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Unique glance

von

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Calm rain

Wenn ich an meinen ersten Tag an der Oberschule zurückdenke, dann weiß ich noch, dass ich damals sehr enttäuscht war. Keiner den ich kannte ging in meine Klasse geschweige denn in meinen Jahrgang. Wenn ich ehrlich bin, kannte ich niemanden auf der Schule besser als nur vom sehen. Ich kannte einige Namen und wusste wer in meiner Nachbarschaft wohnte, aber da hörte es auch auf.

Damals hatte ich mir so fest vorgenommen Freunde zu finden, oder sogar eine feste Freundin. Nach einigen Wochen musste ich allerdings feststellen, dass alle sich prächtig verstanden und ich saß in der Mittagspause immer noch alleine. Ich war nicht der Typ der einfach zu andren ging, wenn sie nicht fragten, so blieb ich alleine.

Nach Weihnachten, als es wieder anfing wärmer zu werden, setzte ich mich in der Mittagspause auf das Schuldach. Von hier konnte man gut über das Gelände schauen. Der Swimmingpool war leer und auf dem Sportplatz war keine Menschenseele. Von dort hatte man auch einen super Ausblick auf den Schulgarten.

Ein schöner ruhiger Ort, an dem ich die Zeit vergaß. Hier wurde ich nicht durch kreischende, brüllende, lachende oder jammernde Schulkameraden darauf aufmerksam gemacht, dass jeder zumindest einen Freund hatte außer mir.

Ich fing an meine Mittagspause immer mehr zu genießen und an den meisten Tagen nahm ich mein Ipod mit in die Schule um auf dem Dach beim essen Musik zu hören.

Bald neigte sich mein erstes Schuljahr auf der Oberschule dem Ende zu, dann hatte ich es bis aufs Dach nicht mehr so weit, da wir nun ein Stockwerk höher Unterricht hatten.

An meinem Ersten Tag in Klasse 2-4 schien die Sonne, so freute ich mich umso mehr auf meinen Platz auf dem Dach. Doch als ich die Tür öffnete war etwas anderes. Ich war nicht alleine.

Da saß jemand auf dem Boden an das Geländer gelehnt. Er saß aus wie der typisch japanische Schüler, schwarze Haare und seine Krawatte in der Mittagspause locker. Aber er erschien mir auf den ersten Blick kräftiger als die meisten. Langsamen Schrittes ging ich wortlos an ihm vorbei zu dem Platz an dem ich normalerweise saß. Ich setzte mich, holte mein Essen aus meiner Tasche und machte meine Musik an. Dann fing ich an meine Reisbällchen zu essen. Genau wie letztes Jahr am ersten Tag und eigentlich jeden Montag, wieder nur Reisbällchen und keine anderen Beilagen oder gar Fleisch. Aber wen kümmerte das schon.

Als die Mittagspause vorbei war ertönte die Schulglocke. Ich sah wie der Kerl aufstand und zum Treppenhaus ging und ich tat es ihm gleich. Ob er wohl ein Erstsemester war? Er sah mir zu Alt aus um in Klasse 1 zu sein, aber dann musste er von einer Anderen Schule kommen, denn ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Aber ich konnte auch nicht jeden auf der Schule vom sehen kennen, dazu waren es zu viele Schüler. Wahrscheinlich war er mir bisher nur nicht aufgefallen.

Am nächsten Tag war er wieder auf dem Dach, und an den darauf folgenden Tagen ebenso, außer Freitag, aus welchen Gründen auch immer. So hatte ich die Dachterrasse wieder für mich. Ob ich da so froh drüber war, wusste ich nicht, denn auch wenn er nicht mit mir gesprochen hatte, war es angenehm, dass jemand da war.

Am darauffolgenden Montag erklomm ich erneut die Stufen in der Erwartung das er sicher nicht da sei, aber insgeheim hoffte ich, dass er es war. Das ging mir das ganz Wochenende nicht aus dem Kopf. An dem Montag ging ich die stufe schneller hoch als sonst. Als ich oben angekommen war öffnete ich die Türe und blinzelte.

Er war da.

