Zum Inhalt der Seite

Realize the Real Lies

[Akame...?]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 2 – Moving on

“To leave somewhere for another place; To start dealing with something else”
 

Als Jin und Koki das Krankenhaus erreichten waren alle bis auf Yamapi bereits da. Sie standen oder saßen vor einer Tür über der das Notaufnahme Zeichen blinkte.

Das einzige was sie jetzt machen konnten war beten…

Nach einer Stunde kamen Kazuyas Eltern, Brüder. Sie hatten erst vor kurzem erfahren was los war… Natürlich hatten sie gewusst, dass Kame sich aus der Band zurückgezogen hatte, es war schwer gewesen es zu übersehen… aber er hatte mit ihnen vorher nicht über diese Entscheidung gesprochen… hatte sie hinterher nicht verständigt… seine Mutter hatte versucht ihn zu erreichen, aber sie hatte ihn nicht erreichen können. Jin hörte ihr zu, verstand die Worte kaum die sie sagte, immer wieder von ihren Schluchzern unterbrochen.

Sie wollte wissen wie es Kame jetzt ging… die anderen konnten nur mit vagen Auskünften weiterhelfen. Ihnen war nicht so viel mitgeteilt worden… Das einzige was sie wussten, war, dass Kazuya gefährlich unterkühlt war. Und dass die Verletzungen von dem Unfall doch schlimmer waren als man angenommen hatte (die Ärzte wunderten sich, dass er sich so weit wegschleppen konnte…). Die Tür zum Behandlungszimmer wurde geöffnet, einer der Ärzte trat heraus, blickte in alle Gesichter, runzelte die Stirn. Schließlich trat Kazuyas Vater vor. „Wie geht es meinem Sohn?“ Er klang gefasst… Ganz anders als seine Frau… Jin vermutete dass er wohl eher wie Kames Mutter reden würde. Wenn er würde reden müssen bezweifelte er, dass er etwas herausbringen könnte…

Der Arzt nahm die beiden zur Seite, Kazuyas Brüder entschlossen sich zu warten. Wahrscheinlich wollten sie die Nachricht über den Zustand ihres Bruders lieber aus dem Mund ihrer Eltern hören… Jin schluckte seine Verzweiflung runter. Er musste in Kazuyas Stärke vertrauen. Nur… wusste er nicht wie viel von ihr noch übrig war…

Er setzte sich hin und wartete einfach darauf, dass ihm irgendjemand sagen würde… was los war… wie viel man noch hoffen konnte…
 

Der Arzt hatte es sich in einem Stuhl bequem gemacht, bedeutete es Kamenashis Eltern es ihm gleichzutun. Nachdem dies geschehen war begann er, nicht ohne vorher einen Blick auf den Zettel zu werfen den er bei sich hatte. „Zuerst einmal… wir hatten Glück dass Kamenashi-san relativ… schnell gefunden wurde. Jede weitere Minute hätte den ärztlichen Eingriff nur erschwert oder… unnötig gemacht.“ Der Arzt legte das Papier zur Seite, blickte den Eltern nunmehr in die Augen. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich keine genaue Diagnose darüber stellen wie lange die körperliche Genesung dauern wird. Ich kann Ihnen leider auch keine ungenauen Angaben nennen. Momentan kann ich Ihnen nur sagen was wir bis jetzt über seinen Zustand erfahren haben.“ Oh, diesen Teil seiner Arbeit hasste er. Die Menschen wünschten sich Trost, nur den konnte er nicht immer geben. Er räusperte sich unbehaglich. „Wäre Kamenashi-san am Unfallort geblieben, nun, dann hätten wir jetzt eindeutig weniger Probleme. Wahrscheinlich stand er unter Schock, dass würde sein Verhalten erklären jedoch…“ Er merkte, dass die beiden Menschen vor ihm sich herzlich wenig um seine Erzählung scherte, ihrer Meinung nach sollte er zum Zustand ihres Kindes kommen. Er verstand sie gut aber… „Was genau ist denn nun mit Kazuya?“, fragte der Mann ihn. Drückte die Hand seiner Frau, die den Tränen eindeutig näher schien.

„Nun, er leidet unter einem Polytrauma verursacht von Hypovolämie und gleichzeitig dazu, eine Folgeerscheinung davon, dass Kamenashi-san vom Unfallort geflüchtet ist an schwerer Hypothermie.“ Erst nachdem er die ratlosen Blicke gesehen hatte wurde ihm wieder bewusst, dass diese Worte wahrscheinlich nicht jedem etwas sagten… „Mit anderen Worten“, sah er sich genötigt zu erklären, „Er leidet an einem Schock, versursacht durch den Unfall und Blutungen“ – „Uns wurde gesagt, dass er nicht schwer verletzt ist?“, die Stimme der Frau klang leicht hysterisch. „Blutung?“, fragte ihr Mann gleichzeitig. „Innere Blutungen. Deswegen wundert es uns auch, dass Kamenashi-san sich noch so lange bewegen konnte… Möglich ist auch, dass die inneren Verletzungen erst dadurch entstanden sind…“ Er runzelte missbilligend die Stirn, es war klar, dass er Kazuya die Schuld am Grad der Verletzung gab. „Die Lungen sind in Mittleidenschaft gezogen worden, außerdem ist der Blutverlust recht hoch…“ Er räusperte sich wieder. „Das nächste eindeutige Symptom ist eine schwere Unterkühlung. Im Moment tun wir alles um Ihrem Sohn zu helfen aber… Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht das sagen kann, was Sie sich erhofft hatten.“ Mit diesen Worten stand er auf und bewegte sich zur Tür.

Das war eben auch sein Job…
 

Jin hob den Kopf als der Arzt an ihm vorbei wieder in dem Zimmer verschwand in dem Kazuya lag. Wenige Sekunden später folgten ihm Kames Eltern… Sie gingen zu ihren Söhnen und berichteten mit leiser Stimme was der Arzt gesagt hatte. Jin wollte aufstehen und zu ihnen gehen aber… das stand ihm nicht zu… Es dauerte etwas aber schließlich hatte Kames Vater sich zu den Bandmitgliedern umgedreht. Wiederholte auch ihnen was der Arzt gesagt hatte.

Jin blickte gen Boden. Sollte er sagen was außerdem noch Kazuyas Zustand verschlechterte? Von seinen… Halluzinationen? Die (wahrscheinlich jedenfalls) nicht ganz unerheblich dazu beigetragen hatten wie Kame auf Yamapi reagiert hatte? Und sein Verhalten danach? Gerade als er den Mut gefunden hatte und es sagen wollte blickte er auf und all sein Mut verließ ihn wieder. Er musste sich nur einmal Kazuyas Familie ansehen um zu wissen, dass sie noch so eine Nachricht nicht verkraften würden. Also schwieg er.
 

Jin zog sich das Kostüm an. Wieder einmal trat KAT-TUN nur zu fünft auf… Diesmal war er jedoch dabei… Er würde alles dafür geben… wenn es anderes wäre. Wenn er an seiner Stelle fehlen konnte. Mittlerweile schrieben die Zeitschriften, dass der „Rücktritt“ Kamenashis ein vorgeschobener Grund gewesen sei. Dass er in Wirklichkeit den Unfall schon vorher gehabt hatte. Akanishi schnaube verächtlich. Eigentlich war es ganz einfach diese Presseleute auf eine falsche Fährte zu locken. Seinen Grund nach Amerika zu fliegen hatten sie bis heute immer noch nicht herausgefunden. Eine erbärmliche Leistung…

Er blickte sich zu seinen Kollegen um. Auch sie bereiteten sich auf den Auftritt vor. Zupften die Kleidung ein letztes Mal zurecht. Tja, an Johnnys Countdown gab es keinen Weg dran vorbei. Das erste Mal seit Kazuyas Unglück, dass KAT-TUN öffentlich auftrat… Jin schluckte. Es fühlte sich wie ein Verrat an. Auch wenn Kame schon eher ausgetreten war… Scheinbar ging es den anderen ähnlich. Junno sah so aus als würde er am liebsten einfach wieder nach Hause gehen. Koki hatte sich von den anderen abgeschottet und Maru und Ueda… Jin blickte zur anderen Seite von sich. Sie saßen da und starrten Löcher in die Luft. Eigentlich wäre Jin jetzt bei Kazuya… Jede freie Minute verbrachte er dort… es waren trotz keinen Auftritten nicht sehr viele Momente… aber… er hatte Angst, dass Kazuya dann aufwachen würde wenn er nicht da war… oder seine Eltern… oder Brüder… und sie alle konnten zur Zeit nicht… deswegen… Jin schluckte. Kame war in den vergangenen Tagen nicht aufgewacht, es hatte nicht einmal einen Hinweis darauf gegeben, dass dieser Fall bald eintreten könnte. Also war es egal… nur… Jin seufzte. Sie waren gleich dran. Er musste sich auf seinen Job konzentrieren. So wie alle anderen auch. Noch einmal verdrängte er alle Gedanken die um Kazuya kreisten und trat dann in das Lampenlicht heraus.

Sang.

Vergaß alles.
 

Es war so still. So warm… so hell. Er konnte die Augen zwar nicht öffnen, aber die Helligkeit nahm er auch so war. Wo war er? Er wusste es nicht… und je länger er darüber nachdachte desto weniger interessierte es ihn… Atmen tat weh, wach sein tat weh… er driftete wieder ab, wollte zurück in die Dunkelheit…
 

Mit einem Handtuch wischte Jin sich den Schweiß vom Gesicht. Er freute sich auf die Dusche gleich. Auf das Essen… und irgendwie auch darauf wieder zu Kame zu kommen. Wahrscheinlich war die Besuchszeit dann eh schon wieder fast rum, aber was tat man nicht alles? Jin pfefferte sein Oberteil irgendwo hin und begann die Hose auszuziehen. Als das getan war wanderte sie wenig elegant zum Shirt. Nur in seiner Unterhose ging Jin zu den Duschen, ergatterte sich eine und drehte das Wasser voll auf. Wusch all den Schweiß weg. Das war das Eklige an den Auftritten. Nachdem der Adrenalin spiegel gesunken war und man feststellte, dass man in einer Pfütze stand. Kazuya hatte diesen Zustand immer gehasst, Jin wusste nicht wie der Jüngere es geschafft hatte, aber grundsätzlich war Kame als erster unter der Dusche gewesen. Und wenn sie mit anderen Bands zusammen auftraten… und Jin sich einmal vor ihm eine Dusche gesichert hatte wurde er jedes einzelne Mal von Kame aus dieser vertrieben und durfte warten bis der Jüngere fertig war. Aber jeder hatte seine Marotten und Jin fand sich damit ab… hatte sich damit abgefunden… Er ignorierte die Tränen standhaft, welche sich wieder in seinen Augen einnisteten. Er wünschte sich diese alte Zeit zurück…

Aber auch wenn Kazuya aufwachte hieß das noch lange nicht, dass der Jüngere ihn jemals wieder in so eine Situation bringen würde… Jin hatte Angst davor… wenn Kazuya nicht mehr bei Johnnys Entertainment bleiben würde… wenn er es psychisch nicht schaffen würde… würden sie dann Freunde bleiben können? Würden sie sich sehen können? „Nicht die Hoffnung aufgeben alter Knabe“, flüsterte Jin sich zu, drehte das Wasser ab und begann sich abzutrocknen. Vielleicht waren diese… Halluzinationen ja jetzt plötzlich weg?

Jin wollte sich seine normalen Sachen anziehen gehen. Auf dem Weg zum Umkleideraum ging er an Nakamaru vorbei, dieser drehte sich zu Jin um und blieb stehen. „Jin?“ – „Hm?“ Etwas überrascht blickte er den Älteren an. „Was gibt es?“ – „Wir wollen alle gleich essen gehen und fragen ob du mitkommst?“ Jin grinste schief. „Eigentlich wollte ich nur eben was in den Magen stopfen um dann schnell zu Kazuya…“ – „Darum geht es!“, rief Maru aus. Jin erschrak ob dieses Ausbruchs. Wie bitte? „Kazuya, Kazuya, Kazuya! Jin, er wacht nicht davon auf, dass du neben ihm sitzt und dich gehen lässt! Wann hast du das letzte Mal ordentlich gegessen? Geschlafen?“ Jin kannte diese Standpauke. Die hatte normalerweise er immer gehalten… und zwar keinem geringeren als Kame selbst. Aber… es waren doch andere Umstände! Hier ging es nicht um die Arbeit sondern um einen verletzten Freund! Verstand Yuichi es nicht? „Jin, denk bitte einmal nach!“ Maru klang als hätte er in letzter Zeit nur von Aspirintabletten leben können. Und als sei Jin die Ursache dieses Ernährungsstils. „Würde Kazuya sich freuen wenn das erste was er sieht ein Akanishi Jin ist, der abgemagert, ungepflegt und müde aussieht?“ Wahrscheinlich nicht… „Oder würde er sich freuen wenn er einen Jin sieht, der zwar besorgt aber ansonsten vollkommen gesund und glücklich aussieht? Auch wenn er einige Minuten auf ihn warten muss?“ Jin seufzte. Gegen diese Argumente konnte er nichts sagen. „Ich warte auf euch.“ Nakamaru nickte zufrieden. Wer hatte ihm gesagt, dass es unmöglich sein würde Jin umzustimmen?

Lustlos stocherte Jin in seinem Essen rum. Er zwang sich selber den Teller aufzuessen und einigermaßen an dem Gespräch der anderen teilzuhaben. Irgendwie war es schon lieb und nett wie sie versuchten ihn aus seinen Gedanken zu reißen, ihn aufzumuntern… nur leider waren sie ein schäbiger Ersatz für das was Kazuya darstellte.
 

Er hielt sich fest, an dem Boden auf dem er lag… aber… er war viel zu weich… Es war zu hell… Er wollte nicht dorthin gehen. Es war zu still… es tat zu sehr weh. Er versuchte sich so hinzulegen, dass die Schmerzen verschwanden, aber sie wurden nur größer. Er stöhnte auf. Wollte jemanden sagen, dass es wehtat, dass ihm jemand helfen sollte… er spürte etwas Kaltes und dann… war der Schmerz weg und er konnte zurück ins Dunkel. Es fühlte sich so viel besser an…
 

Ein Blick auf die Uhr belehrte Jin, dass die Rezeptzionistin Recht hatte, und die Besucherzeit tatsächlich seit fünf Minuten abgelaufen war. Es war zum Verzweifeln. Er entschuldigte sich dafür, dass er zu spät war, verwünschte im Stillen die Regeln und gab sich geschlagen. Die ersten paar Mal hatte er versucht die Pfleger zu erweichen, ihn doch etwas länger bleiben oder etwas später noch zu Kazuya zu lassen. Da er aber jedes Mal gescheitert war machte er sich keine Hoffnung darauf, dass es nun besser laufen würde.

Zuhause angekommen hatte er keine Motivation irgendetwas zu machen. Und am nächsten Tag war eh nur ein Bandtreffen angesagt, ansonsten hatte er den ganzen Tag frei. Er wusste schon was er machen würde. Seinen heutigen Besuch nachholen. Und sich Yuichis Rat zu Herzen nehmen. Er würde mehr Acht auf sich geben.

Aber das war leichter gesagt als getan, er konnte sich auf nichts konzentrieren, aber um wenigstens etwas Ablenkung zu bekommen beschloss Jin schließlich Yamapi anzurufen, vielleicht hatte er etwas zu erzählen was ihn ablenken konnte…
 

Jin saß traurig neben Kames Bett. Er war seit einer Stunde alleine, die Eltern Kazuyas waren bis eben noch hier gewesen, aber sie mussten länger wieder nach Hause fahren… und frei hatten sie nicht mehr. Ihm selber blieb auch nicht mehr viel Zeit um zu bleiben da die Besuchszeit so gut wie um war. Keine Zeit mehr um dem Atem von seinem Freund zu lauschen, und ansonsten konnte er hier nicht wirklich etwas tun. Gerade hatte er einen Zettel auf den Knien, versuchte verzweifelt einen Text zu einer Melodie zu erfinden, hörte dazu auch entsprechendes Lied über seine Kopfhörer, aber irgendwie bekam er nichts zustande. Er seufzte auf die drei mickrigen Zeilen die er in fünf Stunden fabriziert hatte. Wenigstens würde ihm keiner vorwerfen können, dass er nichts tat, wenn er zu Kazuya kam. Müde schloss er die Augen, lehnte sich etwas zurück und konzentrierte sich auf die Melodie. Letztendlich brachte es aber auch nichts, er lehnte sich wieder nach vorne, faltete den Zettel zusammen und packte ihn in seine Tasche, blickte auf die Uhr. Acht Uhr, Zeit zu gehen. Er warf sich seine Tasche über die Schulter, warf einen letzten Blick auf Kame und blieb mit dem Fuß in der Luft stehen.

Kazuyas Augen waren offen.

„Kazuya!“, rief Jin aus, ließ die Tasche wieder fallen und beugte sich über seinen Freund, der etwas verwirrt schien, so als wüsste er nicht recht wo er sich befand, und weshalb. „Kazuya, hörst du mich?“, fragte Jin und es schien ihm so als würden sich Kames Augen auf ihn konzentrieren wollen, aber… „Wenn Sie bitte gehen würde, die Besuchszeit ist soeben vorbei“, hörte Jin die nervige, gemeine, hinterhältige, böse, verräterische und… ja, Jin war sich darüber im Klaren, dass er gerade etwas subjektiv dachte, dennoch… Er drehte sich zu der Krankenschwester um. „Bitte, er ist gerade aufgewacht und…“ Jin sah sofort, dass er keine Chance hatte. Die Krankenschwester kannte er bereits… der Drache in Person… „Entweder sie gehen jetzt freiwillig, oder ich sorge dafür, dass sie raus begleitet werden.“ Jin warf Kazuya noch einen Blick zu… „Ich komme morgen wieder“, versprach er und ging durch die Tür. Er wusste nicht welches Gefühl gerade die Übermacht gewann, die Freude, dass Kame wieder zu sich gekommen war oder die Wut darüber, dass er gehen musste.

Sobald er das Krankenhaus verlassen hatte wählte er die Nummer von Kazuyas Eltern.
 

Kame versuchte sich zu bewegen, aber er konnte nicht. Es schien so, als wollte ihm sein eigener Körper nicht mehr gehorchen. Außerdem… wo war er? Wieso war er hier? Langsam öffnete er seine Augen, es kostete ihn unglaubliche Anstrengung nur diese… Tätigkeit zu vollbringen. Er blinzelte einmal. Es war… wirklich zu hell… die Decke war zu weiß. Er schloss die Augen wieder, öffnete sie. Die Welt um ihn herum gewann etwas an Schärfe, er konnte wie durch einen Schalldämpfer Geräusche hören… Und dann sah er etwas verschwommen vor seinem Gesicht auftauchen, er konnte die Worte nicht verstehen die gesprochen wurden, aber die Stimme erkannte er… Jin… Er versuchte ihm zu sagen, dass es ihm gutging aber… er konnte seinen Körper einfach nicht dazu bringen das zu tun was er ihm sagte! Die Gestalt (Jin wahrscheinlich) verschwand wieder aus Kazuyas Blickfeld, er hörte ihn noch etwas sagen… und dann… war er weg. Er hatte keinen Grund mehr die Augen aufzuhalten, das letzte was er sah war wie sich einige Menschen um ihn versammelten… aber… das war er ja gewohnt… er wollte trotzdem… lieber seine Ruhe haben… deswegen schlief er wieder ein.
 

