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Kurzgeschichten
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Living Dead

13. November 2010
 

Living Dead
 

Schon wieder klingelt mein Telefon, und ich weiß genau, wer am anderen Ende auf mich wartet. Gedankenverloren nehme ich den Hörer ab und melde mich knapp mit: „Umi desu…“ Tatsächlich bist du es, der mir irgendetwas Unverständliches ins Ohr brabbelt. „Ich bin gleich da.“, sage ich nur knapp und lege wieder auf. Was hast du wieder angestellt? Ich dachte mit Alkohol und Koks wärst du schon durch. Aber es scheint mal wieder schlimmer geworden zu sein. Weißt du nicht mehr, was du alles auf dich nehmen musstest, um den Entzug zu schaffen? Schon fast wütend knalle ich meine Tür zu und mache mich auf den Weg zu dir. An all dem ist doch sowieso nur Ruki schuld. Warum musste er dir so wehtun? Wäre Ruki nicht gewesen, hätten zwei weniger gelitten.
 

Nach einer guten halben Stunde betrete ich deine Wohnung. Der Geruch von Alkohol steigt mir schon hier in die Nase. Ich ziehe meine Schuhe und meine Jacke aus und gehe zu dir ins Wohnzimmer. Der Fernseher ist auf stumm geschaltet und du scheinst zu schlafen. Ich schalte das Gerät ab und setze mich neben die Couch. Das Szenario, welches sich mir auf dem Tisch bietet, lässt nichts Gutes erahnen. Zwei leere Weinfalschen und eine angefangene Whiskyflasche und nicht zu vergessen weiße Pulverreste, überall auf dem Tisch. Ich raufe mir leicht die Harre. Soll das denn wirklich wieder alles von vorne anfangen? „Umi, mir ist schlecht.“, höre ich auf einmal ein leises Flüstern hinter mir. „Das kann ich mir vorstellen.“, meine ich darauf nur knapp. Langsam stehe ich wieder auf und helfe dir von der Couch. Wie immer schleppe ich dich ins Bad und kümmere mich um dich und nicht der, der eigentlich schuld ist. Das macht mich wütend, aber was soll ich machen? Ich kann dich schlecht alleine hier sitzen lassen. Wer weiß, was du dann noch alles anstellst. Außerdem kann ich mich nicht mal dagegen wehren, den direkten Drang zu haben, dir zu helfen.

Nachdem du dich erfolgreich über der Toilette erleichtert hast, bringe ich dich direkt ins Schlafzimmer. Wenn wir ins Wohnzimmer gehen würden, würdest du nur wieder auf die Idee kommen noch was zu trinken. Ich kenn dich ja. „Danke Umi.“, murmelst du leise und siehst mich dabei schuldbewusst an. „Schon gut. Du weißt ja, dass du mich immer anrufen kannst. Aber das mit dem Alkohol und den Drogen muss aufhören Aoi. Das Zeug wird dich kaputt machen.“ Du schließt deine Augen, rollst dich leicht zusammen. „Ich geh an was ganz anderem kaputt. Das Zeug ist nur Mittel zum Zweck, damit es schneller geht.“ Nach diesem Satz treibt es mir wieder die Wut hoch. Ich hole mit meiner Hand aus und verpasse dir eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat. Vollkommen entsetzt siehst du mich an. „Hör endlich auf damit! Das ist er doch gar nicht wert! Er benutzt dich doch nur, um sein Ego zu puschen, schnallst du das nicht? Es gibt andere, die wahre Gefühle für dich haben und dich nicht so verletzen würden!“, sprudelt es auf einmal aus mir heraus. Aber schon im nächsten Moment, weiche ich erschrocken zurück. Ich merke, wie mein Gesicht feucht wird. Nein, nicht ausgerechnet jetzt. „Ich muss los.“, meine ich nur noch hastig und verlasse schnell dein Schlafzimmer.
 

Zu Hause angekommen, sinke ich gleich auf die Knie. Habe ich mich jetzt verraten? Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und schüttle den Kopf. Nein, in deinem Zustand hast du das hoffentlich nicht geschnallt. Schnell wische ich mir über die Augen, denn meine Tränen sind den ganzen Weg über nicht versiegt. Ich führ mich schon echt lächerlich auf. Ich finde wieder auf meine Füße zurück, die mich gleich in die Küche tragen. Ein Tee zur Beruhigung ist jetzt sicher das Richtige. Meinem Gewissen sollte ich dabei besser verschweigen, dass es dazu auch noch zwei Beruhigungspillen sein müssen.