Ich lächelte leicht und verkniff es mir sofort wieder. Dann ging ich langsamen Schrittes an ihm vorbei zu meinem Platz und setzte mich. Nachdem ich mein Essen ausgepackt hatte, Reisbällchen, und meine Musik angemacht hatte, schaute ich kurz zu ihm rüber. Aß er denn nie was in der Mittagspause? Er saß einfach immer nur da, seine Jacke offen und starrte ins Nichts. Er musste doch Hunger haben. Ob ich ihm was von mir anbieten sollte? Lieber nicht. Immerhin konnte er sich am Schulkiosk was kaufen wenn er wollte.

Sollte ich ihn denn wenigstens mal ansprechen? Vielleicht war er genauso einsam wie ich im Moment und konnte ein bisschen nette Gesellschaft vertragen? Aber er wollte sicher alleine sein, wieso sonst sollte er aufs Dach kommen.

Ich ließ es also blieben. Die ganze Woche sagte ich kein Wort, ebenso wie er. Wir saßen einfach nur da. Manchmal sah er zu mir rüber und ich versucht seinen Blick nicht zu lange zu erwidern.

So wie am Freitag zuvor war er auch an dem Freitag wieder nicht da. Ich fragte mich, was er freitags wohl macht in der Pause. Vielleicht sollte ich ihn mal fragen, das wäre ein guter Gesprächsansatz.

Als er aber am Montag wieder da war, traute ich mich nicht. Und das ging die ganze Woche so, ebenso wie die Woche darauf und die Woche darauf. Wir liefen uns sogar im Gebäude und auf dem Gelände vor der Schule manchmal über den Weg, aber ich war mir nicht sicher, ob er das genauso realisierte wie ich. Denn manchmal sah er mich nicht an. An anderen Tagen da fühlte ich mich allerdings von seinem Blick durchbohrt, zumindest einige Sekunden lang. Vielleicht schreckte mich seine coole Art auch einfach ab.

Bald wunde es Sommer und die Sommerferien standen bevor.

Und die ganzen Ferien ärgerte ich mich, dass ich ihn nicht angesprochen hatte, also nahm ich mir fest vor es nach den Ferien zu machen.

Aber ich tat nichts. Ich wusste nicht wie ich es anstellen sollte. Es schien so einfach und so doch so schwer für mich.

Ich dachte zu viel darüber nach, so viel das ich manchmal sogar nach dem Unterricht nochmal aufs Dach zurück ging. Ich saß dann Dort und dachte weiter nach.

An diesem Freitag schaute ich auf das Gelände runter. Vielleicht sah ich ihn ja dort irgendwo. Nirgends. Ich seufzte. Dann hörte ich einen Schrei. Der Fußballclub trainierte gerade. Ich sah wie die Nummer 12 der Nummer 4 aufhalf. Nummer 4 verbeugte sich leicht und die 12 winkte ab und klopfte ihm auf die Schulter. Diese Nummer 12 kam mir bekannt vor. Ob er das war? Ich war mir unsicher, also ging ich zum Sportplatz und schaute ein wenig zu. Und er war es tatsächlich. Als das Training aus war saß ich noch auf der Bank und schaute den Jungs zu wie sie sich unterhielten. Und es machte mich wieder traurig, dass ich so alleine war. Deswegen war ich so ungern in Gesellschaft meiner Mitschüler. Als ich den Kopf wieder hob sah ich wie die Nummer 12 auf mich zuging. Ich schluckte und sah ihn an. Nein, ich starrte ihn geradezu an. Das war eine blöde Idee von mir, und kaum das ich mich gefangen hatte stand ich auf und wollte gehen, als er schräg vor mir stehen blieb und mich ansah. Ich war wie gebannt und rührte mich keinen Zentimeter. Etwas vorsichtig sah ich ihn also wieder an. Vielleicht würde er etwas sagen. Er sah mich mit so einem komischen Blick an. Davon bekam ich fast eine Gänsehaut. Aber er sagte nichts zu mir.