Das nächste Mal als Kame erwachte waren seine Eltern bei ihm. Es sah so aus als hätte seine Mutter geweint… Einen kurzen Moment lang verspürte er Schuldgefühle, wusste aber nicht genau weswegen… „Mama?“, krächzte er unter Mühen heraus, sofort nahm sie seine Hand und fing wirklich an zu weinen. „Oh mein Gott… Kazuya, ich“, sie stockte, wischte sich die Tränen weg und lächelte ihm wage zu. Sein Vater stand an ihre Seite, legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wie geht es dir?“, fragte er ihn. Kazuya dachte nach, er wusste es nicht. Müde, verletzt, traurig, froh, verwirrt… was sollte er antworten? Er öffnete seinen Mund, aber die Worte die er letztlich gewählt hatte blieben aus, er konnte nichts mehr sagen. Müde schloss er die Augen, öffnete sie wieder. „Schon okay Liebling“, flüstere seine Mutter ihm zu und strich ihm über das Haar. Kame nahm all seine Kraft zusammen. „Wo bin ich?“ – „Im Krankenhaus“, antwortete ihm sein Vater, seine Mutter konnte nur schluchzen. Kame runzelte verwirrt die Stirn, er wollte wissen wieso, hatten sie etwa… herausgefunden was mit ihm nicht stimmte? Waren sie deswegen so… nein, momentan waren sie glücklich, aber… warum war er dann hier? Seine Eltern schienen seine Verwirrung zu sehen. Er musste nicht mal nachfragen. „Du… du hattest einen Unfall…“, schluchzte seine Mutter wieder los. „Und… es hat etwas gedauert bis man dich gefunden hat. Der Arzt meinte…“ Ihre Stimme versagte wieder. Nach kurzer Zeit hatte sie sich gefangen. „Der Arzt meinte letztens, dass wenn du nicht in den nächsten paar Tagen aufwachst, dass du… lange…“ Sie wischte sich die Tränen weg, führte den Satz nicht zu Ende. Unfall? Verschwommen erinnerte er sich daran, dass er bei Jin gewesen war… dass er in die Stadt gegangen war… jemand hatte ihn angesprochen… und danach nichts. Er schloss die Augen wieder, hatte Kopfschmerzen bekommen. „Akanishi-kun war bei dir“, sagte sein Vater plötzlich. „Er hat sich Sorgen gemacht, war fast jeden Tag hier.“ – „Er sollte mehr essen“, sagte Kazuyas Mutter missbilligend. Kame lächelte, jemand den man nie zum Essen auffordern musste… sollte mehr essen. Manchmal waren Mütter einfach liebenswert. „Die anderen aus deiner Band waren auch hier… ein paar Mal“, meinte sein Vater jetzt vorsichtig, Kame wusste nicht ob die Vorsicht daher rührte, dass er von den Neuigkeiten erfahren hatte… oder daher dass er befürchtete sich noch etwas über Essensgewohnheiten hören zu müssen. Aber obwohl seine Frau den Mund zu einem Strich zusammengepresst hatte sagte sie nichts. „Sollen… wir ihnen irgendetwas ausrichten?“, fragte er schließlich nach.

„Dass es mir Leid tut…“
 

Jin rannte Richtung Krankenhaus, sein Arbeitstag war heute wieder einmal vollgestopft gewesen und am Ende dieses bescheuerte Interview, das etwa eine Stunde länger gedauert hatte als geplant. Mit anderen Worten: Ihm blieben vielleicht dreißig Minuten bei Kame, wenn er schnell genug war.

Und zwar gerade dann, wenn er zwei Tage hintereinander wach gewesen war, und einen der Tage… hatte er Kazuyas Eltern überlassen, er hatte nicht stören wollen. Und davor war er verscheucht worden. Das war doch alles nicht zu fassen?

Als er endlich die Tür erreichte war er verwundert. Er hörte mehrere Stimmen. Langsam öffnete er die Tür und stellte fest, dass die ganze Band anwesend war. „Hey Jin!“ Koki winkte ihm zu und bedeute ihm näher zu kommen. “Das hattet ihr also vor?”, fragte Jin lachend. Er hätte es sich denken können. Mit einem Blick auf Kame stellte er fest, dass er wach war. Erleichtert holte er sich einen Stuhl und gesellte sich zu den anderen. „Wie geht es dir?“, frage er Kame schließlich. Dieser… schaute kurz zu ihm hin um dann die Bettdecke zu betrachten. „Weiß nicht… merkwürdig.“ Es klang klagend. „Kein Wunder“, meinte Koki dann, immer noch die gute Laune in Person. „So lange wie du geschlafen hast wundert es mich nicht, dass dein Körper gerade rumzickt.“ Jin warf Koki einen wütenden Blick zu, aber dieser ignorierte seinen Kollegen einfach. „Bei was habe ich euch gerade unterbrochen?“, wollte Jin wissen. „Bei nichts“, antwortete Ueda ihm. „Wir sitzen hier und unterhalten uns.“ – „Ach, stell dir vor, darauf wäre ich auch gekommen…“, seufzte der Brünette auf. Ueda zog eine Schnute. Während der Unterhaltung blickte Jin immer wieder zu Kazuya, der ihnen still zuhörte. Wahrscheinlich war er noch nicht wieder so kräftig, als dass er sich wirklich lange unterhalten konnte. Zwischenzeitlich hatte Jin das Gefühl, dass der Jüngste immer wieder wegnickte, aber… sicher war er sich nicht. Nach einiger Zeit kam der „Drache“ wieder und beförderte Kazuyas Besucher nach draußen. Sie verabschiedeten sich und versprachen bald wiederzukommen.

„So… unternehmen wir noch irgendetwas?“, war Junnos Frage an die Allgemeinheit, als sie aus dem Krankenhaus traten. „Wir könnten in eine Bar gehen und abhängen?“, schlug Koki vor, betrachtete seine Fingernägel.

„Nächstes Mal frage ich ihn“, sagte Nakamaru plötzlich und ohne Kontext. „Wen fragst du was?“ – „Kame. Warum er gegangen ist. Ob er wiederkommt. Ob er wiederkommen will.“ Jin hatte ein ungutes Gefühl, aber er traute sich nicht einen Einwand hervorzubringen. Zu seiner Überraschung war das aber auch nicht nötig, da Ueda diese Aufgabe übernahm. „Jetzt schon? Willst du nicht warten, bis es ihm etwas besser geht?“ Maru schüttelte den Kopf. „Jetzt schon.“, bestätigte er, „Ansonsten rechne ich mir schlechte Chancen aus überhaupt etwas aus ihm herauszukriegen. Immerhin reden wir hier über Kame, der wenn er möchte, sehr gut lügen kann. Aber wenn er nicht ganz auf der Höhe ist…“ Maru ließ den Satz offen. Ueda und Jin hatten immer noch ihre Zweifel, aber die anderen stimmten Yuichi zu. Also wäre wohl jedes gegenargumentieren sinnlos.

Jin hegte die leise Hoffnung, dass dies jedoch der richtige Weg war, um Kazuya zu helfen.
 

Als Jin am nächsten Tag zum Bandtreffen kam fiel ihm auf, dass Yuichi fehlte. „Wo ist den Maru?“, fragte er dann auch sofort nach. Immerhin kam er (wieder einmal) viel zu spät. Dass Nakamaru um die Zeit nicht da sein sollte… wahrscheinlicher war dass die Hölle zufror und alle Seelen entweichen durften und dann… Jin schüttelte den Kopf, mit Metaphern hatte er es nicht so.

„Keine Ahnung“, murrte Ueda genervt. Auch Koki und Junno schüttelten den Kopf. „Da warens nur noch vier“, summte Koki und trommelte mit seinen Finger auf der Tischplatte rum.

Jin setzte sich zu ihnen. „Hat schon wer versucht ihn anzurufen?“ – „Handy aus.“

Just in dem Augenblick flog die Tür auf und ein wütender Nakamaru stampfte in den Raum. „Ich fasse es einfach nicht!“, rief er aus, warf seine Hände in die Luft und starrte sie böse an. Jin war beeindruckt, so einen Blick hätte er von Maru nicht erwartet. Unwohl rutschte er auf dem Stuhl hin und her. „Was fasst du nicht?“, fragte er dann dennoch. Neugier siegte über Menschenverstand. Mist. Sofort drehte sich Nakamaru zu ihm um. „Kame!“, rief er aus, als würde das irgendetwas erklären. „Ehm?“, machte Jin, scharfsinnig wie immer. „Besuchsverbot!“, fauchte Maru dann und langsam machte es „Klick“ in den Köpfen der Anwesenden.

„Wie… Besuchsverbot?“ Jin setzte sich auf und runzelte die Stirn. „Und woher zur Hölle weißt du das?“ Maru blickte ihn mitleidig an. „Ich weiß es, weil ich heute vorm Treffen zu ihm gehen wollte, um ihn zu fragen was er denn in Zukunft machen möchte, ich wusste nicht wann ich sonst Zeit haben würde… Deswegen jedenfalls bin ich hin“, begann Maru aufgewühlt, „Und als ich dann das Krankenhaus betrat kam dieser… dieser…“ Maru suchte verzweifelt nach den richtigen Worten… „Drachen (Jin wusste ziemlich genau wen er meinte…) und sagt mir, dass ‚Kamenashi-san zur Zeit nicht besucht werden darf. Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten‘“, ahmte er die Krankenschwester nach. Jin runzelte die Stirn. „Wie… Wieso?“ – „Weiß der Henker“, fauchte Yuichi, der anscheinend beschlossen hatte, dass jeder teilhaben konnte an seiner schlechten Laune. Junno blickte skeptisch. „Und was ist mit seinen Eltern? Brüdern?“ Nakamaru öffnete den Mund, warf die Arme wieder in die Luft und sagte… gar nichts. Schließlich blickte er Jin an. „Weiß nicht, sag dus mir.“ – „Ich?“ Jin hatte das Gefühl, als wäre er in einem Film gesteckt worden, und zwar mitten hinein in die Handlung ohne vorher erfahren zu haben um was es ging, textlos natürlich. Mit dem Unterschied, dass er sich relativ sicher war, dass er von Anfang an bei diesem Gespräch dabei war. Nakamaru verdrehte die Augen. „Ja, du. Du bist sein gottverdammter bester Freund, du hast Kontakt mit seinen Eltern, woher soll ich es also wissen?“ Jin beschloss, dass es das Beste sei Maru nicht noch mehr zu provozieren, deswegen sagte er nur: „Ja schon, aber bis grade eben wusste ich nicht… dass ihn niemand besuchen darf.“ Maru blinzelte und lachte dann einmal peinlich berührt auf. „Stimmt ja, tut mir Leid…“ – „Okay, so interessant das alles auch ist…“, mischte sich Ueda schließlich ein, „und so merkwürdig ich das auch finde… wir werden nicht dafür bezahlt das wir nichts tun…“ Die anderen blickten kurz Ueda an… beschlossen dann dass er Recht hatte und holten ein paar Aufzeichnungen raus.

„Und Jin, wie läuft es mit dem Liedtext?“ – „Schlecht…“
 

Nach dem Treffen wusste Jin nicht, ob er zuerst ins Krankenhaus fahren sollte um sich zu vergewissern dass Maru alles richtig verstanden hatte, oder ob er zuerst mit Kazuyas Eltern telefonieren sollte. Da er aber wieder verdammt unter Zeitdruck stand was die Besuchszeiten anging fuhr er zunächst zu Kazuya, in der Hoffnung… dass Maru sich irrte. Sobald er das Gebäude betrat sah er sie. Den liebevollen Drachen, der anscheinend keine andere Beschäftigung hatte, außer ihn und alle anderen von Kame fernzuhalten. Und wie auf Kommando setzte sie sich in Bewegung sobald sie Jin sah, sie hatte sich sein Gesicht (und das aller anderen Besucher von Kame) eingeprägt. Als sie sich vor ihm aufgebaut hatte (was so gesehen nicht sehr imponierend war, war sie doch einen Kopf kleiner als der Sänger) spulte sie ihre Ansage ab. „Es tut mir wirklich außerordentlich Leid, aber Kamenashi-san kann zurzeit keinen Besuch empfangen.“ – „Oh, das wusste ich nicht, tut mir Leid… Aber… warum nicht?“, mimte Jin den Überraschten. Und hoffte ihr diese Information aus der Nase zu ziehen. „Sind sie ein Familienangehöriger?“ Jin blickte sie verdutzt an. „Ja?“ (Er hatte den leisen Verdacht, dass sie ihn bei einem „Nein“ sofort rausschmeißen würde…) Sie blickte ihn misstrauisch an. „Können Sie das irgendwie beweisen?“ Jin schüttelte den Kopf. „Nicht im Familienregister aufgeführt?“ Jin blickte sie nur mit großen Augen an. „Tja, wenn sie sich nicht ausweisen können wird ihnen der Chefarzt auch nichts sagen. Es könnte ja jemand x-beliebiges auftauchen und behaupten ein Verwandter von wem auch immer zu sein!“ Jin verstand diese Sorge augenblicklich sehr gut… Trotzdem verfluchte er gerade die Sicherheitsmaßnahmen. Der Drache drehte sich wortlos um (sie hätte ihm wenigstens einen guten Abend wünschen können!) und positionierte sich wieder in der Tür. Jin jedoch drehte sich um und wählte die Nummer zu Kazuyas Eltern. Vielleicht konnten sie ihm etwas mehr sagen. Nur leider ging bei ihnen niemand ans Telefon dran. Spätestens jetzt war er wieder besorgt. Hatte sich Kames Zustand plötzlich wieder verschlechtert? Hatte er gesagt dass er keinen Besuch haben will? Wenn ja, aus welchem Grund? Um die Tatsache zu verstecken, dass er halluzinierte? Oder fühlte er sich nur nicht wohl genug um einen Haufen Besucher zu ertragen? Oder hatte er die Frage erwartet warum er KAT-TUN verlassen hatte? Oder… oder… oder?

Letztendlich beschloss Jin einfach eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, wenn er Glück hatte würden Kazuyas Eltern bis morgen zurückrufen.
 

Jin tastete nach seinem Handy, es war eigentlich viel zu früh um aufzustehen, aber irgendjemand rief ihn an, er hatte zunächst versucht das Klingeln zu ignorieren, jedoch sehr bald festgestellt, dass derjenige der anrief sehr hartnäckig war. Endlich hatte er das Stück in der Hand und nahm ab. „Hallo?“, gähnte er in den Hörer. „Akanishi-kun, es tut mir Leid, dass ich so spät, oder eher so früh, störe“, vernahm er die Stimme von Kazuyas Vater. Sofort war er hellwach und setzte sich auf. „Nein, ist okay. Ich… hatte versucht anzurufen“, antwortete Jin sofort. „Ich wollte wissen ob Sie eine Ahnung haben warum ich… Kame nicht besuchen darf?“ Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Jin hatte die Befürchtung, dass Kames Vater den Hörer beiseitegelegt hatte, doch endlich bekam er eine Antwort. „Soweit ich weiß hat Kazuya das mit seinem Arzt besprochen. Er… meinte, dass er es im Moment nicht ertragen könne, dass so viele Menschen um ihn herum wuseln. Du kennst ihn, er braucht etwas Platz für sich selber“, fügte Kamenashi-san fast entschuldigend hinzu. „Er möchte auch nicht, dass sie Leute sehen wie… kraftlos er jetzt ist.“ Jin knirschte mit den Zähnen. Schienen ihm zwar logische aber doch hervorgeschobene Gründe zu sein. „Um ehrlich zu sein weiß ich das alles jedoch auch nur vom Arzt.“ Okay, der Schlag hatte gesessen. „Also… dürfen Sie auch nicht zu Kazuya gehen?“ – „Er will niemanden sehen. Sollte sich was daran ändern werde ich dich informieren. Entschuldige noch einmal die Störung, gute Nacht.“ Jin blieb eine Antwort schuldig.
 

Kame zog sich sein Shirt wieder über. Nach einer Woche war das jetzt die letzte Untersuchung gewesen. Jetzt durfte (musste) er das Krankenhaus verlassen, jetzt würde er sich wieder allen Fragen, Anschuldigungen, stellen müssen, er würde sehen wie besorgt alle wegen ihm gewesen waren… Er packte die Sachen zusammen die seine Eltern ihm am ersten Tag gebracht hatten und verließ das Gebäude, rief sich ein Taxi. Er fragte sich ob schon irgendjemand wusste, dass er entlassen worden war. Möglicherweise seine Eltern, möglicherweise wusste es auch keiner. Oder alle. Zuhause angekommen suchte Kame zuallererst sein Ladekabel für sein Handy. Ob er wollte oder nicht, er musste seine Eltern anrufen. Versuchen sich zu erklären… Mental bereitete er sich auf das Gespräch vor. Er wusste, dass er ihnen nicht die Wahrheit würde sagen können. Er musste es irgendwie glaubhaft rüberbringen, dass es ihm physisch nicht gut gegangen war. Aber er war nicht umsonst auch ein Schauspieler. Und übers Telefon konnte man sehr leicht lügen…

Nachdem das getan war und er irgendwie um einen obligatorischen Krankenbesuch herumgekommen war überlegte er sich was er eigentlich machen sollte. Auch im Krankenhaus hatte er diese Menschen gesehen… alle… es war ein Wunder, dass sie ihn hatten gehen lassen, dass sie nichts bemerkt hatten… Er seufzte und beschloss etwas Gutes für sich selber zu tun. Sein Magen knurrte schon seit einer Weile und es war lange her, seit er das letzte Mal gekocht hatte. Doch dafür würde er zuerst einkaufen müssen. Langsam, ihm tat immer noch jeder Knochen im Leibe weh, stand er auf und verließ seine Wohnung wieder.
 

Jin lungerte lustlos in einem der Läden rum und betrachtete nachdenklich die verschiedenen Olivensorten die es zu kaufen gab. Er hob eines der Gläser hoch, schaute es sich an und legte es wieder hin, nahm sich ein anderes Glas und wiederholte die Prozedur. Einige der Ladenangestellten schauten misstrauisch in seine Richtung. Ihm war bewusst, dass er seit einer geschlagenen halben Stunde versuchte sich für eine der angebotenen Marken zu entscheiden aber… je eher er hier rauskam, desto eher würde er an Kame denken, desto eher würde er sich Sorgen machen, desto eher würde er anderen mit seiner Sorge auf die Nerven gehen, desto eher würde er sich streiten. Also machte er alles, was er tat… aufreizend langsam. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte just in dem Augenblick einer der Verkäufer. Jin zuckte kurz zusammen, er hatte ihn gar nicht kommen gehört. „Eh… ja… ich meine, nein… ich meine…“ Er nahm achtlos eines der Gläser. „Vielen Dank ich habe mich soeben entschieden.“ Er lächelte dem Verkäufer freundlich zu und begab sich zum nächsten Regal. Und sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Kame das Geschäft betrat. Jin konnte gerade noch das Olivenglass retten, welches ihm bei diesem Anblick aus der Hand gerutscht war.

Seit wann war er aus dem Krankenhaus raus? Und… wieso hatte er sich noch nicht bei ihm gemeldet?

Als Kazuya näher kam konnte Jin erkennen, dass er die Lippen bewegte und lachte. Der Magen von Jin zog sich schmerzhaft zusammen. Er konnte weder ein Handy, noch eine Freisprechanlage von einem Handy, noch Kopfhörer sehen. Es war also unwahrscheinlich, dass er gerade telefonierte oder leise ein Lied mitsang. Also alle möglichen Fälle ausschließend blieb nur… dass Kazuya gerade der festen Überzeugung war, dass jemand ihn begleitete. Und er sich mit diesem Jemanden unterhielt. Jin pfiff auf die Verkäufer und die Wahrscheinlichkeit, dass er sich nun erst recht verdächtig machen würde, aber er holte seine Sonnenbrille aus der Tasche, setzte sie auf und zog sich die Kapuze über den Kopf, stellte das Olivenglas wieder an seinen ursprünglichen Platz und machte so einen Bogen um Kame, dass er nach einiger Zeit hinter ihm stand und das „Gespräch“ mithören konnte. Zuallererst bemerkte er, dass Kame trotz allem relativ fröhlich aussah, er lächelte, sagte aber im Moment nichts. Ob die andere Person sprach? Plötzlich lachte Kame leise auf, versteckte das Lachen hinter seine Hand und schaute in eine andere Richtung als zuvor. Kurz darauf drehte er den Kopf wieder zurück. „Du bist einfach nur dämlich“, lachte er und machte eine Bewegung, als würde er jemanden etwas von sich wegschubsen. Jin runzelte die Stirn. Und verfluchte diese Situation. Was sollte er tun? Zu Kame gehen und ihm sagen, dass er gerade halluzinierte? Ihn aus dem Laden zerren? Die Verkäufer ablenken, dass sie nicht erkannten wer hier gerade… das Einzige was ihn beruhigte war die Tatsache, dass die Angestellten ihn scheinbar nicht gekannt hatten, also war es möglich, dass sie auch Kazuya nicht erkennen würden.

Dieser hatte sich einige Schritte entfernt und begutachtete das Gemüse, hob eine Paprika hoch und hielt sie so, als ob zwei Personen sie angucken wollten. Nach einiger Zeit legte er sie in den Korb den er mitführte. Jin beeilte sich, dass er den Anschluss nicht verpasste. Und musste beinah lachen als Kazuya zielstrebig zu „seinen“ Oliven ging. Er konnte es sich nicht verkneifen und blickte zu einem der Angestellten, der eindeutig genervt diese ganze Scharade beobachtete. War ja auch egal. Als er wieder nah genug war um etwas zu hören war Kame mitten in einem Satz und führte ihn zu Ende, scherzte wegen irgendetwas. Jin glaubte mittlerweile zu wissen, wen er da bei sich glaubte… Irgendwie merkwürdig wie gut man einen Menschen kennen konnte…

„Welche möchtest du Jin?“ Und seine Vermutung bestätigte sich.