Mit dem Tee gehe ich in mein Schlafzimmer und kuschle mich in die Decke. Mir fällt sofort auf, dass mein Handy ziemlich nervös vor sich hin blinkt. Ich nehme es in die Hand, in der Hoffnung, dass es bloß nicht von dir ist. Zum Glück werde ich nicht enttäuscht, die SMS ist von Tomo. Er beschwert sich in letzter Zeit immer öfter, dass ich kaum noch Zeit für ihn habe und er hat ja auch Recht. Das Einzige, was mir noch im Kopf rum spukt, bist du. Tomo will wissen, wann wir uns mal wieder treffen können. Ich denke kurz nach. Vielleicht ist das die Ablenkung, die ich brauche. Sofort schreibe ich ihm zurück, dass ich Morgen Zeit habe und wir uns in der Stadt treffen.

Jetzt trinke ich erst einmal meinen Tee aus und lege mich dann schlafen. Ein bisschen Ruhe kann ich jetzt sicher gebrauchen.
 

Am nächsten Tag wache ich erst kurz vor Mittag auf. Aber das ist ja nicht so schlimm. Ich bin sowieso erst am Nachmittag mit Tomo verabredet. Ich hieve mich schwerfällig aus dem Bett und gehe ins Bad. Schnell mache ich mich fertig und schminke mich auch entsprechend. Tomo soll nicht auffallen, das irgendwas mit mir nicht stimmt. Dass ich mich durch mein auffälliges Stylen direkt verraten könnte, fällt mir im Moment nicht auf.

Ich mache mich rechtzeitig auf den Weg in die Stadt. Tomo wartet auch schon auf mich. Wir begrüßen uns und er sieht mich gleich misstrauisch an. „Ist was?“, frage ich sofort verwirrt. Weiter sieht er mich prüfend an, bis er meint: „Seit wann, stylst du dich denn so, von oben bis unten, nur weil wir in die Stadt gehen. Das kenn ich gar nicht von dir.“ Jetzt muss ich mir was einfallen lassen. Was sage ich ihm? Ich zucke leicht mit den Schultern und meine nur: „Ich hatte eben Lust dazu. Traust du dich jetzt mit mir so nicht mehr raus, oder wie?“ Er rollt leicht mit den Augen. „Doch schon, aber es ist eben ungewöhnlich.“
 

Zusammen setzen wir uns in ein kleines Café. Ich weiß nicht so recht, was ich nehmen soll. Wie ich Tomo kenne, sollte ich mir lieber sowieso nicht so viel bestellen, damit mein Geld noch für seine Bestellung mit reicht. Er lässt sich ja so gerne einladen, auch wenn man das meistens erst kurz vorm Zahlen gesagt bekommt. Wie immer kommt es zum Schluss zum obligatorischen Kaffee. Wir erzählen ziemlich lange. Seit unsere Band Pause macht, sehen wir uns auch nicht so oft. Wir haben beschlossen, erst einmal ein bisschen Kraft für uns zu schöpfen und dann wieder in aller Frische durchzustarten. Aber von Krafttanken, kann man bei mir wohl nicht reden. „Hast du was von den anderen gehört?“ Tomo nickt leicht. „Ja. Die sind irgendwie alle dabei ihre Wohnung zu renovieren. Sie meinten, nach dem Unfall muss sich irgendwas ändern.“ Tomo schüttelt verständnislos den Kopf. „Also wenn mir meine Wohnung nicht mehr passt, zieh ich um. Den Stress geb ich mir nicht.“ Ich muss leicht schmunzeln. Das ist echt typisch für unseren Sänger. „Umziehen macht viel mehr Stress, als mal ein bisschen Farbe an die Wand zu klatschen.“, gebe ich zurück. „Nicht, wenn man sich alles machen lässt.“, kontert er geschickt. „Ja, wie beim letzten Mal. Wir haben deine Sachen geschleppt und du hast nur Anweisungen gegeben.“ Tomo beginnt leicht zu Grinsen. „Einer muss ja den Überblick behalten. Und mit meinem Schrank wart ihr echt nicht sanft. Der hat gelitten, ganz schrecklich.“ Tomo sieht mich Schnute ziehend an. Ich rolle leicht genervt mit den Augen und trinke einen Schluck. „Hättest du ihn mal lieber selbst getragen. Dann wär sicher nichts passiert.“, meine ich nur knapp, bevor mir die nächsten Worte im Hals stecken bleiben. Du kommst direkt auf das Café zu. Ich will meinen Augen nicht recht trauen. Du schwankst bedächtig hin und her. Was willst du jetzt hier? Auf einmal fällt es mir schlagartig ein. Deine Wohnung befindet sich direkt gegenüber.
 