Dann wurde er anscheinend gerufen, denn er antwortete mit einem lauten: „Ja?“ und drehte sich weg. Dann ging er mit den anderen Jungs zurück in die Umkleide.

Was hatte der Andere gerufen? Ich hatte nicht zugehört, so ein Mist.

Am Montag saß er wieder oben auf dem Dach. Wieso war er eigentlich immer vor mir da? Ob er vielleicht schon in Stufe 3 war, oder war ich einfach immer zu langsam?

Er starrte mich geradezu an, als ich zu meinem Platz ging. Aber er sagte nichts. Irgendwie machte mir das Angst. Aber wir sagten beide wieder nichts. Die ganze Woche.

Vom hören wusste ich das der Fußball Club immer Mittwochs und Freitags Training hat. Also ging ich Mittwoch und auch Freitag nach der Schule wieder aufs Dach und schaute ihnen zu. Eigentlich schaute ich eher nur ihm zu, aber ich wollte nicht wieder so von seinem Blicken durchbohrt werden, das machte mich nervös. Also schaute ihn ihnen von hier zu, so konnte er mich nicht sehen. Manchmal kam ich mir deswegen vor wie ein Stalker.

Wie er mit anderen lachte und schrie und von seinem Trainer wie jeder andere behandelt wurde. Er war so normal. So ganz anders als wenn er auf dem Dach saß und Löcher in die Luft starrte. Ich wollte ihn auch mal von nahem lachen sehen. Und je öfter ich ihm zusah, desto mehr steig der Wunsch in mir, dass ich ihn mal zu machen bringen könnte. Aber ich war kein besonders lustiger Zeitgenosse.
 

Bald wurde es Herbst und wir trugen wieder unsere schwarzen Uniformjacken.

An einem Montag im Oktober war ich mir sicher, dass ich ihn ansprechen würde. Wie erwartet saß er an derselben Stelle wie immer. Ich schluckte. Dann ging ich langsam auf ihn zu und setzte mich neben ihn. Ich holte meine Lunch box raus und öffnete sie. Etwas nervös sah ich zur Seite und nahm ein Reisbällchen aus meiner Box, doch bevor ich abbiss, drehte ich meinen Kopf ganz zu ihm.

„Magst du was abhaben?“, fragte ich leise und reichte ihm die Box.

Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und lehnte ihn an dem Geländer hinter sich. Er drehte den Kopf leicht zu mir und sah mich an.

„Wieso hast du jeden Montag nur Reisbällchen?“, fragte er mit seiner tiefen Stimme und ich schluckte wieder.

„Weil wir Montags erst einkaufen für die Woche.“ Ja so war das. Und Reis hatte man schließlich immer. Aber dass ihm das aufgefallen war, wunderte mich schon etwas. Ich dacht immer er nahm mich gar nicht so wahr.

Ich schaute kurz auf die Box und warf ihm einen auffordernden Blick zu. Ohne seinen Blick von mir abzuwenden nahm er ein Reisbällchen aus der Box und biss hinein. Dann drehte er den Kopf weg und kaute. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Dann fing auch ich an zu essen.

Wir schwiegen zwar wieder aber irgendwie gefiel es mir. Es war ein angenehmes Schweigen. Zumindest empfand ich es als solches.

Als die Schulglocke läutete standen wir beide auf.

„Bis morgen.“, sagte ich leise und drehte mich weg, um nach unten zu gehen. „Warte mal.“, hörte ich ihn hinter mir sagen, also drehte ich mich um. Er ging zwei Schritte auf mich zu und streckte seine Hand aus. Irgendwie wurde mir gerade ganz anders. Dann berührte er ganz leicht meine Wange und mein Herz schien gerade einen Aussetzer gemacht zu haben, denn als ich wieder zu mir kam hatte er seine Finger bereits an seinen Lippen. Ich hatte wohl ein Reiskorn an der Wange.

„…sonst lachen dich alle aus, weil du nicht essen kannst.“, sagte er und es schien mir als ob er lächelte. Dann ging er an mir vorbei nach unten.

Ich legte meine Hand auf meine Wange, welche er zuvor berührt hatte und macht mich auf ins Klassenzimmer.