Er zögerte noch einen Augenblick, dann streckte er seine Hand aus, zog Kame etwas zurück und holte sich (wieder einmal blind) ein Olivenglas. „Das hier.“ Kame war kreidebleich geworden. Jin blickte ihn traurig an, legte aber die Oliven in den Korb als wäre nichts weiter passiert, zog Kazuya weiter, der apathisch nebenher stolperte. „Was brauchen wir noch?“, fragte Jin, versuchte die Atmosphäre normal zu gestalten, aber Kazuya antwortete nicht. In Jins Kopf rumorte es. Er würde diesen Einkauf irgendwie so zu Ende bringen, dass die Leute um sie herum nichts merkten, dass niemand sah was mit Kame los war. Aber danach… danach würde er sich mit Kame unterhalten müssen. So konnte, so durfte es nicht weitergehen. Kame brauchte Hilfe. Professionelle Hilfe. Er wusste immer noch nicht wie lange Kazuya schon dieses… Problem hatte. Aber es war klar, dass es nicht von alleine verschwinden würde. Und was sollte er schon ausrichten können? Er war vielleicht sein bester Freund, aber kein Arzt, kein Psychologe. Verdammt, er wusste noch nicht einmal was die Ursache sein konnte für so eine… Krankheit. Geistesabwesend packte Jin einige Gewürze ein und zerrte Kame weiter, dieser schien immer noch nicht zu sich gekommen zu sein. Okay, musste ein Schock gewesen sein… aber… was hätte er sonst tun sollen? „Kazuya“, flüsterte er ihm zu und schüttelte ihn kurz. „Kame!“ Kamenashi blinzelte, starrte Jin an. Jin war sich nicht sicher ob er ihm zuhörte oder einfach nur… ach verflixt. „Kame! Sag etwas!“, forderte er, schüttelte den Jüngeren noch einmal. Keine Reaktion. „Kazuya!“ – „W…was?“ Endlich. Jins seufzte. „Ich komme mit zu dir. Wir müssen uns unterhalten.“ Kame schaute ihn nur an. Und Jin deutete es einfach als „ja“. „Na dann lass uns mal zu Ende einkaufen.“
 

Jin öffnete die Tür zu Kazuyas Wohnung schob den Jüngeren mit sanfter Gewalt in diese und ging dann selber rein. Knallte die Tür hinter sich zu.

Kame schien langsam wieder zu sich zu kommen, setzte sich zum ersten Mal seit Jin ihn angesprochen hatte von selber in Bewegung und marschierte in das Wohnzimmer. Stellte den Einkaufskorb auf dem Tisch ab und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. Seufzte auf. „Kazuya, alles in Ordnung mit dir?“ – „Alles in Ordnung? Ob alles in Ordnung ist?!“ Kames Stimme überschlug sich, Jin zuckte zusammen. „Verdammt nochmal nein, natürlich ist es nicht in Ordnung! Was denkst du denn? Hast du überhaupt eine Ahnung wie das ist?“ Kame sprang auf, Jin sah die Tränen in seinen Augen. Er konnte nix sagen. Damit… hatte er jetzt nicht gerechnet. „Weißt du etwa wie das ist, wenn du dir nie sicher sein kannst, ob das was du siehst wirklich passiert? Weißt du wie es ist, wenn du irgendjemanden vor dir siehst, der dir wichtig ist, den du magst… aber diese Person blutüberströmt ist und dir sagt, dass du daran schuld bist? Kannst du dir auch nur im Geringsten vorstellen, wie es ist, wenn du dich mit deinem besten Freund unterhältst und nicht einmal weißt ob er wirklich vor dir steht? Wenn du ihm etwas Wichtiges sagst, und du am nächsten Scheißtag feststellst, dass er es gar nicht weiß? Dass du wieder einmal nur mit dir selber geredet hast? Weißt du wie das ist nicht schlafen zu können, weil alle möglichen Leute dich anschreien, dich anbetteln irgendetwas zu tun?“ Kame schnappte nach Luft, Jin ging etwas zurück. Er hatte fast die Hoffnung, dass Kame sich etwas beruhigte, dieser schrie jedoch wieder los, die Stimme so hoch wie Jin sie noch nie gehört hatte. „Nein! Du hast doch gar keinen Schimmer wie es mir geht! Du weißt nicht wie das ist, wenn man seit drei beschissenen Jahren nicht mehr weiß was echt ist und was nicht, du weißt nicht wie es ist endlich den Mut zusammenzunehmen und jemanden um Hilfe zu bitten, wenn du genau weißt, dass du das niemals wieder schaffen wirst und dann erfährst, dass die Person die du im Hilfe gebeten hast nichts weiß, weil sie nicht da war!“ Jin zuckte zusammen. „Nein, das…“ – „Du willst wissen ob alles in Ordnung ist? Ich sag dir was: Ich halte es nicht mehr aus! Ich will nicht mehr, ich kann verdammt nochmal nicht mehr! Was meinst du warum ich Johnny-san um eine Pause gebeten hab? Weil es mir so gut geht? Jin, ich wusste nicht mehr was wir getan haben, ich wusste nichtmehr welche der Termine die mir mitgeteilt worden waren wirklich existierten. Ich hab keinen blassen Schimmer, wer am Set wirklich existiert und wer nicht. Ich…“ Kame verstummte plötzlich. „Vergiss es. Ist nicht so wichtig.“ – „Nicht so wichtig?“, wiederholte Jin lahm… „Kame, das glaubst du doch nicht ernsthaft…?“ Kame blickte ihm wie ein trotziges Kind in die Augen. „Warum denn nicht? Ich meine“, er lachte bitter auf, „wenn es ernst gewesen wäre, hätte es doch irgendwem auffallen müssen?“ Jin blickte betreten zu Boden… „Kame… es… ich weiß nicht… was ich sagen soll…“ – „Nichts.“ Jins Kopf schellte in die Höhe. Kame wirkte müde, ausgelaugt. „Du kannst nichts sagen Jin. Es… fuck, sieh mich doch an. Was willst du mir denn sagen? Was kannst du mir denn sagen?“ Jin blieb stumm… Sah Kame eine Weile an, sagte aber nichts. Kazuya seufzte auf und fing an die Einkäufe auszupacken. Es sah so aus, als brauchte er eine Beschäftigung. „Kame…“ Kazuya zeigte keine Reaktion. Jin wusste, dass er ihn enttäuscht hatte. Er wusste, dass Kame etwas erwartet hatte, und dass er die Erwartung nicht erfüllt hatte. „Kazuya, guck mich bitte an wenn ich mit dir spreche.“ – „Ich wüsste nicht weswegen.“ Jin ballte die Hände zu Fäusten und stellte sich neben Kame, drehte ihn so, dass er ihn angucken musste. „Ich will dir helfen.“ – „Und wie?“ Der Zweifel stand in Kazuyas Gesicht geschrieben. Jin schluckte. Er dachte sich schon, dass Kazuya auf den Vorschlag nicht mit Begeisterung reagieren würde… aber… er musste ihn überzeugen. „Du musst zu einem Arzt Kazuya.“ Kame riss sich von ihm los. „Nein.“ – „Doch!“, fauchte Jin. „Das kannst du nicht verlangen Jin. Ich… KAT-TUN…“ Jin schloss müde die Augen. „Du hast einfach keine Alternative Kame. Du hast selber gesagt, dass du mit der ganzen Situation nicht mehr klarkommst. Und egal was ich tue… ich… ich bin… ich weiß doch gar nicht was man in so einem Fall tun kann…“ Jin spürte wie Kame ihn am Arm berührte. Er öffnete die Augen.

„Ich sehe diese Sachen seit du nach Amerika gegangen bist“, sagte Kazuya schlicht.
 

Nachdenklich betrachtete Kazuya das Gesicht, die Reaktion Jins auf seine Worte. Er konnte es nicht genau einordnen, aber Jin war eindeutig überrascht, wusste anscheinend nicht genau was das zu bedeuten hatte. „Seit… Amerika?“, fragte Jin ihn. Kazuya nickte. Ließ seine Hand sinken. Jin holte tief Luft. „Das ändert absolut nichts an der Tatsache, dass du zu einem Arzt gehen solltest.“ Kazuya wurde wütend. Eigentlich grundlos aber… „Ich kann doch nicht zu einem… Seelenklempner!“, fauchte Kazuya Jin an, der unglaublich ruhig zu bleiben schien. Kame kannte diese Seite an Jin nicht… „Du hast keine andere Möglichkeit“, wiederholte Jin sich. „Und was ist mit KAT-TUN? Mit unserem Ruf? Mit Johnnys-“ – „Scheiß drauf!“, unterbrach Jin resolut. „Das ist eh im Arsch wenn du wegen diesem Mist aufhören musst. Und es ist sowieso total zweitrangig im Vergleich zu deiner Gesundheit! Krieg das endlich in deinen Dickschädel. Die. Arbeit. Ist. Nicht. Das. Wichtigste.“ Jin betonte jedes einzelne Wort und schlug mit dabei seinem Zeigefingen gegen Kazuyas Stirn. Dieser schloss die Augen. „Du verstehst das nicht“, murmelte er schließlich. Er wusste nicht genau, was er von Jin gewollt hatte… aber das war es auf jeden Fall nicht. „Kazuya, du hast genau zwei Möglichkeiten“, sagte Jin, betont ruhig. Kame mochte das nicht. Er konnte Jin nicht einschätzen. Er drehte sich weg und wollte weiter Sachen einräumen. Er wollte das nicht hören… Jin stampfte hinter ihm her. „Entweder du gehst freiwillig zu einem Arzt oder ich schleif dich da hin.“ Kazuya drehte sich daraufhin doch wieder zu dem Älteren um. „Das wagst du nicht“, flüsterte er ungläubig. Jin hob eine Augenbraue. „Ach ja, was macht dich da so sicher?“ Kazuya blickte ihm in die Augen. „Das wirst du mir nicht antun…“ – „Dir antun?“ Jin zerzauste sich verzweifelt das Haar. „Ich tue dir nicht an. Ich versuche dir zu helfen… du…“ – „Indem du etwas von mir verlangst, das unmöglich ist?“ Kazuya ging einige Schritte von Jin weg. „Verschwinde von hier…“ Der Satz war kaum hörbar. Aber Jin war nicht taub. Und er hatte es halb geahnt. „Ich lasse dich jetzt nicht alleine“, sagte er, er klang müde, traurig. „Wer weiß was du machst wenn ich weg bin? Abhauen? Ganz…“ Er biss sich auf die Unterlippe, aber Kazuya wusste was er hatte sagen wollen. „Ganz durchdrehen? So siehst du das also?“ Jin schüttelte den Kopf. „Du weißt wie ich das meine… es… Kame. Es ist nicht normal. Das weißt du doch selber… und…“ Irgendwo hatte er seine Argumentation verloren. „Jin, geh.“ – „Ich denke gar nicht dran.“ Jin konnte stur wie ein Esel sein. „Geh oder ich schmeiß dich raus!“ Kazuya kreischte schon fast. Jin schüttelte bedauernd den Kopf. „Kame, du weißt, dass ich stärker bin als du, und ich werde nicht gehen. Und“, fügte er hinzu als Kazuya sich wortlos umdrehte, „ich lasse dich auch nicht gehen.“
 

Jin sah wie Kazuya erstarrte. Er wusste, dass Kame stinksauer auf ihn war. Vielleicht auch enttäuscht, verletzt. Aber er tat das Richtige. Er war sich sicher, dass er das Richtige tat, dass es keine andere Möglichkeit mehr für Kazuya gab. „Kame du musst verstehen, dass…“ Kazuya ging an ihm vorbei. Verschwand im Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Jin blickte diese schweigend an und setzte sich dann auf einen Stuhl, fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er blickte sich im Raum um und sein Blick blieb am Laptop heften. Okay, er hatte zwar den Plan gefasst Kazuya zu einem Arzt zu bringen, aber… um ehrlich zu sein wusste er nicht zu welchem Arzt er ihn bringen sollte. Also… zu einem Psychiater war schon mal klar nur… und… brauchte er nicht einen Termin?

Kurz entschlossen holte er sich den Laptop und fing an zu recherchieren.

Es wurde dunkel und dann ging irgendwann die Sonne wieder auf. Kazuya war kein einziges Mal aus seinem Zimmer gekommen, er hatte auch keinen Laut von sich gegeben, aber das hatte Jin insofern geholfen, dass er sich auf seine Suche hatte konzentrieren können. Letztendlich hatte er einige Adressen und Telefonnummern notiert und beschloss diese alle einmal durchzugehen. Er wollte erfahren, was man gegen diese Erscheinungen tun konnte, wann man einen Termin mit einem der Ärzte bekommen konnte, ob es eine Möglichkeit gab, dass Kazuya wieder… gesund werden würde… Und wer von all diesen Ärzten der beste war. Matt wählte er die erste der Nummern und hatte ein Blatt zur Hand um sich ja alles Wichtige zu notieren. Wozu es gar nicht erst kam. Kein einziger Therapeut ging ans verdammte Telefon. Jin stöhnte entnervt auf. Setzte sich wieder an den Laptop und hoffte irgendeinen Hinweis zu bekommen was er denn bitte machen sollte…

Irgendwann ging die Schlafzimmertür auf und Kazuya betrat den Raum, ignorierte Jin geflissentlich, nahm sich was zu essen und ging zurück ins Schlafzimmer. Schließlich stand Jin auf und bewegte sich in dieselbe Richtung. „Kame?“, fragte er und klopfte gegen die Tür. Keine Antwort. „Kazuya, bitte, ich will mit dir reden.“ Hätte man ihm vor einem Monat gesagt, dass er so mit Kame reden würde hätte er gelacht und der Person mitgeteilt, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Er seufzte. Wer hätte gedacht, dass er irgendwann mal dieses, für einen kitschigen Film typische, ‚ich rede mit der Tür weil die Person dahinter zu stur ist um mir zu antworten‘ tun würde? „Kame, ich weiß dass du sauer auf mich bist, für das was ich gerade mache. Aber das ist der beste, der einzige Weg um dir zu helfen. Jetzt schmeiß dir nicht selber Steine in den Weg, komm aus diesem Schneckenhaus raus und hilf mir dir zu helfen.“ Und man sollte ihm noch einmal nachsagen stur zu sein. Er würde diese Person an Kazuya weiterleiten. Um die wahre Bedeutung des Wortes „stur“ zu erfahren. Er lehnte seinen Kopf gegen die Tür. „Was soll ich deiner Meinung denn sonst tun? Was kann man deiner Meinung denn sonst tun? Schweigen? Du siehst doch bestimmt selber, dass das nichts geholfen hat… Im Gegenteil, du meintest, dass…“ Jin verstummte. Sammelte sich einen Augenblick. „Mache mir irgendeinen vernünftigen Vorschlag wie man dieses Problem lösen kann und ich werde dir dabei helfen. Wenn nicht werde ich eben alleine dafür sorgen, dass du das machst was dir gut tun wird.“ Endlich hörte er wie sich etwas hinter der Tür tat. Und hörte wie etwas an ihr zerbrach. Wahrscheinlich der Teller… „Verpiss dich.“ – „Kazu“, Jin hörte wie erschöpft und ausgelaugt er selber klang, „wir beide wissen, dass du es alleine nicht schaffen kannst.“

Letztendlich öffnete Kame die Tür doch. „Ich will nur ins Bad, Idiot“, fauchte er bevor Jin irgendetwas sagen konnte, aber beide wussten dass es eine Lüge war. Jin lächelte etwas als Kame im Wohnzimmer blieb und beleidigt auf dem Sofa Platz nahm. „Kame, schenkst du mir für eine Sekunde deine Aufmerksamkeit?“ – „Nein.“ Jin grinste. „Danke.“
 

Letztendlich hatte Jin Kazuya überredet zu einem Arzt zu gehen um eine Überweisung für eine Therapie zu bekommen. Leider konnte er nicht mit ihm zu diesem Arztbesuch gehen (um sich zu Überzeugen, dass Kame auch wirklich dahinging…) da AT-TUN ein Treffen hatte. Wieder mal. Manchmal hing ihm sein Job bis zum Hals heraus. Jin blätterte lustlos durch die Zettel, die ihnen Johnny-san gegeben hatte. Die Termine für diesen Monat. Es schien so, als wäre er zu dem Entschluss gekommen, dass sie ihre Arbeit wieder richtig aufnehmen mussten. Koki jedoch warf den Zettel nach einiger Zeit wütend von sich. „Jin?“ – „Hm?“ Akanishi blickte auf, sah Tanaka ins Gesicht. „Was ist Koki?“ – „Ich will wissen, ob du was wegen Kazuya gehört hast?“ Sofort hoben auch die anderen die Köpfe und starrten ihn an. „Ja, nein, doch…“, murmelte Jin verwirrt und Ueda musste kichern. „Was denn nun?“, fragte er immer noch amüsiert. „Seine Eltern haben bei mir angerufen“, fing Jin an. Sofort war Nakamaru hellhörig geworden. „Und? Dürfen sie ihn besuchen?“ Jin schüttelte den Kopf. „Sie durften es nicht. Kame ist mittlerweile aus dem Krankenhaus raus.“ Er zögerte, beschloss dann jedoch, dass er nicht mehr lügen konnte. „Ich bin ihm zufällig beim Einkaufen in die Arme gerannt.“ – „Und wie geht’s ihm?“, fragte Junno besorgt. „Hoffentlich gut, ich meine… als wir da waren… da sah er so… kraftlos aus…“ Jin grinste leicht säuerlich. „Naja, gut wurde ich nicht sagen… um ehrlich zu sein geht’s ihm beschissen. Aber nicht wegen dem Unfall“, fügte er hastig hinzu als er sah, dass die anderen empört den Mund öffneten und ihn anscheinend fragen wollten wieso er dann aus dem Krankenhaus entlassen worden war. „Sondern weswegen?“, fragte Yuichi dann auch gleich nach. Mist. Kame hatte recht. Er war ein Idiot. Er hätte es wissen sollen, dass sie ihn fragen würden. Er verzog das Gesicht. „Sorry Leute, aber er wollte nicht darüber reden.“ Das war nicht gelogen. „Du weißt es trotzdem“, sagte Koki scharfsinnig. Manchmal war es zum Verrücktwerden wie gut sie sich untereinander kannten. Jin blickte ihm in die Augen. „Ändert nichts an der Tatsache, dass er es euch nicht sagen würde, außerdem… ist das eine Sache die vor allen Dingen ihn betrifft.“ Naja, jetzt wars eh egal. „Ist im übrigen auch der Grund warum er aus der Band ausgetreten ist“, meinte Jin dann nüchtern. „Mit anderen Worten geht es uns also doch was an“, stellte Ueda kühl fest. Jin seufzte. Mist, mist, mist. „Lasst… lasst ihm etwas Zeit. Vielleicht wird er es auch dann sagen…“ – „Wird er wieder zurückkommen?“, fragte dann auch Junno nach. Jin starrte auf den Tisch als er ihnen antwortete.

„Ich weiß nicht ob er es kann…“ Die anderen runzelten die Stirn. „Was…“, begann Maru doch Jin unterbrach ihn mit einer Geste. „Mehr werde ich euch im Moment nicht sagen, okay?“, er klang leicht gereizt. Dann klingelte sein Handy. Kame.

Schnell stand er auf und verließ den Raum. Die anderen blickten ihm verdutzt hinterher.
 