Du stürmst in das Café, kommst direkt auf mich zu. Tomo kann uns nur verwirrt hinterher blicken, als du mich mit zu den Toiletten schleifst. Dort drückst du mich an eine Wand uns siehst mich direkt an. „Aoi, was soll das? Lass mich los!“ Ich versuche mich aus deinem Griff zu winden, aber es will mir nicht recht gelingen. „Was sollte das Gestern?“, höre ich nur gereizt aus deinem Mund kommen. Wieso bist du so sauer? „Was sollte was?“, frage ich zaghaft nach. „Du weißt genau, was ich meine! Ich will nie wieder hören, dass du Ruki so schlecht machst, hast du mich verstanden?“ Ich sehe dich entsetzt an. Hab ich das eben richtig verstanden? Jetzt bin ich, bei der ganzen Sache, der Buhmann? Wieder windet ich mich, wende diesmal auch mehr Kraft an. Ich weiche ein paar Schritte von dir zurück. „Wie du meinst. Aber such dir nen anderen Trottel, der dich trösten muss, wenns dir wegen ihm beschissen geht!“, knalle ich dir wütend an den Kopf. Schnell verlasse ich die Toilette und auch gleich das Café. An den vollkommen verwirrten Tomo, denke ich im Moment nicht.
 

Zwei Stunden später habe ich es immer noch nicht geschafft, meine Tränen zu stoppen. Was sollte das vorhin? Wieso bin ich jetzt der, der alles falsch macht? Ruki tut dir noch viel schlimmere Sachen an und ihn verteidigst du auch noch. Das begreif ich einfach nicht.

Wegen dir sehe ich jetzt total beschissen aus. Ich habe es vorhin nur noch geschafft, meine Kontaktlinsen zu entfernen. Jetzt bin ich total verschmiert. So kann ich auch in nem Horrorstreifen mitspielen. War vielleicht doch keine so gute Idee, sich ausgerechnet Heute so auf zu stylen. Aber konnte ja auch Niemand ahnen, dass du so was abziehst. Wer hat sich denn die ganze letzte Zeit den Arsch für dich aufgerissen? Bestimmt nicht Ruki! Wut steigt langsam in mir hoch und fängt an zu kochen. Wut auf euren Sänger, aber besonders auf mich selbst. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich verspüre auf einmal den Drang diese Wut so schnell wie möglich loszuwerden. Deswegen stehe ich auf und werfe alles auf den Boden, was mir in den Weg kommt. Leider ist unter diesen Sachen auch mein Fernseher, was mir aber im Moment reichlich egal ist. Als ich im Wohnzimmer fertig bin, steure ich zielsicher das Bad an. Was mir der Spiegel da zeigt, lässt mich entsetzt die Luft anhalten. „Das ist alles deine Schuld!“, brülle ich den Spiegel aufgebracht an. Schon im nächsten Moment landet meine Faust darin, was mich schmerzerfüllt auf keuchen lässt. Der Spiegel ist im Eimer und wie es aussieht meine Hand auch. Sie schmerzt höllisch. Ich sehe sie mir an und versuche vorsichtig meine Finger zu bewegen. Zum Glück scheint nichts gebrochen zu sein. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Ich brauche meine Beweglichkeit in den Fingern immerhin, um Gitarre zu spielen. Das jagt mir auf einmal einen Schauer über den Rücken. Mir wird schlagartig klar, was ich eben alles aufs Spiel gesetzt habe. Erstarrt lasse ich mich auf den Boden sinken.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich einfach da gesessen habe und vor mich hin gestarrt habe. Aber die Polizei, die plötzlich in meiner Badezimmertür steht, lässt mich ahnen, dass es sehr lange gewesen sein muss. Angsterfüllt kommt Tomo auf mich zugestürzt. „Mann, was ziehst du denn hier für ne Scheiße ab Umi? Ich hab mir total die Sorgen gemacht!“ Ich sehe ihn an, bekomme jedoch nicht mehr als ein Schulterzucken zusammen. Die Polizisten erkundigen sich nach meinem Befinden und fragen mich, ob sie einen Krankenwagen rufen sollen. Ich sehe sie verwirrt an und schüttle nur leicht mit dem Kopf. Was will ich denn mit nem Krankenwagen? Da fällt mir meine Hand wieder ein. Ich sehe nach unten und stelle fest, dass sie total mit Blut verschmiert ist. Wieder versuche ich, sie zu bewegen, was auch gut gelingt. Auf das erneute Nachfragen der Polizei, schüttle ich wieder nur mit dem Kopf und lasse mir von Tomo langsam auf helfen.
 