Irgendwie konnte ich es kaum erwarten, dass er Dienstag auch wieder da war.

Ich setzte mich neben ihn und hörte nur mit einem Ohr Musik in der Hoffnung er würde etwas zu mir sagen. Und das tat er auch. Er fragte mich ob er mithören dürfte. Ich nickte und zusammen saßen wir da auf dem Dach im Frischen Herbstwind und lauschten Rockbands. Ebenso wie am Mittwoch und Donnerstag.

Am Montag teilte ich wieder meine Reisbällchen mit ihm und wir redeten ab und zu sogar miteinander. Wir redeten nie viel aber es tat gut.

Und wenn wir uns auf den Gängen sahen dann schaute er mich immer an, ebenso wie ich ihn. Aber keiner sagte etwas.
 

„Du bist morgen nicht da, nicht wahr.“, fragte ich ihn am Donnerstag darauf und er nickte.

„Darf ich fragen wieso?“

Wieder nickte er.

Dann seufzte ich lautlos und fragte: „Wieso bist du Freitags nie da?“

Er legte den Kopf wieder in den Nacken, lehnte ihn an die Eisenstange hinter sich und sah mich an.

„Da esse ich mit Kaorin.“

Kaorin? Ein Mädchen. Ob das seine Freundin war? Etwas perplex schaute ich ihn an. „I-ist sie…“

„Meine Freundin, ja.“, unterbrach er mich.

Ich schluckte. Irgendwie fühlte ich mich gerade ganz komisch. Er hatte eine Freundin.

Mir war nicht bewusst, dass mich das gar störte, deswegen ließ ich mir auch nichts anmerken.
 

Zwei Monate darauf, als wir wieder dort saßen und Musik hörten fing es an immer seltsamer zu werden. Wir hatten die Kopfhörer beide im äußeren Ohr damit wir uns Unterhalten konnten, und saßen so dementsprechend nah beieinander. Seine Gegenwart machte mich etwas nervös.

Er lehnte dort und drehte den Kopf zu mir. „Was ist das?“

„Der Song?! Das der Soundtrack zu meinem Lieblingsfilm.“

Er nickte und schaute wieder nach oben. Mein Blick allerdings, blieb auf ihm.

Dann sah er mich wieder, mit seinem leicht in meine Richtung geneigtem Kopf, an. Er sah mir tief in die Augen und hatte so einen scharfen Blick, als ob er Tiger seine Beute anstarrte.

„Braune Haare würden dir gut stehen.“

Mein Mund öffnete sich einen Spalt aber ich musste mich erst fassen. „B-braune Haare?“

Wieder nickte er. „Ja, helles braun. Du solltest sie dir Färben.“

Ich schluckte. „W-wie kommst du auf so etwas?“

Leicht zuckte er mit den Schultern und auf seine Lippen legte sich ein sanftes Lächeln. Ich schaute ihm tief in die Augen und leckte mir kaum merklich über meine trockenen Lippen. „Okay… Vielleicht färbe ich sie mir.“

Sein Lächeln wurde breiter und wieder nickte er. Dann sah er wieder weg.

Am selben Tag noch ging ich in einen Laden um mir Färbung zu kaufen.

Ich beschloss es Freitagabend zu machen. Ich wusste nicht, warum mir so viel daran lag es zu tun, nur weil er es gesagt hatte. Und ob mir helles Braun wirklich stand?

Aber wenn er mich nochmal so anlächeln würde, wenn ich meine Haare seinetwegen färbe, dann wollte ich es umso mehr.

Leider musste ich das ganze Wochenende ausharren bis ich ihn wiedersah.

Am Montag hielt ich überall nach ihm Ausschau, schon auf dem Schulhof vor der Schule und in den Gängen. Aber ich sah ihn nirgends. Dann musste ich wohl bis zur Mittagspause warten.

Als ich oben ankam saß er, wie erwartet, an seinem Platz. Ich setzte mich wie immer neben ihn und schaute ihn abwartend an. Er hob den Kopf sah mich an und lächelte.

Ich musste ebenfalls lächeln.

