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Lichtblick

und ich dachte die Welt sei nur grau
von

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Bis eben war noch alles ruhig gewesen.
 

Gelangweilt strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.

Der erste Vogel hatte begonnen zu zirpen.
 

Es würde nun nicht mehr lange dauern und die Sonne würde aufgehen, der Himmel hatte sich in ein trübes Grau verfärbt.

Matschig und trist, so wie der feuchte Schnee hing er über mir und machte keinen Hehl daraus, dass es heute wieder schneien würde.
 

Wenigstens hatte es heute Nacht nicht geschneit…
 

Verstohlen rieb ich meine nackten Zehen aneinander, um sie wenigstens ein bisschen aufzuwärmen. Ich war einiges an Kälte gewohnt, aber nun war es doch schon ziemlich unangenehm geworden.

Immer noch kauerte ich an dem lieblosen Holzbalken des Geländers einer Brücke, deren Namen ich mir nicht mal die Mühe gemacht hatte zu lesen.

Wen interessierte das schon?

Sie war mein Nachtlager gewesen, vielleicht würde ich hier auch noch bis morgen bleiben.
 

Trotz des leichten Nebels konnte man gut auf den Fluss blicken, der sich ruhig seinen Weg bahnte. Nur leise war das Plätschern des Wassers an den dicken Holzsäulen zu erahnen, so als würde die kalte Luft alle Geräusche verschlucken.

Mein Blick wanderte an den Ufern entlang, aber da gab es nichts, wo er hätte verweilen können, nichts was irgendwie hervorstach, nur diese graue, pappige Fläche aus Hausdächern und Stegen, nichts Interessantes, kahle Bäume und Büsche und ein paar Felsen.
 


 

Hier ist es wirklich trist, fiel mir erneut auf, doch wohin sollte ich noch gehen?

Alle Orte, in denen ich herumgestreift war, alle waren gleich, alle grau und kalt, schmutzig und abweisend.
 

Wohin noch?
 


 

Diese Nacht wird kalt…
 


 

Dieser eine Gedanke klang so klar und deutlich in meinem Kopf, als hätte ich ihn ausgesprochen.

Fröstelnd zog ich meine Knie an und legte das Kinn darauf. Zur Bestätigung des Gedankens schnaufte ich tief ein, diese kühle Luft und sie roch so verdächtig nach Schnee, dass es fast so schien, als würde es wirklich gleich schneien.
 

Ich glaube ich konnte den Schnee schon immer riechen, es war ein Kinderspiel für mich und bis jetzt hatte ich immer Recht damit gehabt.

Am liebsten wäre ich jetzt zu irgendjemanden gelaufen und hätte ihm gesagt, dass es schneien würde…er würde es mir erst nicht glauben und dann würde er erstaunt sein, wenn die ersten Flocken fielen. Vielleicht würde er mich dann loben, weil ich den Schnee riechen könnte…Hm…

Obwohl mich die Vorstellung, dass mich jemand loben würde mit Freude erfüllte, bewegte ich mich nicht.

Zu wem sollte ich denn gehen?
 

Ein lautes Klappern riss mich aus den Gedanken und ließ mich aufblicken. Es war ein fahrender Händler, dessen Wagen über die breiten Bohlen schepperte. Von ihm ging ein Duft nach exotischen Gewürzen aus, ansonsten schien er recht alltägliche Dinge zu verkaufen.

Obwohl ich ihn freundlich anblickte beachtete er mich nicht, ignorierte mich und nur einen eisigen Augenblick lang starrte er mich an, so lange eben, bis er mich in die richtige Schublade einsortiert hatte. Ganz deutlich konnte ich den abfälligen Ausdruck in seinen Augen erkennen, der sich dann auch schon in pures Desinteresse verwandelte.
 

Alle waren hier gleich…so wie der Himmel und die Bäume, die Häuser und Steine. Alles war kalt und grau und irgendwie tot.
 

Ein bisschen frustriert schloss ich meine Augen und lauschte wie das Rattern der Räder verklang.
 

Lange schon war der Geruch der Gewürze verflogen und doch erinnerte sich meine Nase daran und mein Magen knurrte leise. Widerspenstig zog ich meine Knie noch enger an mich heran, so als könnte ich den Hunger einfach abschnüren.

Ich hatte doch gestern eh was gegessen…

Nur ungern erinnerte ich mich an die Überreste, die ich aus dem Müll gezerrt hatte, aber sie waren essbar gewesen, nicht gut, das sicher nicht, aber eben essbar.

Stundenlang hatte ich dafür bei diesem Müllcontainer gewartet, eine halbe Ewigkeit. Nie war etwas Brauchbares in den Tüten gewesen, die die Menschen so achtlos hineingeworfen hatten, nur dieses eine Mal fand ich zwischen all dem ekligen Zeug etwas was ich hinunterwürgen konnte.

Und nicht mal das wurde mir vergönnt, wie ein Dämon war sie hinter mir aufgetaucht, eine wildfremde Frau, zeterte und kreischte, als wäre ich ein Dieb oder ein Verbrecher, derweil war es doch Müll, aber für mich anscheinend immer noch zu gut.

Missmutig schob ich die Unterlippe etwas vor, als ich mich daran erinnerte.

Nein, das wollte ich heute nicht noch einmal erleben, heute nicht mehr, morgen nicht mehr, wozu sollte ich denn noch etwas essen…

Diese Nacht wird ja sowieso kalt…
 

Mittlerweile war die Sonne schon komplett aufgegangen, hin und wieder lugte sie zwischen den düsteren Wolken hervor, so wie kurze Lichtblicke, die es hier irgendwie nicht zu geben schien.