„Kazuya?“, sagte er atemlos in das Telefon. „Ich… wollte dir nur sagen, dass ich die Überweisung bekommen habe.“ Jin hörte Kame an, dass er wieder einmal völlig fertig war. Wahrscheinlich hatte es ihn eine Unmenge an Energie gekostet irgendeinem Fremden so etwas mitzuteilen… „Wie geht es dir?“, wollte Jin wissen. „Und wann hast du einen Termin?“, fragte er noch schnell hinterher. „Es… geht… ich weiß nicht genau. Und der Termin ist in einer Woche… also… der Arzt sagte…“ Jin schloss die Augen und wartete ungeduldig darauf, dass Kazuya den Satz beendete. Wollte ihn jedoch nicht drängen. „Naja, die Behandlung wird zuerst stationär erfolgen“, sprudelte Kame dann los, er sprach so schnell, dass Jin Probleme hatte die einzelnen Worte zu verstehen. „Jin, ich weiß nicht was du den anderen alles erzählen willst… erzählen wirst… oder bereits erzählt hast. Aber behalte das um Gottes Willen für dich ja? Ich…“ – „Du willst nicht, dass sich jemand Sorgen macht?“, schlug Jin vor. „Nein. Das ist es nicht. Ach ich weiß auch nicht“, seufzte Kame in den Hörer. „Ich will nicht dass irgendwer davon weiß…“ Jin spielte mit der Kette herum, die er um den Hals trug. „Soll ich diese Woche bei dir bleiben?“ Kazuya antwortete ihm zunächst nicht, langsam aber sicher gewöhnte Jin sich an den wortkargen Kame. Er wusste nicht ob ihm dieser Umstand gefallen sollte. „Wenn du magst“, sagte er dann und legte auf. Jin kam sich wieder wie ein Idiot vor.
 

„Wer war das?“ War natürlich die erste Frage als Jin den Raum wieder betrat. „Was fragst du ihn noch?“, wollte Ueda dann von Koki wissen. „Schau dir sein Gesicht an und sag mir, dass es nicht Kame war.“ Koki blickte tatsächlich daraufhin Jin in die Augen, drehte sich zu Tatsuya um. „Kann ich nicht.“ – „Eben.“ Uedas Grinsen war unverschämter weise sehr frech. Jin ließ sich wieder auf seinen Stuhl plumpsen. „Was wollte Kazuya?“, fragte Maru nach. „Nichts.“
 

Kame starrte auf die Bescheinigung. Jetzt hatte er es anscheinend schwarz auf weiß. Einweisung in die Klapsmühle. Wütend zerknüllte er das Papier und schmiss es gegen die Wand, stand dann auf, holte es wieder legte es auf den Tisch und strich es wieder glatt. Man konnte dem Papier ansehen, dass es diese Prozedur bereits häufiger hinter sich hatte. Kazuya unterdrückte den Drang das Papier wieder in eine Kugel zu verwandeln, stattdessen stand er auf und ging ins Schlafzimmer, ließ sich auf sein Bett fallen. Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete war „Jin“ bei ihm. Kazuya lächelte ihm zu. „Auch wieder da?“, fragte er „Jin“. Der lächelte ihm zu. Legte sich neben ihn. „Ja, da bin ich wieder.“ Jin wusste nicht, dass Kazuya ihn von „Jin“ mittlerweile sehr gut unterscheiden konnte. Vor allem auch deswegen, weil es die einzige… eingebildete Gestalt war, die nicht mehr versuchte sich so zu verhalten, als wäre sie ein echter Mensch… Kazuya wusste nicht weswegen diese Veränderung eingetreten war, aber… eigentlich gefiel sie ihm. Mit „Jin“ konnte er wirklich über all seine Probleme reden. Okay, vielleicht auch deswegen weil „Jin“ Teil dieses Problems war und deswegen gar nicht die Möglichkeit hatte irgendetwas zu unternehmen, aber das sei mal dahingestellt. Kame wusste, dass er beim Einkaufen unglaublich leichtsinnig gewesen war. Er hatte es einfach verdrängt, dass außer ihm niemand den anderen sehen konnte… und er hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet Jin in dem Laden sein würde. Selbstgemachtes Leid?

„Bist du froh darüber?“, fragte „Jin“ nachdem sie eine Weile schweigen dagelegen hatten. „Worüber?“ – „Dass all diese Dinge wohl bald aufhören werden? Wenn alles glatt läuft“, setzte „Jin“ rasch hinzu. Kame stützte sich auf seine Ellbogen, blickte dem anderen ins Gesicht. „Das weißt du…“ – „Ich will es aber aus deinem Mund hören“, belehrten ihn die eigenen Gedanken. „Du musst es mir nicht sagen, damit ich es weiß. Du musst es sagen, um dich selber zu überzeugen. Denn wenn du nicht willst, dass alles… Unnormale verschwindet… Dann weiß ich nicht ob dir die Ärzte so gut helfen können.“ – „Du möchtest also gerne… verschwinden?“ „Jin“ seufzte daraufhin auf. Blickte Kame in die Augen. „Ich will, dass es dir gut geht.“ Kazuya biss sich auf die Unterlippe. Das wusste er. „Jin“ war der einzige… von all seinen Wahnvorstellungen, der wollte dass es ihm gut ging. Der ihn beschützte. Der ihn stützte. Der das tat, was sich Kazuya von dem echten Jin erhoffte. Aber… gerade das machte seine Entscheidung so schwer… so verdammt schwer… „Ich will nicht, dass du gehst…“, flüsterte er schließlich kaum hörbar. „Ich brauche dich.“ Seine Stimme klang verzweifelt. „Jin“ stützte sich auch auf seine Ellbogen, war jetzt auf Augenhöhe.

„Ich liebe dich…“

„Jin“ lächelte ihm zu. „Nein, das tust du nicht“, sagte er nachsichtig, strich Kazuya die Haare aus dem Gesicht, beugte sich vor und küsste ihn leicht auf die Lippen.

Kame hatte die Augen geschlossen, als er sie wieder öffnete war „Jin“ weg. Kazuya schluchzte auf, drückte sein Gesicht gegen die Kissen und hasste sich.
 

Als Jin die Wohnungstür zu Kames Apartment öffnete hatte er zunächst die Befürchtung gehabt, dass Kazuya nicht da war. Dass er abgehauen war. Nach einer hastigen Suche fand er ihn im Schlafzimmer vor, wo er anscheinend eingeschlafen war, er stellte fest, das Kame sogar noch seine Schuhe anhatte. Jin drehte sich um, ging ins Wohnzimmer und sah den… mitgenommenen Zettel auf dem Tisch. Hob ihn hoch und las ihn sich durch. Tatsächlich eine Überweisung in eine Psychiatrie… Jin blickte auf und sah Richtung Schlafzimmer. Eigentlich sollte er sich ja freuen… er sollte zufrieden sein. Kame würde Hilfe bekommen. Es würde ihm besser gehen. Er hatte ihn überzeugen können, zum Arzt zu gehen… Aber gleichzeitig hatte er auch Angst. Was würde dann geschehen? Wie lange würde diese Behandlung dauern? Würde… sie überhaupt anschlagen? Es wäre so viel einfacher… wenn er wüsste was von nun an passieren würde. Wenn es diese Ungewissheit nicht gäbe. Diese „wenns“ und „abers“. Am besten… wäre es eigentlich wenn es diese ganze Situation nicht geben würde. Da war es ja wieder… ein wenn. Jin hörte mit der Tagträumerei auf und stellte fest das Kazuya im Türrahmen stand. Jin zuckte vor Schreck zusammen und ließ den Zettel fallen. „Wie lange stehst du schon da?“ Kazuya grinste ihm zu. „Lange genug um dich schon drei Mal etwas gefragt zu haben“, erwiderte er und lehnte sich an den Rahmen. Okay… das war jetzt… peinlich. „Was… hast du gefragt?“, wollte Jin dann kleinlaut wissen. Kame grinste ihm nur noch unverschämter zu. Er genoss dieses Spielchen sichtlich. Betrachtete gelangweilt seine Fingernägel. „War anscheinend nicht besonders interessant…“ Trotz dieser Worte grinste er immer noch. Jin hätte aufschreien können. Diese Art an Kazuya brachte ihn in regelmäßigen Abständen zur Weißglut.

Aber was ihn noch mehr ankotzte waren die verdammten Stimmungsschwankungen die der Jüngere zu haben schien. Er konnte es ja verstehen… zu einem gewissen Grad, dass es Kazuya nicht gerade blendend ging… dass er nicht immer gute Laune haben konnte. Aber… Das ging seit drei Jahren so oder nicht? Und davor… bevor Jin von diesem ganzen Schlamassel erfahren hatte, hatte Kame diese Schwankungen nicht gehabt. Oder war er nur ein so guter Schauspieler? Oder schauspielerte er jetzt? Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er in Kame wie in einem offenen Buch lesen können. Diese Zeit war nun scheinbar vorbei. „Traurig?“, riss ihn nun Kazuyas Stimme wieder aus seinen Gedanken. Tja, augenscheinlich galt das nicht für den Jüngeren. „Wie kommt es, dass du immer weißt was in mir vorgeht?“, platzte Jin dann raus, überraschte Kazuya scheinbar. „Huh?“ Dann musste Kame lachen. Jin kam sich oberdämlich vor. War ja auch eine bescheuerte Frage gewesen. Irgendwo. Und irgendwo eben auch nicht. Er wartete (un)geduldig bis Kame sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte. „Wie kommst du darauf?“, fragte er immer noch lachend. „Ja, wüsste ich auch gerne…“, murrte Jin, spielte den beleidigten. Kame öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, doch Jin fuhr ihm in die Parade. „Ja, ja ich weiß ich soll nicht so tun als ob ich schmollen würde, du glaubst mir eh nicht.“ Jin wartete nicht mal auf eine Erwiderung Kames, das würde doch nur dazu führen, dass seine Frage nie beantwortet werden würde. „Wie ich drauf komme? Irgendwann mal hab ich das ja auch gekonnt, also… immer zu wissen was grad in dir abging. Aber ich glaube im Moment, dass ich ziemlich erbärmlich darin abschneide mich in dich hineinzuversetzen“, plapperte Jin drauflos, bevor er nachdenken konnte, sonst würde ihm das alles wohl viel zu peinlich sein, „Aber du… du kannst es immer noch. Du schaust mich an und weißt was los ist. Okay, manchmal, wenn ich mich mit meiner Blödheit selber überrasche, dann passiert es, dass du es auch bist. Oder wenn du an was ganz anderes denkst und nicht auf mich achtest. Aber im Normalfall weißt du… was ich denke. Okay, okay, ich gebs zu… wenn… also… es gibt natürlich immer noch sehr viele Momente wo ich es auch kann… aber im Ganzen und Allgemeinen…“ Jin verstummte und spürte wie er leicht rot anlief. Sein Hirn meldete sich wieder zu Wort. Und sagte ihm, dass das gerade eben… verdammt blöd geklungen hatte. Zu seiner Überraschung dachte Kame scheinbar tatsächlich über die Frage nach.

„Kann daran liegen, dass es bei mir mehr Zeiten gibt wo ich mich selber überrasche?“ Jin blickte Kame verdutzt an. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern. „So und jetzt zu meiner Frage.“ Kazuya grinste wieder ziemlich… fies. Jin schluckte. Was kam jetzt? Das Grinsen wurde zu einem Lächeln.

„Wie war dein Tag?“ Jin hatte nicht übel Lust dem Jüngeren eine zu braten. Andererseits, warum nicht? Er trat zu Kazuya und haute ihn einmal auf den Kopf.

„Ganz okay.“
 

Kame blickte in die Tasche die halb gefüllt war mit Anziehsachen… Er wusste nicht genau was er sonst noch einpacken sollte. Was brauchte man wenn man in die Geschlossene ging? Durfte man überhaupt etwas mitnehmen? Ihm schossen alle möglichen (und unmöglichen) Geschichten, Filme, Bücher durch den Kopf die etwas mit Psychiatrien zu tun hatten und wie die „Patienten“ dort behandelt wurden. Genau das brauchte er jetzt… Angst. Super. Er hätte weniger Horrorgeschichten kennen sollen. Kame holte noch einige Hemden und stopfte sie in die Tasche rein. Besser zu viel als zu wenig oder? Danach kontrollierte er ob seine Wohnung in Ordnung war, trödelte mit Absicht etwas… aber letztendlich musste er gehen. Das Taxi wartete. Er wünschte sich, dass Jin hier wäre um ihm in den Arsch zu treten, sich endlich in Bewegung zu setzen… ihm Mut zu machen. Aber Jin hatte wieder seinen vollen Terminplan… er konnte nicht hier sein. Und auch „Jin“ blieb verschwunden. Dafür hörte er wieder „sie“. Und gab Fersengeld.

Der Fahrer starrte ihn etwas merkwürdig an als Kame atemlos ins Auto stieg. „Zeit vergessen“, jappste Kame und hoffte, dass der Andere es dabei belassen würde. Und tatsächlich zuckte der Taxifahrer nur mit den Schultern, fragte noch einmal nach wo Kame hinwollte. Dieser nannte die Adresse und lehnte sich zurück. Hoffentlich wollte der Kerl sich nicht mit ihm unterhalten… aber nach nur wenigen Metern spulte der Taxifahrer den ganzen Smalltalk runter den er kannte. Kame schaltete auf Durchzug. Er wollte nicht den netten Typen mehr spielen, er wollte seine Ruhe. Müde schloss er die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die kühlende Autoscheibe. Nach einiger Zeit hörte der Mann auf zu reden, fuhr einfach nur. Gott sei Dank…

Bei der Psychiatrie stieg Kame aus, bezahlte das Taxi sah, ihm nach als es wegfuhr, holte tief Luft und drehte sich letztendlich zum Gebäude um. Okay, was auch immer er gelernt hatte zum Ruhigwerden, zum… schnell ging Kame durch die Tür, ansonsten würde er es sich wohl noch anders überlegen… Es sah… anders aus als er es erwartet hatte… aber eigentlich machte es Sinn, dass sich dieses Haus nicht allzu sehr von einem Krankenhaus unterschied. Wenn man mal darüber nachdachte… Das nächste große (emotionale) Hindernis. Wo genau sollte er hingehen? Unsicher näherte er sich der Information. Die Frau hinter der Theke blickte lächelnd zu ihm auf. „Ja? Wie kann ich Ihnen helfen?“ Kame sah, dass sie ihn kannte. Er wusste es sofort. Mist. „Ich… habe hier einen Termin…“, murmelte er und fischte nach der Überweisung, hielt sie ihr hin. Er sah wie sie ungläubig den Zettel ansah, dann wie sie den Namen, seinen Namen, fixierte und wieder aufblickte. Kame leckte sich einmal über die Lippe und biss dann drauf. Er fühlte sich verdammt unbehaglich. Letztendlich zeigte die Frau in eine Richtung, sagte, dass er bitte dort Platz nehmen sollte, der Arzt würde gleich kommen. Schnell ging er von ihr weg in besagten Raum, setzte sich und stützte den Kopf in seinen Händen. Das fing ja gut an. Eigentlich blieb nur die Frage wann die Journalisten davon Wind bekommen würden…

Nach der typischen Wartezeit ging die Tür zu dem Raum auf und ein Mann in Weiß kam rein. „Guten Tag“, sagte er mechanisch, Kame stand auf, verbeugte sich etwas. „Guten Tag“, murmelte er leise. Bereute es auf Jin gehört zu haben, was wusste der schon?

Auf jeden Fall weiß er genug um die richtige Entscheidung zu treffen.

„Wenn Sie mir bitte folgen würden?“, fragte der Arzt nach, drehte sich um. Kamenashi beeilte sich um nicht den Anschluss zu verlieren. „Sie heißen Kamenashi Kazuya?“, fragte der Mann mit einem Lächeln. Kame nickte. „Also gut Kamenashi-san, ich bin Asou Yuu.“ Kame nickte wieder nur. Der Fremde lächelte ihm aufmunternd zu. „Es ist normal, dass Sie am Anfang nervös sind.“ Zuerst wollte Kame wiedersprechen, besann sich dann aber. Hatte doch keinen Zweck es abzustreiten. Er war nervös. „So, da wären wir ja“, sagte Asou-sensei und öffnete eine Tür. „Sie haben das besondere Privileg eines Einzelzimmers, also, hier werden Sie erst mal bleiben, bis wir sehen, dass Sie nicht mehr stationär behandelt werden müssen.“ Wann auch immer das sein würde. Kame stellte seine Tasche ab, drehte sich wieder zu dem Mann um. „Ich werde Ihr behandelnder Arzt sein, wenn Sie also etwas wollen dann verlangen Sie einfach nach mir.“ Kame nickte. Zwang sich zu einem Lächeln und dazu dass seine Stimmbänder endlich wieder aktiv wurden. „Dankeschön.“ – „Gut, ich werde in etwa zwei Stunden wieder zu Ihnen kommen, solange können Sie es sich hier etwas bequem machen. Es wäre gut, wenn Sie trotzdem in Ihrem Zimmer bleiben würden im Moment… Später wird Sie jemand durch das Gebäude führen, Ihnen die Gemeinschaftsräume zeigen. Bis das passiert ist…“ Bedauerndes Lächeln. „Ich verstehe.“ War alles, was Kame dazu sagen konnte. „Dann bis nachher.“ Und die Tür fiel ins Schloss. Halb erwartete Kazuya, dass er hören würde wie sie abgeschlossen wurde. Es passierte nicht. Trotzdem fühlte er sich eingesperrt.
 

Kame lag auf seinem Bett als es an der Tür klopfte, ohne, dass er darauf wartete hereingebeten zu werden betrat Asou den Raum. Kame setzte sich auf, stand schnell auf. Der Mann lächelte ihm wieder zu. Wahrscheinlich war das sein Job. Kame biss sich auf die Lippen. Er traute dem Mann nicht, er konnte Schauspielerei erkennen. Und dieser Arzt schauspielerte nur. Seit er hier war hatte er wohl noch nichts getan oder gesagt was nicht zu seinem Repertoire für Geisteskranke gehörte. Verständnisvoll sein. Nett sein. So tun als wäre alles normal und in Ordnung.