Er nahm eine Haarsträhne von mir zwischen zwei Finger und sagte leise: „Das sieht toll aus.“

„Danke.“, erwiderte ich leise. Ich hatte gehofft, dass es ihm gefällt.

Nachdem wir meine Reisbällchen gegessen hatten, saßen wir aber nur wieder Musik hörend nebeneinander.

Ich hatte den Kopf nach links geneigt, konnte ihn also nicht sehen, weil er immer rechts von mir saß. Irgendwann spürte ich eine Warme hat auf meinem Fingern. Langsam drehte ich den Kopf, um zu sehen was er tat. Er suchte ein Song auf meinem Ipod, der sich liegend in meiner Hand befand. Es war schön seine warme, starke Hand an meiner zu spüren.

Ich versuchte ihn nicht anzusehen, um ihm nicht zu zeigen, dass es mir gefiel und das er mich nervös machte.

„Ganz kalt.“, sagte er leise und drückte meine Hand kurz. „Steck sie dir lieber in die Taschen.“

Zögerlich nickte ich und tat was er sagte.
 

Der Januar war kalt und dann war Februar. Der Himmel war grau und dieses Jahr fiel kein Schnee.

Trotzallem genoss ich jeden Tag, wenn ich mit ihm zusammen war. Auch wenn es nie von langer Dauer war. Aber diese kleinen Momente in denen sich unsere Blicke trafen…

Es war als wäre ich in einer anderen Welt.

An diesem Gewöhnlichen Tag im Februar, fiel mir auf, dass meine Haare lang geworden waren. Und um etwas Smalltalk zu führen sagte ich Amano-sempai, dass ich sie mir schneiden lassen wollte.

Er schüttelte nur den Kopf. „Ich mag deine Haare wenn sie lang sind. Aber du solltest sie dir wieder färben.“ Dann legte er eine Hand auf meinen Kopf und streichelte mir durch die Haare. „Du hast einen Ansatz.“ Er ließ seine Hand sinken und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.

Dann sah er mich wieder mit diesem Blick an. Er öffnete seine Lippen einen Spalt und ließ zwei seiner Finger an meiner Wange herunter gleiten. Es fühlte sich an wie Feuer auf meiner Haut.

Dann nahm er seine Hand zurück und lächelte wieder.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich hatte Schwierigkeiten ruhig zu atmen.
 

Kurz darauf begann der März. Meine letzen Wochen als Schüler von Klasse 2-4. Die Frühjahrsmüdigkeit machte sich, wie bei allen anderen, auch bei mir breit.

An einem Donnerstag hatte ich kein Mittagessen dabei und war dementsprechend noch müder. Ich gähnte ein paar Mal.

Der Schwarzhaarige neben mir lächelte und legte eine Hand an meinem Kopf. Er drückte ihn herunter und platzierte ihn auf seiner Schulter.

Meine Welt stand still. Meine Hände krallten sich leicht in meine Hose. Ich wagte es nicht mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Er roch so wunderbar gut.

Ich hätte für Immer dort an ihn gelehnt sitzen können. Leider ertönte viel zu schnell die Schulglocke. Ich wollte meinen Kopf nicht heben, aber ich musste, also tat ich es.

Ich sah ihn etwas verklärt an. Er erwiderte meinen Blick lächelnd und legte eine Hand wieder auf meinen Kopf. Er streichelte mir durch die Haare und ließ seine Hand über meinen Hinterkopf bis zu meinem Nacken wandern. Kurz verweilte er so und ich war mir sicher, dass er meinen Herzschlag an meinem Hals spüren konnte. Wieder blieb die Welt für mich stehen.

Doch dann ließ er von mir ab, stand auf und verschwand ohne ein Wort zu mir zu sagen.

Ich schaute ihm stumm hinterher und brauchte einen Moment bis ich mich wieder fassen konnte. Zum Unterricht kam ich zu spät.

