 22:57
Arwwwwwwwwwwwwwwwww!!!
So trolliges und tolles Ende dieses Kapitels.
Sehr schöne Erklärungen von dem bebenden Boden und den schwarzen Flammen. Auch sehr schönes Gespräch zwischen den Geschwistern.
Im Allgemeinen wieder ein supi Kapitel mit wunderbaren Passagen und Szenen!
Mehr davon!
Und es tut mir Leid, dass ich erst jetzt schreibe. Aber ich bin einfach nur fertig mit jedem und Allem.


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