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Der Mensch ist frei geboren

und überall liegt er in Ketten.
von

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Pulex

„Es ist unmöglich.“ Vier Tage waren vergangen, seit die Rebellen Peschendorf einen Besuch abgestattet hatten. Vier ereignislose Tage. Kaum war etwas im Radio aufgetaucht, war das Schiff schon wieder verschwunden, oder es stellte sich als Händler heraus, oder Passagierschiff, oder offizieller Regierungskreuzer. Aber auch nur von einem Hauch von Piraten war nichts zu sehen.

Hans begann, Anzeichen von Frustration zu zeigen. Seine Faust lag mit fünf ausgestreckten Fingern auf dem Tisch. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt bis an den Ansatz, sodass seine gesamten muskulösen Oberarme zu sehen waren. Die strähnigen braunen Haare hingen schlaff herab, Augenringe waren tief eingegraben und er spielte an der goldenen Taschenuhr herum, die um seinen Hals hing. Auch die anderen Besatzungsmitglieder sahen nicht gesünder aus.
 

Sie saßen in der Einöde auf DE-X204, nicht weit entfernt von DE-X5 und dennoch unerreichbar. Sie hatten sich bei den Bauern mit Proviant eingedeckt und hatten nun im Planungszimmer eine dringend benötigte Krisensitzung.
 

„Man findet sie nicht.“ Hans' Hand bedeckte seine Augen. Er war müde und ausgezehrt. Verdammte Piraten. Paul balancierte auf den beiden hinteren Füßen seines Stuhls und es war nur eine Frage der Zeit, bis er umkippen würde. Nicole aß einen klumpigen, grauen Brei – Grundnahrungsmittel auf der Viktoria – mit den Fingern und hatte ihren Schoßlöwen da, wo er hingehörte, auf ihrem Schoß. Wie immer würde ihre dunkelbraune, fleckige Hose danach einen weiteren Fleck haben, aber das störte sie inzwischen kaum mehr. Im Fell des Haustieres tummelten sich vollgefressene Flöhe, aber es war schwer, ihn jemals zu baden. Jette wirkte als Einzige so, als hätte die ganze Suche ihr nichts ausgemacht, die Haare lagen locker und lockig um ihr Gesicht, jegliche Augenringe sowie die Falten um ihren Mund waren geschickt überschminkt. Ihre Kleidung lag wie angegossen, selbst der Nagellack auf den Fingern, die aggressiv gegen ein Kupferrohr hämmerten, war makellos. Max saß mit einer improvisierten Einrichtung vor den Augen, die eine Art primitives Mikroskop darstellte, vornübergebeugt über kleinen Zahnrädchen und bewegte sie mit seiner gesunden Hand und einer Pinzette ineinander und umher, und er war absolut nicht ansprechbar.
 

Paul überlegte angestrengt. Dann kam ihm die Idee, die allem einen anderen Gang geben würde.

„Müssen wir unbedingt den Piratenchef bringen?“, fragte er in die Runde. Interessiert starrte Nicole ihn an.

„Du meinst, wir sollen lügen??“

Jette schüttelte den Kopf. Scheinbar hatte sie Gefallen an Pauls Idee gefunden: Sie lächelte, aber es war nicht das übliche freundliche Lächeln, das sie an den Tag legte, wenn sie jemanden nervös machen wollte, es war ein zufriedenes, bitteres Lächeln. „Nein, nein, wir interpretieren die Wahrheit neu, Kleine.“ Es bestand kein Zweifel daran, dass Jette selbst kein Problem hatte, das Kind beim Namen zu nennen und von Lügen zu sprechen, aber bei Nicole war das wohl nicht der Fall. „Generationen nach uns werden uns danken.“ Es bestand auch kein Zweifel daran, dass Jette keinerlei Interesse an den 'Generationen nach uns' hatte.

Paul kniff die Lippen zusammen. „Niemand kennt die Identität der Piraten, genauso wenig wie man uns kennt.“

Amüsiert schüttelte Hans den Kopf. „Sei nicht blöd, Paulchen. Du kennst die vielleicht nicht, aber wir haben Kontakte, Mann, und Peschi hat die sicherlich auch. Wir können da nicht mit einem x-beliebigen Menschlein ankommen, oder? Quatsch mit Soße!!“

Paul ließ sich davon nicht abbringen von seinem genialen Plan.

„Dann bringen wir eben den Kopf von einem Menschen, das so ähnlich aussieht wie der Piratenchef. Ist das was?!“ Er strahlte den Rest an. Man schien nicht begeistert zu sein, also rammte er Max den Ellbogen in die Seite, der aufjaulte und ihn böse ansah durch das Vergrößerungsglas direkt vor seinen Augen, das ihm den Anblick eines grotesken Frosches gab.