Und nun konnte ich ihn nicht sehen bis Montag. Aber ich musste. Also ging ich Freitag nach der Schule wieder aufs Dach um ihm beim Fußball spielen zuzusehen. Ich klammerte mich an die Stangen des Geländers und schaute auf ihn herab. Bis das Training vorbei war und noch länger starrte ich auf den Sportplatz. Bis mir bewusst wurde, dass es bald vorbei war. Er war eine Stufe höher als ich, das hatte ich in einem unserer Gespräche erfahren. Er würde bald von der Schule gehen und mich zurück lassen. Das machte mich traurig, denn wir würden uns sicher nie wieder sehen. Das hatte ich im Gefühl. Zudem wollte ich nicht mehr die Mittagspause alleine verbringen.

Aber ich hatte einen Freund gefunden, und Freunde vergessen niemals, auch wenn sie sich nicht sehen. Hoffentlich dachte er genauso über mich.

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. „Es regnet gleich, geh lieber rein.“

Diese Stimme.

Langsam drehte ich mich um und sah in sein Gesicht.

„W-was machst du hier oben?“, fragte ich leise.

„Ich hab vergessen dir etwas wichtiges zu sagen.“, lächelte er.

„Aber woher…“, begann ich, konnte aber nicht weiter sprechen. Woher wusste er, dass ich hier oben war? Hatte er mich gesehen? Oder wusste er gar, dass ich ihm zusehe?

Sein Blick auf mir verschlug mir erneut den Atem.

Dann drückte er mich, mit seiner Hand auf meiner Schulter, ganz leicht gegen das Geländer und kam mir einen Schritt näher. Ich schluckte.

Er ließ von meiner Schulter ab und legte seine Hand wieder auf meinen Kopf und streichelte durch meine Haare. „Deine Haare sind Lang geworden. Das sieht toll aus.“, sagte er leise und kam mir wieder etwas näher.

Ich war von seiner Nähe so paralysiert, das ich es nicht wagte zu lächeln.

„Es sind noch 2 Wochen für dich?!“

Zögerlich nickte ich.

„Aber für mich ist es heute vorbei.“

Wie? Was meinte er damit? Ging er etwa jetzt schon?

„Was meinst du…?“, fragte ich leise.

„Heute war mein Letzter Tag an dieser Schule. Wir ziehen um.“

„U-und dein Zeugnis?“, fragte ich. Er musste doch an der Abschiedsfeier teilnehmen.

„Ich bekomme es geschickt. Es tut mir leid.“, sagte er leise und senkte den Blick leicht.

Mein Gesicht verzog sich und meine Augen wurden feucht. Ich weinte nicht, aber innerlich war ich zusammengebrochen. Er ging, einfach so. Wieso hatte er früher nichts gesagt. Ich dachte wir hätten noch zwei Wochen. Zwei Wochen in denen ich mich an den Gedanken gewöhnen könnte, ihn nicht mehr zu sehen. Aber so plötzlich und ein Umzug.

„Sei bitte nicht traurig.“, sagte er leise und lächelte.

„Aber…“, sagte ich und schluckte meinen Kloß in meinem Hals.

Seine Hand rutschte in meinen Nacken und er Zog mich näher zu sich. Einen Augenblick später spürte ich seine Lippen auf meinen. Ich riss die Augen auf und zog die Luft scharf ein.

Dann ließ ich meine Augen zufallen und erwiderte den sanften Druck seiner Lippen auf meinen. In dem Moment verlor ich all meine Zurückhaltung, meine Höflichkeit, meine Zweifel und zuletzt verlor ich mich an ihm. Mein Herz Hämmerte wie Wild in meiner Brust und mein Atem hing flach in dem Kuss. In mir drin schien sich alles aufzulösen, und ich wollte nur noch dahin schmelzen. Ich legte meine Hände auf seine Brust und krallte sie in sein Hemd. Ich brauchte halt.

Eine Gefühlte Ewigkeit standen wir dort, bis der Regen auf uns niederprasselte. Aber es war mir egal.

Bis er den Kuss löste und mir in die Augen sah: „Geh lieber nach Hause, du hast noch nichts gegessen.“

Mir war unklar wie er sowas sagen konnte, nachdem…

Noch immer lagen meine Hände auf seiner Brust und als er seine aus meinem Nacken zog, hatte ich das Gefühl ich zu verlieren. Also krallte ich mich fester an sein Hemd.