Ein bisschen verpeilt sitzen wir beide kurz darauf in meiner Küche. Immer wieder fragt Tomo mich was los war, bekommt dafür aber immer nur ein Kopfschütteln von mir. Bis er auf einmal auf mich zukommt und mich leicht am Kragen packt. „Spucks endlich aus!“, meint er leicht aufgebracht. Ich kann die Sorge in seinen Augen sehen. Leicht muss ich seufzen. „Wenn ich es dir sage, zeigst du mir sowieso nur nen Vogel.“, murmle ich leise und sehe Tomo an. Dieser schüttelt nur leicht mit dem Kopf, lässt mich auch noch nicht los. Ich senke meinen Blick. Wahrscheinlich hat es keinen Sinn mehr zu schweigen. Tomo wird sowieso nicht gehen, bevor er den Grund kennt.

Ich hole tief Luft und erzähle ihm dann alles, kann es nicht verhindern, dass mir dabei wieder die Tränen kommen. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ich will nicht, dass Tomo mich so sieht. Er nimmt mich leicht in den Arm und fährt mir mit der Hand über den Rücken. „Vergiss ihn Umi. Der ist es doch gar nicht wert, dass du dir hier so ne Platte machst.“, meint er nur leise. Ich senke meinen Blick, lehne mich dabei leicht an Tomo. „Ich…ich kann nicht Tomo. Ich werd ihn nie vergessen.“ Langsam stehe ich auf und gehe in Richtung Schlafzimmer. Ich brauche Ruhe. Bei jeder Bewegung habe ich Angst, mein Kopf könnte platzen. Ich bin mir sicher, dass Tomo das verstehen wird.
 

Ein paar Tage später kann ich mich dazu aufraffen mit Tomo und den anderen mal wieder in die Stadt zu gehen.

Als Tomo damals gegangen war, hatte ich gleich eine SMS von Aoi erhalten. Er meinte, er wolle es noch mal mit Ruki versuchen und würde mich nicht mehr belästigen. Die SMS hatte dafür gesorgt, dass meine Müdigkeit wie weggeblasen war. Ich habe die ganze Nacht nur geweint.

Aber mittlerweile habe ich begriffen, dass es nichts bringt, wenn ich mich deswegen fertigmache. Vielleicht kommt ja irgendwann der Tag, an dem ich mein Herz für jemand anderen öffnen kann. Jetzt konzentriere ich mich erst einmal auf meine Arbeit und meine Freunde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  yuura
2012-01-31T22:58:26+00:00 31.01.2012 23:58
und die dritte an diesem abend xDD
also nun ja wie aya schon meinte liebe macht vlind
obwohl mir umi wahnsinnig leid tut >.<
wie kann aoi auch so unmenschlich blöde sein das geht ja auf keine kuhhaut >.<
du hast zwar diesmal in der ich erzählweise geschrieben aber es passt wunderbar und gut geschrieben ist es auch
tomo ist ein klasse freund und däumchen hoch dass er dazwischen gegangen ist...
ich hoffe dass umi noch wen findet und das aoi nochmal richtig auf die schnauze fällt XD
war sehr schön^^
yui~
Von: abgemeldet
2011-06-13T22:59:11+00:00 14.06.2011 00:59
bei diesem Kapitel kommt mir ein Spruch in den Sinn...
>Liebe macht blind<
das gilt für Aoi genau so, wie für Umi....
ein großes Lob an Tomo, der da zwischen gegangen ist und es
doch noch rechtzeitig bemerkt hat, dass was nicht mit Umi stimmt...
auch hier denke ich, wäre ein zusätzliches Kappi nicht verkehrt...
dann könnten wir nachlesen, ob es nun mit Aoi und Ruki funzt
und ob Umi seine Große Liebe finden wird...^__~


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