„Ist das was??!“, wiederholte er seine letzten Worte. Max nickte langsam. „Klar, super Idee...“, murmelte er und wandte sich wieder seinen Zahnrädchen zu.
 

Jette lächelte. Hans lachte. Nicole streichelte den Löwen.
 

„Wir haben keine andere Wahl.“, sagte Jette.

„Es ist 'n weiblicher Captain!“, krakeelte Hans.

„Soll ich das Opfer töten?“, fragte Nicole.
 

Okay. Das lief geschmeidiger, als Paul es sich hätte vorstellen können. Aber... jemanden umbringen, nur damit sie die Chance erhielten, noch mehr Leute umzubringen... bei den Regierenden war das etwas anderes, diese Menschen waren ja verantwortlich für das Leid vieler Milliarden von Menschen und wenn man sie nicht stoppen würde, würden sie immer so weiter machen – das war zumindest der Ansatz für einen Grund, sie aufzuhalten. Aber ein unschuldiger Mensch, der das Unglück hatte, der Piratenchefin zu ähneln – das war eine andere Sache.

Aber es war sein eigener Vorschlag gewesen, er konnte sich nicht aus der Verantwortung ziehen, und so, wie es aussah, würden die anderen die dreckige Arbeit erledigen.
 

„Sie kommt aus meiner Heimat, aber ich kenne sie nicht besonders gut.“, ergriff Jette wieder das Wort. „Große Augen, große Lippen, 'n hübsches Mädchen, und graublonde Haare...“ Sie wurde vom Licht unterbrochen, das urplötzlich verschwand und sie alle in Dunkelheit zurückließ. Max fuhr erschrocken auf, und fast wären alle Zahnrädchen weggekullert. Die restlichen Anwesenden ließen sich nicht beirren.

Hans sprach weiter. „Ich guck nach den Maschinen. Paulchen, Jette, Nick, ihr geht nach 'nem Opfer Ausschau halten. Maxi, du hältst Wache.“

„Aber ich kann nicht weiterbauen!“ Max' Stimme war nervös und er klang wie elektrisiert, als hinge sein Leben davon ab, dass er das rätselhafte Gerät fertig bauen musste.

„Was baust du da eigentlich?“, fragte Nicole.

Große Erklärungsnot. Maximilian konnte ihr nicht antworten und hob nur die Hand schützend um die Zahnräder. „Es wird auf jeden Fall toll!“, war das einzige, was seinen Lippen entwich.
 

Kurz darauf war das Schiff, im Präriesand hinter Hügeln versteckt, nur noch von zwei Menschen besetzt, einem Mechaniker, der sich um die Energieversorgung kümmerte, und einer Wache, die ihren Auftrag nicht allzu ernst nahm. Die beiden Frauen und Paul waren, in verhüllende Mäntel gekleidet, in einer Eisenbahn und saßen nebeneinander zu dritt in der Lok.

Als der Schaffner kam, reichte Jette ihm schweigend den Fahrpreis für drei Menschen und der Schaffner stieg in das nächste Abteil.

Die Stadt war so groß wie jede andere, und die Bahn lief auf dem Hohen Steg weit über der Stadt weiter, aber die drei Rebellen stiegen in einer verkommenen Vorstadt aus.

„Wir treffen uns in einer Stunde hier wieder.“ Nach diesen Worten Jettes auf dem Bahnhof war Nicole auch schon im Gedränge verschwunden. „Paul, …“ Er sah sie forschend an. „... pass auf dich auf.“

Irritiert blickte er ihr nach, dann war auch sie verschwunden und Paul Albrecht stand allein auf dem Bahnhof, inmitten Tausender anderer Menschen, die aus dem Zug stiegen oder in den nächsten Zug einstiegen. Es war voll, es war heiß, es war stickig.
 

Paul war wieder in einer Stadt. Er fühlte sich zuhause. Er hasste dieses Gefühl, und das erste, was er tat, war, sich eine dünne Zigarre anzuzünden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  FeuerSturm
2012-01-03T16:04:19+00:00 03.01.2012 17:04
gfybcnfhgfsgdycvbnhfgsfdvcbhngdsfdcvbad

(ja, das ist das Sinnvollste, was ich gerade rausbekomme)
Von:  pokingmadness
2012-01-03T13:58:13+00:00 03.01.2012 14:58
Ohooo sieh an!
Es wird spannend, ich will sofort weiterlesen was passiert da asddfbdsdg
PS: TOLLER SCHREIBSTIL


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