In meinem Kopf schwirrten so viele Sachen die ich ihm sagen wollte.

Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Wann sehen wir uns wieder? Ich will nicht, dass du gehst. Warum musst du umziehen und wohin? Können wir in Kontakt bleiben?

Aber nichts davon brachte ich über meine Lippen. Ich schüttete nur leicht den Kopf.

Der Regen durchnässte unsere Haare, ebenso wie unsere Kleidung. Uns hingen tropfende Strähnen im Gesicht. Aber die Hitze in mir wurde davon nicht abgekühlt.

„Bitte färb dir deine Haare weiter.“, sagte er lächelnd und legte seine Hände auf meine. Ich ließ locker und er ließ unsere Hände sinken.

Ich sah nach unten und kniff meine Augen zusammen.

„Lächelst du nochmal für mich, ja?! Wir sehen uns sicher bald wieder.“

Ich hob meinen Kopf und versuchte es. Ich versuchte es wirklich. Aber ich konnte nicht.

„Wann?“

„Sicher ganz bald.“

Er legte seine Hand nun auf meine Wange und streichelte mit seinem Daumen über meine Lippen.

Wie sehr ich mir wünschte ihn nochmal zu küssen. Ich wollte ihm im Arm halten, ihn bei mir wissen. Dann ließ er endgültig von mir ab, lächelte ein letztes Mal, drehte sich um und ging. Er ließ mich im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Ich wollte ihn festhalten, aber er war schon zu weit weg. Ich wollte ihn rufen, aber er würde mich sicher nicht hören.

Der Regen wurde immer heftiger und nun riss ich mich zusammen und rannte durch das Treppenhaus. Überall wo ich ihn vermutete, dort rannte ich ihn. Mir war es egal, dass die Lehrer mir nachriefen. Mir war alles egal, solange er nur nicht ging. Ich konnte ihn aber nirgends finden. Er war also tatsächlich weg.

Auf dem Heimweg prasselte der Regen auf mich hinab. Und wieder schwirrten mir zu viele Fragen durch den Kopf.

Wieso war er aufgetaucht, und hatte mein Leben durcheinander gebracht? Was bedeutete es ihm? War das nur ein Spiel für ihn? Er hat mich immer näher zu sich gezogen, trotz seiner Freundin, und am Ende hatte er mich geküsst. Aber warum gerade jetzt? Warum ausgerechnet an dem Tag, der sein letzter an der Schule, und somit auch mit mir sein sollte? Wieso hatte er mir es nicht schon vorher gesagt?
 

Ich färbte mir weiterhin die Haare braun. Noch als ich auf die Uni ging und als ich heiratete, ganz wie er es wünschte. Aber er sagte er wollte mich lächeln sehen, und diesen Wunsch konnte ich ihm nicht erfüllen. Und es tat mir so leid. Ich höre noch seine Stimme in meinem Ohr, spüre seinen Atem, seine Lippen und atme seinen Geruch ein. Ich habe mich noch nie so sehr nach jemandem gesehnt.

Es tat so unsagbar weh einfach von ihm alleine gelassen zu werden. Aber noch viel schlimmer als das, war das ich gern auch noch etwas gesagt hätte und dann hätte ich ihn angelächelt.

Ich hatte versucht die Geschichte von damals zu verdrängen. Aber wenn es regnete, wie Heute, konnte ich nicht anders. Sobald es anfing blieb ich stehen und schaute nach oben.

Ob es bei ihm jetzt auch regnete?

Ich seufzte kurz. Dann schaute ich nach vorne und wollte mich weiter auf den Weg nach Hause machen, meine Tochter hatte heute Geburtstag, da wollte ich nicht zu spät kommen.

Doch ich konnte nicht. Ich spürte etwas, als ob mich jemand beobachten würde.

In Entfernung konnte ich jemanden sehen. Einen Mann in etwa meinem Alter schaute in meine Richtung. Er schien mich mit seinen Blicken zu durchbohren. Wie er damals.