Die Ruhe wurde erneut durchbrochen, diesmal waren es Kinderstimmen, aufgedreht und fröhlich kichernd lärmten sie in meine Richtung und betraten die Brücke.

So als wolle ich die Hoffnung nicht aufgeben beobachtete ich sie neugierig, aber es war wohl eher die Langeweile, die mich dazu trieb.

Die Kinder jedenfalls verstummten schlagartig als sie mich sahen, so als würde ich von einer zweifelhaften Aura umgeben sein machten sie einen größtmöglichen Bogen, so groß eben, wie die Brücke das zuließ. Stumm beobachteten sie mich während sie weitergingen und tuschelten irgendetwas miteinander, was ich nicht verstand.

Ihre Blicke machten mich ein bisschen nervös, sie waren so direkt und klar und wollten gar nicht vertuschen, dass ich zwar interessant aussah aber auch etwas war, was man lieber meiden sollte.
 

Die Hoffnung auf Freunde hatte ich wohl schon lange aufgegeben und so ließ ich sie ziehen, auch wenn ich ganz genau wusste, dass sie die Schule schwänzten und in den Wald gingen, um zu spielen.

Nur zu oft bin ich schon davongejagt worden.

Von übervorsichtigen Eltern oder Lehrern, ja auch schon von den Kindern selbst. Dabei war ich doch noch selbst eins…aber vielleicht konnte ich trotz meines kindlichen Körpers schon lange kein Kind mehr sein? Vielleicht sah man ES mir an, diesen einen dunklen Fleck, der sich bei mir breit gemacht hatte und mit nichts mehr zu übertünchen war. Und alles was mir blieb, war die Einsamkeit…
 


 

Die Stunden flossen zäh an mir vorbei, ganz langsam, so als wolle mich diese Stille quälen. Niemand mehr hatte die Brücke überquert, still und unverändert lag alles vor mir und ich wurde es langsam leid vor mich hin zu starren.

Dieser Ort hier würde sich wohl nie verändern…

Während die Dunkelheit in das Grau schlich begann der erste Schnee zu fallen. Samtig und leise deckte er alles zu, erst ganz zaghaft, dann immer stärker. Das tote Grau wurde langsam beerdigt, langsam und schleichend und natürlich veränderte sich nichts.

Müde lag mein Blick in der Ferne, während die Flocken auf mich herab sanken. Eigentlich sollte ich mich doch freuen, ich hatte ja recht gehabt…

Doch in mir war nur diese merkwürdige Stille, die diesem tristen Grau erschreckend ähnlich war.

Nur noch diese eine Nacht…
 

Auf einmal war doch noch jemand auf der Brücke.
 

Ich hatte sein Kommen nicht bemerkt, so leise hatte er sich bewegt. Trotzdem war seine Gestalt sehr groß und er wirkte irgendwie bedrohlich als er innehielt und mich betrachtete. Einen Moment lang spürte ich, wie stark er wohl sein müsste, denn er hatte etwas an sich, was Menschen erzittern lassen konnte.
 

„Was bist du nur für ein bemitleidenswertes Kind.“, raunte er leise und bedrohlich. Und doch fürchtete ich mich nicht, auch wenn ich mir nicht sicher war warum.
 

„Ein Kind wie dich braucht wirklich niemand. Du wirst schon bald sterben, ohne je Freiheit oder einen Traum gehabt zu haben“

Ganz ruhig sah ich ihn an, blickte tief in seine Augen und da wurde mir plötzlich klar, woran das lag.

Auch in seinen Augen lag die Einsamkeit.

Eine Einsamkeit, die mich schon beinahe zerfressen hatte, eine Trauer ohne Worte und Gewicht, schleichend aber doch tödlich. Obwohl er so Furcht erregend wirkte ruhte doch der selbe müde Ausdruck auf ihm, auch wenn er ihn versteckte.
 

„Du hast die gleichen Augen wie ich“
 

Einen Moment lang wusste er nicht was er von mir halten sollte, dass konnte man ihm so gut ansehen, doch dann fasste er sich wieder.
 

„Junge, willst du mir von Nutzen sein?“

Auch er kannte die Einsamkeit. Sein Blick war ruhig und bestimmt geworden.
 

„Willst du mir dienen und gehorsam sein?“

Mein Herz begann auf einmal wie wild zu schlagen.

Er ignorierte mich nicht.

Er verachtete mich nicht.

Er würde mich mitnehmen.

Der Schnee war auf einmal federleicht und kribbelte auf meiner Haut.
 

Fest nickte ich.
 

„Dann gehören ab heute deine Fähigkeiten mir“

Ich sprang auf und er strich mir übers Haar. So lang schon hatte das keiner mehr getan, so lange nicht, dass mein Herz vor Freude fast zersprang. Seine Hand war so warm und ruhig und auf einmal war mir, als würde dieses trübe Grau aus meinem Herzen fallen. Langsam verließen wir gemeinsam diese hässliche Brücke.
 

Die Nacht würde kalt werden…aber ich war nicht mehr allein.
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Findemaxa
2010-12-16T13:23:15+00:00 16.12.2010 14:23
Haku. Haku, Haku, Haku.
Man bin ich glücklich und eins muss ich sagen - für mich deine bisher beste Ff. Du hast da drinnen so viele tolle Sätze, ganz einfache, mit denen du die Stimmung wunderbar eingefangen hast. Klasse ._. +gerührt+
Die Idee ist auch so süß. Endlich mal eine ff die das Treffen von Haku und Zabusa ganz schön beschreibt und zeigt warum Haku ihm so treu ist. Und es ist Haku! +heul+
Und die Ff passt grad, inklusive der Stimmung, perfekt zum Lied das ich hör xD
Ich danke dir so sehr +drück+ Dankeeeeee! >~<


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