Aber das ist es nicht…

„Entschuldigen Sie bitte diese Wartezeit, ich denke wir können uns für ein erstes Gespräch zusammensetzen, meinen Sie nicht auch?“ Kame hatte das Gefühl als hätte er irgendwann heute seine Zunge verschluckt. Wieder nickte er nur. „Dann folgen Sie mir bitte.“ Asou verließ den Raum erneut und setzte sich in Bewegung, vertraute darauf, dass Kame schnell genug hinterher kommen würde. „Ich führe Sie jetzt erst mal zu meinem Behandlungsraum.“ Wieder ein Lächeln, als wolle er sich für seine Wortwahl entschuldigen, als wäre es eine schlechte Bezeichnung. Kame blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Dann können wir uns zunächst mal etwas näher kennenlernen.“ Als ob er sich nichts Sehnlicheres vorstellen. Einen Moment war Kazuya genötigt ihn zu fragen ob er nicht bei Johnnys Entertainment anfangen wolle, verkniff sich den Kommentar aber. Nach wenigen Minuten standen sie vor einer Tür durch die Asou hindurchging, Kame im Schlepptau. „Setzen Sie sich doch“, forderte Asou ihn auf und Kame war fast erleichtert als er sowas wie Langeweile in der Stimme hörte. Folgte der Aufforderung. Auch Asou holte sich einen Stuhl, saß Kame gegenüber. „Na dann erzählen sie mal“, forderte er Kame auf. Dieser biss sich wieder auf die Unterlippe. „Und was wollen Sie überhaupt hören?“ – „Weshalb Sie hier sind“, sagte der Arzt galant. „Steht auf der Überweisung“, murrte Kame. Er würde es nicht sagen. Zweimal innerhalb kürzester Zeit war schon nah an der Grenze, ein drittes Mal würde er es nicht über sich bringen. Mal abgesehen davon sollte der Mann es doch bereits wissen, oder? „Nun, natürlich steht hier, dass Sie sowohl an akustischen und optischen als auch taktilen Halluzinationen leiden“, sagte der Arzt, ratterte runter was auf dem Zettel stand. Kame schluckte. Das so zu hören war… hart. „Und was wollen Sie dann von mir wissen?“ Der Arzt blickte amüsiert auf. „Ich möchte, dass Sie mir mehr darüber erzählen.“ Kame schwieg. Eine ganze Weile. Asou brach schließlich das Schweigen. „Hilft es Ihnen vielleicht wenn wir uns duzen?“ Kame blickte erstaunt auf. „Ich denke nicht… dass das einen Unterschied macht“, meinte er vorsichtig. „Ich bevorzuge jedoch Sie weiterhin zu siezen, danke.“ – „Nun, manchmal hilft es“, sagte der Arzt lehnte sich zurück. „Aber anscheinend sind Sie momentan noch nicht so weit mir… Details über ihre Krankheit zu erzählen.“ Was erwartete er denn? Dass… dass es einfach war… sowas… zuzugeben? Kame kaute etwas auf der Lippe rum, merkte dass Asou ihn anstarrte und ließ es sofort wieder. Asou grinste. „Stressbedingte Angewohnheit?“ Kame zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, glaube nicht“, murmelte er. Asou blätterte durch die Unterlagen die vor ihm lagen. „Hier steht dass Sie Sänger sind?“ Kame nickte. „Ja.“ – „Und wie ist der Job so?“ Asou blickte auf, sah Kames skeptischen Blick. „Nun, über irgendetwas muss man doch reden, oder?“ Kame zuckte wieder mit den Schultern. „Was genau wollen Sie eigentlich… machen?“, fragte er schließlich, ignorierte die Frage des Arztes nach seiner Arbeit. Ging ihn einen Scheißdreck an. „Was ich machen will?“ Kame nickte. „Wegen… beziehungsweise mit Ihnen? Wir ich mir die Therapie vorstelle?“ – „Deswegen bin ich doch hier oder nicht?“ Der Arzt nickte schließlich langsam. „Ja, deswegen sind Sie hier.“ Er schwieg etwas, blickte noch einmal in seine Unterlagen. „Ich will ehrlich sein, es ist schwierig Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt einen genauen Plan vorzulegen. Ich weiß noch zu wenig über Ihre Krankheit, beziehungsweise über den Schweregrad.“ Er blickte nun Kame fest in die Augen, die Freundlichkeit war weg. Die Schauspielerei war weg. Kame holte erleichtert Luft. „Das heißt im Klartext?“ – „Das heißt, dass ich mehr von Ihnen erfahren muss, über das was passiert ist, was Sie genau belastet um zu wissen wie ich die Behandlung ansetzten muss. Ich muss wissen wie häufig Sie halluzinieren, wie stark diese Halluzinationen sind. Ich muss herausfinden wie und wann es angefangen hat, das könnte einen Hinweis auf den Grund für das Problem geben. Um das zu erreichen müssen Sie anfangen mir zu vertrauen, mir mehr von sich erzählen. Vielleicht hilft es Ihnen zu wissen, dass es einigen Patienten hilft über das Erlebte zu sprechen, manchmal mindert allein das Hinzuziehen einer unbeteiligten Person den Schweregrad der Erkrankung. Können Sie mir soweit folgen?“ Kame nickte stumm. „Wenn das alles geklärt ist können wir anfangen Ihnen lindernde Medikamente zu verschreiben, die die Symptome bekämpfen, zunächst werden wir dies noch stationär machen, wenn man aber absehen kann, dass die Symptome ausbleiben, dann können wir Sie entlassen. Sie werden danach möglicherweise noch jahrelang bestimmte Medikamente nehmen müssen um einen Rückfall zu verhindern, allerdings ist das schon eine ziemlich vorausschreitende Prognose. Ich kann Ihnen noch nichts versprechen.“ Kame legte den Kopf schief. „Wieso warten Sie so lange mit den Medikamenten?“ Der Arzt lächelte ein Mal. „Die Medikamente die wir einsetzen haben eine hohe Spezifität und ihre Dosierung beeinflusst den Wirkungsgrad dramatisch. Zu viel oder zu wenig des Medikaments kann einen schlechten Einfluss auf die Behandlung haben. Aber um zu wissen, wie hoch die Dosierung tatsächlich angesetzt werden muss, müssen wir vorher wissen wie stark die Symptome sind.“ Kame nickte wieder. Machte Sinn. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Der Arzt wartete eine Weile. „Ich kann verstehen, dass Sie sich nicht sehr wohl fühlen mir viel von sich zu verraten“, sagte er schließlich, „Sie sind in einer vollkommen ungewohnten Situation, da geht es Ihnen nicht viel anders als vielen anderen Patienten die ich schon hatte. Hemmungen und Scham sind vollkommen natürliche Reaktionen. Sie würden sich wundern, wie viele Menschen ähnliche Probleme wie Sie haben. Aber…“, der Arzt lächelte Kame aufmunternd zu. „Wir wollen es erst mal langsam angehen, meinen Sie nicht? Also, erzählen Sie mir irgendetwas, wo Sie keine Probleme haben darüber zu reden.“ Kame blickte ihn unsicher an und begann dann vorsichtig ein Gespräch. Möglicherweise konnte der Typ ihm doch helfen.
 

Kame betrat wieder „sein“ Zimmer nach diesem Gespräch. Er fühlte sich ausgelaugt, auch wenn er noch… gar nicht über sein echtes Problem geredet hatte. Obwohl noch absolut rein gar nichts getan worden war. Er ließ sich rücklings auf sein Bett fallen und blickte auf die Armbanduhr an seinem Gelenk. Er hatte noch gute vier Stunden Zeit ehe ihn jemand herumführte. Eigentlich ideal um sich mal so richtig auszuschlafen (er hatte das Gefühl, dass wirklich jeder der nicht bei Johnny Entertainment war vier Stunden Schlaf nicht als „richtig ausschlafen“ bezeichnen würde aber… was sollte er machen?). Gerade als er die Augen schloss spürte er, dass „sie“ wieder im Raum waren. Er wusste einfach, dass „sie“ da waren. Erschrocken setzte er sich auf und riss die Augen weit auf. Und wirklich, wieder einmal waren diese „Menschen“ da, die ihr Hobby daran hatten ihn zu verletzten… zu quälen… Kame rutschte bis zur Wand und krallte sich an sein Kissen, er wusste, dass diese Reaktion kindisch war, dass diese… Dinger ihm eigentlich nichts anhaben konnten. Eigentlich.

Irgendetwas streifte seine Schulter und er zuckte zusammen, hörte wieder das hämische Lachen. Er schloss die Augen und vergrub sein Gesicht im Kissen. Kindisch, kindisch, kindisch. Als würde das Monster unter dem Bett einen nicht fressen nur weil man es nicht ansah. Weglaufen wäre intelligenter. Er wusste, dass „sie“ näher kamen. Er wusste was „sie“ wollten.

Sie triezten ihn, berührten ihn leicht, gerade so, dass er wusste, dass „sie“ noch da waren. Er hörte „sie“ kichern, lachen, flüstern, wispern.

Er hörte wie die Tür aufging und er hörte jemanden seinen Namen sagen. Einbildung? Realität? Kame wusste es nicht. Er blieb still, versuchte sich noch mehr einzukugeln. „Sie“ gingen etwas weiter weg. Er hörte Schritte, jemand packte ihn zuerst sanft an der Schulter und schüttelte ihn dann. Er reagierte nicht. Dann kamen „sie“ wieder auf ihn zu, schlugen ihn, zerrten an ihm.

Kame schrie.

Das Schütteln wurde fester, er versuchte sich aus dem griff zu befreien, jemand rief etwas über das Toben, doch Kame konnte nicht ausmachen ob dieser Ruf ihm galt oder wem anders. Hastige Schritte und dann ein leichter Schmerz im Arm.

Das nächste was er mitbekam war, dass es stiller wurde und er schließlich einschlief.
 

Jin saß relativ lustlos in einer Bar. Umgeben von Schauspielern und Schauspielerinnen. Zur Feier des Tages. Was genau gefeiert wurde war ihm schleierhaft (es war ihm zu Beginn gesagt worden, aber er hatte es nach gefühlten fünf Minuten wieder vergessen…). Er nahm einen Schluck aus seinem Alkohol-Mix-Getränk und fragte sich wie lange er noch bleiben musste damit es nicht unhöflich aussah wenn er sich verdünnisierte. Es waren erst zwei Stunden rum seit er hier saß und… trank. Und nichts anderes tat. Plötzlich setzte sich jemand neben ihn. Weiblich. Gutaussehen. Anziehend lächelnd. „Akanishi-san?“ Jin nickte ihr einmal zu. Sie lächelte etwas mehr. Legte ihre Hand auf seine. „Wollen wir tanzen?“, fragte sie und stand schon halb auf, zog Jin mit sich. Dieser folgte ihr stumpf. Hatte er an sich nichts gegen. So verflog die Zeit schneller und… schlecht sah sie ja nicht aus. Vielleicht konnte sie ihn ja von seinen anderen Problemen etwas ablenken? Auf der Tanzfläche angekommen legte die Frau ihre Hände auf Jins Schultern, automatisch wanderten seine zu ihren Hüften und sie fingen an langsam zu tanzen. Der Rhythmus war momentan auch nicht allzu schnell, Jin war dankbar. Das plötzliche Aufstehen und der Alkohol zusammen hatten doch dafür gesorgt dass die Welt sich momentan etwas… drehte…

„Mir wurde immer gesagt, dass Sie Spaß am feiern haben?“, begann die Unbekannte eine Unterhaltung. Jin runzelte die Stirn. „Ja, schon, wer nicht?“ Melodisches Lachen. „Es schien aber so als würde es momentan nicht so… lustig sein?“ Akanishi entschloss sich zu schweigen, die Frau zuckte mit den Schultern. „Maiko“, sagte sie schließlich. „Huh?“ – „So heiße ich. Maiko.“ Sie lächelte ihm zu, das Lied war zu Ende. Sie ließ seine Schultern los. Er hielt sie noch einen Moment fest, war zu beschwipst um zu realisieren, dass das Lied vorbei war. Sie kicherte kurz. Das nächste Lied setzte an und sie platzierte ihre Hände wieder auf Jin. Dieser schlug sich mental gegen die Stirn. Sie hatte nicht mehr tanzen gewollt. Und er hatte es nicht mitbekommen. Wie dämlich sah das denn aus? Aber die Frau, Maiko?, grinste nur kokett. „Wie kommt es, dass jemand wie du noch Single ist?“, fragte sie aus dem Blauen heraus. Jin zuckte zusammen. „Wer sagt, dass wir schon beim Du sind?“, ignorierte er die Frage gekonnt. Wieder nur ein Lachen. „Ich sage das.“ Okay, Selbstbewusst war sie, sie sah gut aus, sie war direkt. Alles Eigenschaften die Jin zusagten. „Wer sagt, dass ich Single bin?“, fragte er mit einem Grinsen. Sie zuckte mit den Schultern. „Du meinst ernsthaft, dass die Presse nicht Wind davon bekommen würde wenn du eine Freundin hättest?“ Jin beugte sich etwas zu ihr runter. „Können wir ja ausprobieren“, murmelte er leise und legte seine Lippen auf ihre. Er war sehr froh, als sie seinen Kuss erwiderte.

Maiko zog Jin etwas näher zu sich und löste sich dann von ihm. „Du hattest also doch nicht gelogen“, meinte sie munter. „Kein Single.“ Jin grinste frech. „Und gleich ist der Abend viel schöner“, antwortete er ihr, schmiegte sich näher an sie, hielt seinen Kopf so, dass er genau in ihr Ohr sprechen konnte. „Trotzdem würde ich gerne mehr über dich erfahren ehe das hier… ernster wird.“ – „Wir können ja zu dir gehen“, schlug sie vor, lud sich selber ein. Jin nickte. Nahm ihre Hand in seine und führte sie aus dem Club, hatte schon das Handy in der Hand um ein Taxi zu rufen. „Wen rufst du an?“ Sie hatte ihn also beobachtet. „Ein Taxiunternehmen, oder sehe ich so aus als könnte ich noch fahren?“ Maiko schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich habe noch nichts getrunken.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, die sich nicht in seiner befand. Jin verstaute das Handy wieder in der Jeanstasche und kramte nach seinem Schlüssel, führte sie zu seinem Wagen und setzte sich dann auf den Beifahrersitz. Maiko saß neben ihn und wartete darauf, dass er ihr den Weg erklärte, was Jin auch mit dem größten Vergnügen tat. Seit langem wieder einmal hatte er Spaß.
 

Als Kame aufwachte fühlte er sich matt und ausgelaugt, so als würde er nicht gerade erst aufwachen sondern als müsste er gleich ins Bett gehen. Er streckte sich und versuchte sich an die gestrigen Ereignisse zu erinnern. Er zuckte zusammen als die Tür aufging und Der Arzt reinkam. „Ah, Kamenashi-san, wie ich sehe sind Sie aufgewacht“, begrüßte er ihn höflich, freundlich. Aber Kame hörte einen besorgten Unterton heraus. „Wissen Sie noch was nach unserer Unterhaltung passiert ist?“, fragte Asou-sensei ihn dann direkt. Kame biss sich auf die Unterlippe. Nickte, schüttelte dann aber genauso schnell wieder den Kopf. Asou lächelte gequält. „Die Sache ist die…“ begann er, stockte kurz und holte Luft. „Wir mussten Sie mit einem Medikament beruhigen. Sie waren nicht ansprechbar. Es schien als… hätten Sie vor etwas angst.“ Kame nickte. Daran… erinnerte er sich. Er wusste nur nicht… ob der Arzt da gewesen war… Möglich wäre es aber…

„Nun, etwas Gutes hat es ja“, sagte Asou dann ohne weitere Vorwarnung und klatsche in die Hände. Kame guckte den Mann an. „Aha?“ Intelligent wie immer. Der Arzt lächelte ihm zu. „Aber ja, ich habe jetzt… wenigstens etwas mehr Ahnung wie… ernst Ihr Problem ist. Am Anfang ging ich… von leichten Symptomen aus, aber das darf man jetzt wohl getrost zur Seite schieben.“ Kame schluckte die Scham runter. Jetzt wars eh zu spät. Und… wie sollte ihm geholfen werden wenn er nicht darüber sprach? Also… wenn nicht jetzt wann dann? Und er erklärte Asou was genau ihn… belästigte. Es gab nur einige Sachen die er ausließ. Was Zeitgleich fiel mit dem ersten Auftauchen von diesen Halluzinationen… „Jin“…

Asou hörte ihm zu. Es war schwer über all das zu reden. Kame stockte häufig, brauchte häufig Zeit um sich wieder zu sammeln, aber der andere Mann drängte ihn kein einziges Mal. Das half Kazuya dann doch mehr als er erwartet hatte. Keine dummen Nachfragen, kein Druck… Der Andere nickte am Ende der Erzählung und atmete einmal laut aus. Saß trotzdem erst mal nur still im Raum und dachte scheinbar nach. Kame schloss nun völlig ausgelaugt die Augen. „Gut“, sagte Asou-sensei nach einiger Zeit. „Ich werde… ich denke wir müssen und noch etwas unterhalten, aber nicht jetzt. Ich bringe Sie erst mal in die Kantine und führe Sie, endlich, hier herum. Danach können Sie sich ein wenig ausruhen und dann… sehen wir weiter. Ich werde dann morgen wieder zu Ihnen kommen.“ Asou erhob sich, wartete bis Kame es ihm gleich tat. Als Kazuya stand ging Asou aus dem Zimmer, Kame war dankbar, dass er nicht mit ihm versuchte zu tratschen, er war viel zu müde. Kazuya merkte sich die wichtigsten Räume die ihm gezeigt wurden und begab sich dann in die Kantine. Er musste unbedingt etwas essen… Er betrachtete das Gemisch auf seinem Tablett und überlegte was davon jetzt der Salat und was der Fisch sein sollte. Nach einem inneren Kampf überwand er sich… das… Zeug… in seinen Mund zu löffeln. Dann sorgte er dafür, dass er es nicht wieder ausspuckte. Eklig. Aber er brauchte etwas in seinem Magen, also würgte er alles hinunter, begab sich wieder in sein Zimmer und plumpste auf sein Bett. Bevor er einschlief merkte er noch wie „Jin“ ihm beruhigend über das Haar strich und etwas murmelte. Dann döste er wieder ein.
 

Jin indessen hatte einen Arm um Maiko gelegt und schwieg glücklich. Die Frau war… interessant. Auf eine angenehme Art und Weise. Doch, er konnte sich gut vorstellen eine Beziehung mit ihr anzufangen. Sie schien seine Art und Weise zu akzeptieren. Sein clubben, seine Arbeit, die Tatsache dass er kaum Zeit hatte, dass die Arbeit vor einer Freundin stand, dass seine Freunde auch noch viel Zeit fressen würden. Einen Moment hatte er ein schlechtes Gewissen. Er hatte Kame anrufen wollen aber… über die Ereignisse des Tages hatte er das einfach… vergessen.

Vorsichtig um Maiko nicht zu wecken stand er auf und ging aus dem Raum, wählte Kames Nummer und hielt sich das Telefon ans Ohr. Okay, das schlechte Gewissen hätte er sich sparen können. Mailbox. Er hinterließ Kazuya eine Nachricht, wie es ihm ging… ob er… schon wusste wann er entlassen wurde… dass er sich melden sollte. Einen Augenblick dachte er darüber nach Kame auch von Maiko zu erzählen, aber diesen Gedanken schob er schnell von sich. Nein, dazu bliebe später noch genügend Zeit. Falls das überhaupt eine Zukunft haben sollte. Und er wollte Kame jetzt nicht mit irgendetwas belästigen was ihn ablenken könnte. Er beendete seinen Anruf und ging zurück ins Wohnzimmer, stellte fest dass Maiko doch aufgewacht war. Sie lächelte ihm wage zu. „Darf ich dien Bad benutzen?“ – „Fühl dich wie zu Hause“, bot Jin an. „Ich muss gleich los zur Arbeit“, rief er ihr hinterher. „Ich werde mich beeilen.“ Er hörte die Dusche und beschloss sich schnell umzuziehen. Und tatsächlich, nach nur kurzer Zeit war das Bad wieder frei.

„Soll ich dich irgendwo absetzen?“, fragte Jin als er seine Haustür abschloss. Er spürte wie Maiko ihn sanft auf die Wange küsste. „Nein, ich nehme den Bus.“ Sagte es und ging. Jin blickte ihr kurz hinterher. Doch, er hatte Glück gehabt gestern. So etwas geschah nicht jeden Tag. Fröhlich ging er zu seinem Wagen und fuhr zu dem Studio wo sich AT-TUN heute treffen sollte.
 

Im Aufenthaltsraum lief der Fernseher relativ laut. Kazuya betrachtete die Personen, die sich mit ihm hier befanden. Irgendwie hatte er immer noch eine Abneigung gegen diese… Irren. Auch wenn er einer von ihnen war. Man konnte nie wissen. Er seufzte und angelte sich eine der Zeitschriften von den Tischen, blätterte sie lustlos durch. Nichts Interessantes. Aus den Augenwinkeln merkte er wie sich eine Person ihm näherte. Er blickte den Neuankömmling an und bemerkte mit einer Mischung aus… Neugier und Abneigung dass der Mann sabberte. Lecker. Kame ging einen Schritt zurück und erst dann schien der Andere ihn zu bemerken. „Mama?“, fragte er. Kame schüttelte stumm den Kopf, klammerte sich an seine Zeitschrift. Der (übrigens viel ältere) Mann schien traurig zu sein. Kame wollte sich selber in den Hintern treten als er aus Mitleid wieder näher zu ihm ging. „Dir gehen gut?“, wurde er dann auch prompt gefragt. Kame nickte, immer noch unsicher wie er sich verhalten sollte. „Das gut“, meinte der Mann und grinste (leicht) dümmlich. Schließlich sagte Kame doch etwas. „Und… wie heißt du?“ Der Mann sah ihn erst verständnislos an, lachte dann aber froh. „Koki.“ Kame musste sich sehr zusammenreisen um nicht zu lachen als er das hörte, da ihm spontan jemand anderes dieses Namens einfiel. Er würde Tanaka nie wieder mit denselben Augen sehen… Trotzdem konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Du magst Namen?“ Kame nickte lebhaft. „Ja, toller Name.“ – „Und du?“ Der Mann schien auf einmal viel fröhlicher zu sein. Irgendwie… war das ein gutes Gefühl. Kame lächelte ihm zu. „Kame. Ich heiße Kame.“ Koki klatschte vor Begeisterung. Vielleicht… waren diese „Irren“ doch nicht so schlimm wie Kame zuerst befürchtet hatte. Okay, etwas makaber war diese Situation doch aber… der Mann schien nett zu sein. „Ich haben Hunger.“ – „Dann lass uns etwas essen gehen.“
 

Nach dem Essen fand sich Kame wieder in dem Sprechraum von Asou-sensei wieder. Die Unterhaltung war bereits vorbei, Kame hatte auch erwähnt, dass er zwischenzeitlich immer wieder… Dinge gesehen hatten, die eigentlich nicht hätten da sein können. Der Arzt seufzte. „Sie erinnern sich daran, dass ich sagte, dass es einige Zeit dauern könnte bis Sie Medikamente bekommen?“ Kazuya nickte unsicher. „Ich nehme es zurück.“ Kame starrte den Mann an. „Die Symptome die Sie haben sind… ungewöhnlich stark ausgeprägt. Ich denke wir müssen sofort versuchen sie einzudämmen. Das Problem ist, dass ich immer noch unsicher bin in welchem Ausmaß ich Ihnen die Medikamente verschreiben muss. Wir werden Sie also unter ständiger Beobachtung halten müssen… Außerdem gibt es einige Nebenwirkungen die eher nicht erwünscht sind…“, murmelte der Arzt vor sich her. „Ich werde gleich einen Plan erstellen wie wir in Ihrem Fall vorgehen sollten… Sobald das getan ist werde ich Sie davon in Kenntnis setzten. In der Zwischenzeit sollten wir immer noch einmal am Tag miteinander reden, damit ich diesen ersten Plan besser… skizzieren kann. Ihn etwas besser auf Ihre Bedürfnisse einstellen kann. Das wird alles in allem vielleicht drei Tage dauern.“ Kame nickte. Es geschah tatsächlich etwas.