Dann lächelte er leicht und nickte.

Mein Herz setzte kurz aus, aber ich erwiderte sein Lächeln sanft. Bis die Menschenmasse und die Schaar aus Schirmen ihn vor mir versteckten, sah ich in diese Richtung, bis er verschwunden war.

Dann setzte ich meinen Weg fort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2011-02-12T23:56:42+00:00 13.02.2011 00:56
Ich bin ein wenig sprachlos, weil es so angenehm herzschmerzmäßig war.
So tief, aber trotzdem so sanft.
Es ist einfach... sehr sehr schön und vorsichtig aber bewusst geschrieben.
Die Tiefe greift einen und reißt einen mit und am Ende war ich traurig.
Es wäre so schön gewesen, wenn sie einander wieder gefunden hätten. Vielleicht im nächsten Leben.
*Ihm nochmal die Haare färb*
Von:  Kanoe
2011-01-14T07:12:32+00:00 14.01.2011 08:12
traurig aber ein schöne geschichte
Von:  Sero-Iori
2010-11-26T21:02:52+00:00 26.11.2010 22:02
die ff ist wirklich schon
ein sehr schöner schreibstil *___*
also wirklich
total liebe

bin richtig sprachlos ^^
weiter so
Von:  Mado-chan
2010-11-21T20:14:19+00:00 21.11.2010 21:14
Das ist einfach nur schön.
Es ist ncihtmal übermäßig kitschig.
Ich find es einfach nur schön und entspannend so etwas zu lesen.
Besonders, da die Charaktere nicht übermäßig an jemanden erinnern.
Ich mein ich hab nicht auf das Pairring geachtet und bis auf die eine Erwähnung von amano nicht mal daran gedacht das es jemand von alice sein könnte.
DAS find ihc besonders schön.
Einem wird nicht eine bestimmte Vorstellung von Charakter aufgezwungen.

LG
Mado
Von: abgemeldet
2010-11-15T17:54:11+00:00 15.11.2010 18:54
Ich hab noch nie so mitgefiebert bei einer ff >__<
Und .. das ist Liiiieebe! *____* So muss Liebe sein und nicht anders >< (wenn wir mal den umzug und andere umstände weglassen XD)
Hase bin ganz stolz auf dich, ^-^ *chuuuu~~~*
Von:  Oberchecka_Dai
2010-11-14T17:28:19+00:00 14.11.2010 18:28
das hast du wundervoll gemacht,kleines...ich bin sehr,sehr stolz auf dich...♥
Von:  Ibogaeru
2010-11-14T15:33:19+00:00 14.11.2010 16:33
T_______________T
Das ist sehr schön (traurig)! Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, das zu lesen!
Auch wenn es kein Happy End gibt. Aber die Story ist auch ohne Happy End sehr schön!
Bin von dir so was Kitschiges gar nicht gewöhnt! Solltest du aber öfter mal probieren, kannst du nämlich auch ganz, ganz toll!!!
Auch wenn deine Leser dann wahrscheinlich eine Vorratspackung Taschentücher verbrauchen müssen...
Chu~
<3
Von: abgemeldet
2010-11-14T14:58:37+00:00 14.11.2010 15:58
Oh mein Gott. Ich hab Pipi in den Augen. Das war so schön TwT -schnief-
Zum Ende hin habe ich nicht gemerkt, wie sich die Tränen in meinen Augen gesammelt haben. Und dann liefen die Tränen. Nein, das war cht schön. Das Ende ist einfach nur... Hach, pure Liebe~~~ Ich konnte mir richtig vorstellen, wie Tora da stand und gelächelt hat, Saga hat's erwidert... TwT Und dann die Regenschirme... Ja, so muss das geschrieben werden!
Obwohl die beiden nicht zusammenkommen, ist man nicht traurig. Man ist glücklich. KA wieso <3
Dein Schreibstil ist so einfach zu lesen, so flüssig und einfach nur atemberaubend. Wenn du die Monate beschrieben hast, merkte man richtig, wie die Zeit dahinflog...
Ich danke dir, dass du meinen Tag erhellt hast. <333333


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