Er stand auf und begab sich in das kleine Zimmer, holte sein Handy heraus und machte es an, sah einen entgangenen Anruf. Jin…

Kazuya zögerte kurz rief dann aber die Mailbox ab, lächelte als er Jins Stimme hörte. Die Sorge in ihr machte ihn traurig… aber es schien als sei Jin alles in allem in guter Stimmung gewesen als er ihn angerufen hatte. Das freute den Jüngeren. Er blickte auf seine Uhr. Jin müsste eigentlich von der Arbeit zurückkommen gerade. Sollte er ihn anrufen? Es war schon spät aber andererseits… wann sonst? Also tippe Kame die Nummer ein und wartete darauf, dass der Ältere dranging.
 

Als Jin sein Handy klingeln hörte löste er sich sanft aus dem Kuss mit Maiko und langte nach dem Mobiltelefon. Der Name der auf dem Display stand ließ sein Herz einen Tick schneller schlagen. „Kame?“, fragte er atemlos. Er blickte kurz seine Freundin an die schulterzuckend aufstand und den Raum verließ. „Hast du wen anders erwartet?“ – „Nein“, meinte Jin lachend. „Sag an, wie geht es dir?“ Jin bildete sich einen Augenblick ein, dass er Kames Schulterzucken hören konnte. Was total unsinnig war, trotzdem wusste er, dass der Jüngere genau das getan hatte. „Es… geht.“ Jin wartete auf mehr. „Es ist… anders als ich es mir vorgestellt hatte. Ach Jin, ich weiß nicht“, fing der Jüngere dann das Jammern an und Jin merkte, dass Kazuya viel loswerden wollte aber… „Kazuya“, unterbrach er seinen Freund leise. „Hm?“ – „Also, versteh mich nicht falsch aber kann ich dich in zwei Stunden zurückrufen, dann können wir länger reden grad ist… es ist grad etwas schlecht…“ Stille am anderen Ende der Leitung. „Klar, was ist denn so dringendes los?“ Jin biss sich auf die Unterlippe. „Nur… etwas was ich für die Band erledigen muss, hab grad nen guten Lauf und du weißt wie das mit den Liedtexten ist.“ Er fühlte sich so mies. Erbärmlich. Warum sagte er Kame nicht einfach was… er grade tat? Er hörte den Jüngeren lachen. „Bleib mir weg mit denen. Aber ja, wenn man mal eine Idee hat dann besser sofort aufschreiben sonst ist sie weg. Bis später Jin.“ – „Bis gleich…“ Jin legte auf und in dem Moment öffnete sich wieder die Tür und Maiko betrat mit zwei Bierflaschen in der Hand das Zimmer. Jin grinste ihr zu und drängte jeden Gedanken an Kazuya zur Seite. Jetzt wollte er sich keine Sorgen machen. Er streckte beide Arme nach der Frau aus. „Komm her, ich will dich festhalten.“ Sie lachte stellte dich Flaschen ab und ließ sich von Jin in eine Umarmung hineinziehen. Sie roch gut… aber ungewohnt. Es war selten, dass Jin so lange dasselbe Frauenparfüm in der Nase hatte. Er seufzte leise, ließ sie los und langte zu einer der Flaschen. „Prost.“ Maiko hob die andere Flasche hoch und nahm einen Schluck. „ich werde nie verstehen warum Männer dieses Zeug lieben“, murmelte sie dann und stellte die Flasche wieder ab, stand auf und kam mit einem Wein und einem Glass wieder. Jin runzelte die Stirn. „Und das da soll besser sein?“, fragte er ungläubig. „Ja.“ Das nächste was sie mitbekam war, dass Jin sich wieder über sie beugte und mit der Zunge über ihre Lippen strich.
 

Kame starrte sein Handy halb belustigt, halb enttäuscht an. Er wusste nicht genau warum aber er hätte losheulen können. „Bringt nichts wenn du das Handy gegen die Wand schmeißt.“ Kame setzte sich auf und sah „Jin“ neben ihm auf seinem Bett hocken. „Das Einzige was daraus resultieren kann ist, dass er dich später nicht wird anrufen können“, merkte er noch an. Kame sah traurig diesen „Jin“ an sagte aber nichts. „Jin“ setzte sich so hin, dass er hinter Kame saß und den Jüngeren umarmen konnte. Kame lehnte seinen Rücken bei „Jin“ an, blieb aber weiterhin stumm. „Magst du nicht reden?“ Kazuya schüttelte den Kopf. Schloss die Augen und ließ sich von „Jin“ beruhigen. Schließlich rutschte er von „Jin“ weg und drehte sich um, sah den anderen ins Gesicht. „Meinst du, dass ich das schaffen kann?“, fragte Kame ihn. Sich. Ach egal. „Jin“ zuckte mit den Schultern. „Das weißt du am besten. Und wenn du es willst… dann ja.“ Kame starrte die Bettdecke an. „Wenn ich es schaffe… dann… bist du auch… weg…“ Er hasste diesen Gedanken. An wen sollte er sich dann klammern wenn ihm sogar diese Stütze genommen wurde? An Jin? Er hatte sich zu sehr geändert… die Arbeit hatte sie immer mehr auseinandergerissen. Egal wie sehr Kame schauspielerte, dass ihm diese Trennung nichts ausmachte… Innerlich zerstörte sie ihn. Wie man mittlerweile auch allzu gut sehen konnte. Die Anderen? Mit ihnen hatte er niemals so ein Band gehabt wie zu dem anderen Teil von „Akakame“. Kame seufzte auf. „Jin“ war still geblieben und als der Jüngere aufblickte merkte er, dass der Andere schon längst weg war. Tja.

Fluchtartig verließ Kame den Raum wieder als er merkte, dass die „Anderen“ kamen. Im Flur rannte er Koki beinah um den Haufen, der ihn allen Ernstes fragte ob Kame nicht mit ihm und seinen Puppen spielen wollte. Kazuya blickte den Älteren zuerst nur erstaunt an und realisierte dann, dass dieser Mensch… ein „Kind“ war. Kazuya lächelte ihm zu. „Klar, warum nicht?“ Das Lachen Kokis sorgte dafür, dass Kames eigene dunkle Gedanken vertrieben wurden. Er liebte Kinder. Und… Koki war eins. Häufig genug hatte er seine Nichte Babysitten dürfen um sich in dieser Situation jetzt nicht ganz so dämlich vorzukommen. Wobei es schon einen Unterschied gab ob man mit einem kleinen Mädchen oder einem erwachsenen Mann Puppen spielte… Aber die gute Laune des Anderen machte diese Zweifel wett. Kame hatte die Befürchtung, dass nicht so viele Menschen Zeit darin investierten mit den geistig zurückgeblieben zu spielen. Also konnte er es tun. Wenigstens ein bisschen. Bis zum Anruf Jins…
 

In seinem Auto starrte Jin das kleine Handy an was tatsächlich gewagt hatte den Geist aufzugeben. Akku alle. Mist. Der Weg nach Hause dauerte bestimmt bei diesem Verkehr vierzig Minuten und… das wären vierzig Minuten mehr die er nicht mit Kazuya sprach… was dann im Endeffekt heißen würde, dass aus seinen versprochenen zwei Stunden drei werden würden. Aber weder fluchen noch jammern halfen jetzt, er schmiss sein Handy auf den Beifahrersitzt und machte sich auf den Weg. Im Rückspiegel fielen ihm die Male auf, welche Maiko auf seiner Haut hinterlassen hatte. Da würde er sich auch was einfallen lassen müssen. Rollkragenpulli, Schal, irgendwas. Mist. Aber gut war es gewesen. Er lächelte beim Gedanken daran. War schon etwas länger her, seit er das letzte Mal mit jemanden geschlafen hatte. Da nahm er auch gerne in Kauf, dass Kazuya leider würde warten müssen.

Trotzdem trommelte Jin ungeduldig mit seinen Fingern auf dem Lenkrad rum als er darauf wartete, dass die bescheuerte Ampel endlich auf grün umsprang. Aus den eingeplanten vierzig Minuten waren aufgrund eines Staus letztendlich sechzig Minuten geworden. Jin rannte in sein Apartment und fand ziemlich schnell das Ladegerät, schloss sein Handy ans Stromnetzwerk an, wartete einige Sekunden, machte es an, sah dass Kame drei Mal versucht hatte ihn zu erreichen, fluchte und wählte die Rückruftaste. Er hörte das Tuten, wartete, hörte wie der Anruf angenommen wurde und sprudelte los. „Es tut mir wahnsinnig Leid Kame-chan, ich hab voll die Zeit verpeilt, dann hatte mein Handy einen Aussetzer und ich weiß auch nicht was alles passiert ist und überhaupt geht hier grad alles drunter und drüber und… kannst du mir verzeihen?“ Stille. Jin drückte die Daumen, dass Kame nicht schmollte. Mist, mist, mist. „Kame-chan?“, fragte er dann vorsichtig nach. Und ließ das Telefon beinah fallen als eine fremde Stimme antwortete. „Kame-chan?“ – „Ehm“, murmelte Jin. „Sorry, falsch verbunden?“ Er wollte grad auflagen als er eine Art… Singsang hörte. „Kame-chan, Kame-chan, Kame-chan“ Jin riss die Augen weit auf. Okay… das war… abgefahren. Und dann hörte er Kames Stimme, sie war leiser als die desjenigen der dieses… Lied… sang… aber immer noch deutlich zu hören. „Was ist denn?“ Jin hörte das unterdrückte Lachen aus der Stimme heraus, dann klapperte es etwas, er hörte Kame noch ein „Lässt du bitte los?“, sagen, dann ein „Danke“, dann hörte er wie der Singsang leiser wurde, ein kurzes Prusten seitens Kazuyas und ein „Hallo?“ das an ihn gerichtet war. Jin saß erst mal nur stumm da. Schließlich würgte er ein „Hallo“ heraus. „Jin?“ – „Ja?“ Jin beschloss… dass der Andere zunächst einmal erklären sollte was das gerade war. Er war immer noch im Schock. Aber seitens Kazuyas kam nichts. Nach kurzer Zeit fiel bei Jin der Groschen. Kame hatte seine Entschuldigung nicht gehört. Aber… ihm war deutlich der Wind aus den Segeln genommen worden. Egal. Also noch einmal. „Du, es tut mir leid, ich weiß ich wollte dich schon vor ner Stunde anrufen“, murmelte er deutlich langsamer als grad eben, „aber… ach, ich hab die Zeit vergessen und… dann hab ich mein Handy nicht gefunden, dann war es alle und… ach egal. Jedenfalls wollte ich sagen, dass es mir leid tut“, murrte er kleinlaut. „Ist okay.“ Etwas verschnupft klang Kame schon noch. Naja. Würde alles wieder werden. „Kame?“ – „Mhm?“ Jin schluckte. „Was war das grad eben?“, fragte er dann vorsichtig. „Wie das…? Ach so… das. Na, das war Koki.“ – „KOKI?“ Ein als Husten schlecht getarnter Lacher war Kames Reaktion. „Reg dich ab, so heißt hier einer. Er ist ganz… knuffig. Wie ein Kleinkind.“ – „Kleinkind?“, fragte Jin matt. Koki. Aha. „Und was macht er mit deinem Handy?“ – „Spielen.“ Kame klang so als hätte Jin ihn etwas total Blödes und vollkommen Klares gefragt. Ja… okay. Gut. „Sind da alle so?“, fragte Jin nach, hoffte, dass Kame nicht nur… solche Leute um sich hatte. „Nein, ein paar Massenmörder und Vergewaltiger laufen hier auch rum“, meinte Kazuya trocken und Jin jappste nach Luft. „Glaubst du mir eigentlich alles was ich dir sage?“, fragte Kame dann merklich interessiert. „Kamenashi!“ Jin lehnte sich an die Wand. „Sowas. Ist. Nicht. Witzig.“, knurrte er dann. „Ich weiß.“ – „Es tut mir Leid, okay?“ Verächtliches Schnauben. „Seit wann brauchst du eine Stunde um dein gottverdammtes Handy zu suchen? Du bist doch regelrecht abhängig von dem Ding, ich kaufe dir nicht ab, dass du es verlegt haben willst.“ Jin schluckte. „Okay, das war gelogen“, gab er schließlich zu. „Na bitte.“ Okay, Kame war sauer. Stinksauer. „Ich… war bei nem Kumpel, wir haben getrunken und ja… ich hab die Zeit vergessen…“ – „Dann war das mit dem Liedtext auch gelogen?“ Jin zuckte zusammen. Verdammt. „Nein. Mensch, ich hab dran geschrieben, er ruft mittendrin an ob ich nicht zu ihm kommen kann und da-“ – „Also die Arbeit unterbrechen um zu feiern kannst du, aber wenn ich mit dir reden will geht es nicht weil du dann die Muse verlierst?“, Kazuya schrie ihn regelrecht an. Jin beschloss darauf nicht einzugehen. „Es tut mir Leid“, bot er Kame noch einmal an. Und hörte das Piepen wenn die Leitung unterbrochen wurde als Antwort. Jin blickte das Handy an, schloss die Augen, machte sich Gedanken über seine eigene Blödheit und wählte Kames Nummer erneut in der festen Absicht ihm die Wahrheit zu sagen. Als er nur die Mailbox hörte warf er das Handy von sich.
 

Kame blickte auf das abgeschaltete Handy. Er hörte hinter sich die tapsigen Schritte Kokis, hatte aber gerade keinen Nerv mit irgendjemanden irgendetwas zu tun. Also beschleunigte er seine Schritte und fand sich in seinem eigenen Zimmer wieder. Wütend trat er einmal gegen das Bett, welches es wagte sich ihm in den Weg zu stellen wenn er stinksauer war. Jin hatte ihn angelogen. Eiskalt. Er wusste es. Er wusste, dass Jin bis zum Schluss nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er hätte schreien können. Wie war das gewesen? Jin wollte ihm immer von allen Problemen erzählen? Lügner, Lügner, Lügner! Was für einen Grund hätte er sonst noch gehabt um ihn anzulügen? Gar keinen!

Kame blickte wieder sein Handy an. Schaltete es an. Und bekam den Schreck seines Lebens als Kokis Name auf dem Display angezeigt wurde und das Teil zu vibrieren begann. Einen unglaublich kurzen aber dämlichen Moment lang wunderte sich Kame woher Koki seine Nummer haben sollte und ob er überhaupt ein Handy hatte… bis ihm wieder die andere Person namens Koki in den Sinn kam. Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und nahm ab. Ein Jubelschrei war die Antwort darauf. „Ja! Du bist drangegangen!“ Kokis Stimme überschlug sich vor Freude, in Kame zog sich alles zusammen. Seine Freunde… er hatte sie wieder nur angelogen, ignoriert. Aber besser so… als die (un)nötigen Sorgen… „Ja, wieso auch nicht?“, fragte Kame dann leise nach. Er hörte ein vielstimmiges Schnauben und dann wirres Durcheinander. „Stopp, stopp, stopp“, rief er in den Hörer und es wurde tatsächlich still. „Wer ist denn noch da?“, fragte Kazuya nach. „Na wer wohl, die ganze Mannschaft“, zirpte Koki, immer noch total fröhlich. Ein gerufenes „Minus Jin“ begleitete seine Worte. Kazuya hörte ein Knuffen und wie Koki empört aufschrie. „Kame?“ Junno hatte anscheinend das Telefon für sich beanschlagt. Kazuya lächelte aber gleichzeitig füllten sich seine Augen mit Tränen. Sie waren alle so lieb… und er vergolt es ihnen auf diese Art und Weise… nichts sagen… aus der Band austreten… ohne einen Grund zu sagen… ohne gar nichts. Und trotzdem…

„Ja?“, fragte er und schniefte einmal. „Weinst du etwa?“ – „Mann, stell das Telefon auf die Freisprechanlange!“, knurrte Tatsuya. „Kame, kannst du uns hören?“ – „Japp.“ Lachen am anderen Ende. „Sorry wenn wir stören…“, begann Koki nun, wurde aber von Maru unterbrochen. „Wir machen uns Sorgen, du hast dich nicht bei uns gemeldet seit… seit ner Ewigkeit.“ – „Es tut mir leid.“ Kame legte seinen Arm auf seine Augen. „Wie geht es dir?“ Junno. „Gut“, sagte Kazuya automatisch, biss sich auf die Unterlippe. „Nein, eigentlich nicht. Aber besser.“ Auf diese Worte folgte kurzes Schweigen, dann fingen alle vier an durcheinanderzureden. „Ich kann euch nicht verstehen“, brüllte Kame in der Hoffnung, dass sie darauf achteten. Letztendlich plapperte nur noch Koki, Kame hörte erneut einen Schlag und ein „Au“. Er musste Lachen. „Wie geht es euch?“ – „Beschissen.“ Alle vier waren sich einig. Kame setzte sich auf, runzelte besorgt die Stirn. „Wieso, was ist los?“ – „Ja, du!“, sagte Maru empört. „Genau“, murrte Ueda auf. „Erinner dich daran wie wir drauf waren als Jin weg war. Und jetzt stell dir vor du wüsstest nicht weshalb und wieso und für wie lange und überhaupt. Was hast du dir dabei gedacht?“ Kame hörte wie die anderen Tatsuya zustimmten. „Ich habe einen Grund“, murmelte er dann. „Behauptet auch keiner, dass du keinen hast oder?“, meldete sich wieder Taguchi zu Wort. „Wir wissen nur nicht welchen“, ergänzte Koki dann. Stille, sie wollten, dass er es ihnen sagte… Er konnte das aber nicht… „Leute… ich… danke… aber…“, Kazuya holte tief Luft. „Ich erzähle es auch, sobald… der Grund… weg ist, okay?“ Er hörte die Proteste, ignorierte sie aber gekonnt. Letztendlich, nach einiger Zeit beruhigten sich die vier wieder. „Und du willst es uns echt nicht sagen?“, versuchte Maru es noch einmal. Kame seufzte. „Irgendwann. Aber nicht jetzt…“ Er sah förmlich vor sich, wie die vier einander anstarrten und stumm eine Antwort suchten. „Okay“, sagte dann Junno. „Versprochen?“ – „Versprochen.“ Mittlerweile weinte Kame relativ hemmungslos, das einzige was er noch unterdrückte war das Schluchzen, damit die anderen es nicht mitbekamen wie sehr ihn dieser Anruf rührte. „Kazuya?“, fragte Koki letztendlich. „Ja?“ – „Du kommst doch wieder zu uns zurück, oder?“ Kame schloss die Augen. Vor dieser Frage hatte er sich selber immer gedrückt, weil er die Antwort nicht kannte. Ja, er wollte es. Aber… ob er dazu in der Lage sein würde…? Er schwieg. „Kame-chan?“, fragte dann Maru auch nach. „Ich versuche es…“, murmelte Kazuya fast nicht hörbar. „Ich weiß nur nicht… ob ich das packe…“ Das ließ die vier einen Augenblick verstummen, aber nach diesem Augenblick fingen sie das große Zetern wieder an, diesmal sagten alle mehr oder weniger dasselbe, so dass es nicht schwer war die einzelnen Worte rauszupicken. Von wegen, er sei Kazuya Kamenashi. Dass er alles schaffen konnte wenn er nur wollte, dass sie da waren um ihn zu helfen, zu unterstützen, dass was auch immer ihn gerade davon abhielt zu arbeiten aus dem Weg geräumt werden würde, von ihnen allen zusammen, und Jin natürlich, der zwar grad nicht da war aber ihnen bestimmt zustimmen würde. Oder noch zigtausend andere Argumente hätte. Kame lachte ob dieser Beteuerungen auf. „Leute, ihr wisst schon, dass ihr einmalig seid?“, fragte er dann nach. „Klar“, sagte Koki voller Selbstbewusstsein. Wieder war es kurz still, aber diese Stille war angenehm… „Versprich uns dich ab und zu zu melden okay? Komm vorbei, ruf an, keine Ahnung was… Schalt dein Handy nicht aus“, sagte Yuichi dann zu ihm. „Das ist etwas was ich gerne verspreche“, flüsterte Kame und auch auf die Gefahr hin kitschig oder wie ein Mädchen zu klingen fügte er hinzu: „Ich habe euch alle vermisst.“ Aber Koki behielt seine Sticheleien für sich. Die vier wünschten Kame noch einen schönen Tag und legten auf. Kame ließ sich wieder aufs Bett fallen und wusste nicht ob er lachen oder weinen sollte. Er entschied sich dann für eine Mischung aus beidem.
 

Als Jin in den Umkleideraum kam begrüßten ihn vier aufgedrehte, fröhliche und gleichzeitig etwas traurige Bandkollegen, Freunde. Jin wurde von Koki herzlich umarmt, und spätestens da wusste er, dass er träumen musste. „Was ist mit euch los?“, fragte er trotzdem und zwickte sich selbst in den Unterarm. Okay, Schmerzempfinden war da… scheinbar doch kein Traum… „Wir haben grad mit Kame gesprochen“, informierte Junno ihn dann. Jin blickte die anderen an. „Echt?“ Er dachte an das Desaster von gestern… Ob Kame sich deswegen bei ihnen gemeldet hatte? „Ja“, meinte Koki dann und legte Jin einen Arm um die Schulter, „Wir haben spontan, nach nur zwei Stunden, beschlossen ihn anzurufen.“ Sie erwarteten wohl von ihm, dass er fragte was Kames gesagt hatte aber… „Und wann war das?“ – „Gestern.“ Jin biss sich auf die Unterlippe. „Ja, ich meinte um wie viel Uhr!“, fauchte er dann. Die Anderen blickten ihn erstaunt an. „Gegen Abend… So neunzehn, zwanzig Uhr?“ Also nach seinem katastrophalen Gespräch. „War er sauer?“ – „Jin, was hast du angestellt?“ Todesblick von Jin. „Ich frage es noch einmal, war er sauer?“ Jin hasste dieses Blicke austauschen. Allerdings wusste er schon bevor sie etwas sagten die Antwort, wenigstens etwas. „Schien eigentlich nicht so.“ Maru blickte Jin fragend an. „Jin, wieso willst du das wissen?“ – „Weil ich kurz davor mit ihm telefoniert hab“, gab Jin schließlich zu. „Und am Ende hat er mich abgewürgt und war sauer.“ Er sah wie Maru eine Augenbraue hob aber nichts sagte. Anscheinend war das wieder mal so ein Streit zwischen den beiden, von denen man erstens nicht wusste wie sie entstanden waren und die sich zweitens von alleine lösten.

„Jin, wir gehen nachher alle weg, essen oder so, magste mitkommen?“ Koki liebte es solche Treffen zu organisieren, aber noch mehr liebte er es wenn wirklich alle mitmachten. Jin jedoch schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab schon ne Verabredung.“ Die anderen drehten sich unisono zu ihm um. Starrten ihn an. „Mit wem?“ Jin grinste leicht. „Mit… Maiko, sie ist klasse, ich muss sie euch mal vorstellen, aber nicht jetzt“, setzte er rasch nach als er sah wie Koki seine Einladung erweitern wollte. Nun, er hatte sich mit diesen Worten trotzdem den Spott des Tages gesichert. Aber es machte ihm erstaunlich wenig aus von den anderen damit aufgezogen zu werden.
 

Kame blickte auf seine Hand auf der drei kleine, unschuldige und unscheinbare Pillen lagen. Er schluckte einmal. Versuchte seine Zweifel und Angst gleich mit der Spucke los zu werden. Er war nicht wirklich überrascht, als es ihm nicht gelingen wollte… Er blickte noch einmal kurz Richtung Arzt, ehe er die Hand hob und die drei Pillen mit einem Schluck Wasser runterspülte. Asou-sensei hatte beschlossen, dass Kame von nun an mindestens dreimal täglich mit ihm sprechen sollte. Sagen sollte ob er noch Halluzinationen hatte, wenn ja wie stark. Und außerdem… welche Nebenwirkungen einsetzten. Sollten sie schnell die richtige Dosierung finden… dann würde Kame innerhalb von ungefähr zwei Wochen die Klinik verlassen können… Kazuya blieb noch etwas sitzen und stand dann auf. Der Arzt hatte gesagt, dass die Wirkung in etwa einer zehn Minuten einsetzen sollte. Und das tat sie auch…

Kazuya konnte trotzdem relativ wenig dazu sagen, ob seine Halluzinationen weg waren, er war mehr damit beschäftigt nicht einzuschlafen. Er war müde, alles drehte sich und er war alles in allem eher matt. Das letzte Mal als er sowas erlebt hatte, hatte er mit nahezu vierzig Grad Fieber im Bett gelegen… Er stütze seinen Kopf mit der Hand ab und zwang sich nicht einzuschlafen. Nach einiger Zeit gesellte sich Koki zu ihm, der scheinbar wirklich niemand anderen hier in der Klinik hatte der mit ihm zu tun haben wollte. „Du okay?“, wurde Kame dann auch gefragt. Er schloss die Augen kurz, öffnete sie wieder und sah in das besorgte Gesicht des Mannes. Versuchte zu lächeln. „Müde“, sagte er kaum hörbar. Koki nickte verstehend. „Du Pillen bekommen?“ Kame nickte nur. Koki legte ihm daraufhin eine Hand auf die Schulter setzte sich neben den Jüngeren und beschäftigte sich mit irgendetwas anderem. Aber er verließ Kame für keine Sekunde. Nachdem es Kazuya langsam spanisch vorkam (was bei seiner derzeitigen Hirnaktivität etwas dauerte) fragte er nach ob Koki nicht lieber woanders etwas anderes tun wollte. Der Andere schüttelte den Kopf. „Du Freund. Ich auf dich aufpassen.“ Kame lächelte ihm kurz zu ehe er wieder seine volle Aufmerksamkeit der „Beschäftigung“ Nicht-Einschlafen widmete… Nachdem noch etwas mehr Zeit verstrichen war merkte Kame, dass Koki wohl schon seit geraumer Zeit versuchte ihn zum Aufstehen zu bewegen. „Sorry, was ist los?“, murmelte Kame dann. „Wir essen“, sagte Koki auf eine Art und Weise die deutlich machte, dass ein „Nein“ nicht akzeptiert wurde. Kazuya rappelte sich auf, ließ sich von Koki stützen und wurde zur Kantine begleitet, in einen Stuhl rein komplementiert und dann, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, brachte Koki ihm etwas zu Essen mit. Kurz schoss ihm eine ähnliche Situation durch den Kopf, die er vor einigen Jahren erlebt hatte… aber zurzeit tat jeder Gedanke an Jin nur weh… deswegen schob er die Erinnerung daran zur Seite und begann mit dem Essen.
 

Besagter Jin traf sich in diesem Moment wieder einmal mit seiner neuen Freundin. Seit dem letzten Telefongespräch mit Kazuya waren nun drei Tage vergangen, aber er hatte nicht versucht den Jüngeren anzurufen, zu erreichen. Natürlich machte er sich Sorgen um Kazuya… aber… wenn etwas Wichtiges passieren würde, würde der Andere sich von alleine melden, da war sich Jin sicher. Und so konnte ein Anruf nur seine Laune drücken, die sich seit der Party stetig verbessert hatte. Manchmal musste man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Er ignorierte sein (immer schlechter werdendes) Gewissen also und knöpfte langsam die Bluse auf die Maiko heute anhatte.
 

Als Kame in seinem Bett lag raste sein Herz. Er wusste nicht einmal weswegen. Er drehte sich wieder auf den Rücken. Ihm war heiß, schwindelig und sein Herz machte ihn wahnsinnig. Er schloss die Augen. Toll, den ganzen Tag war er müde gewesen und jetzt wo er schlafen wollte konnte er nicht. Typisch. Seufzend setzte er sich auf, tastete nach der Lampe neben seinem Bett und schaltete sie ein. Danach versuchte er ein Buch zu lesen, konnte sich aber nicht auf das Geschriebene konzentrieren. Letztendlich gab er seine Bemühungen auf und griff nach dem Handy. Es war „erst“ ein Uhr morgens. Wie er die Arbeit kannte war noch keiner seiner Freunde am Schlafen. Nach kurzem Überlegen wählte er eine vertraute Nummer und wartete darauf, dass Abgenommen wurde.

„Kame?“, hörte er auch kurz darauf eine vertraute Stimme. „Hey.“ – „Na, ich fass es nicht, du meldest dich ja tatsächlich!“, frohlockte Koki und Kame kicherte verhalten. „Ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wie geht es dir?“, fragte Kame nach. „Mir? Bis auf eine einzige Tatsache ganz gut. Und was machst du so?“ Kazuya dachte einen Augenblick nach. „Ich versuche einzuschlafen“, bot er Koki dann an. „Jetzt? Um diese Uhrzeit? Wann musst du aus den Federn?“ – „So… gegen acht, zehn… je nachdem.“ Koki stöhnte empört auf. „Vielleicht sollte ich Johnny-san auch um eine Auszeit bitten“, murmelte er leise vor sich her. „Was mich zu der Frage bringt, wie hast du Johnny dazu gebracht, dass er es dir erlaubt hat? Also… so kurzfristig eine Pause einzulegen?“ Kame biss sich auf die Unterlippe. „Du schwörst, dass du es niemanden sagst?“, fragte er dann nach. Dann senkte er geheimnisvoll die Stimme. „Das ist ein Geheimnis Koki… eine besondere Begabung ist vorausgesetzt damit man das von ihm bekommt was man will… Wenn jetzt jeder davon Wind bekommt… dann…“ Kame legte stilvoll eine Pause ein. „Nur dir will ich diese Technik verraten.“ Na, jetzt war er aber gespannt. Und er konnte förmlich Kokis Spannung… riechen. Hören wohl eher. „Ja? Mensch, Kame spucks aus!“ – „Ich hab ihm gesagt entweder ich leg ne Pause ein oder er hat mein Kündigungsschreiben nächste Woche auf dem Tisch“, sagte Kame wieder mit normaler Stimme. Er wusste, wenn Koki neben ihm gestanden hätte, hätte er zuallererst einen Schlag gegen den Kopf bekommen, dann den Todesblick, der dann aber einem besorgten Blick gewichen wäre. Er hörte wie Koki geräuschvoll die Luft aus den Backen blies. „Okay, das war fies Kame“, meinte er letztendlich lachend. „Und er ist ernsthaft darauf eingegangen?“ – „Naja, zunächst nicht, aber als ich dann nach dem Formular gefragt hab… sagen wir mal da fing er an mir zu glauben…“ Koki blieb still. „Dann… meintest du das wirklich ernst?“ Kazuya hörte die Sorge. Die Anspannung. „Sagen wir… zu dem Zeitpunkt gings mir wirklich dreckig… Da… naja… jedenfalls wäre Kündigung im Moment keine Option mehr.“ Hoffentlich, jedenfalls. Ein nervöses Lachen seitens Kokis. „Okay, freut mich zu hören. Kame, willst du nicht… rüberkommen?“ – „Kann ich nicht…“, flüsterte Kazuya, betete, dass Koki nicht nach dem Grund fragte. Dieser schien das Missfallen an dem Thema zu spüren und ging nicht näher darauf ein. „Koki?“, fragte Kame nach einigen Minuten gemeinsamen Schweigens. „Ja?“ – „Grüß die Anderen von mir.“ Langsam… wurde er doch müde. „Auch Jin?“ – „Huh?“ Kame war scheinbar nicht mehr auf der Höhe der Ereignisse, warum nicht Jin? „Naja, er meinte ihr habt euch gestritten…“, begann Koki dann kleinlaut. Ah so. Ja. Kame hatte doch glatt vergessen weswegen er sich entschieden hatte den Rapper der Gruppe und nicht den Leadsänger anzurufen. Peinlich. „Ähm“, begann er dann intelligent. Koki lachte. „Ach weißt du was? Ist mir grad egal, ja grüß auch Bakanishi von mir.“ Nun konnte Koki sich gar nicht mehr halten. „Auch unter diesem Namen, oder…?“ – „Ich bestehe auf diesem Namen, ansonsten kriegt er keine Grüße“, sagte dann Kame nüchtern und kategorisch, stimmte aber in Kokis Lachen ein. „Na dann, schlaf gut Kame-chan.“ – „Maaaaan, lasst das ‚-chan‘ doch endlich stecken“, nörgelte Kame und verabschiedete sich dann von Koki, legte auf und konnte endlich einschlafen.
 

Koki, begleitet von Maru, betrat den Bandraum und betrachtete die Anwesenden. Er fing an zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd als er feststellte, dass wirklich alle da waren. Und sich irgendwie die Zeit vertrieben bis die Probe losging. „Hey Leute!“, rief er fröhlich, bekam alle Aufmerksamkeit, nur Jin fand sein Handy interessanter als den Rapper. Kurz entschlossen ging Koki zu seinem Kumpel, nahm ihm den Gegenstand aus der Hand, säuselte ein „‘Tschuldigung, er wird gleich zurückrufen“ in das Telefon, ignorierte Jins empörten Aufschrei, legte auf und rettete sich hinter Ueda. „Was sollte das?“, fauchte Akanishi ihn ungehalten an, war fuchsteufelswild. „Ich hab telefoniert!“ – „Stell dir vor, ist mit aufgefallen“, belehrte Koki den wütenden Jin. Duckte sich trotzdem etwas mehr. „Aber ich muss dir was sagen!“ – „Das hätte warten können Tanaka!“, brüllte Jin ihn an, umrundete Tatsuya was Koki veranlasste in die andere Richtung um Ueda rumzutanzen, nun befand er sich vor Ueda und Jin hinter demselben. „Ja, aber…“, protestierte der Rapper schwach. Junno und Maru indes beobachteten das Schauspiel interessiert. „Was kann denn so wichtig sein, dass du mir mein Telefonat mit Maiko versaust?“ Aha. Da lag der Hase also im Pfeffer begraben. Es ging um seine Freundin. Koki runzelte die Stirn. Irgendwie überraschte es ihn doch, dass Jin immer noch mit diesem Mädel zu tun hatte. Alle anderen Beziehungen die der Sänger bis zu diesem Punkt gehabt hatte… waren schneller in die Brüche gegangen. Und meist war es nicht mal Jins schuld gewesen, also… freute Koki diese Nachricht, dass dieses Mädel scheinbar… verständnisvoller war als der Rest der potentiellen Frauen mit denen Jin rumgemacht hatte. Trotzdem… „Man ey, dann ruf sie gleich zurück“, maulte Koki dann nur. „Gleich ist sie in der Arbeit.“ Oh-oh. „Dann eben später!“ Jin schickte ihm den Todesblick, per Eilbrief, Koki war froh, dass Ueda zwischen ihnen stand. Oh ja, das war er. Allerdings… schien Ueda diese Position nicht so sehr wie dem Rapper zu gefallen… Anscheinend debattierte er gerade mit sich selber, ob er Koki weiterhin vor Akanishi schützen sollte… oder sich selber rettete. Das Blöde war nur; Koki wäre an seiner Stelle gegangen und Tatsuya wusste das, hatten diesen Punkt auch in seiner Debatte einfließen lassen. Letztendlich zog der Ältere sich zurück, lehnte sich neben Maru an die Wand und genoss die Vorstellung die ihm geboten wurde aus der Ferne. Koki schluckte, nun war nichts mehr da was ihn von Jin trennte. „Später? Später?!“ Jin sah aus als würde er Tanaka mit bloßen Händen strangulieren wollen. Koki hob beschwichtigend die Hände. „Okay, es tut mir leid, es tut mir leid!“, sagte er schnell und trat einige Schritte zurück, dicht gefolgt von Jin. „Es ist nur… Grüße von Kame!“, platze er dann raus, und zu seinem großen Glück erstarrte Jin in seiner Bewegung. „Von Kazuya?“ Plötzlich klang die Stimme nicht mehr wütend. Fragend, besorgt, ungläubig, ja, aber nicht wütend. Koki ließ die Hände sinken und seufzte erleichtert. „Ja, er hat mich gestern, eh, heute, angerufen und sagte ich soll euch alle von ihm grüßen.“ Koki ging nun seinerseits auf Jin zu stupste ihn sanft gegen die Brust. „Auch den Bakanishi hier.“ Jin sah wieder sauer aus. „Bakanishi?“ – „Kames Worte, nicht meine!“, erklärte Koki rasch, sprang aber vorsichtshalber doch einen halben Meter zurück. Dann sah er ein Lächeln auf Jins Gesicht und der Leadsänger ging ohne ein weiteres Wort zu sagen zu seinem Platz und summte noch dabei ein Liedchen. Koki schüttelte nur den Kopf, das sollte noch einer verstehen. „Und deine Freundin?“ – „Ist jetzt eh schon zu spät.“ Trotzdem legte Koki Jins Handy vorsichtshalber neben seinen Besitzer. Jin beachtete ihn nicht mal.
 

Nach drei weiteren recht merkwürdigen Tagen hatte Asou-sensei mehr oder weniger herausgefunden welche Dosierung Kame am besten half und gleichzeitig so wenige Nebenwirkungen wie möglich hatte. Mit der Mattigkeit die die Pillen bewirkten hatte Kame sich recht schnell abgefunden gelegentliche Schwindelanfälle ließen sich auch nicht vermeiden… aber… er sah nur noch sehr selten Dinge, die nicht da sein sollten. Asou-sensei hatte Kazuya erklärt, dass die Symptome bei einer richtigen Dosierung der Medikamente recht schnell verschwanden, meist schon nach einer Woche. Danach… nahm man die Medizin nur noch, um einen Rückfall zu verhindern. Sollte Kazuya eine Woche lang keine Halluzinationen mehr haben, würden sie ihn nicht mehr in der Klink behalten. Er würde nur noch jede Woche zu einem Gespräch kommen müssen, sich die Medikamente für eine neue Woche holen müssen. Kazuya rieb sich die Augen. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob das etwas Gutes oder Schlechtes war… Einerseits freute er sich natürlich, dass er nach drei Jahren endlich und wahrhaftig wieder Ruhe haben sollte. Dass er wieder „normal“ sein würde. Dass er nicht mehr diese schrecklichen Menschen sehen und hören musste… Aber… das hieß gleichzeitig eben auch, dass er „Jin“ verlieren würde… und… die Tatsache, dass er so schnell aus der Klinik entlassen wurde… zwang ihn eher als erwartet sich mit seiner Zukunft auseinanderzusetzen. Letztendlich konnte er nicht wie eine Pflanze von der Sonne leben, Photosynthese betreiben können wäre eine Alternative… Kame seufzte. Nein. Er musste arbeiten (mal gekonnt die Tatsache ignoriert, dass er ein Workaholic war und unter Umständen auch noch Entzugserscheinung wegen zu wenig Arbeit haben würde…) allein schon deswegen um sich zu ernähren, Miete zu bezahlen. Aber… er fühlte sich nicht bereit wieder sein normales Umfeld um sich zu haben. Den ganzen Stress, mit den Managern, Auftritten, Serien, Singles, Alben, Konzerte, Showauftritte, Werbeverträge… Und natürlich die ganzen Menschen… Johnny… KAT-TUN, die anderen Bands… Er fühlte sich noch nicht stark genug um das durchzustehen. „Aber habe ich denn eine Wahl?“, murmelte er sich selber zu, seufzte. Eigentlich nicht. Schon bald würde er seinen Boss anrufen müssen, sich mit ihm treffen müssen. Ihm sagen, dass er sich von seinem „Stress“ erholt hatte.

Plötzlich hatte er den Wunsch mit Jin zu reden, sich von ihm Bestätigung für diese Entscheidung zu holen. Bevor er es sich anders überlegen konnte wählte er Jins Nummer.

Aber es war besetzt… Kame seufzte und legte auf. Er würde es später noch einmal versuchen.
 

Wieder eine gepackte Tasche, Kazuya wusste nicht wie er sich fühlen sollte… seine Hand zerquetschte ein kleines Päckchen… er… wollte sich noch von Koki verabschieden… der Mann war ihm in den vergangenen zwei Wochen wirklich ans Herz gewachsen… er würde wohl jedes Mal wenn er hier war dem anderen einen Besuch abstatten, das hatte er verdient. Kame schüttelte den Kopf, es half nix jetzt darüber nachzudenken. Er seufzte… aber immer noch besser als über einen Gewissen Akanishi Jin, den er in den ganzen zwei Wochen nur zwei Mal hatte erreichen können… einmal ihr Streit… und… einmal… es war merkwürdig gewesen. Jin hatte ihn wieder nur abgewimmelt, mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede. Kazuya konnte sich keinen Reim auf Jins Verhalten machen… er würde ihn wohl vor sich sehen müssen, um mehr zu erfahren… Jin wusste nicht einmal, dass er heute aus der Klinik entlassen wurde. Er strich sich mit der Hand über die Augen weil er müde war, ganz sicher nicht um Tränen wegzuwischen. Nein… Kazuya griff nach der Tasche, drehte sich um und sah Koki im Türrahmen stehen. Der Ältere sah traurig aus… so wie Kame sich gerade fühlte… „Du gehen?“ Kame schluckte seine Traurigkeit runter. „Ja, aber ich komme jede Woche wieder, dann sehen wir uns, ja?“ Koki indes versuchte nicht einmal fröhlich auszusehen und weinte ungehemmt. „Ich dich vermissen werd.“ Kames Herz zog sich schmerzlich zusammen, er dachte nicht nach sondern umarmte den Anderen einfach, hoffte, dass Koki diese Geste richtig deuten würde. „Ich dich auch.“ Koki drückte ihn näher an sich. „Wir Freunde bleiben, ja?“ Kame grinste ihm zu. „Klar. Danke…“ Langsam löste er sich von dem großen Kind, hob seine Tasche wieder hoch und machte sich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen versuchte er Jin zum gefühlten millionsten Mal anzurufen, diesmal war das Handy ausgeschaltet. Super. Da Kazuya aber das Bedürfnis nach Gesellschaft hatte… „Maru?“ – „Kame? Hey, ich glaubs ja nicht, was ist los, hast du mich vermisst?“ Kame runzelte die Stirn. „Dir ist schon klar, dass du wie Koki klingst?“ Maru lachte. „Sorry. Aber wir haben doch erst gestern geredet, von daher…“ Kame rollte mit den Augen. „Wenn du willst kann ich auch auflegen.“ Seine Laune verschlechterte sich zunehmend. „Nein, nein, nein! Ich wollte nur sagen, dass das… also ich hatte nicht erwartet, dass du sich so schnell wieder melden würdest!“, beeilte sich Yuichi zu versichern. „Na gut, dann will ich dir mal glauben“, murrte Kame immer noch verstimmt. „Schlechte Laune?“ – „Ja. Wollen wir uns treffen?“ Die Worte waren schneller gesagt als sie gedacht waren. Der Jubelschrei wahrscheinlich auch. „Oh mein Gott, ja!“ Und die Laune wurde wieder etwas besser. „Kannst du die anderen einladen? Ich… muss mich dringendst umziehen“, gestand Kame und blickte dabei an sich runter. Mit diesen schlabbrigen Klamotten würde er nicht zu einem Treffen mit seinen Bandmitgliedern gehen. Vor allem nicht wenn er sie zuletzt… im Krankenhaus gesehen hatte… was gut und gern zwei Monate her war. „Ja. Ja, mach ich!“ Der Enthusiasmus war ansteckend. Kame kicherte. „Bei dir?“, fragte er Nakamaru dann. Selbsteinladungen waren toll… „Ja, kein Problem, ich bestell uns irgendwas zu futtern und… ja, also, ich ruf die anderen an und wir treffen uns dann. Verdammt, ihr kommt sofort wenn ihr Zeit habt, bis gleich!“ Sprachs und legte auf. Kame ging zu seinem Kleiderschrank und wühlte darin herum bis er etwas fand, was man anziehen konnte. Seufzend beschloss er auch noch seine Tasche auszuräumen, er hatte keine Lust, aber das würde mit der Zeit eher schlechter als besser werden, von daher…

Danach suchte er seinen Führerschein und die Autoschlüssel, steckte die Pillen die er heute noch nehmen müsste in eine Hosentasche und programmierte sich eine Memo auf dem Handy. Dann verließ er seine Wohnung wieder setzte sich ins Auto und fuhr zu Marus Haus.
 

Er hatte es gerade geschafft die Klingel zu drücken, als die Tür aufflog und er sich in den Armen des Bandältesten wiederfand. „Kame-chan“, rief dieser während er Kames Rippen brach. Danach hielt er Kame an den Armen fest, hielt ihn etwas von sich und musterte ihn von oben bis unten und zurück. „Du siehst mager aus“, meinte er in einem belehrenden Tonfall. „Ich seh immer mager aus“, bemerkte Kame lächelnd und schubste Maru mit sanfter Gewalt in sein Haus zurück. Schloss die Tür hinter den beiden. „Wo sind die anderen?“, fragte er während er sich die Schuhe auszog. „Sie müssen noch etwas zu Ende drehen, kommen dann aber sofort. Junno macht einen kurzen Zwischenstopp bei einem Chinesen und bringt was zu essen mit“, informierte Maru den Jüngeren. Dann ging er in die Küche, holte schon mal das Besteck raus und legte es im Wohnzimmer auf den Tisch. „Komm mal eben mit Stühle schleppen“, forderte er dann Kazuya auf und ging wieder in die Küche. Kame folgte ihm. Als sie fertig waren setzten sie sich hin und schwiegen sich an. Kame… fühlte sich noch unwohl, schuldig… Maru jedoch wollte den Jüngeren einfach nicht drängen etwas zu erzählen… außerdem blieb hinterher wenn alle anderen da waren immer noch genügend Zeit um Kazuya auszuhorchen… Der Vorteil dann würde sein, dass Kame alles nur ein einziges Mal erzählen musste. Dann gab es ein Sturmklingeln und Maru ließ Koki und Ueda rein, die sich fröhlich zankend ins Wohnzimmer begaben. Koki umarmte Kazuya sobald er ihn sah, das ganze erinnerte doch stark an Marus Begrüßung vor wenigen Minuten. Ueda grinste erst nur und patte dann Kazuya auf die Schulter. „Schön dich mal wieder zu sehen. Ich… wir haben dich vermisst“, murmelte er leise, doch nicht leise genug. „Hah! Tat-chan, das hab ich gehört!“, triumphierte Koki und setzte sich auf einen der Stühle. „Okay, wo ist das Futter?“ – „Auf dem Weg. Junno bringts mit.“ Koki nickte. „Der soll sich beeilen, ich verhunger“, maulte der Rapper und beobachtete wie Ueda sich mit hochrotem Kopf hinsetzte. Sprang dann aber gleich auf als die Türklingel zum dritten Mal an diesem Abend schellte. „Essen!“, rief er freudig aus und lief zur Eingangstür. Ueda konnte nur den Kopf schütteln. Dann blickte er Kazuya vorwurfsvoll an. „Du weißt schon, dass es deine Schuld ist, dass Koki so… aufgedreht ist?“ Kame runzelte die Stirn. „Ich dachte der ist immer so?“ – „Ja, schon, aber… es ist schlimmer geworden. Freut sich einen Keks“, murmelte der Ältere und betrachtete dann seine Fingernägel. Junno kam dann ins Wohnzimmer, bepackt mit diversen Tüten, legte sie auf den Tisch und lächelte dann Kazuya mit seinem riesigen Lächeln an. „Schön dich wieder mal live und in Farbe zu sehen“, begrüßte er den Kleineren. „Freut mich auch euch alle mal wieder zu sehen“, lachte Kame. „Okay, fangen wirs essen an!“, bestimmte Koki und öffnete die Tüten. „Junno, du bist einmalig, klasse, wunderbar, fantastisch“ – „Ich hab das Essen nicht gekocht Koki und der Chinese ist bei mir gleich um die Ecke“, würgte Taguchi den Rapper ab. Kazuya hob verwundert eine Augenbraue sagte aber nichts. Legte auf seinen Teller ein paar der Gerichte ab und langte dann auch zu.

„Dann bringt mich mal auf den neusten Stand, was macht ihr zur Zeit?“, forderte er die anderen auf, die dieser Bitte nur allzu gern Folge leisteten. Maru fing mit der Erklärung an, dass Johnny immer noch wollte, dass KAT-TUN sich einen neuen Namen zulegte. Da wurde er aber auch schon von Ueda unterbrochen. „Du kommst doch zurück zu uns?“ Kame wollte zu einer Antwort ansetzten als sein Handy anfing zu klingeln. „Sorry“, murmelte er fischte es aus der Tasche, sah die Memo und seufzte. Einen Augenblick dachte er darüber nach, ob er so tun sollte als müsste er ein wichtiges Telefongespräch führen, oder das er so tat als müsste er aufs Klo, oder sich überhaupt verabschiedete… aber er war dieses ewige Lügen leid. Also teilte er seinem Handy nur mit, dass er die Memo gelesen hatte und holte das Päckchen mit den Tabletten raus, zählte drei ab. Er war sich der Blicke seiner Freunde sehr wohl bewusst. „Kame?“, fragte Maru auch dann leicht ängstlich nach, ehe Kazuya die Medizin schlucken konnte. „Ja?“ – „Was… also… wieso?“ Kame blickte auf und sah in die erschrockenen Gesichter seiner Freunde, er lächelte ihnen zu. „Medikamente“, meinte er dann achselzuckend. „Ich… bin etwas krank…“ – „Wie krank ist ‚etwas krank‘?“, fragten Tanaka und Ueda scharfsinnig nach. Kame schluckte die Pillen runter und trank etwas Wasser hinterher. „Es…“; begann er, biss sich dann auf die Lippe. „Naja, es ist nichts Ansteckendes“, sagte er dann. „Wow, das beruhigt mich jetzt.“ Uedas sarkastische, zynische, besorgte Stimme schreckte Kazuya auf. „Weißt du, Krebs ist auch nicht ansteckend.“ Nun blickte Kame die anderen geschockt an. „Meine Güte, nein, ich hab kein Krebs“, sagte er und fragte sich wie Tatsuya nun auf die Idee gekommen war. „Okay, jetzt bin ich tatsächlich etwas beruhigt“, meinte dieser dann aber immer noch angespannt. „Also, was ist es dann?“ Kame fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sagte aber immer noch nichts. „Ist das auch der Grund warum du plötzlich… weg warst?“, fragte Junno vorsichtig nach, Kazuya blickte ihm in die Augen und nickte langsam. „Ja… es…“ er holte tief Luft. „Sorry“, meinte er dann mit schiefem Grinsen. „Es ist nur… Ich komm nicht so gut damit klar darüber zu reden…“, sagte er dann ausweichend. Seine Freunde tauschten besorgte Blicke. „Kame, wenn du uns jetzt nicht sagst was los ist schicken wir dich ins Krankenhaus. Dir ist schon klar, dass wir jetzt… dass wir jetzt total besorgt sind?“, erkundigte sich Maru nach dem stummen Meinungsaustausch. Kame blickte unglücklich auf. „Da komm ich grad her, heute frisch entlassen, beziehungsweise“, beeilte er sich zu sagen, als die Anderen ungläubig die Augen aufrissen und so aussahen als wollten sie ihn in Grund und Boden schreien dafür, dass er nie auf sich Acht gab, „beziehungsweise ich komme gerade aus der Psychiatrie.“ Das letzte Wort konnte man nicht einmal mehr als Flüstern bezeichnen. Kazuya blickte beschämt zu Boden, seine Hände zitterten. Was würden sie darauf sagen? Würden sie ihn verstehen? Angst vor ihm haben? Er wagte es nicht aufzublicken, wenn er hochsehen würde, könnte er ihre Blicke sehen und dann wüsste er was sie dachten. Mehr oder weniger. Aber…

„Psychiatrie?“, fragte Koki letztendlich nach. Kame nickte stumm. Starrte immer noch auf seine Hände. „… Und… warum warst du da?“ Kame schloss die Augen, holte tief Luft. „Weil… ich krank bin… psychisch krank… es… Naja. Man kann sagen ich bin verrückt.“ – „Bist du nicht“, fauchte Maru ihn dann an. „Ich meine… wir kennen uns jetzt wie lange? Ach egal, man würde es doch merken wenn du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast!“ Kame schluckte noch einmal, versuchte seine Kehle von dem dicken, fetten Klos zu befreien der sich dort festgesetzt hatte. „Kame, guck uns an, ja?“, bat dann Ueda sanft. Kazuya wusste warum… sie wollten wissen ob er log oder… aber das war auch egal, er hob seinen Kopf wieder, blickte aber an den anderen vorbei und fixierte irgendein Stück Wand. „Nun, scheinbar kann man auch… kann man sowas auch mal nicht merken“, murmelte er dann. „Was… genau also-“ Maru blickte hilflos zu den Anderen, Junno kam ihm zu Hilfe. „Was genau meinst du denn mit ‚verrückt‘? Da… du bist doch…?“ Kame holte noch ein letztes Mal tief Luft. Erinnerte sich daran, dass das hier seine besten Freunde waren und sammelte allen Mut den er noch finden konnte. „Ich meine das… im Sinne von Halluzinationen.“ Er sah, dass Koki ihn unterbrechen wollte und hob eine Hand. „Lasst mich das jetzt sagen ja? Ich glaube nicht, dass ich es noch einmal über mich bringen werde das irgendwem zu erzählen, und ich glaube auch nicht, dass ich den Faden wiederfinden werden, wenn mich einer von euch unterbricht okay?“ Er ließ die Hand wieder sinken. „Es ist schon… seit einiger Zeit so, dass ich manchmal… Menschen sehe die eigentlich… gar nicht da sind… eine Zeit lang habe ich gewusst… was echt war und was nicht… aber… das letztens ist mir das nicht mehr gelungen… Es war alles irgendwie zu viel… ich hatte mich nicht getraut… es irgendjemanden zu sagen… ich habe mich nicht getraut mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauche… es…“, Kame schüttelte den Kopf energisch. Blickte die vier dann direkt an. „Es tut mir leid euch so lange angelogen zu haben. Ich werde nicht genauer sagen, was da los war, ich… weiß auch nicht genau weshalb das plötzlich… anfing… deswegen werde ich euch auch dazu nicht sagen. Ich weiß aber, dass es durch die Medikamente besser geworden ist. Ich werde sie wohl noch… ziemlich lange nehmen müssen, aber ansonsten geht es mir soweit ganz gut, von diversen unerwünschten Nebenwirkungen mal abgesehen.“

Die Stille, die seinen Worten folgte ängstige Kame. Er blickte wieder zu Boden. Er hatte den Unglauben in den Gesichtern der Anderen gesehen, oder wollten sie es einfach nur nicht glauben? Er wusste es nicht. „Nur… damit wir uns richtig verstehen“, meinte Koki dann, „das… meinst du ernst oder? Du… willst uns hier nicht verarschen?“ es klang fast als wollte der Rapper genau das hören. Ein April, April… Kazuya schüttelte den Kopf. „Ich meine es ernst… ja… Ich wünschte das wäre ein schlechter Scherz von mir…“ – „Aber… dir geht es doch jetzt gut?“, fragte Ueda nach, die besorgte Glucke die es nur nicht zeigen wollte. Kame blickte wieder auf, wusste, dass es egal war. Dass sie ihn so akzeptierten wie er war. Nein, er würde jetzt nicht sentimental werden und heulen. Er nickte und versuchte das Wasser was sich in seinen Augen bildete wegzuzwinkern. „Danke“, flüstere er dann. „Wofür?“ Vierstimmiger Chor. „Genau dafür“, erwiderte Kame lachend. Die Anderen lächelten ihm zu.

„Ich komme nicht umhin zu bemerken, dass du dich vor einer Antwort gedrückt hast“, wies Koki Kame dann auf den Anfang des Gesprächs hin. „Ich fürchte ich weiß die Frage nicht mehr?“ – „Ob du wieder Teil von KAT-TUN wirst…“ Kazuya sah die Anspannung der Anderen, sie wollten, dass er wieder kam, aber… sie würden ein ‚Nein‘ auch verstehen. Jetzt… da sie den Grund wussten und verstanden… „Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht… Ich wüsste nicht was ich sonst tun soll aber…“ Kame zuckte mit den Schultern. „Vielleicht lässt du es einfach langsam angehen?“, schlug Taguchi dann vor. „Du nimmst nicht so viele Jobangebote an, ich denke wir können es irgendwie durchboxen, dass du momentan nur Tätigkeiten machen müsstest, die direkt mit KAT-TUN zu tun haben…“ Kazuya nickte langsam. „Mal schaun… ich werde die Woche eine Entscheidung treffen und ihr seid die ersten die davon erfahren“, versprach er, blickte verstohlen auf die Uhr um dann Yuichi direkt anzugucken. „Sag mal, hast du Jin nicht erreicht?“ Maru runzelte die Stirn. „Doch, er meinte er würde dich anrufen?“ Kame holte erneut sein Handy raus. Keine Nachrichten. Keine verpassten Anrufe. Keine Nachricht auf der Mailbox. Er schüttelte den Kopf. „Hat er aber nicht… Wieso ist was los?“ Maru blickte überrascht zu Koki. Dieser zuckte mit den Schultern. „Du hast mit ihm geredet, nicht ich“, forderte er Yuichi auf. Kames Herz schlug plötzlich schneller, er war sich nicht sicher, ob er wissen wollte was jetzt kam. Er hatte so ein schlechtes Gefühl… Maru blickte ihn traurig an. „Jin sagte er könne heute nicht kommen.“ Kazuya nickte fahrig. Okay, es tat zwar weh… aber… man konnte nichts daran ändern… er kannte Jins Arbeit… es war auch seine gewesen…

Es fühlte sich an als würde sein Herz sich zusammenkrampfen. „Muss er… noch irgendwelche Dreharbeiten beenden?“, fragte Kazuya dann kleinlaut nach. Er hatte gehofft Jin zu sehen, nach all der Zeit endlich wiederzusehen… und jetzt… Nun starrten die vier ihn an als würden sie ihren Ohren nicht trauen wollen. Kame fühlte sich immer unbehaglicher. „Was?“

„Kame… weißt du nicht, dass Jin eine Freundin hat?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Solonishi
2011-07-20T18:20:31+00:00 20.07.2011 20:20
Kapitel 2 nun auch fertig!
Ich liebe deine FF immer noch und bin immer selbst ganz aufgeregt es zu lesen! XD
Kame tat mir in diesem Teil richtig leid, wegen Jin ;_;
Und ich hatte befürchtet, dass das Kapitel damit enden würde, dass Kame erfährt, dass Jin eine Freundin hat T__T;
Ich ahne böses .___.

Anyways!
Großes Lob *_*
Von:  Ribka-is-Mori
2011-06-08T06:27:17+00:00 08.06.2011 08:27
soooooo tage später und wie versprochen wieder ein seltsames kommi xD

dieser doofe bakanishi!!! ich hab maiko von anfang an nicht ausstehn können! und hatte iwi das gefühl das jin kame fremd gegangen ist mit ihr.. (ja ich weis wie unlogisch das ist!)

*bakanishi am liebsten eine reinhaun wollen würde*
ich hoffe ja irgendwie seeeeehr das er DAFÜR noch sein fett weg bekommt!!! verdient hätte er es allemal!!
armer kame wie er sich jetzt fühlen muss...T^T
und den koki aus dem kh hab ich richtig in mein herz geschlossen :) *ihn mag* und war kurz verwirt als er mit puppen spielen wollte xD dachte schon iwi das das die halluzination vom KAT-TUN koki war^^°

so und ich les jetzt mal weiter^^ *und wünsche bakanishi einen grausamen tod bzw seiner blöden freundin (auch wenn sie ja eig unschuldig ist *schulter zuck*) *muhahahaha*

und ich muss es echt noch einmal sagen^^ ich ♥ deinen schreibstil <3 der ist echt himmlisch :)

lg bine *zu kapi 3 hoppel*

*milchbrötchen da lass* ja mal was anderes xD aber ich hatte mal lust drauf^^ vlt schmeckts dir ja *g* kannst ja auch noch n kombipaket draus machen *totlach* ok i-was ist heut los mit mir!! ...ah jetzt weis ich, sowas nennt man schlafentzug xDDD

so bin endlich weg! gomen^^°
Von:  SKH_Ludwig_2
2010-12-09T00:04:54+00:00 09.12.2010 01:04
aaaaahhhhh Jin du BAKA!!!! Sammel deine Hormone wieder ein un kümmer dich um Kame!!
...
so jetzt weiter im Text,ich liebe die Story un hoff auf ein Happy End^^
Weiter so<3

lg

anm.: nachts um 1 oo´´
Von:  Terzia
2010-12-08T23:03:03+00:00 09.12.2010 00:03
WAH wieder erste X////D
Ich liebe deine FF ://///x~
das muss ich einfach sagen ... X////D Immer wieder unbd so fesselnd und.. awww :////x


Zurück